Cast me in! – für Schauspieler*innen mit Behinderung

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Nur selten sind Schauspieler*innen mit Behinderung in Hauptrollen zu sehen. Mit der RTL-Komödie „Weil wir Champions sind“ scheint das Thema endlich auch im Mainstream-Fernsehen angekommen zu sein und soll „Mut machen für weitere Projekte dieser Art.“ | Foto © Constantin TV/ Tom Trambow

In Film und Fernsehen sind Menschen mit Behinderung noch viel zu selten zu sehen. Schon beim Einstieg in die Branche stehen sie vor hohen Hürden. „Cast me in“ soll Schauspieler*innen mit Behinderung  und Entscheider*innen zusammenbringen.

In Film und Fernsehen sind Menschen mit Behinderung noch weitgehend unsichtbar. Etwa 6 Prozent der Menschen in Deutschland haben eine sichtbar schwere Behinderung – vor und hinter der Kamera sind sie deutlich unterrepräsentiert. Das zeigte im vergangenen Jahr die Umfrage zur „Vielfalt im Film“: In den Berufen mit „Besetzungsmacht“ (die entscheiden, wer vor und hinter der Kamera arbeiten darf), sind Schwerbehinderte gerade mal mit 2,5 Prozent vertreten. „Gestaltungsmacht“ (also welche Geschichten erzählt werden) haben 2,1 Prozent. Da überrascht es nicht, dass auch vor der Kamera lediglich 2 Prozent der Schauspieler*innen sichtbar schwerbehindert sind.

Das wiederum trifft aber nicht mal auf 0,4 Prozent der Protagonist*innen und Hauptakteur*innen in Film und Fernsehen zu, sagt die Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität „Sichtbarkeit und Vielfalt“, die die Malisa-Stiftung im Februar vorgestellt hatte. 

Der Zugang zum Film wird ihnen aber auch nicht leicht gemacht. Die meisten staatlichen Schauspielschulen verlangen fürs Studium nicht nur Talent, Schulabschluss und Beherrschung der deutschen Sprache, sondern (weiter hinten, im Kleingedruckten) auch ein ärztliches Attest über einen „unbedenklichen“ oder „physisch und psychisch stabilen Gesundheitszustand“.  Die gängigsten „5 Mythen über Schauspieler*innen mit Behinderung“ hatten Judyta Smykowski und Jonas Karpa vor drei Jahren auf „Leidmedien“ auseinandergenommen. 

„Wer vor die Kameras möchte, muss im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar sein“, meint Tina Thiele von Casting-Network. Helfen soll die Veranstaltung „Cast me in!“, die im Rahmen des International Film Festival Cologne (IFFC) am Donnerstag, 2. Juni, im Filmhaus Köln stattfindet. „Menschen mit Behinderung erhalten hier zielgerichtet Zugang zu den Entscheidungsträger* innen im Film. Gleichzeitig erhält die Filmwelt eine Möglichkeit, diese Künstler*innen kennenzulernen, um sie zu besetzen“, verspricht die Ankündigung.

Im Live-Casting kommen unbekannte Schauspieler*innen mit und ohne Behinderung mit bekannten Casting Directors, Drehbuchautor*innen, Regisseur*innen, Redakteur*innen und Produzent*innen zusammen. Im inklusiven Format können sich beide Seiten ganz ohne konkrete Rollenanfragen eine halbe Stunde lang persönlich kennenlernen.

Im zweiten Teil geht’s um ein gutes Beispiel aus der Praxis. Die TV-Komödie „Weil wir Champions sind“, mit Laienschauspieler*innen mit Behinderung besetzt, wird als „Pionierprojekt auf dem Gebiet der inklusiven Besetzung“ vorgestellt. Nach dem Film diskutieren  Cast und Team mit dem Publikum. Pionierarbeit hatten auf diesem Gebiet zwar schon einige andere geleistet, fürs Mainstream-Fernsehen wurde hier allerdings Neuland betreten, das „Mut machen soll für weitere Projekte dieser Art.“ Anschließend ist auch eine Doku zur Entstehung des Films zu sehen.

Die Nachbetreuung der Schauspieler*innen für weitere Fragen erfolgt nach diesem intensiven Tag und darüber hinaus. Die Nachgesprächsrunde „Vom Casting zum Dreh“ zur Klärung offener Fragen und Austausch wird eine Woche nach der Veranstaltung stattfinden. Nicht nur das Kölner Filmhaus ist barrierefrei. Auch beim Anlauf der Veranstaltung werde auf ausreichend Pausen geachtet, an Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten wurde ebenfalls gedacht.  

Die Veranstaltung ist eine Idee von Tina Thiele in Zusammenarbeit mit Rolf Emmerich (Sommerblut Kulturfestival) und Anselm Diehl (IFFC) und wird von mehreren Verbänden und Institutionen unterstützt. Zugesagt haben unter anderem auch Absolvent*innen von Glanzstoff – Akademie der inklusiven Künste e.V., der ersten Ausbildungsstätte in Nordrhein-Westfalen für Schauspieler*innen mit Behinderung. Auch der Schauspieler Erwin Aljukic unterstützt das Projekt als „Experte der Lebenswelt“ und wird das Panel moderieren.

Bewerbungen fürs Live-Casting sind noch bis zum 12. Mai möglich (hier die Hörfassung der Ausschreibung). Bewerbung und Teilnahme sind kostenlos.

Mehr zum Thema gibt es auf Casting-Network: In der Rubrik „All:inclusive“ werden Projekte vorgestellt, die divers besetzt wurden, und Pionier:innen vor und hinter der Kamera kommen in Interviews zu Wort. 

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