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Serafima Chala hat als Garderobiere bei Sabotage Films an „Ostsee für Sturköppe“ mitgewirkt. Als „eine lebenslange Erfahrung“ beschreibt sie die Arbeit im Team.  | Foto © Serafima Chala

Beim Pilotprojekt „Train to Work“ sollten Filmschaffende aus der Ukraine die Arbeitsweise an den hiesigen Filmsets kennenlernen – und hinterher ihre Erfahrungen schildern. 

Seit dem Überfall auf die Ukraine befinden sich auch viele Filmschaffende auf der Flucht. Um ihnen den Einstieg in die deutsche Film- und Fernsehbranche zu ermöglichen, hatte die ARD-Produktionstochter Degeto im Sommer das Pilotprojekt „Train to Work“ gestartet: Bis zu vier Wochen wirkten Ukrainer*innen bei Auftragsproduktionen mit, um die Arbeitsweise an den hiesigen Filmsets kennenzulernen. Die Idee zu „Train to Work“ hatte Nikolai Nikitin von der School of Film Advancement (Sofa). Für die kurzfristige Umsetzung sorgten das Branchennetzwerk Crew United und dessen Hilfsportal Filmmakers for Ukraine. Koordinator und begleitender Ansprechpartner der ukrainische Location Manager Denys Rudenko.

Eine Bitte gab’s an die Teilnehmer*innen: Sie sollten nach Drehschluss ihre Erfahrungen schildern. Unsere Reihe eröffnet Serafima Chala. Sie hat als Garderobiere bei Sabotage Films an „Ostsee für Sturköppe“ mitgearbeitet: 

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Caster wollen neue Gesichter entdecken, da ist sich Ali Bulgan sicher. „Es gibt ja so viele Schauspieler*innen – die kennen die gar nicht alle.“ Doch auch bei Initiativbewerbungen gebe es einiges zu beachten. | Foto © Joachim Gern

Anfang November startet bei Sky die neue Mystery-Serie „Souls“. Ali Bulgan ist dabei. Und auch sonst in mehreren Nebenrollen zu sehen. Dass es grade so gut läuft, liegt nicht an Talent und Glück allein – man muss sich auch selber kümmern, hat der Schauspieler gelernt. Und findet: Das geht prima.

Ali Bulgan, wir müssen Sie vermutlich noch vorstellen. Also ganz auf Anfang: Wie kamen Sie zur Schauspielerei?
Das war mir schon vor dem Abi klar: Ich wollte Schauspieler werden. Ich war damals auch ein recht talentierter Fußballer und sogar Chancen, da weiterzukommen. Aber irgendwann hatte ich das Gefühl, es reicht nicht, um Profi zu werden. 

Das klingt eher nach Plan B als nach dem großen Traum …
So hat sich mir die Frage nicht gestellt. Ich mochte immer beides. Als kleiner Junge, wir hatten ja nichts, habe ich mir Filme eingesaugt. Und dann nacherzählt, Szene für Szene, mit Freunden. So hat sich ein Faible für Filme entwickelt. Ich war dann an der Schule auch in der Theatergruppe und habe dann weitergemacht. Aber warum genau ich unbedingt spielen will, weiß ich nicht. Das müsste ich therapieren.

In der Regel führt der Weg dann an eine Schauspielschule.
Da habe ich auch vorgesprochen, an den drei großen. Soviel Selbstbewusstsein hatte ich. In Berlin hatten sie mich gleich wieder weggeschickt, drei Wochen später war ich in Bochum sogar in der Endrunde. Das ist auch schon skurril. Aber irgendwie hatte ich wieder das Gefühl: Das ist es nicht, was ich will. Ich wollte nie ans Theater, sondern Filme machen wie meine Helden. Es hat ja dann auch nicht geklappt mit dem Vorsprechen. Also sagte ich mir: Ich mache das jetzt einfach.  Weiterlesen

Jean-Luc Godard in seinem Film „Schütze deine Rechte“ (1987). Mit seinem Debüt brach er alle Regeln des Kinos und machte auch später, was er wollte. Mit 91 Jahren ist der Mitbegründer der Nouvelle Vague freiwillig aus dem Leben geschieden: „Er war nicht krank, er war erschöpft“. | Foto © J.L.G Films

Mit seinem Spielfilmdebüt hatte Jean-Luc Godard dem Kino eine neue Freiheit verliehen. Am Dienstag ist der Mitbegründer der Nouvelle Vague mit 91 Jahren verstorben.

Jean-Luc Godard ist tot. Der Filmemacher starb am Dienstag im Alter von 91 Jahren. Wie die Zeitung „Libération“ [auf Französisch] meldete, hatte er Sterbehilfe in Anspruch genommen: „Er war nicht krank, er war erschöpft.“ 

„Das Kino soll Trauer tragen!“ fordert Patrick Straumann in der „Neuen Zürcher Zeitung“. „Kein anderer Regisseur hat die filmische Sprache so radikal mit ihren eigenen Möglichkeiten und Grenzen konfrontiert. Seit seinen Anfängen als Mitgründer der avantgardistischen Bewegung Nouvelle Vague brach Godard alle nur erdenklichen stilistischen, grammatischen und dramaturgischen Regeln des Films. In einem sechs Jahrzehnte dauernden Werkprozess hat er einen zerklüfteten, von brillanten Intuitionen, ästhetischen Wüsten und Meisterwerken durchzogenen Filmkatalog aufgebaut, der weder auf Modellen beruht noch auf Nachfolge zählen kann. Weit über 100 Titel umfasst sein Filmverzeichnis.“ 

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„Wir müssen weiterhin Geschichten erzählen, denn unsere Stimme muss neben den anderen Stimmen gehört werden“, sagt die Regisseurin Marina Stepanksa. Der russische Angriffskrieg hat auch ihr Leben Sie ist eine von zehn ukrainischen Filmschaffenden, die mit dem diesjährigen „Kieser-Preis“ aisgezeichnet werden. | Screenshot

Die Hilfsplattform „Filmmakers for Ukraine“ wurde in Los Angeles mit dem „Kieser-Preis“. Das Preisgeld ging an Filmschaffende, deren Lebensumstände sich seit Ausbruch des Krieges radikal verändert haben. 

Filmmakers for Ukraine wurde am Freitag in Los Angeles mit dem diesjährigen „Kieser-Preis“ ausgezeichnet. Damit wird die Arbeit der Internetplattform gewürdigt, die ukrainische Film- und Fernsehgemeinschaft, die vom Krieg betroffen ist, mit Ressourcen, Arbeitsplätzen und Geld zur Deckung der Grundbedürfnisse zu versorgen. 

Der Preis ist mit 10.000 US-Dollar dotiert, das Geld wurde über die NGO Filmmakers for Refugees bereits vorab an die eigentlichen Preisträger weitergereicht: Zehn ukrainische Filmschaffende, deren Lebensumstände sich seit Ausbruch des Krieges radikal verändert haben. Mikrostipendien über je 1.000 Dollar sollen sie unterstützen. Die Dokumentarfilmerin Alisa Kovalenko etwa meldete sich mit Kriegsausbruch zur Armee. Auch Roman Liubyi, Regisseur, Kameramann und Editor, soll einberufen werden.  

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Mit „Weißes Rauschen“ eröffnete eine Netflix-Produktion das älteste Filmfestival der Welt. Einen „Goldenen Löwen“ gab’s schon vor vier Jahren. Im Umgang mit den Streamern gibt sich Venedig entspannt. | Foto ©  Netflix

In Venedig läuft wieder das älteste Filmfestival der Welt. Und das hat auch mit 90 Jahren den anderen noch einiges voraus.

Das älteste Filmfestival der Welt wird 90. Am Mittwoch starteten die Internationalen Filmfestspiele in Venedig  [auf Englisch]. In der „Frankfurter Rundschau“ freute sich Daniel Kothenschulte: Venedig bringe Aufwendiges mit minimalistischen Independentfilmen unter einen Hut. „Die Spannbreite des Kinos, das hier gefeiert wird, könnte nicht größer sein: Mit Noah Baumbach das Glück des Filmemachers, der nach 30 Jahren im Geschäft erst im Schoß eines Weltkonzerns seine erste Großproduktion realisieren kann. Mit Frederic Wiseman die Freiheit des 92-jährigen Dokumentaristen, der an die Tür zum Spielfilm klopft. Und schließlich die Souveränität des Jafar Panahi, der noch kurz vor seiner Inhaftierung der Diktatur ein Schnippchen schlägt.“ 

Baumbachs erste Großproduktion eröffnete das Festival. „Weißes Rauschen“ ist die Adaption des gleichnamigen Roman von Don DeLillo aus dem Jahr 1985. Der Weltkonzern dahinter heißt Netflix, verrät Dominik Kamalzadeh im „Standard“: „Das erklärt zwar die eine oder andere Anbindung an den Streamingstil, doch insgesamt erweist sich der Film durchaus als wendig, er scheut auch vor großformatigen Wimmelbildern und abenteuerlichen Verfolgungsjagden durch Wälder und Flüsse nicht zurück. Als Zwitter zwischen Kino und Autorenfernsehfilm ist er vielleicht gerade deshalb der geeignete Opener für ein Festival, das all das abmessen will, was gegenwärtig alles als Film gilt: Nach Venedig wird er auch das New York Film Festival einleiten – die erste Arbeit, der jemals diese Ehre zuteilwird.“ 

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Hinter den Kulissen wird wieder gestritten. Gewerkschaft und Schauspielverband haben mit Netflix verhandelt – mehrere Berufsverbände sehen sich ausgegrenzt. | Foto © Adobe Stock

Gleich dreimal in zwei Wochen hat der Regieverband gegen die Abmachungen zwischen Netflix und Verdi protestiert: Die Berufsverbände würden ausgegrenzt, das Ergebnis sei „ziemlich mau“. Statt der Gewerkschaft antwortete jetzt der Schauspielverband. 

Der Zank um Netflix geht weiter. Der Bundesverband Schauspiel (BFFS) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hatten mit dem Streamer vor zwei Jahren Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) bei Netflix-Serien ausgehandelt. Vor zwei Wochen meldete Verdi: Netflix zahlt jetzt bei Serien nach Tarif. Und, ach ja, „außerdem werden auch Mindestgagen für Regisseur*innen geregelt, diese fügen sich in die bestehende GVR ein.“

Der Bundesverband Regie (BVR) protestierte. Und das gleich dreimal. Wobei die Vorwürfe gleich bleiben – sie werden aber zunehmend heftiger und ausführlicher vorgebracht.  Verdi repräsentiere nicht die Regie, und das Ergebnis sei „noch dazu ziemlich mau“, hieß es in einer ersten Reaktion (wir berichteten auf „Outtakes“). 

Sechs Tage später wurde der BVR heftiger: „Die Gewerkschaft verkauft die deutschen Regisseurinnen und Regisseure an Netflix“, schrieb der Verband über seine Stellungnahme. Und noch größer darüber: „Raus aus Verdi“. Der Berufsverband, dem rund 450 Fiction-Regisseur*innen angehören, hatte selbst zwei Jahre lang mit Netflix verhandelt. Die Verhandlungen waren vor wenigen Wochen gescheitert, die verpflichtende Schlichtung steht noch an. „Dass Verdi ohne Beteiligung des BVR nun Tarifgagen für die Regie festlege, sei „ein starkes Stück, das dieses Prozedere direkt angreift.“ Was die Regie betrifft, seien die bisherigen Verhandlungsergebnisse von Verdi in Deutschland die schlechtesten in ganz Europa, so der Regieverband. „Offenbar ist es Verdis Ziel, Deutschland als Billiglohnland gegen die europäischen Nachbarn zu positionieren.“ 

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Fürs Fernsehen war Dieter Wedel ein Erfolgsgarant – und besaß eine Macht, wie sie kein anderer Regisseur hatte. Filmschaffende, die mit ihm zusammengearbeitet hatten, berichteten von einem toxischen Arbeitsklima. Dieter Wedel (in Schwarz) bei den Dreharbeiten vom „König von St. Pauli“. | Foto © Sat. 1

In den 90ern herrschte Dieter Wedel über die Fernsehbildschirme. Vor vier Jahren wurden ihm sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung vorgeworfen. Juristisch wird die Anklage nicht mehr geklärt. Der Regisseur ist vorige Woche im Alter von 82 Jahren gestorben. 

Dieter Wedel ist tot. Der Regisseur zählte zu den erfolgreichsten deutschen Filmemachern, berichten „Der Spiegel“, „Süddeutsche Zeitung“ und andere (via DPA): „Mit seinen Mehrteilern begeisterte er ein Millionenpublikum und schrieb Fernsehgeschichte. Wedel startete vor allem in den Neunzigerjahren durch. Ein Erfolg jagte den nächsten: ,Der große Bellheim’ (1993), ,Der Schattenmann’ (1996), ,Der König von St. Pauli’ (1998) und ,Die Affäre Semmeling’ (2002). Wenn der Geschichtenerzähler sein neuestes Werk herausbrachte, sprach man mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Neugier vom ,neuen Wedel’. Das klang wie ein Gütesiegel – und bewahrheitete sich oft.“ 

Vom Werk ist allerdings weniger die Rede in den ersten Nachrufen. Wedel war bereits am 13. Juli in Hamburg gestorben, doch bekannt wurde das erst gestern: Das Landgericht München I wollte mitteilen, ob (und wann) es zum Strafverfahren gegen Wedel wegen mutmaßlicher Vergewaltigung kommt. Die Schauspielerin Jany Tempel wirft Wedel vor, sie vor 25 Jahren bei einem Vorsprechen vergewaltigt zu haben. Drei Jahre hatte die Staatsanwaltschaft ermittelt, bis sie Anklage erhob. Das war im März vorigen Jahres. Vor kurzem hatte Tempels Anwalt die Verzögerung im Verfahren gerügt: „Seit Anklageerhebung sind nunmehr über 14 Monate vergangen“, seine Mandantin leide „sehr unter der langen Verfahrensdauer“. 

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Klaus Lemke mit Cleo Kretschmer 1974 bei Dreharbeiten zu „Die Sweethearts“. „Ich war hässlich und bin nicht an die Mädchen rangekommen“, hat der Regisseur mal seine Berufswahl begründet. So lässig er das auch abtat – mit dem Filmemachen nahm er’s ernster als viele andere. | Foto © Klaus Lemke

Von Filmförderung wollte Klaus Lemke nichts wissen. Lieber drehte er mit Laien und Minibudgets echte Independent-Filme. Am vorigen Donnerstag ist der Regisseur gestorben. Er wurde 81 Jahre alt. Für viele war er bis zuletzt ein Lichtblick in der deutschen Filmlandschaft – das Echo der Nachrufe und Erinnerungen ist groß. 

Der Filmregisseur Klaus Lemke ist am vorigen Donnerstag im Alter von 81 Jahren gestorben. „Er war ein Aufreger bis zuletzt, ein Stachel im Fleisch der deutschen Förderbürokratie, provozierend unabhängig, voller Ideen, Sprüche, Posen, Maulheld und Cowboy mit dem SMS-Triggerfinger, poète maudit, rastlos, furchtlos, produktiv wie keiner. Aber vor allem war er ein toller, energetischer, zärtlicher, witziger filmischer Erzähler, ein immer noch sträflich unterschätzter Regisseur.“ Das Filmmagazin „Revolver“ veröffentlicht online ein Interview, das Marco Abel 2014 mit Klaus Lemke geführt hatte (in der Druckausgabe erschien seinerzeit eine gekürzte Fassung).

In der „Süddeutschen Zeitung“ erinnern sich Wegbegleiter an den „König von Schwabing“ und „einen Mann, der radikal lebte und arbeitete.“   

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Wenn’s vor der Kamera intim wird, geht es oft nicht sehr professionell zu, finden die meisten Schauspieler*innen in einer Befragung. Intimitätskoordinator*innen am Set halten die meisten für sinnvoll. Szenenfoto aus „Uhrwerk Orange“ (1971). | Foto © Warner Bros.

Der Bundesverband Schauspiel hatte Kolleg*innen nach ihren „Erfahrungen mit Nacktheit und simuliertem Sex“ befragt. Die Antworten zeichnen kein gutes Bild von der Branche.

Auf dem Münchener Filmfest hatte der Bundesverband Schauspiel (BFFS) am Donnerstag einen neuen Beruf vorgestellt: „Intimacy Coordinating und die Professionalisierung der Darstellung von Intimität“. Die Aufzeichnung ist im Youtube-Kanal des BFFS zu sehen. 

Bei der Veranstaltung stellte der Verband auch die Ergebnisse einer Umfrage vor. Der BFFS hatte Kolleg*innen nach ihren „Erfahrungen mit Nacktheit und simuliertem Sex“ befragt, die Daten wurden am Institut für Medienforschung der Universität Rostock ausgewertet, das auch hinter den Diversitätsstudien der Malisa-Stiftung und den Diversitätsberichten des Regieverbands steht.

Dem BFFS hatten 417 Schauspieler*innen geantwortet. Neunmal so viele Mitglieder hat der Verband nach eigenen Angaben – so richtig „repräsentativ“ sind die Ergebnisse also nicht. Sie zeichnen gleichwohl ein Bild der Branche („die Ergebnisse sind binär, da nur wenige non-binäre Personen unter den Befragten waren und so kein auswertbares Sample geschaffen werden konnte“, wird eingangs erklärt). „Die Ergebnisse sind ernüchternd, nein, sie sind erschütternd“, schreibt Joachim Huber im „Tagesspiegel“.  

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Am Anfang wollte Katharina Mückstein auf Instagram nur ihre eigenen Erfahrungen in der Branche schildern. Dann sammelte die Regisseurin die Berichte, die ihr Kolleg*innen zuschickten. Sie zeigen ein System an Übergriffen und Machtmissbrauch. | Screenshot

Österreich hat vorige Woche seine Filmpreise verliehen. Doch die Branche beschäftigt Anderes: Auf Instagram berichten Betroffene von Übergriffen und Machtmissbrauch an Filmsets und Theaterbühnen.

Nach fünf Jahren hat „#MeToo“ auch Österreich  erreicht, berichtete Magdalena Miedl vorige Woche beim ORF.  Den Anstoß gab die Regisseurin Katharina Mückstein. Auf Instagram hatte sie aufgerufen, über sexualisierte Übergriffe und Gewalt in der Kulturbranche zu sprechen. „Die Fälle, die über Mücksteins Instagram-Account bekannt werden, rangieren von unangenehm bis zu schwer traumatisierend – und in vielen Fällen sind sie ein Zeichen äußerster Respektlosigkeit und Unprofessionalität: Da ist etwa der renommierte Regisseur und Professor, der in der Schauspielausbildung sagt, dass Schauspieler ,bei Sexszenen eine echte Erektion haben müssen, und das auszuhalten oder auch zu genießen zum Berufsbild einer Schauspielerin’ gehöre. Da ist auch der Schauspieler, der eine Kollegin überredet, zum Textlernen in sein Hotelzimmer zu kommen, und ihr dann Nackenmassage und Oralverkehr vorschlägt. Wieder andere Fälle seien zu heftig, um sie wörtlich auf ihrem Instagram-Kanal zu teilen, so Mückstein […] Das Echo ist gewaltig, die Medienberichte zahlreich, die Reaktionen heftig – und vielfach auch verständnislos.“

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Wenn die Leute nicht mehr ins Kino gehen, liegt’s ja vielleicht auch an den Filmen … Die Berichte zur „Lola“-Gala gehen hart mit dem Deutschen Film ins Gericht. | Foto © DFA

Am Freitag wurde der „Deutsche Filmpreis“ verliehen. Die Berichte von der Gala machen sich große Sorgen ums Deutsche Kino. 

Anscheinend muss man’s immer noch erklären: „Der ,Deutsche Filmpreis’ ist die wichtigste nationale Auszeichnung der Filmbranche“, beginnt die Deutsche Welle ihre Fotogalerie zur Preisverleihung am vorigen Wochenende. Dabei war dies nun schon das 72. Jahr. 

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte sich Peter Körte vorab Gedanken gemacht, was wohl bei der Preisverleihung zu erwarten sei. Schließlich hatte sich im vorigen Jahr gezeigt: Auch Favoriten können abstürzen. Mit seiner Prognose soll er richtig liegen. „Es ist also nicht damit zu rechnen, dass aufregende Dinge geschehen werden. Sollte jemand eine Rede halten wie Thomas Brasch 1981 beim ,Bayerischen Filmpreis’, die Franz Josef Strauß provozierte, wäre der Shitstorm in den sozialen Medien schon wieder vorbei, wenn die bräsige ARD um 22.55 Uhr ihre Aufzeichnung der Gala sendet. ,Abschied von morgen Ankunft gestern / Das ist der deutsche Traum’, heißt es in einem Gedicht von Thomas Brasch.“  

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Nur selten sind Schauspieler*innen mit Behinderung in Hauptrollen zu sehen. Mit der RTL-Komödie „Weil wir Champions sind“ scheint das Thema endlich auch im Mainstream-Fernsehen angekommen zu sein und soll „Mut machen für weitere Projekte dieser Art.“ | Foto © Constantin TV/ Tom Trambow

In Film und Fernsehen sind Menschen mit Behinderung noch viel zu selten zu sehen. Schon beim Einstieg in die Branche stehen sie vor hohen Hürden. „Cast me in“ soll Schauspieler*innen mit Behinderung  und Entscheider*innen zusammenbringen.

In Film und Fernsehen sind Menschen mit Behinderung noch weitgehend unsichtbar. Etwa 6 Prozent der Menschen in Deutschland haben eine sichtbar schwere Behinderung – vor und hinter der Kamera sind sie deutlich unterrepräsentiert. Das zeigte im vergangenen Jahr die Umfrage zur „Vielfalt im Film“: In den Berufen mit „Besetzungsmacht“ (die entscheiden, wer vor und hinter der Kamera arbeiten darf), sind Schwerbehinderte gerade mal mit 2,5 Prozent vertreten. „Gestaltungsmacht“ (also welche Geschichten erzählt werden) haben 2,1 Prozent. Da überrascht es nicht, dass auch vor der Kamera lediglich 2 Prozent der Schauspieler*innen sichtbar schwerbehindert sind.

Das wiederum trifft aber nicht mal auf 0,4 Prozent der Protagonist*innen und Hauptakteur*innen in Film und Fernsehen zu, sagt die Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität „Sichtbarkeit und Vielfalt“, die die Malisa-Stiftung im Februar vorgestellt hatte. 

Der Zugang zum Film wird ihnen aber auch nicht leicht gemacht. Die meisten staatlichen Schauspielschulen verlangen fürs Studium nicht nur Talent, Schulabschluss und Beherrschung der deutschen Sprache, sondern (weiter hinten, im Kleingedruckten) auch ein ärztliches Attest über einen „unbedenklichen“ oder „physisch und psychisch stabilen Gesundheitszustand“.  Die gängigsten „5 Mythen über Schauspieler*innen mit Behinderung“ hatten Judyta Smykowski und Jonas Karpa vor drei Jahren auf „Leidmedien“ auseinandergenommen. 

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Der beste Film des Jahres ist ein Remake: „Coda“ ist ein anrührender Film, aber gewiss nicht die ganz große Filmkunst. Ohnehin waren die Filmkünste in diesem Jahr aus der Gala verbannt, weil sowas eh niemanden interessiere. | Foto © Apple

Zum ersten Mal gewann ein Streamer den „Oscar“ für den besten Film. Wichtiger als das Medium sind aber die Preisträgerinnen: Die Hauptpreise für Film und Regie gingen an Frauen. Die diesjährige „Oscar“-Gala war eine Feier der Diversität und ein Absage an Kino. 

Am Sonntag war „Oscar“-Nacht, und alle Gewinner und Nominierten sehen Sie hier [auf Englisch].

Am Freitag sah in der „Frankfurter Rundschau“ Daniel Kothenschulte „Hollywood am Scheideweg“, gar „das Ende einer Ära“: „Während die Academy of Motion Picture Arts and Sciences endlich über ein prächtiges Filmmuseum in Los Angeles verfügt, dürfte es seine begehrten ,Oscars‘ im großen Stil an die möglichen Totengräber des Kinos, die Streamingdienste, verteilen. Die Frage ist nur, ob Netflix oder Apple am Ende mit dem Hauptpreis nach Hause gehen.“

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Vor sieben Jahren erfuhren junge Schauspieler*innen ein Casting als Alptraum. In „The Case You“ erinnern fünf von ihnen das Erlebte. | Foto © Lenn Lamster/Mindjazz Pictures

Im Film „The Case You“ erinnern sich fünf junge Schauspielerinnen an ein Casting, bei dem sie gedemütigt, bedroht und sexuell belästigt wurden. Und vor Gericht klagen sie gegen die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte.

Seit vor fünf Jahren die „MeToo-Bewegung“ loslegte, ist klar: Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe sind auch in der Filmbranche kein Einzelfall. In dem Dokumentarfilm „The Case You“, der zurzeit im Kino läuft, erinnert sich eine Gruppe junger Schauspielerinnen an ein Casting, bei dem sie gedemütigt, bedroht und sexuell belästigt wurden. Der Film war voriges Jahr mit dem „Deutschen Dokumentarfilmpreis“ (in der Kategorie Kultur) und beim Dokfest München mit dem „Student Award“ ausgezeichnet worden. 

Was damals geschah, beschreibt Gabi Sikorski im „Filmdienst“: „Am Anfang stand eine seriös wirkende Casting-Einladung, das Drehbuch war beigefügt. Für die jungen Schauspielerinnen bot sich 2015 die Chance auf eine kleine oder größere Rolle. Mehr als 300 Mädchen und junge Frauen stellten sich vor; viele von ihnen waren noch keine 18 Jahre alt, manche unter 16. Die meisten waren naiv; der Traum von der Filmkarriere wischte alle Bedenken weg. Was dann allerdings auf die Frauen zukam, war ebenso überraschend wie schrecklich. Im Rahmen des Vorsprechens mussten sie sich entkleiden oder wurden dazu genötigt. Männer und Frauen aus dem Team begrapschten sie am ganzen Körper. Sie wurden angebrüllt, bedroht und geschlagen, alles ohne Vorbereitung oder Begründung. Viele weinten, doch niemand kam ihnen zu Hilfe. Ihre offenkundige Hilflosigkeit war Teil des Kalküls.“ 

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Ein junges Paar erwartet sein erstes Kind. „Klondike“ könnte ein Familienfilm sein. Doch draußen vor der Tür tobt schon der Krieg: es ist 2014 im Osten der Ukraine. Maryna Er Gorbach inszenierte nach eigenem Drehbuch, in Sundance wurde sie im Januar für die beste Regie ausgezeichnet. | Foto © Kedr Film

Die 72. Berlinale war ein Jahr mit starken Dokumentarfilmen und einem Blick auf mehrere Brennpunkte. Der Blick führte bis in die Ukraine und bis nach Myanmar. Unter anderem.

Ein Film ist ein Erlebnis. Ein Film ist ein Erlebnis, das wenn man es teilt, mehr wird. Das gilt sicherlich auch für das Theater, für Konzerte und für Ausstellungen. Was man an diesem Teilen hat, das wird erst klar, wenn man ein Ereignis nicht mehr teilen kann. Filme werden fürs Kino gemacht. Kino ist per Definition schon ein gemeinschaftliches Erlebnis. Nicht nur, weil wir etwas gemeinsam erleben, sondern weil wir uns im Anschluss über den Film austauschen können. Oft gerät man in hitzige Debatten (wir berichteten). Man schleift an den eigenen Eindrücken und arbeitet sie dabei noch deutlicher heraus. In der Reaktion der anderen erkennt und versteht man seine eigene besser. Genau das konnte die 71. Berlinale nicht liefern.

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