Beiträge

Neue Töne am neuen Standort: Die Uraufführung der Hymne zur Preisverleihung der Televisionale in Weimar. | Foto © Christine Prinzing

Vorige Woche tagte die Televisionale zum ersten Mal in Weimar. Der neue Standort wurde mit einer weiteren Premiere gefeiert: Der Komponist Fabian Kratzer hat für die Preisverleihung eine neue Hymne geschrieben.

Fabian Kratzer entführte die Zuschauer bei der ersten Televisionale in Weimar mit der Uraufführung seiner eigens dafür komponierten Hymne in eine magische Klangwelt. Diese Hymne soll als kraftvolles Symbol und Nachhall für die Gemeinschaft und den kreativen Austausch und Aufbruch der Talente einen wieder erkennbaren Resonanzraum verleihen. Sie hat noch keinen Namen, aber soll nun regelmäßig im Einsatz der Televisionale sein und die emotionale Tiefe der Veranstaltung unterstreichen. Urs Spörri, der künstlerische Leiter der Televisionale, betont, wie wichtig das Gewerk rund um die Musik auf dem Festival war und ist und spricht auch von der zentralen Rolle der Filmmusik, als den „Herzschlag“ eines jeden Films!

So kam das eine zum anderen, und ein Preis wurde für die Musik wieder neu etabliert. Angeregt von Alexander Thies, Vorstandsvorsitzender der IAMA (International Academy of Media & Arts) und des „Deutschen Filmmusikpreises“, der seit 2014 alljährlich in Halle an der Saale verliehen wird. Thies überreichte denn auch in Weimar in Kooperation mit dem BDF (Bundesverband der Deutschen Film- und Fernsehmusik) den „VFF Fernsehfilmmusikpreis“. Der Preis ging an die Komponisten Lorenz Daangel und Fabian Zeidler und den Produzenten Ingo Fliess für die Musik zum ZDF-Film „Rosenthal“.  Weiterlesen

Andrew Bird hat den „Schnitt-Preis“ schon zum dritten Mal gewonnen. Dieses Mal war die Arbeit aber ganz besonders: „Dies ist der erste Film, bei dem ich ganz allein im Schneideraum war“, sagt er. Und außerdem verstand er kein Wort von dem, was im Film gesprochen wurde. | Foto © Edimotion/Werner Busch

Ende Oktober feierte Edimotion wieder Filmschnitt und Montagekunst. Beim Festival werden auch die „Schnitt-Preise“ in drei Kategorien vergeben. Für seine Arbeit am Spielfilm „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ wurde der Editor Andrew Bird ausgezeichnet. Über die ungewöhnliche Arbeit sprach er mit Dietmar Kraus, Kurator bei Edimotion.

Zum Film: „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ handelt von einer iranischen Familie, in der die Konflikte des Landes auf engstem Raum ausgefochten werden: Der Unterdrückungsstaat findet im Familienoberhaupt Iman einen zunächst zögerlichen, später willfährigeren Umsetzer seiner Schnelljustiz. Seine Ehefrau Najmeh unterstützt anfangs das Regime, doch im Laufe des Films nähert sie sich immer mehr der Position ihrer Töchter Rezvan und Sana an. Diese solidarisieren sich mit den Protesten auf der Straße und lehnen sich gegen das Patriarchat drinnen und draußen auf.

Lieber Andrew, bevor Du bei Edimotion für Deine Montageleistung an „Die Saat des heiligen Feigenbaums” ausgezeichnet wurdest, war der Film bereits für über 100 internationale Preise nominiert worden, und konnte mehr als 30 gewinnen. Dazu zählen der „Sonderpreis der Jury“ in Cannes 2024, die silberne „Lola“ beim „Deutschen Filmpreis“ 2025, sowie eine „Oscar“-Nominierung. Aber bevor es zu diesen Erfolgen kommen konnte, standen sowohl die Dreharbeiten als auch der Schnittprozess unter großem Druck. Wie kam es dazu, dass Du einen so brisanten Film, der heimlich gedreht werden musste, geschnitten hast?
Weiterlesen

Hauen oder schlagen? Bei der Kampfsportart Schachboxen sind beide Disziplinen gefragt. Für ihre Kurzdoku „Tough Moves“ begleiteten Jakob Michal (links) und Kaspar Ferdinand Haußig einen Nachwuchssportler und seine Familie. Dabei mussten sie aufassen, dass diese sich vor lauter Begeisterung nicht selbst inszenieren. | Foto © Edimotion/Juliane Guder

Beim Festival  „Edimotion“ wurden in Köln die besten Montage-Arbeiten des Jahres ausgezeichnet. Die „Schnittpreise“ werden in drei Kategorien ausgelobt.  Der „Förderpreis Schnitt“ ging an Jakob Michal und Kaspar Ferdinand Haußig für die Montage ihres dokumentarischen Kurzfilms „Tough Moves“, bei dem Michal auch Regie führte. Der Film führt in die Welt eines besonderen Sports: des  Schachboxens – und erzählt von der Berliner Familie Rolle, in der Vater Robert, ein bekannter Boxer, seinen jungen Sohn Arminius auf den ersten großen Kampf vorbereitet. Werner Busch, Kurator beim Festival, sprach mit den Preisträgern.

Die Dynamik zwischen Vater und Sohn ist ja ganz zentral und damit auch die Gewalt, die der Vater physisch, aber auch psychisch gegen Arminius ausübt. Wie habt ihr diese beiden Figuren und ihre Beziehung zueinander im Schnitt entwickelt?
Boxen ist ein gewaltvoller Sport und deswegen war von Anfang an klar, dass Gewalt ein Thema des Films sein würde. Als wir den Schachbox-Club zum allerersten Mal besuchten und dort auf Robert und Arminius trafen, kam uns das Trainingsprogramm der beiden extrem hart vor, besonders für einen 13-Jährigen. Robert stellte extrem hohe Ansprüche an seinen Sohn, aber Arminius schien auch selbst extrem ehrgeizig zu sein. Wir hatten nie den Eindruck, dass der Vater seinen Sohn zu irgendetwas drängte. Dennoch fragt man sich, wie bei allen Disziplinen, in denen man früh beginnen muss, um Profi zu werden, natürlich, ob das Kind das wirklich will.
In der Montage wurde uns klar, dass der Film diese Frage für Arminius nicht beantworten kann – unsere Aufgabe bestand vielmehr darin, sie überhaupt aufzuwerfen. Um das zu erreichen, haben wir in vielen Szenen Momente ausgewählt, in denen die Familie in Anwesenheit von Arminius über Arminius spricht. Dabei zeigen wir ihn als passiven Zuhörer: Was denkt er gerade? Stimmt er dem zu, was da über ihn gesagt wird? Das sind die Fragen, die wir hervorrufen wollten. Unser selbst erklärtes Ziel war darüber hinaus, Arminius und seine Familie so zu porträtieren, wie wir sie erlebt hatten. Nach dem Dreh hatten wir die ganze Familie sehr ins Herz geschlossen, gleichzeitig waren Situationen entstanden, die man kritisch sehen kann. Wenn das Publikum aus dem Film mit diesem Eindruck herausgeht, erfüllt er aus unserer Sicht seinen Zweck. Die Stärke des Films liegt aus unserer Sicht in seiner Ambivalenz.

Weiterlesen

„The Landscape and the Fury“ schildert die Zustände an der EU-Außengrenze zwischen Kroatien und Bosnien. Der eigentliche Protagonist des Dokumentarfilms sei die Landschaft, erklärt der Editor Hannes Bruun: „Über sie ziehen die Jahreszeiten hinweg, ähnlich wie auch die Kriege und die Menschen, die heute versuchen, über sie in die EU zu gelangen.“ | Foto © Edimotion/Juliane Guder

Beim „Edimotion“ wurden im Oktober wieder die Filmkunst der Montage ausgezeichnet. Den „Schnitt-Preis“ für die beste Dokumentarfilmarbeit gewann der Editor Hannes Bruun für „The Landscape and the Fury“. Über seine Arbeit sprach mit Kyra Scheurer, der Künstlerischen Leiterin des Festivals.

„The Landscape and the Fury“ war Ihre dritte Zusammenarbeit mit Regisseurin Nicole Vögele, die auch als investigative Journalistin arbeitet, Sie hat unter anderem die Pushbacks an der bosnisch-kroatischen Grenze aufgedeckt, wo auch dieser Film seine Bilder einfängt. In ihren freien Filmarbeiten fürs Kino gibt es aber einen sehr besonderen Stil, weit weg von der klassischen Reportage. Welche Prämissen für Dreh, Kamera und Montage gibt es bei diesen freien Arbeiten?
Nicole arbeitet in ihren Filmen ohne vorab festgelegtes inhaltliches Konzept und folgt einer sehr eigenen, intuitiven Herangehensweise. Meist steht zu Beginn ein Ort, in den sie sich während des Drehs immer mehr hineinarbeitet, indem sie dort viel Zeit verbringt. Schicht für Schicht schaut sie, was dort für Verbindungen liegen, die vielleicht auf den ersten Blick so gar nicht sichtbar sind. Die Kamera ist dabei meist in einer beobachtenden Perspektive. Gedreht wird analog, auf Super-16-Millimeter—Film. Dies beschränkt die Materialmenge erheblich und schafft eine Konzentration am Drehort, die für Nicole von ganz besonderer Bedeutung ist. Man lässt nie einfach laufen, sondern entscheidet sich ganz bewusst für eine Einstellung, die dann einmal ausgelöst und nicht wiederholt wird.
Im Schnitt versuchen wir all diese beim Dreh gesammelten Momente in eine Struktur zu bringen, die sich für den Film richtig anfühlt. Dabei arbeiten wir bewusst ohne feste Rezepte und gehen bei jedem Film wieder ganz neu auf die Suche – lassen uns auch von Zufällen und intuitiven Arbeitsweisen leiten. Ich habe das Gefühl, dass darin oftmals eine Möglichkeit liegt, wirklich Neues zu entdecken. 

Weiterlesen

„Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes“: In seinem Spätwerk arbeitet sich Edgar Reitz nochmal an der Frage nach der Wahrheit ab. Die ist nicht absolut, findet er mit 92. „Es gibt eine Wahrheit, die gibt es nur in der Wissenschaft, und dann gibt es eine andere, nämlich eine künstlerische Wahrheit.“ | Foto © Weltkino/Ella Knorz

Leibniz ist der richtige Philosoph für unsere Zeit, findet Edgar Reitz. Zehn Jahre lang hat er an seinem Alterswerk gearbeitet: „Ich wollte nicht über Leibniz erzählen, sondern aus ihm heraus“.

Filme macht man für seinen Anteil an der Welt, meint Edgar Reitz. „Ich träume nachts von meinen Figuren, ich wache mit Bildern auf. Die Frage, ob mein Film sich am Markt bewährt, ist mir in solchen Momenten völlig egal. Ich will Filme machen, die berühren, die herausfordern.“  

Zum Beispiel mit Gottfried Wilhelm Leibniz. Der Vordenker der Aufklärung ist für ihn der richtige Philosoph für unsere Zeit. „Ich habe über zehn Jahre an dem Thema gearbeitet. Anfangs wollte ich ein großes Biopic machen, ein Zeitbild einer nach 30 Jahren Krieg verwüsteten Welt. Aber ich merkte, dass ich damit in Hollywood-Dimensionen komme“. erzählt Reitz im Interview mit Chris Schinke in der „Taz“. 

Weiterlesen

Ewige Warterei in „Cast Away“ (© Paramount)

Fast fertig sei die Förderreform. Auch die Investitionsverpflichtung kommt „in Kürze“, verspricht der BKM. Doch bis alle Pläne auch umgesetzt sind, wird es wohl schon wieder Sommer sein.

Der BKM hatte sich vorigen Freitag erneut mit Streamern und Sendern „in sehr konstruktiven Gesprächen ausgetauscht. Den Entwurf für ein Investitionsverpflichtungsgesetz wird Staatsminister Weimer zeitnah vorlegen“, verspricht die Pressemitteilung. Dann wäre endlich vollbracht, was seine Vorgängerin Claudia Roth vor die Jahren angekündigt hatte: die gründliche Reform der Filmförderung für eine stärkere Branche und bessere Filme – der „große Wurf“.

Ganz so grundsätzlich war die Reform doch nicht durchdacht, es ging vornehmlich wieder nur ums Geld und wie es vermeintlich zielführender verteilt werden sollte. Immerhin brachte Roth in letzter Minute noch das neue Filmfördergesetz durch, die Finanzierung indes blieb offen: ein Steueranreizsystem und eine Investitionsverpflichtung für Streamer und Sender waren mal Teil der Reformpläne.

Weiterlesen

Am Set von „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ (2012). | Foto © Stadion Babelsberg

Die Branche hat Krise genug, aber dahinter wächst ein noch größeres Problem: Stell dir vor, du produzierst wieder Filme, und es ist keiner mehr da!

Die deutsche Filmbranche steht unter Druck – um es möglichst neutral auszudrücken. Gefühlt alle zwei Monate erscheinen Offene Briefe, in denen die Lage dramatischer geschildert wird. Von „Abgrund“ und „Katastrophe“ ist die Rede. Mitunter gibt es auch Zahlen dazu, vereinzelte Umfragen bestätigten bislang den Abwärtstrend.

Einen aktuellen Überblick gibt die „Übersicht der Produktionen 2015 bis heute“ bei Crew United. Auch hier keine gute Nachricht: Es geht weiter nach unten, und das immer schneller. Der Ausblick aufs laufende Jahr spiegelt eine strukturelle Entwicklung wider, die Sorgen macht: Bislang liegt die Zahl an Spielfilmen (Kino und TV) und Serien um ein Viertel unter dem Vorjahr; bei den Dokumentarfilme ist ein Rückgang auf ein Drittel, bei Kinodokus gar ein Zehntel des Vorjahrs (gezählt wurden nur Produktionen mit einem Drehstart in 2025, die im Dreh oder abgedreht sind und einen deutschen Produzenten oder Koproduzenten haben – also auch alle Projekte, die teils oder komplett im Ausland gedreht werden; Dokuformate erscheinen zum Teil verzögert in der Datenbank).

Zwei zentrale Ursachen prägen die aktuelle Lage. Zum einen wirtschaftliche Faktoren: Überall werden Haushalte gekürzt; die Inflation geht weiter; Produktionskosten steigen; Erlöse bei der Verwertung sinken; es herrscht Zurückhaltung bei Investitionen in Inhalte; weniger internationale Produktionen produzieren in Deutschland.

Zum anderen strukturelle Probleme: Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wird weiter gespart; Privatsender investieren deutlich weniger in Fiktion; Streamer reduzieren ihre Ausgaben für deutschen „Content“ – zu viel davon findet nur begrenzte Aufmerksamkeit. Derweil drehen deutsche Produktionen zunehmend im Ausland. Oft aus finanziellen Gründen, denn zwei zentrale Förderinstrumente sind immer noch in Arbeit: Investitionsverpflichtung und Steueranreizmodell (inzwischen ohne Steuern).

Zugegeben, die Listen sind lang. Was dabei aber leicht vergessen geht: Es gibt noch zwei Kernprobleme mit Wechselwirkung. Die Auftragsflaute bekommen natürlich auch die Filmschaffenden zu spüren: Mehr als 60 Prozent der aktiven Crew-United-Member mit Berufen hinter der Kamera haben in diesem Jahr noch kein einziges Projekt in ihrer Filmografie eingetragen. Bei den Schauspieler*innen sind es fast 80 Prozent.

Weiterlesen

Gewerkschaftskundgebung während der Tarifverhandlungen im vorigen Jahr. Die Gagentabelle geht von einer 50-Stunden-Woche aus, doch oft wird noch länger gearbeitet. Sonst könne man in Deutschland keine Filme drehen, lautet die übliche Begründung. | Foto © Christian von Polentz/Verdi

Alle müssen sparen, die Förderreform ist immer noch eine Baustelle. Es soll aber noch einen Grund geben, warum Produktionen im Ausland drehen. 

Dass sich die „Produktionsflucht“ aus Deutschland gerade beschleunigt, sei wohl auch ein bisschen die Schuld der Filmschaffenden, hat Lisa Priller-Gebhardt für die „Süddeutsche Zeitung“ [Bezahlschranke] beim „Bayerischen Filmgipfel“ herausgefunden: „Fragt man unter Produzenten nach weiteren Gründen dafür, dass sie inzwischen um Deutschland einen Bogen machen, dann ist schnell auch vom neuen Tarifvertrag die Rede, der Anfang Mai in Kraft getreten ist. Er umfasst unter anderem eine Begrenzung der Tageshöchstarbeitszeit, Zuschläge für lange Drehtage sowie einen zusätzlichen bezahlten freien Tag je 20 Drehtage, zweimalige Gagenerhöhungen um 2,5 Prozent sowie eine branchenweite betriebliche Altersvorsorge mit vier Prozent Arbeitgeberzuschuss von nächstem Jahr an.“ 

Die größte Interessenvertretung der Produzent*innen kennt die Realitäten besser: „Unsere Branche muss für Fachkräfte und Nachwuchs attraktiv sein, nur so bleibt sie zukunftsfähig“, meldete die Produktionsallianz zum Start des Tarifvertrags. Denn nicht nur wegen der Produktionsflaute hat die Branche Probleme, Nachwuchs zu finden und Fachkräfte zu halten, hatte zum Beispiel vor zwei Jahren Dominique Ott-Despoix im „Fluter“ geschildert. 

Weiterlesen

„Vermiglio“ war der beste italienische Film des vergangenen Jahres und „Oscar“-Kandidat. Die Regierung hätte trotzdem lieber Filme, die schönere Geschichten über Italien erzählen. | Foto © Cinedora

Auch in Italien liegt die Filmbranche am Boden. Die Regierung in Rom hat vor einem Jahr die Förderung eingestellt und die überfällige Reform seither verschleppt.

Das italienische Kino steckt tief in der Krise, warnt Ulrike Sauer in der „Neuen Zürcher Zeitung“ [Bezahlschranke]. „Dabei war Rom früher als ,Hollywood am Tiber‘ bekannt. Es war nicht nur die Stadt mit den meisten Kinos im Land – mehr als 200. In den Filmstudios Cinecittà im Süden Roms entstanden Tausende Filme.“ Doch in der Stadt verschwinden die Kinos, die Produktion liegt am Boden. Im „Étoile“, einst „das wichtigste Kino Roms“, werden heute Handtaschen verkauft:

„In der Tat hat sich Rom von einem kulturellen Zentrum in ein gigantisches Fast Food verwandelt. Der unkontrollierte Massentourismus frisst die Stadt buchstäblich auf. […] In den vergangenen 15 Jahren haben in Italiens Filmstadt 103 Kinos geschlossen. Das Sterben vollzog sich meist lautlos. 46 Lichtspielhäuser stehen heute noch leer. Die anderen wurden bereits in Spielhöllen oder Diskotheken, in Supermärkte, Fitnessstudios oder Foodhallen verwandelt. […] Das Kinosterben ist aber nur ein Aspekt der profunden Krise des italienischen Films. Die Produktion kam Anfang 2024 nahezu zum Erliegen. 70 Prozent der Filmschaffenden in Italien sind seit mehr als einem Jahr ohne Arbeit. […] Schuld an ihrer Notlage gibt die moribunde Branche der Regierung. Sie habe den Kinoproduzenten vor einem Jahr den Geldhahn vollends abgedreht und die überfällige Reform der staatlichen Filmförderung seither verschleppt. Es geht um Steuervergünstigungen, die seit 2016 das Wachstum der italienischen Filmwirtschaft beflügelt und viele ausländische Produktionen angezogen haben. Die Neugestaltung des Gesetzes blieb das Kulturministerium schuldig. […] Giorgia Meloni trat vor knapp drei Jahren nach eigenem Bekunden an, in Italien die kulturelle Hegemonie der Linken zu beenden. Dass es im Land keine Schauspieler gebe, die sich öffentlich zu ihrer rechten Gesinnung bekennten, erklärte Meloni kürzlich in einem Videointerview mit der Zeitung ,La Verità‘ so: ,Dahinter steckt das Clan-Verhalten der Linken.’ […] Die Regierung möchte die Subventionen künftig von den kommerziellen Erfolgsaussichten eines Filmprojekts abhängig machen. Auch wünscht sie sich Filme, die Italien feiern und Italiener positiv darstellen.“ 

Weiterlesen

Hauptsache billig. Drehstart zur dritten Staffel von „Charité? in Tschechien 2019. | Foto © MDR/Ufa Fiction/Stanislav Honzík

Die Förderreform lässt weiter auf sich warten. Unterdessen zieht es Produktionen lieber in billigere Nachbarländern. Sogar die öffentlich-rechtlichen Sender ziehen dabei mit.

Während die Feuilletons mit dem neuen Kulturstaatsminister noch die Kultur erörten, drängt die Branche zum Handeln. 22 Berufsverbände und Vereinigungen haben einen Offenen Brief an BKM Wolfram Weimer geschrieben – mit der „dringenden Erwartung, dass Sie zwei zentrale Förderinstrumente aus dem Koalitionsvertrag zügig umsetzen: ,eine gesetzliche Investitionsverpflichtung sowie ein steuerbasiertes Anreizmodell, um die Wettbewerbsfähigkeit des Filmstandorts Deutschland durch eine zeitnahe Reform der Filmförderung zu verbessern.’“  

Im ganzen Wortlaut ist der Offene Brief zurzeit nur auf „Blickpunkt Film“ [Bezahlschranke] zu lesen. Darin schließen sich die Unterzeichnenden ausdrücklich einem ähnlichen Appell an. Schon im März, kurz nach der Wahl, hatten mehrere Verbände mit Sitz im FFA-Verwaltungsrat gemahnt [hier bei „Blickpunkt Film“]: „Deutschlands Filmtalente sind auf Weltniveau, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind es derzeit nicht. Deswegen befindet sich die deutsche Filmproduktionslandschaft in einer strukturellen Krise.“ Gemeint ist: Der großen Reform fehlen noch Steueranreize und Investitionsverpflichtung.  

Denn ohne die „rauscht die Produktion von TV-Serien und Kinofilmen am heimischen Markt vorbei in Länder wie Spanien, Italien, Polen, Ungarn, Tschechien oder eben Österreich“, schreibt Achim Rohnke, Geschäftsführer des Verbands Technischer Betriebe für Film & Fernsehen (VTFF), in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke]. Da sieht er auch die Öffentlich-Rechtlichen in der Verantwortung: 

Weiterlesen

Eigentlich hätte eine obligatorische betriebliche Altersvorsorge für Filmschaffende sogar im neuen Filmfördergesetz stehen sollen. Der Kulturausschuss des Bundestags hat sie wieder gestrichen. Jetzt kommt sie wenigstens als Tarifvertrag. Szenenfoto aus „Jetzt oder nie“ (2000). | Foto © Wild Bunch

Ab Juli haben Filmschaffende Anspruch auf betriebliche Altersvorsorge – „bei allen Dreharbeiten obligatorisch, verbindlich“. Das ist gewaltiger Fortschritt bei der sozialen Absicherung. Ausnahmen gibt es freilich weiterhin. 

Mit den Beschäftigungsverhältnissen der Branche tut sich das deutsche Sozialsystem bekanntlich schwer. Besonders die Rente macht vielen Filmschaffenden Sorgen. Ab 1. Juli wird’s besser! Dann tritt der neue Tarifvertrag über eine betriebliche Altersvorsorge in Kraft, auf den sich Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und Schauspielverband (BFFS) mit der Produktionsallianz geeinigt hatten. Damit werde die „betriebliche Vorsorge bei allen Dreharbeiten obligatorisch, verbindlich“, erklärt Heinrich Schafmeister vom BFFS 

Dafür setzt man auf ein bewährtes System: die Pensionskasse Rundfunk (PKR). Allen Filmschaffenden, die in einer Filmproduktion mitwirken, steht für diese Zeit eine Zahlung in die betriebliche Altersvorsorge bei der PKR zu. Das heißt: die Produktionsfirmen zahlen einen Betrag in Höhe von 4 Prozent der vereinbarten Gage (zusätzlich zur Gage!) bei der PKR ein, die Filmschaffenden zahlen den gleichen Betrag als Eigenanteil. Eine entsprechende Regelung muss aber in den Arbeitsvertrag eingefügt werden.  

Weiterlesen

 

Der neue Kulturstaatsminister hat einen Artikel geschrieben. Die Kulturseiten lesen es als „seine ultimative Antrittsrede“. Darin geht es weniger um die Kultur, sondern um der Kampf darum.(Szenenfoto aus „Das weiße Band“, 2009). | Foto © X-Filme

Die Kunst wird von allen Seiten bedroht und muss geschützt worden, warnt der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer. Die Gefahren schätzt er allerdings recht unterschiedlich ein.

Der Kulturkampf hat längst begonnen, weiß Wolfram Weimer. In einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ [Bezahlschranke] sieht sich der neue Kulturstaatsminister in der Verantwortung: „Wenn Kulturkämpfe ausgefochten werden, geht es selten um Kultur. Es geht um Macht. Verhandelt wird über Deutungsmacht, welche Ideen, Perspektiven, welche Kunst und Wissenschaft erwünscht ist und welche nicht. […] Linke wie Rechte wollen die Kunst politisieren, haben sich aber ein denkbar ungeeignetes Objekt ausgesucht. Die Korridore des Sagbaren, Erkundbaren und Darstellbaren gilt es zu weiten, anstatt sie zu verengen. […] Nach wie vor entsteht Kunst auf dem Resonanzboden einer vielfältigen Gesellschaft mit unzähligen mentalen Strömungen und schert sich nicht um Vorgaben, Vereinnahmungen oder Verbote. Gerade deshalb muss sie gefördert werden. […] Der Staat kann […] als Mäzen auftreten, sollte sich aber inhaltlicher Einmischung enthalten. Er degradiert ansonsten die Künste zur Platzanweiserin der jeweiligen politischen Korrektheit.“ 

Weiterlesen

Die Erwartung an Vertrauenspersonen sind hoch. Sie sollen die Abläufe in der Filmproduktion kennen, beratungssicher sein und vor allem unabhängig. „Das ist nicht einfach“, sagt Thomas Biniasz. | Foto © Pexels

Im September startet die erste Weiterbildung zur Vertrauensperson – sogar mit Zertifikat. Thomas Biniasz und Christine von Fragstein von Fair Play Film + Kultur haben die  Weiterbildung entwickelt, die Produktionsallianz ist Co-Veranstalterin.

Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Thomas Biniasz:
In Kooperation mit der Produktionsallianz veranstalten wir ja bereits Workshops zum Thema Leadership. Nun gibt es seit vorigem Herbst den Respect Code Film, den die Produktionsallianz mit Verdi, dem BFFS und vielen weiteren Sendern und Verbänden initiiert hat …

… und der unter anderem und vor allem Vertrauenspersonen am Set vorsieht.
Thomas Biniasz:
Und weil es bislang keine zertifizierte Weiterbildung zur Vertrauensperson gibt, gingen wir auf die Produktionsallianz zu und wir entschieden, das gemeinsam in die Welt bringen. Die inhaltliche Arbeit kommt vor allem von Christine und mir. Wobei wir viele Gespräche mit Produktionen und Geschäftsführenden führten und schauten, ob das auch für sie passt.

Den RCF haben Sender, Streamer und Verbände unterschrieben. Darin ist zwar viel geregelt, aber doch mit sehr viel „kann“ und „sollte“. Wie verbindlich ist denn da eine Weiterbildung für Vertrauenspersonen? Oder ein Zertifikat?
Christine von Fragstein:
Der RCF ist ja zuerst mal eine Selbstverpflichtung und eine Handlungsabsicht. Und jetzt kommen im Zuge der ganzen Diskussion aus der Branche schon viele Wünsche. Die Produktionsallianz entwickelt zurzeit eine Handlungsempfehlung für Filmproduktionen aus dem Respect Code Film. Und darin ist der Einsatz von externen Vertrauenspersonen ein ganz wichtiger Baustein. Der Gedanke: Damit schaffen wir einen „Safe Space“ und können auch ein Stück weit dieses Schweigen und diese Angst, die oft herrscht, durchbrechen. Die Weiterbildung ist also ziemlich maßgeblich zur Erfüllung des RCF.

Weiterlesen

Wenn das Fernsehen von Ostdeutschland erzählt, wimmelt es meist von Klischees und Stereotypen. „Es fehlt einfach an Entdeckungslust, am Blick für Überraschendes, an Neugierde“, findet der Drehbuchautor Torsten Schulz. Das war mal anders (Szenenfoto aus „Polizeiruf 110: Vor aller Augen“, 2013). | Foto © RBB/Conny Klein

35 Jahre nach der Wiedervereinigung hat der Westen immer noch ein schräges Bild vom Osten. Film und Fernsehen tragen eifrig dazu bei – an den Entscheidungspositionen sind Ostdeutsche eine verschwindende Minderheit. Das muss sich ändern, fordert das  Netzwerk Quote-Ost noch einmal in einem Offenen Brief.   

Wieso gilt Diversität eigentlich nicht für Ostdeutsche? In einem Offenen Brief fordert das Netzwerk Quote-Ost mehr Ostdeutsche in Entscheidungs­positionen. 35 Jahre nach der Wiedervereinigung seien sie gerade in der Film- und Fernsehbranche noch „erschreckend“ unterrepräsentiert: „Es handelt sich hier ganz klar um eine strukturelle Benachteiligung.“ 

Den Brief gab’s zwar schon im Februar zur Bundestagswahl, doch nun ging er auch an den neuen Kulturstaatsminister und findet mehr Beachtung. Michael Hanfeld hält die Forderungen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke] für „ziemlichen Nonsens“: „Quotenvorgaben bedeuten das Ende der Kreativität und der Kunstfreiheit“ und führten eh „auf den Holzweg“.  

Ganz so einfach macht es sich Torsten Schulz nicht. Er ist Professor für Drehbuch an der Filmuniversität Babelsberg und Mitbegründer der Initiative. „Grundsätzlich und von Hause aus“ sei er selbst „immer noch gegen solche Quoten. […] Aber die Ungerechtigkeiten erscheinen mir hier zu massiv und verfestigt“, erklärt er im Interview mit Michael Pilz in der „Welt“ [Bezahlschranke]. 

Weiterlesen

Mitten in die Preisgala platzte die Nachricht vom Tod der 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer. Der Pianist Igor Levit hielt eine spontane Trauerrede. | Foto © Eventpress Fuhr

Die „Lolas“ zeigen sich politisch, und der neue Kulturstaatsminister hatte seinen ersten Auftritt vor der Branche. In den Berichten zur Verleihung des „Deutschen Filmpreises“ hat der Kulturkampf schon begonnen.

Ein klares Votum haben die Mitglieder der Deutschen Filmakademie abgegeben. Am vorigen Freitag wurde in Berlin der „Deutsche Filmpreis“ verliehen, und dass „viele Ehrungen an politische Filme“ gingen, bemerkt nicht nur Jenni Zylka in der „Taz“. 

Genauer genommen, waren es fast alle. Als bester Film wurde „September 5“ geführt, und Tim Fehlbaums Kammerspiel über das Olympia-Attentat von 1972 räumte noch acht weitere „Lolas“ ab. Mit Silber gewann Mohammad Rassoulofs Drama „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ um die Proteste im Iran seit 2022. Bronze ging an „In Liebe, Eure Hilde“, Andreas Dresens Geschichte der Widerstandskämpferin Hilde Coppi. Und der beste Dokumentarfilm ist „Petra Kelly – Act Now!“, in dem Doris Metz die Politikerin porträtiert. 

Unerwartet platzte auch die Wirklichkeit in die Preisgala. Der Pianist Igor Levit sollte die Laudatio für die beste Filmmusik halten. Stattdessen übermittelte er die Nachricht vom Tod der 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer, die er mit einer spontanen Trauerrede ehrte. 

Und dann war da noch der neue Kulturstaatsminister, der bei der Preisgala seinen ersten großen Auftritt hatte. Viele spannende Themen also für die Feuilletons, die sich für die Filme selbst nicht weiter interessieren.  

Weiterlesen