Train to Work 03: Juls Dekarchuk 

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„Es war ein kleines Märchen“: Bei „Ein Bett für Papa“ wanderte Juls Dekarchuk durch mehrere Stationen. Es war „einer der besten Monate in meinem Leben“, sagt die ukrainische Filmemacherin. | Foto © Juls Dekarchuk

Beim Pilotprojekt „Train to Work“ sollten Filmschaffende aus der Ukraine die Arbeitsweise an den hiesigen Filmsets kennenlernen – und hinterher ihre Erfahrungen schildern. 

Ich bin Juls Dekarchuk, ukrainische Filmemacherin, und ich möchte Sie zu einer kleinen Geschichte über einen der besten Monate in meinem Leben einladen. Ich finde, ein einfaches „Danke“ würde nicht ausreichen, um auszudrücken, wie dankbar ich der Degeto, Pyjama Pictures, dem „Train-to-Work“-Projekt, Crew United, dem EBFP-Filmteam und all den Menschen bin, die ukrainische Filmemacher*innen  unterstützen.  

Mein Weg zum Film begann mit einem Online-Kurs, der alles veränderte und mich dazu brachte, mich ein für alle Mal ins Videomachen zu verlieben. Während ich Werbevideos für soziale Medien drehte, habe ich mich immer gefragt, wie „große Filme“ gemacht werden, aber selbst in meinen kühnsten Träumen konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich bei einem so großartigen Filmprojekt wie „Ein Bett für Papa“ in Deutschland mitmachen würde, und das so schnell.  

Meine Geschichte beginnt also mit einem mutigen Mädchen, einem großartigen Projekt, das von der Degeto unterstützt wird, einem unterstützenden Kurator Denis Glebik, der durch alle Prozesse führt, und einem Videotelefonat mit den Produzenten Ina-Christina Kersten und Sebastian Gleinig, die an dieses Mädchen glauben und ihr die Chance geben, herauszufinden, wozu sie fähig ist.

Um alle Filmprozesse mitzuerleben, hatte ich die exklusive Möglichkeit, in mehrere Abteilungen zu blicken: Kostüm, Kamera, Regie, Postproduktionsbüro.

Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass es einfach war. Es war verdammt herausfordernd, jeden Tag: um 5 Uhr morgens aufstehen (meistens); den Weg zu verschiedenen Drehorten in einer fremden Stadt finden; eine fremde Sprache sprechen (eigentlich sogar zwei), mit ungefähr 40 neuen Leuten, die man zum ersten Mal sieht; versuchen, sich ihre Namen zu merken; einen Job machen, den man noch nie in seinem Leben gemacht hat … Klingt selbst für mich jetzt beängstigend, aber rückblickend fühle ich nur Aufregung, Glück und Dankbarkeit gegenüber allen Beteiligten!

Auf dem Weg zum Set erlebte ich wunderschöne Sonnenaufgänge an der U-Bahn-Station, alle Crew-Mitglieder waren extrem hilfsbereit, freundlich und geduldig mit mir, ich verbesserte meine Englisch- und Deutschkenntnisse jeden Tag, und in jeder Abteilung gewann ich mehr und mehr Wissen, lernte neue Begriffe und verstand, wie alles von innen heraus funktioniert und was für eine gigantische Arbeit in der Produktionsvorbereitung und in der Postproduktion geleistet wurde.

In der Kostümabteilung wurde ich sehr herzlich aufgenommen, und trotz meiner geringen Erfahrung wurden mir echte Aufgaben übertragen. Und ich konnte sowohl hinter der Bühne arbeiten (indem ich Outfits auswählte und vorbereitete, Logos auf Kleidung und Schuhe abklebte, damit keine Geldstrafen wegen Verwendung von Markenzeichen fällig werden), als auch am Set mit Statist*innen und Schauspieler*innen – indem ich dafür sorgte, dass sie warm und trocken sind und die Outfits bei jedem Dreh genau gleich aussehen. Ich bin den Mädels von der Kostümabteilung Petra Kilian, Antje Terp-Janiesch, Nici Lancaster, Julia Simmen sehr dankbar für ihre Aufmerksamkeit, Geduld und Führung durch die „Filmwelt“.  

Einen besonderen Dank möchte ich auch dem Hauptdarsteller David Rott aussprechen, der mich jeden Morgen fragte „Wie geht es dir heute, Juls?“ und über die Situation in der Ukraine. Und Produktionsleiter Olaf Kalvelage für sein offenes Herz, seine Freundlichkeit und sein Mitgefühl.

In der zweiten Woche in der Kameraabteilung war die Atmosphäre etwas anders … leichter Humor, Teamarbeit und Kreativität. Aber immer noch ist jeder Tag aufregend mit neuen Informationen, Namen der Ausrüstung und einer für mich völlig neuen technischen Welt. Ich habe gelernt, welches Objektiv für welche Szene am besten geeignet ist, was T-Stop ist, ND-Filterglas, Pickup, Combo, Sender und Empfänger sind zu gängigen Wörtern in meinem Arsenal geworden. Und ich bin Kamerafrau Claire Jahn und den DoP-Assistenzen Franca Heiden, Florian Hornung, Luis und Bent sehr dankbar dafür, dass sie mir erklärt haben, wie die gesamte Ausrüstung funktioniert, und dass sie mich, einen Neuling, am Drehprozess teilhaben ließen: Ich habe auf die Klappe geschrieben und sie zu Beginn des Drehs geschlagen, ich habe probiert, wie man die Blende dreht, um den Hintergrund unscharf zu machen, ich habe geholfen, die Objektive zu wechseln, und ich habe darauf geachtet, dass die Akkus aufgeladen und der 7-Zoll-Monitor der Regisseurin in die richtige Position gebracht wurde, ich habe beobachtet, wie der Drohnenpilot arbeitet und die Schönheit auf dem Bildschirm erschien.

Die letzte, aber nicht weniger aufregende Station war die Regieabteilung, wo ich den wahren Teamgeist zwischen der Regisseurin Katja Benrath und ihrer Assistentin Mirjam „Mimi“ Wille beobachten konnte. Mein Hauptziel hier war zu verstehen, wie alles beim Film funktioniert – und die Antwort war: Die Denkweise eines Regisseurs zu verstehen, ist wohl die schwierigste Aufgabe, schätze ich.

Obwohl sie extrem beschäftigt sind, erklären Katja und Mimi so viel wie möglich von dem, was sie tun und was sie beim Drehen beobachten, was sie den Schauspielern sagen, damit sie sich verändern oder das richtige Gefühl ausdrücken. Ich habe sogar mein Debüt in meiner Filmkarriere gegeben und als Statistin die Straße überquert.

Der Script Supervisor Patrick Piepiorka hat mir erklärt, wie die Kontinuität im Film funktioniert und wie man die Objekte, Gesten der Schauspieler, Repliken und so weiter beibehält, damit sie gut in den endgültigen Film geschnitten werden können. 

Als ich dann im Postproduktionsstudio ankam, verstand ich, wie wichtig es ist, alles am gleichen Ort zu halten. Ich lernte die Namen professioneller Schnittprogramme kennen und bekam die Gelegenheit zu sehen, wie alle Teile des Drehs zu einem richtigen Film zusammengefügt werden. Es war eine sehr schnelle und wunderbare Arbeit.   

Ich kann auch nicht umhin, die anderen Praktikanten in diesem Projekt zu erwähnen, Noa Asfour und Tim Kuhr, die bereits die Universität abgeschlossen hatten, mehr Erfahrung mit eigenen Filmdrehs hatten und mir viel über die „Basics“ und wie alles funktioniert beigebracht haben.

Und natürlich habe ich zwischen den Szenen auch alle anderen Abteilungen von Licht, Ton, Szenenbild, Cast und so weiter befragt. Ich spürte die echte Professionalität und den sehr herzlichen Empfang und Wissensaustausch, fast wie „zu Hause“ mit dem ganzen Team, am Set, hinter der Bühne und in der Produktionsabteilung.

Und ein Extra-Dank von meiner Mutter dafür, dass ich für dieses Projekt endlich zugenommen habe (etwa vier Kilogramm), denn es war schwer, dem köstlichen Essen des Lieferanten Hollywood Diner zu widerstehen (ich habe noch nie so viel und so „geplant“ gegessen, etwa fünfmal am Tag).

Wir drehten in der Morgendämmerung im Hafen, auf den Straßen von Hamburg, nachts in einer WG, auf einem Fußballplatz, auf einem Boot, in einem fahrenden Auto, in der Kneipe und in schicken Hotels, in einem Restaurant, sogar in der Kirche und im echten Aquarium! All diese spektakulären Erinnerungen und Momente mit den Crew-Mitgliedern sind für immer in meinem Herzen.  

Es war ein kleines Märchen, und ich bin allen sehr dankbar, die es in meinem Leben wahr werden ließen. Nochmals vielen Dank für die Gelegenheit und ich freue mich auf neue Projekte, an denen ich teilnehmen kann.

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