Frau Mattner, bislang führe der Weg in den Beruf über Praktika, es gebe in Deutschland noch keine einheitliche und staatlich anerkannte Ausbildung, erklärt der Regieverband, der auch dieses Gewerk vertritt. Sie wollen das ändern?
Das Institut für Schauspiel, Film-Fernsehberufe (ISFF) an der VHS Berlin Mitte ist ein Weiterbildungsinstitut für Crewmitglieder bei Film/TV, Schauspielerund Musicaldarsteller. Ziel des ISFF ist, die Mitarbeiter der Kreativbranche, die einen wesentlichen Beitrag zu unserer gesellschaftlichen Entwicklung leisten, durch Weiterbildung zu unterstützen. Der Lehrgang wird von der Arbeitsagentur gefördert und ermöglicht, die Tätigkeit des Script Supervisors erfolgreich auszuüben, es ist keine staatlich anerkannte Ausbildung.
Warum sollte jemand den Lehrgang dennoch absolvieren? Die Tätigkeit des Script Supervisors ist sehr vielfältig und verantwortungsvoll und wird bis heute immer noch schwer unterschätzt. Sie einfach nur durch Praktika am Set zu erlernen, wird der Komplexität nicht gerecht. Um die Vielschichtigkeit der Kompetenzen des Script Supervisors zu begreifen und zu verinnerlichen, sind Kenntnisse hinsichtlich der Aufgaben aller am Filmherstellungsprozess beteiligten Gewerke notwendig.
Es geht weiterhin darum, zu verstehen, was die Kollegen aus den anderen Abteilungen von einem Script Supervisor idealerweise erwarten – abgesehen mal von den handwerklichen und intellektuell zu leistenden Aufgaben in dem Beruf selbst. Daher laden wir auch Gast-Dozenten aus den Bereichen Regie, Kamera, Schnitt und Schauspiel ein – alles Gewerke, mit denen ein Srript Supervisor eng zusammenarbeitet. Weiterlesen
Eigentlich ein Moderne-Kunstverachtungs- und -verarschungs-Unternehmen: Tom Schilling in Werk ohne Autor
Film ohne Form: Überlegungen zur Rezeption des neuen Donnersmarck-Films – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 182. Folge
»Das Vollkommene droht uns nicht nur ununterbrochen mit unserer Vernichtung, es vernichtet uns auch.« Thomas Bernhard: »Alte Meister«
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Berlin, Mitte August 2018. Pressevorführung zu Werk ohne Autor von Florian Henckel von Donnersmarck. Dankenswerterweise zwei Wochen vor Venedig, mit Sperrfrist, die ich albern finde, zumal ich nicht glaube, dass die Welt gebannt auf den neuesten Donnersmarck-Film wartet, aber sei’s drum. Ich gehe also die Rolltreppe hinunter im Cinestar am Potsdamer Platz und um die Ecke, denke an nichts Böses, und da steht er: Der Regisseur. Kommt auf mich zu. »suchsland@gmx – ich wollte dir vorhin aus dem Zug noch schreiben!« Na hoppla, das fängt ja gut an. Ok, denke ich, schön, wenn auch etwas unerwartet, denn die letzten acht Jahre habe ich von ihm keine Mail bekommen, also frage ich vielleicht etwas zu leutselig: »Aha, soso, warum denn?« Er: »Naja, ich wollte dir schreiben, weil wir uns ja in der Vergangenheit schon etwas gekabbelt haben, dass ich hoffe, dass du vorurteilsfrei in meinen Film gehst.« Aha, denke ich, spätestens jetzt wahrscheinlich nicht mehr, aber das sage ich nicht, leider dachte ich später, sondern ich murmelte, sowieso noch etwas fassungslos von der ungewöhnlichen und daher unerwarteten Begegnung, irgendetwas Unverbindliches wie »naja, warum denn Vorurteile, natürlich gehe ich ganz gespannt rein…« Dann ging ich in den Kinosaal.
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Das stimmte auch. Ich glaube, ich habe eher gehofft, dass ich den Film gut finden würde. Weil ich sowieso lieber gute Filme sehe, und weil ich es auch doof finde, immer Donnersmarck-Filme verreißen zu müssen. Dort im Kinosaal dann etwa 40 Berliner Kollegen. Marten Schuhmacher, der vom Disney-Verleih beauftragte Presseagent tritt unten vor die Zuschauer, murmelt irgendetwas von der Sperrfrist und Venedig, nochmal denke ich naja, die ham’s ja nötig, aber dafür kann Marten ja nichts. Dann aber gab es etwas zu sehen, was ich in ziemlich vielen Jahren als Filmkritiker noch nicht erlebt hatte: Der Regisseur trat vor, und nicht etwa begrüßte auch er kurz die Anwesenden und sagte vielleicht »Ich freue mich, dass Sie da sind« und »Viel Spaß!« oder Ähnliches, sondern er sprach. Er trug vor. Er hielt genaugenommen eine geschlagene 17 Minuten dauernde Rede, in der er ausführlich beschrieb, was wir gleich sehen würden, seinen Film, und auch das vorwegnahm, von dem man überrascht sein könnte, und wo es bei einem Filmkritiker dann einen Shitstorm gibt, wegen »Spoilerns«. Dazu erzählte Donnersmarck auch von Gerhard Richter, mit dem sein Film ja nur angeblich nicht viel zu tun hat, erzählte von seinem langen, vierwöchigen, von Donnersmarck mit einem »Exerzitium« etwas kokett verglichenen Treffen mit Richter. Von dem war mir schon aus Kreisen der Produktion erzählt worden, aber auch wenn man nichts wusste von dem ganzen Projekt, nichts wusste von Richter, nichts von der Geschichte seiner Tante und den Recherchen Jürgen Schreibers, die Donnersmarck für seinen Film ausgeschlachtet hat, dann war es trotzdem keine gute Idee, das dann so vor der versammelten Kritikerschar auszubreiten. Es nervte. Es kostete Zeit. Es machte die Kollegen ungeduldig. Man muss sich zu alldem ja vorstellen, dass sowieso schon jeder wusste, dass einen ein Film erwartete, der laut Ankündigung drei Stunden und acht Minuten dauern würde. Man schaute also auf die Uhr und dachte, ok, um 18 Uhr komme ich hier schon mal nicht raus, sondern es wird mindestens bis halb sieben dauern, denn die Pressefuzzis werden dann natürlich auch noch wissen wollen, wie man das alles jetzt fand. Ich glaubte dabei, irgendwann das leicht gequält wirkende Gesicht des anwesenden Pressepersonals gesehen zu haben, aber das mag subjektive Wahrnehmung gewesen sein. Gegen Ende der Rede hub Donnersmarck dann gar noch zu einem Grundsatzstatement im für diesen Regisseur üblichen Pathos an: »Solche Filme wie dieser können heute eigentlich nicht mehr gemacht werden. Damit sie dennoch gemacht werden können, brauchen wir Euch.« Wow! Man könnte auch sagen: Er flehte. Er bettelte. Florian Henckel von Donnersmarck bettelte um Gnade und gnädige Kritiken. Das war ja dann fast schon wieder sympathisch.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2018-10-12 17:41:252018-12-14 15:58:51Cinema Moralia – Folge 182: Aber bitte mit Sahne
Film ist ohne flexible Arbeitszeit nicht möglich. Wer zum Film geht, entscheidet sich für Flexibilität. Die meisten von uns wollen auf diese Flexibilität nicht verzichten, sie wollen aber auch nicht dafür bestraft werden. In unserer Branche wurden in den letzten Jahrzehnten gravierende Fehler gemacht, nicht absichtlich, sondern aus Mangel an Erfahrung, vielleicht auch aus Leichtsinn. Fehler, die nicht wiederholt werden müssen.
1. Die Ausnahme wird die Regel.
Anfang der 1980er Jahre haben die Sozialpartner Regeln für flexible Arbeitszeiten im Kollektivvertrag für Filmschaffende festgeschrieben. Neben der 40 Stunden Woche (5×8 Stunden) kann eine 60 Stunden Woche angesetzt werden (von Freiwilligkeit keine Rede), in der die Arbeitszeit vom Produzenten zwischen Montag und Samstag in 5×12 oder 6×10 Stunden aufgeteilt werden kann. Was als Ausnahme gedacht war, wurde zur Regel. Dass bei dieser 60 Stunden Woche die 41. bis zur 60. Arbeitsstunde um rund 25% geringer bezahlt wird, als die ersten 40 Stunden, ist absonderlich. In einem harten internationalen Wettbewerb kann es sich aber längst kein Produzent mehr leisten, verbilligte Arbeitszeit herzuschenken. Zu glauben, dass ein Arbeitnehmer in koordinierten Herstellungsprozessen frei über seine Arbeitszeit entscheiden könne, ist, mit Verlaub, kindisch. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Fabian Ederhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgFabian Eder2018-09-28 20:13:322018-10-01 17:50:38„Alles diskutieren den 12-Stunden-Tag. Wir kennen ihn.“
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Tina Thielehttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgTina Thiele2018-09-25 11:30:222018-10-01 17:40:29Auf der Suche nach dem Einzigartigen
Das Konzept der Dokumentationsreihe „Durch die Nacht mit …“ ist gleichermaßen einfach wie erfolgserprobt: zwei Prominente treffen aufeinander, verbringen gemeinsam einen Abend und werden dabei von zwei Kamerateams begleitet. Seit 2002 besteht das Format des deutsch-französischen TV Senders Arte, das mit seinen nächtlichen Aktionen oftmals zu unerwarteten Begebenheiten führt. Bei „Durch die Nacht mit …“ wissen alle Beteiligten, dass es im Nachhinein keinerlei Abnahmen geben wird. Sonst wäre das Ergebnis nicht so unverblümt echt und schlichtweg auch gar nicht realisierbar. Was einmal auf Kamera gebannt ist, hat somit die Möglichkeit, in der Sendung zu landen. Entsprechend ist das auch das eigentlich Spannende an „Durch die Nacht mit …“: es passiert immer mal wieder, dass die Protagonisten sich von einer der Öffentlichkeit bis dato eher unbekannten Seite zeigen.
Die aktuelle Folge von „Durch die Nacht mit …“, die heute Abend am 29. Januar 2018 um 23.20 Uhr erstmals auf Arte ausgestrahlt wird wurde und bereits in der Mediathek oder auf Youtube abrufbar ist, ist ein Paradebeispiel dafür, wohin das Konzept unerwartet führen kann. Die beiden Hauptakteure wirken auf den ersten Blick wie ein Perfect Match: der exzentrische Regisseur und Autor Oskar Roehler trifft auf den nicht minder speziellen Schauspieler Lars Eidinger. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Gabi Rudolphhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgGabi Rudolph2018-09-21 18:50:052018-09-21 18:50:05„Lost sind wir ja alle“: Durch die Nacht mit … Oskar Roehler und Lars Eidinger
Weil Regisseure seit Jahrzehnten als die eigentlichen Schöpfer eines Filmwerks gelten, wird die Leistung der Drehbuchautoren hierzulande kaum wahrgenommen. Deshalb verlangen die Autoren in der von mittlerweile über 200 Personen unterzeichneten Resolution „Kontrakt 18“ größeren Einfluss auf Filme und Serien (cinearte 425). Die Petition enthält unter anderem die Forderungen nach einem Mitspracherecht bei der Auswahl Regisseurs und die Teilnahme an der Rohschnittabnahme; das hat gerade in Regiekreisen ein lebhaftes Echo ausgelöst.
Die Aktion der Autoren ist eine Art Aufschrei: Sie klagen schon lange darüber, dass ihre Arbeit nicht gebührend gewürdigt werde. Kristin Derfler zum Beispiel, die Kontrakt 18 maßgeblich mitinitiiert hat, musste 2017 feststellen, dass aus ihrer Vorlage zum SWR-Zweiteiler „Brüder“ gerade im zweiten Teil ein völlig anderer Film geworden war. Dennoch versichert sie, es gehe nicht darum, irgendwelche Gräben auszuheben.
Allerdings hat die Debatte mittlerweile dank der öffentlichen Äußerungen verschiedener Regisseure scharfe Züge angenommen. Die Autorin vermutet, einige fühlten sich durch die Forderungen persönlich provoziert: „Für die bleiben wir die Sherpas, die lediglich das Gepäck den Berg hochtragen.“ Dabei sei Kontrakt 18 doch ein Versuch, aus dem Dreieck Redaktion/Produktion/Regie wieder ein Viereck zu machen. Auch „Grimme“-Preisträgerin Dorothee Schön („Frau Böhm sagt nein“), eine der Erstunterzeichnerinnen, beteuert, Kontrakt 18 fordere bestimmte Standards der Mitsprache, die in anderen Ländern selbstverständlich seien, und sei „mitnichten eine Kampfansage an die Regie“.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Tilmann P. Gangloffhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgTilmann P. Gangloff2018-09-19 12:04:352018-09-19 12:04:35„Rom brennt …“
Wenn der Bundesverband Schauspiel (BFFS) alljährlich seinen „Deutschen Schauspielpreis“ verleiht, geht es ihm nicht allein um die darstellende Kunst. Eine eigene Kategorie lobt er für Menschen und Institutionen aus, die in besonderer Weise die Schauspielkunst gefördert haben – meist direkt wie der Produzent Günter Rohrbach oder die Regisseurin Isabel Coixet, mitunter auch in einem weiteren Sinne wie der ehemalige Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Oder die „Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, welcher der BFFS im vorigen Jahr diesen „Ehrenpreis Inspiration“ verlieh, als mal wieder besonders heftig über deren Existenzberechtigung diskutiert wurde. Manchmal ist ein Preis auch als politische Stellungnahme zu sehen.
Im Juni hatten die Produzentenallianz und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) das Ergebnis ihrer Tarifverhandlungenverkündet. Der Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende (TV FFS) gilt rückwirkend seit 1. Januar dieses Jahres. Ab 1. September kommt eine neue Regelung hinzu: Erstmals wird es dann auch einen eigenen Tarifvertrag für Debüt- und Abschlussfilmegeben.
Hintergrund sind die besonderen Produktionsbedingungen, die letztlich vom Geld abhängen: Diese Filme haben in der Regel ein deutlich geringeres Budget und kommen nur durch den persönlichen Einsatz der Beteiligten zustande – vom Geräteverleiher, der das Equipment zum Sonderpreis oder quasi als Sponsor zur Verfügung stellt, bis zu Cast und Crew, die umsonst oder für erheblich reduzierte Gagen mitmachen. Ohne sie „würden viele wunderbare Produktionen der letzten Jahre in der Form nicht existieren”, hatte die Schauspielerin Elmira Rafizadeh schon 2011 in einem Blogbeitrag auf out-takes.degeschrieben.
Ihr Lob ist nicht übertrieben: Bei den „Studenten-Oscars”, dem bedeutendsten Nachwuchsfilmpreis der Welt, können die Absolventen deutscher Filmhochschulen mit beeindruckender Regelmäßigkeit schon seit Jahrzehnten punkten. Den „großen” Produktionen gelingt so etwas nur selten.
Script Supervisor: „Schwer unterschätzt“
out takes, Peter HartigZum ersten Mal in Deutschland startet am Institut für Schauspiel, Film- und Fernsehberufe in Berlin ein Lehrgang zum Script Supervisor, ehemals Script/Continuity. Gabriele Mattner leitet die Weiterbildung. | Foto © Gabriele Mattner
Frau Mattner, bislang führe der Weg in den Beruf über Praktika, es gebe in Deutschland noch keine einheitliche und staatlich anerkannte Ausbildung, erklärt der Regieverband, der auch dieses Gewerk vertritt. Sie wollen das ändern?
Das Institut für Schauspiel, Film-Fernsehberufe (ISFF) an der VHS Berlin Mitte ist ein Weiterbildungsinstitut für Crewmitglieder bei Film/TV, Schauspieler und Musicaldarsteller. Ziel des ISFF ist, die Mitarbeiter der Kreativbranche, die einen wesentlichen Beitrag zu unserer gesellschaftlichen Entwicklung leisten, durch Weiterbildung zu unterstützen. Der Lehrgang wird von der Arbeitsagentur gefördert und ermöglicht, die Tätigkeit des Script Supervisors erfolgreich auszuüben, es ist keine staatlich anerkannte Ausbildung.
Warum sollte jemand den Lehrgang dennoch absolvieren?
Die Tätigkeit des Script Supervisors ist sehr vielfältig und verantwortungsvoll und wird bis heute immer noch schwer unterschätzt. Sie einfach nur durch Praktika am Set zu erlernen, wird der Komplexität nicht gerecht. Um die Vielschichtigkeit der Kompetenzen des Script Supervisors zu begreifen und zu verinnerlichen, sind Kenntnisse hinsichtlich der Aufgaben aller am Filmherstellungsprozess beteiligten Gewerke notwendig.
Es geht weiterhin darum, zu verstehen, was die Kollegen aus den anderen Abteilungen von einem Script Supervisor idealerweise erwarten – abgesehen mal von den handwerklichen und intellektuell zu leistenden Aufgaben in dem Beruf selbst. Daher laden wir auch Gast-Dozenten aus den Bereichen Regie, Kamera, Schnitt und Schauspiel ein – alles Gewerke, mit denen ein Srript Supervisor eng zusammenarbeitet.
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Cinema Moralia – Folge 182: Aber bitte mit Sahne
out takes, Rüdiger SuchslandEigentlich ein Moderne-Kunstverachtungs- und -verarschungs-Unternehmen: Tom Schilling in Werk ohne Autor
Film ohne Form: Überlegungen zur Rezeption des neuen Donnersmarck-Films – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 182. Folge
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Berlin, Mitte August 2018. Pressevorführung zu Werk ohne Autor von Florian Henckel von Donnersmarck. Dankenswerterweise zwei Wochen vor Venedig, mit Sperrfrist, die ich albern finde, zumal ich nicht glaube, dass die Welt gebannt auf den neuesten Donnersmarck-Film wartet, aber sei’s drum.
Ich gehe also die Rolltreppe hinunter im Cinestar am Potsdamer Platz und um die Ecke, denke an nichts Böses, und da steht er: Der Regisseur. Kommt auf mich zu. »suchsland@gmx – ich wollte dir vorhin aus dem Zug noch schreiben!« Na hoppla, das fängt ja gut an. Ok, denke ich, schön, wenn auch etwas unerwartet, denn die letzten acht Jahre habe ich von ihm keine Mail bekommen, also frage ich vielleicht etwas zu leutselig: »Aha, soso, warum denn?« Er: »Naja, ich wollte dir schreiben, weil wir uns ja in der Vergangenheit schon etwas gekabbelt haben, dass ich hoffe, dass du vorurteilsfrei in meinen Film gehst.« Aha, denke ich, spätestens jetzt wahrscheinlich nicht mehr, aber das sage ich nicht, leider dachte ich später, sondern ich murmelte, sowieso noch etwas fassungslos von der ungewöhnlichen und daher unerwarteten Begegnung, irgendetwas Unverbindliches wie »naja, warum denn Vorurteile, natürlich gehe ich ganz gespannt rein…« Dann ging ich in den Kinosaal.
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Das stimmte auch. Ich glaube, ich habe eher gehofft, dass ich den Film gut finden würde. Weil ich sowieso lieber gute Filme sehe, und weil ich es auch doof finde, immer Donnersmarck-Filme verreißen zu müssen.
Dort im Kinosaal dann etwa 40 Berliner Kollegen. Marten Schuhmacher, der vom Disney-Verleih beauftragte Presseagent tritt unten vor die Zuschauer, murmelt irgendetwas von der Sperrfrist und Venedig, nochmal denke ich naja, die ham’s ja nötig, aber dafür kann Marten ja nichts.
Dann aber gab es etwas zu sehen, was ich in ziemlich vielen Jahren als Filmkritiker noch nicht erlebt hatte: Der Regisseur trat vor, und nicht etwa begrüßte auch er kurz die Anwesenden und sagte vielleicht »Ich freue mich, dass Sie da sind« und »Viel Spaß!« oder Ähnliches, sondern er sprach. Er trug vor. Er hielt genaugenommen eine geschlagene 17 Minuten dauernde Rede, in der er ausführlich beschrieb, was wir gleich sehen würden, seinen Film, und auch das vorwegnahm, von dem man überrascht sein könnte, und wo es bei einem Filmkritiker dann einen Shitstorm gibt, wegen »Spoilerns«. Dazu erzählte Donnersmarck auch von Gerhard Richter, mit dem sein Film ja nur angeblich nicht viel zu tun hat, erzählte von seinem langen, vierwöchigen, von Donnersmarck mit einem »Exerzitium« etwas kokett verglichenen Treffen mit Richter.
Von dem war mir schon aus Kreisen der Produktion erzählt worden, aber auch wenn man nichts wusste von dem ganzen Projekt, nichts wusste von Richter, nichts von der Geschichte seiner Tante und den Recherchen Jürgen Schreibers, die Donnersmarck für seinen Film ausgeschlachtet hat, dann war es trotzdem keine gute Idee, das dann so vor der versammelten Kritikerschar auszubreiten.
Es nervte. Es kostete Zeit. Es machte die Kollegen ungeduldig. Man muss sich zu alldem ja vorstellen, dass sowieso schon jeder wusste, dass einen ein Film erwartete, der laut Ankündigung drei Stunden und acht Minuten dauern würde. Man schaute also auf die Uhr und dachte, ok, um 18 Uhr komme ich hier schon mal nicht raus, sondern es wird mindestens bis halb sieben dauern, denn die Pressefuzzis werden dann natürlich auch noch wissen wollen, wie man das alles jetzt fand. Ich glaubte dabei, irgendwann das leicht gequält wirkende Gesicht des anwesenden Pressepersonals gesehen zu haben, aber das mag subjektive Wahrnehmung gewesen sein.
Gegen Ende der Rede hub Donnersmarck dann gar noch zu einem Grundsatzstatement im für diesen Regisseur üblichen Pathos an: »Solche Filme wie dieser können heute eigentlich nicht mehr gemacht werden. Damit sie dennoch gemacht werden können, brauchen wir Euch.«
Wow! Man könnte auch sagen: Er flehte. Er bettelte. Florian Henckel von Donnersmarck bettelte um Gnade und gnädige Kritiken. Das war ja dann fast schon wieder sympathisch.
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„Alles diskutieren den 12-Stunden-Tag. Wir kennen ihn.“
Fabian Eder, out takes, Unsere GästeFilm ist ohne flexible Arbeitszeit nicht möglich. Wer zum Film geht, entscheidet sich für Flexibilität. Die meisten von uns wollen auf diese Flexibilität nicht verzichten, sie wollen aber auch nicht dafür bestraft werden. In unserer Branche wurden in den letzten Jahrzehnten gravierende Fehler gemacht, nicht absichtlich, sondern aus Mangel an Erfahrung, vielleicht auch aus Leichtsinn. Fehler, die nicht wiederholt werden müssen.
1. Die Ausnahme wird die Regel.
Anfang der 1980er Jahre haben die Sozialpartner Regeln für flexible Arbeitszeiten im Kollektivvertrag für Filmschaffende festgeschrieben. Neben der 40 Stunden Woche (5×8 Stunden) kann eine 60 Stunden Woche angesetzt werden (von Freiwilligkeit keine Rede), in der die Arbeitszeit vom Produzenten zwischen Montag und Samstag in 5×12 oder 6×10 Stunden aufgeteilt werden kann. Was als Ausnahme gedacht war, wurde zur Regel. Dass bei dieser 60 Stunden Woche die 41. bis zur 60. Arbeitsstunde um rund 25% geringer bezahlt wird, als die ersten 40 Stunden, ist absonderlich. In einem harten internationalen Wettbewerb kann es sich aber längst kein Produzent mehr leisten, verbilligte Arbeitszeit herzuschenken. Zu glauben, dass ein Arbeitnehmer in koordinierten Herstellungsprozessen frei über seine Arbeitszeit entscheiden könne, ist, mit Verlaub, kindisch. Weiterlesen
Auf der Suche nach dem Einzigartigen
out takes, Tina ThieleMechthild Holter gründete Anfang der 90er-Jahre eine der ersten Schauspieler-Agenturen. Ihre Klienten präsentierte sie gleich im ersten Katalog auf etwas andere Weise. Inzwischen vertritt Players auch andere Gewerke wie Regie, Drehbuch und Kamera. Holter gehört zu den Gründungsmitgliedern des Verband der Agenturen (VdA), der gerade sein 20. Jubiläum feiert.| Foto © Mathias Bothor
Frau Holter, begonnen haben Sie mit Ihrer Agentur in Köln. Wie kam es dazu?
Gemeinsam mit Heike Melba-Fendel und Anja Friehoff haben wir damals die Firma Barbarella Entertainment in Köln gegründet. Barbarella war anfangs eine Marketing-Agentur, die PR-Kampagnen für Filme und TV-Serien und außerdem Events organisierte. Unsere erste Marketingkampagne war „Twin Peaks“ (Casting: Johanna Ray). Nach den ersten Jahren im PR-Bereich hat sich mein Interesse auf die Zusammenarbeit mit Filmkreativen verlagert. Gegen Ende 1992 habe ich die Agentur als Abteilung aufgebaut, zunächst mit Schauspielern. Ziemlich schnell nahm die Betreuungsarbeit ein solches Ausmaß an und machte mir außerdem sehr viel mehr Spaß als Presse- und PR-Arbeit, dass ich beschloss, eine eigene Firma zu gründen. Im April 1994 wurde daraufhin players © in Köln gegründet. 1996/1997 bin ich mit der Firma nach Berlin gezogen.
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„Lost sind wir ja alle“: Durch die Nacht mit … Oskar Roehler und Lars Eidinger
Gabi Rudolph, Unsere GästeHasi, Du nicht! Im Januar ließ Arte den Regisseur Oskar Roehler durch die Nacht treiben. Das „Fast Forward Magazine“ schilderte dessen nächtliche Gedankenwelt. | Foto © Christoper Rowe
Das Konzept der Dokumentationsreihe „Durch die Nacht mit …“ ist gleichermaßen einfach wie erfolgserprobt: zwei Prominente treffen aufeinander, verbringen gemeinsam einen Abend und werden dabei von zwei Kamerateams begleitet. Seit 2002 besteht das Format des deutsch-französischen TV Senders Arte, das mit seinen nächtlichen Aktionen oftmals zu unerwarteten Begebenheiten führt. Bei „Durch die Nacht mit …“ wissen alle Beteiligten, dass es im Nachhinein keinerlei Abnahmen geben wird. Sonst wäre das Ergebnis nicht so unverblümt echt und schlichtweg auch gar nicht realisierbar. Was einmal auf Kamera gebannt ist, hat somit die Möglichkeit, in der Sendung zu landen. Entsprechend ist das auch das eigentlich Spannende an „Durch die Nacht mit …“: es passiert immer mal wieder, dass die Protagonisten sich von einer der Öffentlichkeit bis dato eher unbekannten Seite zeigen.
Die aktuelle Folge von „Durch die Nacht mit …“, die
heute Abendam 29. Januar 2018 um 23.20 Uhr erstmals auf Arte ausgestrahltwirdwurde und bereits in der Mediathek oder auf Youtube abrufbar ist, ist ein Paradebeispiel dafür, wohin das Konzept unerwartet führen kann. Die beiden Hauptakteure wirken auf den ersten Blick wie ein Perfect Match: der exzentrische Regisseur und Autor Oskar Roehler trifft auf den nicht minder speziellen Schauspieler Lars Eidinger. Weiterlesen„Rom brennt …“
Tilmann P. Gangloff, Unsere GästeFilme übers Filmemachen machen Filmemacher gerne. Doch die Autoren spielen da nur selten eine Rolle. Und wo sie dennoch auftreten, haben sie meist eine Schreibblockade oder noch größeren Schwierigkeiten. Zum Beispiel neulich in „Trumbo“. | © Paramount Pictures Germany
Weil Regisseure seit Jahrzehnten als die eigentlichen Schöpfer eines Filmwerks gelten, wird die Leistung der Drehbuchautoren hierzulande kaum wahrgenommen. Deshalb verlangen die Autoren in der von mittlerweile über 200 Personen unterzeichneten Resolution „Kontrakt 18“ größeren Einfluss auf Filme und Serien (cinearte 425). Die Petition enthält unter anderem die Forderungen nach einem Mitspracherecht bei der Auswahl Regisseurs und die Teilnahme an der Rohschnittabnahme; das hat gerade in Regiekreisen ein lebhaftes Echo ausgelöst.
Die Aktion der Autoren ist eine Art Aufschrei: Sie klagen schon lange darüber, dass ihre Arbeit nicht gebührend gewürdigt werde. Kristin Derfler zum Beispiel, die Kontrakt 18 maßgeblich mitinitiiert hat, musste 2017 feststellen, dass aus ihrer Vorlage zum SWR-Zweiteiler „Brüder“ gerade im zweiten Teil ein völlig anderer Film geworden war. Dennoch versichert sie, es gehe nicht darum, irgendwelche Gräben auszuheben.
Allerdings hat die Debatte mittlerweile dank der öffentlichen Äußerungen verschiedener Regisseure scharfe Züge angenommen. Die Autorin vermutet, einige fühlten sich durch die Forderungen persönlich provoziert: „Für die bleiben wir die Sherpas, die lediglich das Gepäck den Berg hochtragen.“ Dabei sei Kontrakt 18 doch ein Versuch, aus dem Dreieck Redaktion/Produktion/Regie wieder ein Viereck zu machen. Auch „Grimme“-Preisträgerin Dorothee Schön („Frau Böhm sagt nein“), eine der Erstunterzeichnerinnen, beteuert, Kontrakt 18 fordere bestimmte Standards der Mitsprache, die in anderen Ländern selbstverständlich seien, und sei „mitnichten eine Kampfansage an die Regie“.
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Inspiration und Ansporn
out takes, Peter HartigSeit diesem Jahr achtet die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg bei ihren Förderprojekten auf faire Arbeitsbedingungen. Dafür erhält ihr Geschäftsführer Carl Bergengruen diese Woche den „Ehrenpreis Inspiration“. | Foto © MFG
Wenn der Bundesverband Schauspiel (BFFS) alljährlich seinen „Deutschen Schauspielpreis“ verleiht, geht es ihm nicht allein um die darstellende Kunst. Eine eigene Kategorie lobt er für Menschen und Institutionen aus, die in besonderer Weise die Schauspielkunst gefördert haben – meist direkt wie der Produzent Günter Rohrbach oder die Regisseurin Isabel Coixet, mitunter auch in einem weiteren Sinne wie der ehemalige Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Oder die „Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, welcher der BFFS im vorigen Jahr diesen „Ehrenpreis Inspiration“ verlieh, als mal wieder besonders heftig über deren Existenzberechtigung diskutiert wurde. Manchmal ist ein Preis auch als politische Stellungnahme zu sehen.
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Tarif auf Probe
out takesColor Grading an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Bei den „Studenten-Oscars”, dem bedeutendsten Nachwuchsfilmpreis der Welt, können die Hochschüler aus Deutschland schon seit Jahrzehnten mit beeindruckender Regelmäßigkeit punkten. Wenn es an den Debütlangfilm geht, haben sie es dennoch schwer:?Sender, Förderer und Produzenten finanzieren ihre ersten Werke grundsätzlich mit niedrigeren Budgets. Ein eigener Tarifvertrag soll die Situation verbessern – allerdings nur für den Nachwuchs an den sieben größten Filmschulen. | Foto © Simon Weber, HFF
Im Juni hatten die Produzentenallianz und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) das Ergebnis ihrer Tarifverhandlungenverkündet. Der Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende (TV FFS) gilt rückwirkend seit 1. Januar dieses Jahres. Ab 1. September kommt eine neue Regelung hinzu: Erstmals wird es dann auch einen eigenen Tarifvertrag für Debüt- und Abschlussfilmegeben.
Hintergrund sind die besonderen Produktionsbedingungen, die letztlich vom Geld abhängen: Diese Filme haben in der Regel ein deutlich geringeres Budget und kommen nur durch den persönlichen Einsatz der Beteiligten zustande – vom Geräteverleiher, der das Equipment zum Sonderpreis oder quasi als Sponsor zur Verfügung stellt, bis zu Cast und Crew, die umsonst oder für erheblich reduzierte Gagen mitmachen. Ohne sie „würden viele wunderbare Produktionen der letzten Jahre in der Form nicht existieren”, hatte die Schauspielerin Elmira Rafizadeh schon 2011 in einem Blogbeitrag auf out-takes.degeschrieben.
Ihr Lob ist nicht übertrieben: Bei den „Studenten-Oscars”, dem bedeutendsten Nachwuchsfilmpreis der Welt, können die Absolventen deutscher Filmhochschulen mit beeindruckender Regelmäßigkeit schon seit Jahrzehnten punkten. Den „großen” Produktionen gelingt so etwas nur selten.
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