Die Berlinale war schon immer politisch. 1951 begründet, im Kalten Krieg im zerstörten und geteilten Berlin, nach der Idee eines amerikanischen Offiziers: Ein „Schaufenster der freien Welt“ sollte an der Nahtstelle zum Ostblock eröffnet werden, Filmstars und Hollywood-Kino von der Überlegenheit des Westens überzeugen.
Die Filmfestspiele blieben dem Grundgedanken treu, wenn auch anders als ursprünglich gedacht. 1974 nahm erstmals ein sowjetischer Film teil. „Den kulturellen Dialog zwischen den Systemen zu fördern“ erklärte Moritz de Hadeln, Festivalleiter ab 1979, später als seine „ausdrücklich“ vorgesehene Aufgabe. Und darüber hinaus: De Hadeln holte das asiatische Kino nach Berlin, sein Nachfolger Dieter Kosslick setzte den Kurs fort: Der World Cinema Fund fördert Produktionen in filmtechnisch weniger erschlossenen Ecken der Welt. Der Programmumfang hat sich seit 1980 mehr als verdoppelt, 340 Produktionen eröffneten in diesem Jahr in den fünf Hauptsektionen Wettbewerb, Panorama, Forum, Perspektive Deutsches Kino und Generation einen breiten Blickwinkel aus 66 Ländern der Welt.
Gut, man kann annehmen, daß in diesen Ländern meist eher andere Filme gesehen werden. Die Berlinale hat sich nun mal der Filmkunst verschieben, und die meidet alles, was nach Mainstream oder Mittelstand klingen könnte und sucht nach den großen Themen und existenziellen Situationen, die sie eher an den Rändern der Gesellschaft, oben wie unten, rechts wie links, vermutet. Kurz: Gibt ein preisgekrönter Regisseur wie Brillante Mendoza tatsächlich einen Einblick in die Welt seiner mehr als 100 Millionen Landsleute auf den Philippinen – oder treiben die ganz andere Fragen um? Doch das ist ein anderes Thema. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2017-04-01 19:10:322017-04-10 13:27:44Wer erklärt die Welt?
Von links nach rechts: Burkhard Blienert, Sol Bondy, Prof. Dr. Ursula von Keitz, Prof. Dr. Andreas Schreitmüller, Lisa Basten, Dr. Klaus Lederer, Christine Berg, Rüdiger Suchsland
Der Film zeigt einen Zusammenschnitt des Berlinale-Panels von Crew United vom 9. Februar 2017 im Kesselhaus der Kulturbrauerei in Berlin. Die Redaktion des Schnitts hatte Tina Thiele von Casting Network.
Wenn vom Deutschen Film die Rede ist, geht es um seinen wirtschaftlichen Erfolg oder seinen künstlerischen Wert. Es geht nicht um die Menschen, die diese Werke herstellen, nicht um die Bedingungen, unter denen sie entstehen. Die Budgets sind so gestrickt, dass kaum Luft zum Atmen bleibt. Die Menschen, aber auch die Qualität der Filme bleiben auf der Strecke – und damit die künstlerische sowie wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit unserer Branche.
Die Situation der deutschen Filmbranche und dem Großteil der Menschen, die darin arbeiten ist desolat: Am Tropf von Sendern und Filmförderung, allein gelassen von der Politik, vertreten von zahnlosen Verbänden, unterbezahlt und überarbeitet oder Hartz 4, die Altersarmut fest im Blick. Als Filmland ist Deutschland ein Schwellenland. Nur zwei von fünf Filmschaffenden können allein von ihrem Beruf leben – das belegt eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands „Die Filmschaffenden e.V.”, an der 3.827 Filmschaffende teilnahmen.
Doch erstmals zeichnen sich positive Veränderungen ab. Im neuen Filmförderungsgesetz werden erstmals Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit als Ziele genannt, der Koalitionsvertrag der neuen Berliner Regierung weist in dieselbe Richtung, die Berücksichtigung der Pensionskassen-Beiträge auch bei geförderten Projekten ist dank der Limburger Lösung nur noch eine Frage der Zeit. Sind das nur Luftnummern, oder ist dies tatsächlich der zaghafte Anfang einer grundlegenden Verbesserung? Werden nur neue Regeln aufgestellt, oder auch die Menschen hinter diesen Zielen gesehen und gehört?
Was sind gangbare Alternativen und notwendige Veränderungen? Wer fühlt sich dafür verantwortlich? Wer ist bereit, neue Wege zu gehen? Das diskutierte der Filmkritiker und Cultural Activist Rüdiger Suchsland vor Eröffnung der Berlinale mit Gästen aus Film und Politik.
Burkhard Blienert, Mitglied des Deutschen Bundestags, Filmpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Burkhard Blienert ist Mitglied des Deutschen Bundestags und filmpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er wurde am 30. März 1966 in Braubach geboren. Nach Abitur und Zivildienst studierte er an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss mit einem Magister Artium (M.A.) ab. Von 1994 bis 2010 war er unter anderem Mitarbeiter bei Bundestagsabgeordneten, Geschäftsführer eines SPD-Unterbezirks und wissenschaftlicher Referent bei der SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen. Aktuell ist er Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags, Mitglied des Verwaltungsrates der FFA und Mitglied des Hörfunkrates von Deutschlandradio.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Tina Thielehttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgTina Thiele2017-03-20 17:51:112017-05-12 16:12:07cn-klappe: Wie wollen wir Filme machen, wie wollen wir leben?
Heike-Melba Fendel, Autorin, Filmkritikerin und Agentin, über »Pro Quote Regie« und den sogenannten weiblichen Blick
Eigentlich wollten wir nur gemeinsam zu Mittag essen, und über Heike-Melba Fendels neuen Roman reden, »Zehn Tage im Februar«, der auch ein Buch über die Berlinale ist, und über das Kino. Doch dann wurde es ein Gespräch zur Lage der Frau und über die selbsternannten Anwältinnen der Frauenrechte im deutschen Film, »Pro Quote Regie«.
Ein offenes Gespräch mit einer unabhängigen Autorin – die darauf besteht, keine Quote nötig zu haben.
Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland.
+ + +
Heike-Melba Fendel schreibt Essays, Storys und Kritiken für diverse Publikationen und ist Kolumnistin bei Zeit Online. Sie leitet die Künstler- und Veranstaltungsagentur Barbarella Entertainment. Außerdem ist sie Verfechterin von selbstverfassten Interviews und versteht sich darin vor allem als Autorin, wie sie im Tagesspiegel offenbart. Das hier veröffentlichte Interview wurde demgemäß von ihr »mitverfasst«. Fendel mag es eben gerne, wenn sie die Kontrolle über die Dinge behält. [Anmerkung der Redaktion]
artechock: Mir scheint, dass öffentliche Debatten in Deutschland gegenwärtig sehr häufig von einer mehrfachen Beflissenheit regiert werden. Man traut sich Dinge nicht zu sagen: Aus Rücksicht und Schonungstrieb gegenüber jenen, die es betrifft; aus Angst als Nestbeschmutzer zu gelten, oder als Neidhammel; aus Unlust, Spielverderber zu sein; aus Furcht vor Konsequenzen. Darum traut sich kaum noch einer, etwas gegen »Pro Quote Regie« zu sagen, weil man dann – und frau erst recht – geradezu stalinistisch abgewatscht und gebashed wird. Darum kritisiert niemand die Förderer, ihre Entscheidungen, ihre Richtlinien, die Besetzung der Kommissionen, weil man fürchtet, dass sich das beim nächsten Antrag rächt. Darum sagt kaum einer es öffentlich, wenn er Toni Erdmann vielleicht nicht für den besten deutschen Film des Jahres hält, weil man dann »ja nur neidisch« ist, und sich doch bitte auch mal freuen soll. So wie man immer für die deutsche Fußballnationalmannschaft sein muss.
Kurzum: Es gibt keine Streitkultur, keine Offenheit und Neugier auf kontroverse Positionen, keine Lust an der Debatte – nur die alles erstickende Käseglocke der political correctness.
Oder sind das alles Klischees? Soll man zum Beispiel öffentlich auf die Lügen und Halbwahrheiten in den Pressemitteilungen der Filmförderer reagieren und das zurechtrücken?
Heike-Melba Fendel: Natürlich…
artechock: Ellen Wietstock von der Black Box sagt das auch. Sie sagt, das Problem sei, dass sich keiner traut, offen über seine Erfahrungen zu reden – es nutze aber niemandem, wenn er sich anpasst.
Fendel: Du weißt ja, mit wem du hier redest. Ich habe mir natürlich vor gut zwei Jahren überlegt, ob ich nochmal meine Kritik an »Pro Quote Regie« äußern soll. Ich mache in meinem Text im Tagesspiegel in gewisser Weise wieder, indem ich dieses Teppichgedöns bei der Berlinale »im Duktus einer sauertöpfischen Feministin« geißele, wie man das dann gerne nennt, und andererseits zu kritisieren, dass »Pro Quote Regie« nur die »Pro Quote Regie«-Karte spielt – und so immer im Erwartungsrahmen bleibt.
Muss ich also jetzt »schon wieder« so was machen? Ja, muss ich. Weil ich sonst schon Teil dessen werde, was man kritisieren muss:
Dass also überhaupt nicht mehr hinterfragt wird, wieso eine Schauspielerin auch für Arthouse-Filme unbesetzbar ist, jedenfalls unbesetzbar im Sinne der Fördergremien, wenn sie dieses Spiel nicht mitspielt. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2017-03-17 16:37:502017-05-12 16:00:13»Die Frauen sind jetzt am Forderungsherd«
Toni Erdmann: Ist nach der männlichen (!) Hauptfigur benannt. Ob er wohl ästhetischen Maßstäben gerecht wird?
Frauen vor Filmlandschaft – was der deutsche Film wirklich braucht; Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 150. Folge
Für mich ist jeder Tag Weltfrauentag. Ich bin ein Feminist. Gleiche Rechte, gleiche Chancen, gleiche Bezahlung, das ist alles überhaupt nicht die Frage.
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Sehr wohl eine Frage ist aber die Perspektive. Worum geht es eigentlich bei der ganzen Frauen-Quoten-Gleichberechtigungs-Political-Correctness-Debatte? Provokativ formuliert: Nutzt es mir, wenn Frauke Petry genauso gut bezahlt wird, wie Björn Höcke? Oder nutzt es mir mehr, wenn es einfach mehr gute Filme gibt? Egal, ob sie von Männern oder von Frauen kommen? Klar: Das war jetzt eine rhetorische Frage. Und eine polemische.
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Frauen sollen auch das Recht haben, schlechte Filme zu machen – dies ist einer der dümmeren, dieser an klugen Sätze nicht sehr reichen Debatte. Ich finde viele Argumente, die da aufgebracht werden, irrelevant, oft intolerant, gelegentlich stalinistisch. Neulich hab ich zum Beispiel den Newspeak-Begriff »Cultural Appropriation« gelernt, »kulturelle Aneignung«. Gemeint ist damit unter anderem, im Fasching als Indianer rumzulaufen. Ist böse, weil man die Indianer nicht gefragt hat. Der Ausdruck wiederum ist bestimmt nicht gerechte Sprache. Nun interessiert mich, ehrlich gesagt, gerechte Sprache nicht die Bohne. Schon deshalb, weil gerechte Sprache das Gegenteil von Gerechtigkeit ist. Gerechte Sprache verfälscht die realen Verhältnisse. Tarnt und maskiert und gibt den Sprechenden noch ein gutes Gewissen. Gibt es weniger Rassismus, weil wir nicht mehr »Neger« sagen? Es ist noch nichts auf der Welt besser geworden, weil wir unsere Sprache verändert haben. Was die Verhältnisse besser macht, sind Veränderungen der Machtverhältnisse. Weil das die Linken nicht begreifen, gewinnen sie bei Wahlen nicht die Macht.
Charlotte Siebenrock | FOTO: Bernd Jaworek/UFA Serial Drama GmbH
Wir sprachen mit der ehemaligen Besetzungschefin der UFA Serial Drama in Berlin/Potsdam, wie es nun nach der Schließung Ihrer Abteilung weiter geht.
Zur Situation
Ende Januar 2017 wurde die zentrale Casting-Abteilung der UFA Serial Drama am Standort Potsdam-Babelsberg aufgelöst. Ihre Leiterin Charlotte Siebenrock hat über 17 Jahre hinweg unter großem Engagement diese Abteilung aufgebaut und mit viel Knowhow für neue Gesichter in Serien gesorgt. Zu ihrem Team gehörten zuletzt ihre Assistentin Christina Göring, die Archivarin Stephanie Misgaiski und Heike Liebermann, die für das Casting der Kleindarsteller, Kinder und Jugendlichen zuständig war. Tina Thiele traf Frau Siebenrock abseits der Berlinale in einer ruhigen Altberliner Kneipe.
Wie geht es für Sie nach der Entlassung weiter?
Ab dem 1. März 2017 werde ich mich selbstständig machen. Casting | Buch | Regie heißt es dann auf meiner Website. Meine früheren Tätigkeits- und Interessenfelder, wie das Schreiben und das Inszenieren, möchte ich unbedingt wieder aufnehmen, bleibe dem Casting aber natürlich engstens verbunden. Ich bin und bleibe weiterhin Mitglied des Bundesverband Casting (BVC). Vor kurzem habe ich mich dem Verein Pro-QuoteRegie e.V. angeschlossen, weil ich dessen Zweck unterstützenswert finde. Die Fortführung meines Studiums der „Mittelalterlichen Geschichte“ ist eher privaten Interessen geschuldet.
Welche Projekte haben Sie in all den Jahren gecastet?
In meinem Vertrag stand, dass ich zuständig für „Hinter Gittern“ und sämtliche sonstige Formate der seiner- zeitigen Grundy UFA sei. Sehr schnell kamen weitere Projekte dazu wie „Bianca – Wege zum Glück“, woraus dann noch vier weitere Staffeln entstanden. Zudem gab es diverse Fernsehfilme wie z.B. „Held der Gladiatoren“. Außerdem habe ich von Beginn bis zuletzt für „Alles was zählt“ gecastet. Hinzu kamen noch „Verbotene Liebe“, ein Versuch einer Neuauflage von „Wege zum Glück“, „Block B – Unter Arrest“, ab 2016 „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und schließlich „Suspects“. Serien wie „Verliebt in Berlin“ oder „Braut wider Willen“ hat meine damalige Mitarbeiterin Sarah Lee gecastet, für „Tessa“ war Kristina Richter zuständig. Daneben gab es eine Vielzahl von Entwicklungsprojekten, die nur teilweise realisiert worden sind, für die aber auch besetzt werden musste. Insgesamt schätze ich, habe ich weit über 10.000 Live-Castings gemacht. Im Laufe der Zeit sind viele Produktionen eingestellt worden, und es gab deshalb auch schon früher Entlassungen in der Casting-Abteilung. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Tina Thielehttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgTina Thiele2017-03-07 16:37:562017-05-12 15:42:01Charlotte Siebenrock (BVC) im Interview
Christiane Hörbiger im ARD-Film 'Auf der Straße' - Foto: Svenja von Schultzend/ARD Degeto
Frau Basten, Sie beschäftigen sich mit der Kreativbranche insgesamt, kennen aber die Welt der Filmschaffenden aus der Nähe. Was genau ist hier das Problem?
Das Problem ist erstens branchenintern: Obwohl viel Geld in die Filmbranche fließt, sehen wir große Defizite in Entlohnung und Absicherung derjenigen, die dort arbeiten. Etwa in punkto Altervorsorge: Nur jeder zehnte Filmschaffende gibt an, ausreichend für das Alter vorgesorgt zu haben, der Rest ist sich unsicher oder verneint. Der Grund dafür, zeigen uns aktuelle Umfragen, ist schlicht, weil sie dafür kein Geld haben. Obwohl es etwa mit dem Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende (TVFFS) für viele Gewerke einen klaren Rahmen für angemessene Bezahlung gibt, erreicht nur weniger als ein Drittel der auf Produktionsdauer Beschäftigten im Regelfall die Tarifgage. Die ist ja noch dazu eigentlich als Einstiegsgage konzipiert. Unter den Selbstständigen können sich sogar nur 13 Prozent auf ein Honorar in dieser Höhe verlassen.
Das brancheninterne Problem ist also, daß trotz Regulierungsversuchen für viele Erwerbstätige die Entscheidung für die Branche ein hohes Risiko der Prekarisierung birgt.
Zweitens sind da die politischen Rahmenbedingungen für Projektarbeit allgemein, wie sie bei Film und Fernsehen vorherrscht. Aber eben auch in anderen Branchen, etwa im Games-Bereich, in der Plattformökonomie, im Bühnenund Musikbereich oder auch in weiten Teilen der IT-Branche und der Wissenschaft. Die staatlichen Systeme sozialer Absicherung gegen Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit sind auf Normalarbeitsverhältnisse ausgelegt, nicht auf die unsteten, projektbezogenen Verträgen.
Wieso kann man die Sozialversicherungen nicht an diese Gegebenheiten anpassen?
Die Anpassung solcher gewachsenen Systeme ist langsam und langwierig. Es gibt ja auch keine Lobby der Projektarbeiter oder auch nur der Kreativen, die einen Anpassungsprozeß im Großen vorantreiben würde. Eher im Gegenteil, wenn wir die Uneinigkeit der Interessenvertretungen allein in der Filmbranche betrachten. »Mit einer Stimme sprechen« gibt es nicht, entsprechend wenig wird die Vielzahl der sich zum Teil widersprechenden Stimmen gehört. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2017-02-28 17:06:322017-10-03 13:30:41Arm, aber hip!
Von links nach recht: Burkhard Blienert, Sol Bondy, Prof. Dr. Ursula von Keitz, Prof. Dr. Andreas Schreitmüller, Lisa Basten, Dr. Klaus Lederer, Christine Berg, Rüdiger Suchsland - FOTO: Christian Dosch
Die Branche lebt. Immer mehr Veranstaltungen um die Berlinale rücken die Filmpraxis in den Fokus. Am Tag der Eröffnung der Berlinale 2017 in der Kulturbrauerei.
Einen kleinen Fortschritt gibt es doch: Die Berliner Filmfestspiele sind längst nicht mehr nur Glamour fürs Frühstücksfernsehen – der Alltag der Filmproduktion rückt allmählich ins Bewußtsein. Immer mehr Podiumsdiskussionen drehen sich um die Lage der Filmschaffenden, angefeuert durch mehrere Untersuchungen und Umfragen. So stellte die Filmförderungsanstalt (FFA) ihre Studien zur Gendergerechtigkeit in Film und Fernsehen vor, der Berufsdachverband »Die Filmschaffenden« hatte die Situation der Beschäftigten in der Branche erforschen lassen (Seite 5 Cinearte 390).
Deren Ergebnisse überraschen nicht, auch Branchenferne hatten schon vor 15 Jahren von einem Arbeitsmarkt erfahren können, der zum Teil an die Frühindustrialisierung erinnert (cine arte 020). Doch mit 3.827 Teilnehmern und 100 Fragen ist dies nun die bislang ausführlichste Dokumentation des Themas und »garantiert so erstmals eine hohe Aussagekraft und valide Daten«, schreibt Jörg Langer, selbst viele Jahre lang Dokumentarfilmer und heute Berater für Film- und Fernsehproduktionsfirmen und Dozent für an der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin.
Den Auftakt machte Crew United. Am Nachmittag vor der Berlinale-Eröffnung und dem traditionellen Crew Call lud man zur Podiums – diskussion in die Berliner Kulturfabrik: »Wie wollen wir arbeiten? Wie wollen wir leben?« waren die Frage und das Thema, das vor mehr als 300 Gästen unter der Moderation des Filmjournalisten Rüdiger Suchsland besprochen wurde.
Mit seiner ersten eigenen großen Veranstaltung dieser Art wollte das Branchennetzwerk auf die Probleme aufmerksam machen, eine Bestandsaufnahme versuchen und mögliche Partner für eine Lösung zusammenbringen.
Die Perspektive »Neues deutsches Kino« auf der Berlinale: Ghetto fürs deutsche Kino? (Foto: Szene aus Mascha Schilinskis in der Perspektive laufenden Film Die Tochter)
Die Regisseure werden immer älter, die Frauen nicht mehr und die Deutschen laufen im Ghetto – was tut Dieter Kosslicks Berlinale wirklich für den deutschen Film? Eine Münchner Studie liefert überraschende Ergebnisse – Berlinale-Tagebuch, Folge 06
Die Berlinale ist das mit Abstand größte deutsche Filmfestival und auch eines der international bedeutendsten Filmfestivals der Welt. Dort laufen in über einem Dutzend Sektionen und Untersektionen Filme aus aller Welt, nicht zuletzt auch immer mehr Filme von Regisseurinnen und immer mehr Filme aus Deutschland. Denn die Berlinale behauptet von sich, dass sie Frauen fördert und viel für das hiesige Kino tut, ein Schaufenster für den deutschen Film ist.
»Wir haben 74 deutsche Filme in allen Programmen der Berlinale, das ist ja auch wichtig und drei im Wettbewerb und mehrere deutsche Filme noch im ‚Berlinale-Spezial‘.« Also sprach Berlinale Direktor Dieter Kosslick erst vor einer Woche, als er das diesjährige Programm vorstellte. Stimmt doch auch. Oder etwa nicht?
Es stimmt zumindest nicht ganz, muss man zugeben. Drei Wissenschaftler der LMU, der Münchner Universität und der HFF München, der Münchner Filmhochschule, Tanja C. Krainhöfer, Konrad Schreiber und Dr. Thomas Wiedemann,haben jetzt etwas genauer hingeschaut, was wirklich an den vollmundigen Behauptungen und dem Selbstlob der Berlinale dran ist.
Das Ergebnis ist ernüchternd.
Die Wissenschaftler haben 37 Jahre Berlinale-Programm gründlich unter die Lupe genommen und nach Herkunft, Alter und Geschlecht der Filmemacher aufgeschlüsselt. Weil im Gegensatz zu Cannes oder Venedig in Berlin die Leiter leicht die Amtszeiten sowjetischer Parteifunktionäre überschreiten, werden damit genaugenommen nur zwei Intendanten miteinander verglichen: Der Schweizer Moritz de Hadeln, der 1980 die Leitung der Berlinale übernahm, und sein Nachfolger nach 21 Jahren,
Dieter Kosslick, der, wenn er im Jahr 2019 aufhört, auch 19 Jahre im Amt sein wird.
Das wichtigste Ergebnis: Der Anstieg des deutschen Produktionsaufkommens spiegelt sich nicht in einer Erhöhung der programmierten deutschen Produktionen wider. Gemessen am Gesamtprogramm, das in den letzten Jahrzehnten mehr als verdreifacht wurde, hat der Anteil der deutschen Filme sogar abgenommen.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2017-02-18 11:36:122017-05-12 15:48:11Artechock Berlinale-Tagebuch Folge 6: Die Berlinale zeigt heute weniger deutsche Filme als in den 90er Jahren
Wer erklärt die Welt?
out takes, Peter HartigDas Programm der Berlinale wächst und wächst. Aber nicht die Zahl deutscher Filme, wie der Vergleich nationaler und internationaler Festivalbeiträge aller Längen zeigt (oben). Dabei wollte Festivalleiter Dieter Kosslick die doch besonders fördern. | Grafik © Krainhöfer/Wiedemann/Schreiber
Die Berlinale war schon immer politisch. 1951 begründet, im Kalten Krieg im zerstörten und geteilten Berlin, nach der Idee eines amerikanischen Offiziers: Ein „Schaufenster der freien Welt“ sollte an der Nahtstelle zum Ostblock eröffnet werden, Filmstars und Hollywood-Kino von der Überlegenheit des Westens überzeugen.
Die Filmfestspiele blieben dem Grundgedanken treu, wenn auch anders als ursprünglich gedacht. 1974 nahm erstmals ein sowjetischer Film teil. „Den kulturellen Dialog zwischen den Systemen zu fördern“ erklärte Moritz de Hadeln, Festivalleiter ab 1979, später als seine „ausdrücklich“ vorgesehene Aufgabe. Und darüber hinaus: De Hadeln holte das asiatische Kino nach Berlin, sein Nachfolger Dieter Kosslick setzte den Kurs fort: Der World Cinema Fund fördert Produktionen in filmtechnisch weniger erschlossenen Ecken der Welt. Der Programmumfang hat sich seit 1980 mehr als verdoppelt, 340 Produktionen eröffneten in diesem Jahr in den fünf Hauptsektionen Wettbewerb, Panorama, Forum, Perspektive Deutsches Kino und Generation einen breiten Blickwinkel aus 66 Ländern der Welt.
Gut, man kann annehmen, daß in diesen Ländern meist eher andere Filme gesehen werden. Die Berlinale hat sich nun mal der Filmkunst verschieben, und die meidet alles, was nach Mainstream oder Mittelstand klingen könnte und sucht nach den großen Themen und existenziellen Situationen, die sie eher an den Rändern der Gesellschaft, oben wie unten, rechts wie links, vermutet. Kurz: Gibt ein preisgekrönter Regisseur wie Brillante Mendoza tatsächlich einen Einblick in die Welt seiner mehr als 100 Millionen Landsleute auf den Philippinen – oder treiben die ganz andere Fragen um? Doch das ist ein anderes Thema.
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cn-klappe: Wie wollen wir Filme machen, wie wollen wir leben?
out takes, Tina ThieleBerlinale-Panel von Crew United mit Unterstützung der Pensionskasse Rundfunk.
Von links nach rechts: Burkhard Blienert, Sol Bondy, Prof. Dr. Ursula von Keitz, Prof. Dr. Andreas Schreitmüller, Lisa Basten, Dr. Klaus Lederer, Christine Berg, Rüdiger Suchsland
Der Film zeigt einen Zusammenschnitt des Berlinale-Panels von Crew United vom 9. Februar 2017 im Kesselhaus der Kulturbrauerei in Berlin. Die Redaktion des Schnitts hatte Tina Thiele von Casting Network.
Wenn vom Deutschen Film die Rede ist, geht es um seinen wirtschaftlichen Erfolg oder seinen künstlerischen Wert. Es geht nicht um die Menschen, die diese Werke herstellen, nicht um die Bedingungen, unter denen sie entstehen. Die Budgets sind so gestrickt, dass kaum Luft zum Atmen bleibt. Die Menschen, aber auch die Qualität der Filme bleiben auf der Strecke – und damit die künstlerische sowie wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit unserer Branche.
Die Situation der deutschen Filmbranche und dem Großteil der Menschen, die darin arbeiten ist desolat: Am Tropf von Sendern und Filmförderung, allein gelassen von der Politik, vertreten von zahnlosen Verbänden, unterbezahlt und überarbeitet oder Hartz 4, die Altersarmut fest im Blick. Als Filmland ist Deutschland ein Schwellenland. Nur zwei von fünf Filmschaffenden können allein von ihrem Beruf leben – das belegt eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands „Die Filmschaffenden e.V.”, an der 3.827 Filmschaffende teilnahmen.
Doch erstmals zeichnen sich positive Veränderungen ab. Im neuen Filmförderungsgesetz werden erstmals Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit als Ziele genannt, der Koalitionsvertrag der neuen Berliner Regierung weist in dieselbe Richtung, die Berücksichtigung der Pensionskassen-Beiträge auch bei geförderten Projekten ist dank der Limburger Lösung nur noch eine Frage der Zeit. Sind das nur Luftnummern, oder ist dies tatsächlich der zaghafte Anfang einer grundlegenden Verbesserung? Werden nur neue Regeln aufgestellt, oder auch die Menschen hinter diesen Zielen gesehen und gehört?
Was sind gangbare Alternativen und notwendige Veränderungen? Wer fühlt sich dafür verantwortlich? Wer ist bereit, neue Wege zu gehen? Das diskutierte der Filmkritiker und Cultural Activist Rüdiger Suchsland vor Eröffnung der Berlinale mit Gästen aus Film und Politik.
Auf dem Podium waren vertreten:
Lisa Marie Basten, Autorin und Wissenschaftlerin Lisa Basten ist Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung und promoviert am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) zum Thema „Projektarbeit“ im Rahmen des Kollegs „Gute Arbeit. Ansätze zur Gestaltung der Arbeitswelt von Morgen“. Ihr Fokus liegt dabei auf den kreativen Branchen, in ihrer aktuellen Publikation „Wir Kreative! Das Selbstverständnis einer Branche“ stellt sie insbesondere die Film- und Fernsehwirtschaft in den Mittelpunkt. Nach einem Komparatistik- und Soziologiestudium war sie in links-alternativen Projekten in Europa unterwegs und landete schließlich in der Medienbranche. Mit einem Masterabschluss an der Hochschule für Film und Fernsehen (Filmuniversität „Konrad Wolf“ in Babelsberg) wandte sie sich den Arbeitsbedingungen in der Medienbranche zu. Seitdem liegt ihr Forschungsfokus auf dem Wandel der Arbeitswelt, Möglichkeiten kollektiver Organisation und Mitbestimmungsprozessen der Zukunft. Die gebürtige Münchnerin lebt seit 10 Jahren in Berlin und hat zwei Kinder. Fotocredit: © Helge Renner
Christine Berg ist seit dem 1. Februar 2012 stellvertretender Vorstand der Filmförderungsanstalt (FFA). In dieser Funktion verantwortet sie den gesamten Förderbereich der FFA. Zuvor war sie Projektleiterin des Deutschen Filmförderfonds (DFFF), der zum 1. Januar 2007 vom Beauftragten der Bundesregierung fu?r Kultur und Medien (BKM) eingefu?hrt wurde und durch die FFA koordiniert wird. Davor war die gebu?rtige Hamburgerin u. a. Geschäftsfu?hrerin der Gesellschaft zur Förderung audiovisueller Werke in Schleswig-Holstein mbH (MSH) und Intendantin der Nordischen Filmtage Lu?beck, Leiterin des Location-Bu?ros der Filmförderung Hamburg sowie Aufnahmeleiterin bei verschiedenen Spielfilmproduktionen. Fotocredit: © FFA
Burkhard Blienert ist Mitglied des Deutschen Bundestags und filmpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er wurde am 30. März 1966 in Braubach geboren. Nach Abitur und Zivildienst studierte er an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und schloss mit einem Magister Artium (M.A.) ab. Von 1994 bis 2010 war er unter anderem Mitarbeiter bei Bundestagsabgeordneten, Geschäftsführer eines SPD-Unterbezirks und wissenschaftlicher Referent bei der SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen. Aktuell ist er Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags, Mitglied des Verwaltungsrates der FFA und Mitglied des Hörfunkrates von Deutschlandradio.
Sol Bondy wurde 1979 geboren und ist in London, Spanien und Berlin aufgewachsen. Er studierte Filmproduktion an der dffb Berlin. Im Laufe seines Studiums produzierte er eine Vielzahl von mehrfach ausgezeichneten Kurzfilmen, z.B. mit dem Deutschen Kurzfilmpreis in Gold. Sein abendfüllender Abschlussfilm DIE VERMISSTEN wurde auf der Berlinale 2012 uraufgeführt und für den Europäischen Filmpreis nominiert. 2010 gründete er mit der Produzentin Jamila Wenske und dem Investor Christoph Lange die One Two Films GmbH in Berlin, die in sechs Jahren sechs Filme produzierte. 2013 absolvierte er das Trans Atlantic Partners Programm und wurde von der Fachzeitschrift Screen International als einer von weltweit 30 „Future Leader: Producers“ ausgezeichnet. 2015 konnte die indische Koproduktion ANGRY INDIAN GODDESSES einen der begehrten Publikumspreise in Toronto gewinnen. In 2016 gewann die finnische Koproduktion THE HAPPIEST DAY IN THE LIFE OF OLLI MÄKI den Hauptpreis der Reihe „Un Certain Regard“ in Cannes und den Europäischen Filmpreis. Sol Bondy ist Mitglied der Europäischen Filmakademie und doziert an diversen Filmschulen, z.B. der dffb Berlin, der Filmuniversität Babelsberg oder der FAMU (Prag). Fotocredit: © One Two Films
Dr. Klaus Lederer, Bürgermeister von Berlin, Senator für Kultur und Europa, Klaus Lederer ist seit Dezember 2016 Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa des Landes Berlin. 1974 in Mecklenburg geboren, zog er mit seinen Eltern Ende der 80er nach Berlin – hinein in die „Zeit der Wende“. Die spannende Zeit mit ihrem kreativen Chaos prägte ihn: sich engagieren, mitreden, mitmachen – anpacken ab 1992 in der PDS. Demokratischer Sozialismus – das Beste aus zwei Welten. Klaus Lederer studierte Rechtswissenschaften und ist Anwalt. Von 2003 bis 2016 saß er im Abgeordnetenhaus, war von 2005 bis 2016 Landesvorsitzender der LINKEN in Berlin. Als Landesvorsitzender führte er seine Partei als Spitzenkandidat in den Wahlkampf, in die Koalitionsgespräche und in die rot-rot-grüne Landesregierung, der er nun als Senator angehört. Fotocredit: © DiG/Trialon
Prof. Dr. Andreas Schreitmüller, Leiter der Hauptredaktion Spielfilm und Fernsehfilm ARTE
Prof. Dr. Andreas Schreitmüller ist 1956 in Konstanz geboren. Nach seinem Studium der Linguistik an den Universitäten Konstanz und Manchester (UK) promovierte er zum Thema „Filmtitel“. Er war Lehrbeauftragter an der Jiao Tong-Universität Shanghai, stellvertretender Leiter der Kurzfilmtage Oberhausen und Redakteur beim ZDF in der Redaktion „Das kleine Fernsehspiel“. Seit 1991 ist er Leiter der Redaktion Fernsehfilm bei ARTE in Straßburg, seit 2000 zusätzlich Redaktionsleiter Spielfilm. Zudem arbeitet er als Honorarprofessor für Medienwissenschaft an der Universität Konstanz, ist Mitglied der französischen Filmakademie, der Europäischen Filmakademie sowie der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. Andreas Schreitmüller wurde mit dem französischen Orden “Chevalier dans l’Ordre des Arts et Lettres” ausgezeichnet. Er veröffentlichte u.a. folgende Schriften: „Filme aus Filmen – Möglichkeiten des Episodenfilms“ (1983), „Filmtitel“ (1994) und „Alle Bilder lügen“ (2005). Andreas Schreitmüller war Redakteur bei zahlreichen Filmen, u.a. „Drachenfutter“, „Jenseits der Stille“, „Lola rennt“, „Good Bye, Lenin!“, „Das Leben der Anderen“, „Sophie Scholl“, „Alles auf Zucker“, „Der freie Wille“, „Im Angesicht des Verbrechens“, „Wolke 9“ und „Victoria“. Fotocredit: © Stephanie Gagel
Prof. Dr. Ursula von Keitz lebt in Berlin, lehrt nach Professuren in Bonn und Konstanz seit 2014 an der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ und ist Direktorin des Filmmuseums Potsdam. Sie ist Mitglied des Netzwerks “FilmBildRaum” der Humboldt-Universität zu Berlin, Vorstandsmitglied von Cinegraph Babelsberg e.V. und Mitglied des Runden Tisches der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) zum sog. Vorbehaltsfilm. Seit 2012 ist sie Co-Leiterin des Langzeitprojekts zur Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland von 1945 bis zur Gegenwart der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). In den 1990er Jahren war sie u.a. als Sammlungsleiterin des Deutschen Filminstituts in Frankfurt am Main, als Ausstellungskuratorin, Drehbuchlektorin und Synchronregisseurin tätig. Sie hat zahlreiche Schriften zur Ästhetik, Geschichte und Theorie des Films veröffentlicht. Mitte 2017 erscheint beim Verlag Schüren der Band zur gleichnamigen Ausstellung “Alles dreht sich und bewegt sich. Der Tanz und das Kino”, die Ursula von Keitz am Filmmuseum Potsdam kuratiert. Fotocredit: © Universität Konstanz
Der Beitrag gliedert sich in folgende Kapitel:
Intro
Kapitel 1 ? Bestandsaufnahme: Was ist faul im Staate Deutschland?
Kapitel 2 ? Lösungsansätze: Quo Vadis?
Kapitel 3 ? Publikumsstimmen
»Die Frauen sind jetzt am Forderungsherd«
out takes, Rüdiger SuchslandHeike-Melba Fendel (Foto: privat)
Heike-Melba Fendel, Autorin, Filmkritikerin und Agentin, über »Pro Quote Regie« und den sogenannten weiblichen Blick
Eigentlich wollten wir nur gemeinsam zu Mittag essen, und über Heike-Melba Fendels neuen Roman reden, »Zehn Tage im Februar«, der auch ein Buch über die Berlinale ist, und über das Kino. Doch dann wurde es ein Gespräch zur Lage der Frau und über die selbsternannten Anwältinnen der Frauenrechte im deutschen Film, »Pro Quote Regie«.
Ein offenes Gespräch mit einer unabhängigen Autorin – die darauf besteht, keine Quote nötig zu haben.
Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland.
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Heike-Melba Fendel schreibt Essays, Storys und Kritiken für diverse Publikationen und ist Kolumnistin bei Zeit Online. Sie leitet die Künstler- und Veranstaltungsagentur Barbarella Entertainment. Außerdem ist sie Verfechterin von selbstverfassten Interviews und versteht sich darin vor allem als Autorin, wie sie im Tagesspiegel offenbart. Das hier veröffentlichte Interview wurde demgemäß von ihr »mitverfasst«. Fendel mag es eben gerne, wenn sie die Kontrolle über die Dinge behält. [Anmerkung der Redaktion]
artechock: Mir scheint, dass öffentliche Debatten in Deutschland gegenwärtig sehr häufig von einer mehrfachen Beflissenheit regiert werden. Man traut sich Dinge nicht zu sagen: Aus Rücksicht und Schonungstrieb gegenüber jenen, die es betrifft; aus Angst als Nestbeschmutzer zu gelten, oder als Neidhammel; aus Unlust, Spielverderber zu sein; aus Furcht vor Konsequenzen. Darum traut sich kaum noch einer, etwas gegen »Pro Quote Regie« zu sagen, weil man dann – und frau erst recht – geradezu stalinistisch abgewatscht und gebashed wird. Darum kritisiert niemand die Förderer, ihre Entscheidungen, ihre Richtlinien, die Besetzung der Kommissionen, weil man fürchtet, dass sich das beim nächsten Antrag rächt. Darum sagt kaum einer es öffentlich, wenn er Toni Erdmann vielleicht nicht für den besten deutschen Film des Jahres hält, weil man dann »ja nur neidisch« ist, und sich doch bitte auch mal freuen soll. So wie man immer für die deutsche Fußballnationalmannschaft sein muss.
Kurzum: Es gibt keine Streitkultur, keine Offenheit und Neugier auf kontroverse Positionen, keine Lust an der Debatte – nur die alles erstickende Käseglocke der political correctness.
Oder sind das alles Klischees? Soll man zum Beispiel öffentlich auf die Lügen und Halbwahrheiten in den Pressemitteilungen der Filmförderer reagieren und das zurechtrücken?
Heike-Melba Fendel: Natürlich…
artechock: Ellen Wietstock von der Black Box sagt das auch. Sie sagt, das Problem sei, dass sich keiner traut, offen über seine Erfahrungen zu reden – es nutze aber niemandem, wenn er sich anpasst.
Fendel: Du weißt ja, mit wem du hier redest. Ich habe mir natürlich vor gut zwei Jahren überlegt, ob ich nochmal meine Kritik an »Pro Quote Regie« äußern soll. Ich mache in meinem Text im Tagesspiegel in gewisser Weise wieder, indem ich dieses Teppichgedöns bei der Berlinale »im Duktus einer sauertöpfischen Feministin« geißele, wie man das dann gerne nennt, und andererseits zu kritisieren, dass »Pro Quote Regie« nur die »Pro Quote Regie«-Karte spielt – und so immer im Erwartungsrahmen bleibt.
Muss ich also jetzt »schon wieder« so was machen? Ja, muss ich. Weil ich sonst schon Teil dessen werde, was man kritisieren muss:
Dass also überhaupt nicht mehr hinterfragt wird, wieso eine Schauspielerin auch für Arthouse-Filme unbesetzbar ist, jedenfalls unbesetzbar im Sinne der Fördergremien, wenn sie dieses Spiel nicht mitspielt. Weiterlesen
Cinema Moralia – Folge 150: Pro Quote Ästhetik!
out takes, Rüdiger SuchslandToni Erdmann: Ist nach der männlichen (!) Hauptfigur benannt. Ob er wohl ästhetischen Maßstäben gerecht wird?
Frauen vor Filmlandschaft – was der deutsche Film wirklich braucht; Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 150. Folge
Für mich ist jeder Tag Weltfrauentag. Ich bin ein Feminist. Gleiche Rechte, gleiche Chancen, gleiche Bezahlung, das ist alles überhaupt nicht die Frage.
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Sehr wohl eine Frage ist aber die Perspektive. Worum geht es eigentlich bei der ganzen Frauen-Quoten-Gleichberechtigungs-Political-Correctness-Debatte? Provokativ formuliert: Nutzt es mir, wenn Frauke Petry genauso gut bezahlt wird, wie Björn Höcke?
Oder nutzt es mir mehr, wenn es einfach mehr gute Filme gibt? Egal, ob sie von Männern oder von Frauen kommen? Klar: Das war jetzt eine rhetorische Frage. Und eine polemische.
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Frauen sollen auch das Recht haben, schlechte Filme zu machen – dies ist einer der dümmeren, dieser an klugen Sätze nicht sehr reichen Debatte.
Ich finde viele Argumente, die da aufgebracht werden, irrelevant, oft intolerant, gelegentlich stalinistisch. Neulich hab ich zum Beispiel den Newspeak-Begriff »Cultural Appropriation« gelernt, »kulturelle Aneignung«. Gemeint ist damit unter anderem, im Fasching als Indianer rumzulaufen. Ist böse, weil man die Indianer nicht gefragt hat. Der Ausdruck wiederum ist bestimmt nicht gerechte Sprache. Nun interessiert mich, ehrlich gesagt, gerechte Sprache nicht die Bohne. Schon deshalb, weil gerechte Sprache das Gegenteil von Gerechtigkeit ist. Gerechte Sprache verfälscht die realen Verhältnisse. Tarnt und maskiert und gibt den Sprechenden noch ein gutes Gewissen. Gibt es weniger Rassismus, weil wir nicht mehr »Neger« sagen?
Es ist noch nichts auf der Welt besser geworden, weil wir unsere Sprache verändert haben. Was die Verhältnisse besser macht, sind Veränderungen der Machtverhältnisse.
Weil das die Linken nicht begreifen, gewinnen sie bei Wahlen nicht die Macht.
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Charlotte Siebenrock (BVC) im Interview
Tina ThieleCharlotte Siebenrock | FOTO: Bernd Jaworek/UFA Serial Drama GmbH
Wir sprachen mit der ehemaligen Besetzungschefin der UFA Serial Drama in Berlin/Potsdam, wie es nun nach der Schließung Ihrer Abteilung weiter geht.
Zur Situation
Ende Januar 2017 wurde die zentrale Casting-Abteilung der UFA Serial Drama am Standort Potsdam-Babelsberg aufgelöst. Ihre Leiterin Charlotte Siebenrock hat über 17 Jahre hinweg unter großem Engagement diese Abteilung aufgebaut und mit viel Knowhow für neue Gesichter in Serien gesorgt. Zu ihrem Team gehörten zuletzt ihre Assistentin Christina Göring, die Archivarin Stephanie Misgaiski und Heike Liebermann, die für das Casting der Kleindarsteller, Kinder und Jugendlichen zuständig war. Tina Thiele traf Frau Siebenrock abseits der Berlinale in einer ruhigen Altberliner Kneipe.
Wie geht es für Sie nach der Entlassung weiter?
Ab dem 1. März 2017 werde ich mich selbstständig machen. Casting | Buch | Regie heißt es dann auf meiner Website. Meine früheren Tätigkeits- und Interessenfelder, wie das Schreiben und das Inszenieren, möchte ich unbedingt wieder aufnehmen, bleibe dem Casting aber natürlich engstens verbunden. Ich bin und bleibe weiterhin Mitglied des Bundesverband Casting (BVC). Vor kurzem habe ich mich dem Verein Pro-QuoteRegie e.V. angeschlossen, weil ich dessen Zweck unterstützenswert finde. Die Fortführung meines Studiums der „Mittelalterlichen Geschichte“ ist eher privaten Interessen geschuldet.
Welche Projekte haben Sie in all den Jahren gecastet?
In meinem Vertrag stand, dass ich zuständig für „Hinter Gittern“ und sämtliche sonstige Formate der seiner- zeitigen Grundy UFA sei. Sehr schnell kamen weitere Projekte dazu wie „Bianca – Wege zum Glück“, woraus dann noch vier weitere Staffeln entstanden. Zudem gab es diverse Fernsehfilme wie z.B. „Held der Gladiatoren“. Außerdem habe ich von Beginn bis zuletzt für „Alles was zählt“ gecastet. Hinzu kamen noch „Verbotene Liebe“, ein Versuch einer Neuauflage von „Wege zum Glück“, „Block B – Unter Arrest“, ab 2016 „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und schließlich „Suspects“. Serien wie „Verliebt in Berlin“ oder „Braut wider Willen“ hat meine damalige Mitarbeiterin Sarah Lee gecastet, für „Tessa“ war Kristina Richter zuständig. Daneben gab es eine Vielzahl von Entwicklungsprojekten, die nur teilweise realisiert worden sind, für die aber auch besetzt werden musste. Insgesamt schätze ich, habe ich weit über 10.000 Live-Castings gemacht. Im Laufe der Zeit sind viele Produktionen eingestellt worden, und es gab deshalb auch schon früher Entlassungen in der Casting-Abteilung. Weiterlesen
Arm, aber hip!
out takes, Peter HartigChristiane Hörbiger im ARD-Film 'Auf der Straße' - Foto: Svenja von Schultzend/ARD Degeto
Frau Basten, Sie beschäftigen sich mit der Kreativbranche insgesamt, kennen aber die Welt der Filmschaffenden aus der Nähe. Was genau ist hier das Problem?
Das Problem ist erstens branchenintern: Obwohl viel Geld in die Filmbranche fließt, sehen wir große Defizite in Entlohnung und Absicherung derjenigen, die dort arbeiten. Etwa in punkto Altervorsorge: Nur jeder zehnte Filmschaffende gibt an, ausreichend für das Alter vorgesorgt zu haben, der Rest ist sich unsicher oder verneint. Der Grund dafür, zeigen uns aktuelle Umfragen, ist schlicht, weil sie dafür kein Geld haben. Obwohl es etwa mit dem Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende (TVFFS) für viele Gewerke einen klaren Rahmen für angemessene Bezahlung gibt, erreicht nur weniger als ein Drittel der auf Produktionsdauer Beschäftigten im Regelfall die Tarifgage. Die ist ja noch dazu eigentlich als Einstiegsgage konzipiert. Unter den Selbstständigen können sich sogar nur 13 Prozent auf ein Honorar in dieser Höhe verlassen.
Das brancheninterne Problem ist also, daß trotz Regulierungsversuchen für viele Erwerbstätige die Entscheidung für die Branche ein hohes Risiko der Prekarisierung birgt.
Zweitens sind da die politischen Rahmenbedingungen für Projektarbeit allgemein, wie sie bei Film und Fernsehen vorherrscht. Aber eben auch in anderen Branchen, etwa im Games-Bereich, in der Plattformökonomie, im Bühnenund Musikbereich oder auch in weiten Teilen der IT-Branche und der Wissenschaft. Die staatlichen Systeme sozialer Absicherung gegen Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit sind auf Normalarbeitsverhältnisse ausgelegt, nicht auf die unsteten, projektbezogenen Verträgen.
Wieso kann man die Sozialversicherungen nicht an diese Gegebenheiten anpassen?
Die Anpassung solcher gewachsenen Systeme ist langsam und langwierig. Es gibt ja auch keine Lobby der Projektarbeiter oder auch nur der Kreativen, die einen Anpassungsprozeß im Großen vorantreiben würde. Eher im Gegenteil, wenn wir die Uneinigkeit der Interessenvertretungen allein in der Filmbranche betrachten. »Mit einer Stimme sprechen« gibt es nicht, entsprechend wenig wird die Vielzahl der sich zum Teil widersprechenden Stimmen gehört. Weiterlesen
Annäherungen
out takes, Peter HartigVon links nach recht: Burkhard Blienert, Sol Bondy, Prof. Dr. Ursula von Keitz, Prof. Dr. Andreas Schreitmüller, Lisa Basten, Dr. Klaus Lederer, Christine Berg, Rüdiger Suchsland - FOTO: Christian Dosch
Die Branche lebt. Immer mehr Veranstaltungen um die Berlinale rücken die Filmpraxis in den Fokus. Am Tag der Eröffnung der Berlinale 2017 in der Kulturbrauerei.
Einen kleinen Fortschritt gibt es doch: Die Berliner Filmfestspiele sind längst nicht mehr nur Glamour fürs Frühstücksfernsehen – der Alltag der Filmproduktion rückt allmählich ins Bewußtsein. Immer mehr Podiumsdiskussionen drehen sich um die Lage der Filmschaffenden, angefeuert durch mehrere Untersuchungen und Umfragen. So stellte die Filmförderungsanstalt (FFA) ihre Studien zur Gendergerechtigkeit in Film und Fernsehen vor, der Berufsdachverband »Die Filmschaffenden« hatte die Situation der Beschäftigten in der Branche erforschen lassen (Seite 5 Cinearte 390).
Deren Ergebnisse überraschen nicht, auch Branchenferne hatten schon vor 15 Jahren von einem Arbeitsmarkt erfahren können, der zum Teil an die Frühindustrialisierung erinnert (cine arte 020). Doch mit 3.827 Teilnehmern und 100 Fragen ist dies nun die bislang ausführlichste Dokumentation des Themas und »garantiert so erstmals eine hohe Aussagekraft und valide Daten«, schreibt Jörg Langer, selbst viele Jahre lang Dokumentarfilmer und heute Berater für Film- und Fernsehproduktionsfirmen und Dozent für an der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin.
Den Auftakt machte Crew United. Am Nachmittag vor der Berlinale-Eröffnung und dem traditionellen Crew Call lud man zur Podiums – diskussion in die Berliner Kulturfabrik: »Wie wollen wir arbeiten? Wie wollen wir leben?« waren die Frage und das Thema, das vor mehr als 300 Gästen unter der Moderation des Filmjournalisten Rüdiger Suchsland besprochen wurde.
Mit seiner ersten eigenen großen Veranstaltung dieser Art wollte das Branchennetzwerk auf die Probleme aufmerksam machen, eine Bestandsaufnahme versuchen und mögliche Partner für eine Lösung zusammenbringen.
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Artechock Berlinale-Tagebuch Folge 6: Die Berlinale zeigt heute weniger deutsche Filme als in den 90er Jahren
out takes, Rüdiger SuchslandDie Perspektive »Neues deutsches Kino« auf der Berlinale: Ghetto fürs deutsche Kino? (Foto: Szene aus Mascha Schilinskis in der Perspektive laufenden Film Die Tochter)
Die Regisseure werden immer älter, die Frauen nicht mehr und die Deutschen laufen im Ghetto – was tut Dieter Kosslicks Berlinale wirklich für den deutschen Film? Eine Münchner Studie liefert überraschende Ergebnisse – Berlinale-Tagebuch, Folge 06
Die Berlinale ist das mit Abstand größte deutsche Filmfestival und auch eines der international bedeutendsten Filmfestivals der Welt. Dort laufen in über einem Dutzend Sektionen und Untersektionen Filme aus aller Welt, nicht zuletzt auch immer mehr Filme von Regisseurinnen und immer mehr Filme aus Deutschland. Denn die Berlinale behauptet von sich, dass sie Frauen fördert und viel für das hiesige Kino tut, ein Schaufenster für den deutschen Film ist.
»Wir haben 74 deutsche Filme in allen Programmen der Berlinale, das ist ja auch wichtig und drei im Wettbewerb und mehrere deutsche Filme noch im ‚Berlinale-Spezial‘.« Also sprach Berlinale Direktor Dieter Kosslick erst vor einer Woche, als er das diesjährige Programm vorstellte. Stimmt doch auch. Oder etwa nicht?
Es stimmt zumindest nicht ganz, muss man zugeben. Drei Wissenschaftler der LMU, der Münchner Universität und der HFF München, der Münchner Filmhochschule, Tanja C. Krainhöfer, Konrad Schreiber und Dr. Thomas Wiedemann,haben jetzt etwas genauer hingeschaut, was wirklich an den vollmundigen Behauptungen und dem Selbstlob der Berlinale dran ist.
Das Ergebnis ist ernüchternd.
Die Wissenschaftler haben 37 Jahre Berlinale-Programm gründlich unter die Lupe genommen und nach Herkunft, Alter und Geschlecht der Filmemacher aufgeschlüsselt. Weil im Gegensatz zu Cannes oder Venedig in Berlin die Leiter leicht die Amtszeiten sowjetischer Parteifunktionäre überschreiten, werden damit genaugenommen nur zwei Intendanten miteinander verglichen: Der Schweizer Moritz de Hadeln, der 1980 die Leitung der Berlinale übernahm, und sein Nachfolger nach 21 Jahren,
Dieter Kosslick, der, wenn er im Jahr 2019 aufhört, auch 19 Jahre im Amt sein wird.
Was etwas trocken als »Untersuchung der Programmdiversität« – also der Programmvielfalt – »der Internationalen Filmfestspiele Berlin« bezeichnet wird, ist
viel mehr nur eine enorme Fleißarbeit – hinter allerlei Zahlentabellen und Diagrammen enthält der Text auch einigen kulturpolitischen Sprengstoff.
Das wichtigste Ergebnis: Der Anstieg des deutschen Produktionsaufkommens spiegelt sich nicht in einer Erhöhung der programmierten deutschen Produktionen wider. Gemessen am Gesamtprogramm, das in den letzten Jahrzehnten mehr als verdreifacht wurde, hat der Anteil der deutschen Filme sogar abgenommen.
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