Das lineare Fernsehen ist tot. Glauben zumindest die Leute, die sich lieber ihr eigenes Programm über Streaming-Plattformen wie Netflix und Amazon zusammenstellen. Und das werden immer mehr. Auch die linearen Fernsehsender stellen sich auf diese Zukunft ein. Die Öffentlich-Rechtlichen vertrauen anscheinend auf die Kraft ihrer Mediatheken und die Hilfe der Politik. Am 14. Juni hatten die Ministerpräsidenten beschlossen, den Spielraum der Mediatheken zu erweitern, auf Europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, die Ländergrenzen bei der Verbreitung niederzureißen (cinearte 396). In beiden Fällen protestieren die Branchenverbände, die das als Nachteil der Urheber sehen.
Unterdessen haben die Privatsender ihre eigenen Pläne vorgestellt. Pro Sieben Sat.1 und der US-Medienkonzern Discovery wollen mit einer gemeinsame Streaming-Plattform mitmischen, die schon in der ersten Jahreshälfte 2019 Filme, Serien und Live-Sportübertragungen zeigen und innerhalb von zwei Jahren zehn Millionen Nutzer gewinnen soll. Dazu bringen sie ihre bisherigen eigenen Internet- und Video-on-Demand-Dienste Maxdome, 7TV und Eurosport Player ein. RTL, ARD und ZDF seien eingeladen mitzumachen, sagte der neue ProSiebenSat.1-Chef Max Conze auf den Screenforce Days am 20. und 21. Juni in Köln.
Vertreter*innen der Filmbranche NRW thematisieren die Ballung von Macht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Die Vorwürfe des Machtmissbrauchs in Form sexueller Belästigung, die den WDR zur Kündigung seines Mitarbeiters Gebhard Henke veranlasst haben, zeigen symptomatisch einen Systemfehler im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Jenseits der Frage möglicher Schuld zeigt sich an diesem Beispiel deutlich, dass die Monopolisierung von Entscheidungsmacht erhebliche Auswirkungen auf eine kreative Branche hat.
Denn in diesem Fall handelt es sich nicht nur um den Leiter des Programmbereichs Kino, Fernsehfilm und Serie im WDR, sondern gleichzeitig um den Koordinator des Tatorts der ARD, um ein Gremienmitglied der Filmförderung und einen Professor in der Lehre.
An jeder dieser Positionen wird maßgeblich über das Entstehen von Projekten und die Besetzung von Stellen bestimmt. Kommt es zu einer derartigen Konzentration von Macht, dann können Einzelne den Inhalt und die Gestalt von Filmen oder die Entwicklung von Berufsbiografien so nachhaltig beeinflussen, dass ihr Geschmack zum Mainstream wird. Es finden sich in den Sendern genügend Beispiele für dieses Phänomen, bei Entscheiderinnen und Entscheidern gleichermaßen. Diese normale Praxis macht nicht nur anfällig für Formen von Machtmissbrauch, sondern reduziert auch systematisch Pluralität innerhalb der Branche.
Die Entflechtung von Macht und die Schaffung von mehr Autonomie auf der Seite der unterschiedlichen Redakteur*innen führt zu einer größeren Vielfalt an Formen und Inhalten in der Filmbranche. Flachere Hierarchien schaffen produktive Widersprüche im Programm, die einer Demokratie gut zu Gesicht stehen. Die Entscheidung, was für die Zuschauer*innen gut ist, wäre nicht mehr abhängig von der Einschätzung einiger weniger, sondern könnte wieder vermehrt in täglichen Versuchen ausprobiert und verhandelt werden. Von solchen vergrößerten Spielräumen und von der damit einhergehenden Leidenschaft im Dialog zwischen Sendern und Kreativen profitieren die Zuschauer*innen. Wer außer dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann sich dies leisten?
Wir fordern mehr autonome Ansprechpartner*innen in den Redaktionen, um eine größere Bandbreite an Entscheidungswegen innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sender zu schaffen.
Wer über Sendeplätze verfügt, soll nicht gleichzeitig über die Finanzierung von Filmen durch die Filmförderung entscheiden dürfen.
Wir verlangen eine sichtbare Entflechtung von Macht in den wichtigen Entscheidungspositionen der Film- und Fernsehbranche.
AG DOK West • Dokomotive Filmkollektiv • Filmbüro NW e.V. • LaDOC Filmnetzwerk
Wer unsere Stellungnahme mit unterzeichnen möchte, bitte eine E-Mail an (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen).
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00LaDOC Filmnetzwerkhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgLaDOC Filmnetzwerk2018-06-29 09:47:312018-06-29 09:47:50Ballung von Macht im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen
Im EU-Vergleich steht Deutschland zwar erst auf Rang 8, auf sein Sozialsystem ist das Land dennoch stolz. Rund ein Fünftel ihres Einkommens zahlen Arbeitnehmer in die Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, die Arbeitgeber geben den selben Betrag hinzu. Dafür sind die Arbeitnehmer dann gegen jegliche vorstellbaren Widrigkeiten abgesichert. Zumindest in der Theorie. Der Haken: Das System basiert auf einem klassischen ständigen Beschäftigungsverhältnis, das nicht in allen Branchen der Standard ist. An den Sets der Film- und Fernsehproduktionen sind die nur auf Produktionsdauer oder gar „unständig” angestellten Beschäftigten in der Überzahl. Auf 25.000 wird ihre Zahl meist beziffert, zuletzt benutzte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) diese Zahl bei den aktuellen Tarifverhandlungen.
Dauert ihr Engagement eine Woche oder länger, ist alles gut, dann zahlen sie ganz normal ihre anteiligen Sozialbeiträge – das gilt in der Regel für die auf Produktionsdauer angestellten Filmarbeiter. Anders verhält es sich mit der „berufsmäßigen unständigen Beschäftigung” – vor allem Schauspieler sind davon betroffen, die nur für einzelne Drehtage engagiert werden. Für die „Unständigen” gelten klare Kriterien: Die unständige Beschäftigung darf nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sein, die „Unständigen” sind in der Regel nicht ständig beim selben Arbeitgeber beschäftigt und das weniger als eine Woche. Dabei zählen nur die konkreten Arbeitstage (Drehtage), egal, wie viele Stunden der Beschäftigte an einem Tag tatsächlich arbeitet.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2018-06-25 16:15:012018-06-25 16:15:01Unständige Beschäftigung: Sieben Tage sind keine Woche
Als sich der „Zeit“-Herausgeber Giovanni di Lorenzo bei einer Fernseh-Talkrunde zum Fall Dieter Wedel fassungslos die Frage stellte, warum so viele Leute vom Verhalten des Regisseurs gewusst, so lange geschwiegen und weiter mit ihm gearbeitet hätten, wurde im Kreis der Diskutanten zustimmend genickt. Zeugt diese Frage von grenzenloser Naivität oder handelt es sich um heuchlerisches Augenverschließen vor der Wirklichkeit? Denn den Satz „Du willst doch bestimmt noch weiter in der Branche arbeiten“ werden sicher schon viele Frauen und Männer zu Beginn und im Laufe ihrer Karriere in der Medienbranche gehört haben.
Noch während der diesjährigen Berlinale gab es in Sachen Metoo auf allen Veranstaltungen von allen Seiten vollmundige Versprechungen. „Schaut genau hin“, riet zum Beispiel der ARD-Programmdirektor Volker Herres. Iris Berben, Präsidentin der Deutschen Filmakademie, erklärte, Sexismus und sexuelle Übergriffe hätten in der Filmbranche, der großen Filmfamilie, nichts zu suchen. Aber schon bei der Filmpreis-Gala Verleihung rief sie in ihrer Rede dazu auf, die „Männer nicht unter Generalverdacht“ zu stellen und wurde dafür von zahlreichen Anwesenden beklatscht.
Deutschlands Film- und Fernsehproduzenten klangen auch schon mal begeisterter. Als „Kompromisspaket“ bezeichnet die Produzentenallianz den neuen Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende, den sie am 29. Mai mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und den Berufsverbänden für Filmton (BVFT), Montage (BFS) und Schauspiel (BFFS) ausgehandelt hat: „Die Arbeitgeberseite musste bei der Höchst-Arbeitszeit deutliche Zugeständnisse machen“, räumte die Produzentenallianz in einer ersten Pressemitteilung nach der Einigung ein. Dafür habe sie „aber im Gegenzug viel weitergehende, überzogene Tarifforderungen der Arbeitnehmerseite abwehren und eine ungewöhnlich lange Laufzeit der Tarifverträge erreichen“ können.
Das Verhandlungsergebnis ist noch nicht endgültig, sondern muss auf beiden Seiten noch intern bis Ende Juni beraten werden. Insofern ist die Vereinbarung auch nicht öffentlich, sondern nur in den Auszügen bekannt, die beide Seiten in eigenen Presseerklärungen als wichtig herausgestellt haben. Auch dieser Artikel ist davon betroffen.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2018-06-11 14:33:062018-06-11 14:33:06Tarifvertrag 2018: Ein erster Eindruck
Die #MeToo Diskussion um Dieter Wedel weckt Erinnerungen – Nicht immer muss es Vergewaltigung sein, wenn das Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern im Beruf eine Rolle spielt. Einblick in das Innere von Arte, ARD und ZDF.
#MeToo – Ein Wort in eigener Sache
Immer wieder werde ich an meine Zeit beim Fernsehen erinnert, wenn von #MeToodie Rede ist. Aber dann denke ich, nein, vergewaltigt hat dich ja keiner. Tatsächlich bin ich kein Vergewaltigungsopfer, aber es gibt ja noch x andere Bereiche außerhalb des körperlichen, wie Männer ihre Überlegenheit ausdrücken können. Oder hoffen wir: konnten, denn es wäre wirklich an der Zeit, dass diese Zeit vorbei ist. #MeToo sollte also um Dimensionen erweitert werden.
Ein Beispiel, weil wir gerade über Dieter Wedel sprechen:
Der große Bellheim – Mein Nein und die Folgen
Frauen als Geliebte und Intrigantin
Als ich von 1992 bis 1997 stellvertretende Programmgeschäftsführerin und Prokuristin der ARTE Deutschland TV GmbH war, war ich auch (und zwar: stimmberechtigtes) Mitglied der Programmkonferenz. Dort stimmten die beteiligten Sendeanstalten und „Glieder“ der ARTE-Familie über die Programme ab, die zur Sendung oder Produktion gelangen sollten – oder eben nicht. Durchaus gab es Nein-Voten. Und ich wollte ein solches für den eingereichten Film des ZDF „Der Große Bellheim“ erreichen. Das war ein Fernsehspielvierteiler von Dieter Wedel, in dem Mario Adorf den großen Bellheim spielte. Dieser setzte seine Macht u.a. für eine viel jüngere Geliebte ein. Mich störte, dass außer vielleicht Leslie Malton, die ja schon immer ziemlich souverän auftrat, keine Frauenrolle mit auch nur irgendeiner Bedeutung besetzt war.
Es ging über die vier langen Teile der Serie hauptsächlich um große, oft auch körperlich voluminöse Männer. Es ging um ihre Kämpfe gegen- und miteinander – und um das große Geld. Frauen spielten entweder die Rolle der Geliebten wie Renan Demirkan, oder die der Intrigantin wie Leslie Malton. Ansonsten suhlten sich Kamera und Regie in der Inszenierung der nie enden wollenden Tatkraft und Virilität der Herren.
Wir schrieben das Jahr 1992
Wir schrieben das Jahr 1992, und die Programmkonferenz von Arte war bis auf eine Ausnahme (mich) mit Männern besetzt. Ich artikulierte meine Bedenken und sagte, so sollten heutzutage Frauen nicht mehr dargestellt zu werden. Das Geschrei nach meinem Redebeitrag mit der Bitte der Rückstellung des „Großen Bellheim“ war laut und groß. Es war so groß, dass es bis zum Direktor „Europäische Satellitenprogramme“ des ZDF, Dr. hc. Heinz Ungureit gelangte.
Das Gerücht kam ihm also zu Ohren, von diensteifrigen Vasallen von Straßburg nach Mainz getragen. Z.B. von dem späteren und noch amtierenden Redaktionsleiter Kino- und Fernsehfilm der Arte GEIE – und nebenbei Honorarprofessor für Medienwissenschaft an der Uni Konstanz – Dr. Andreas Schreitmüller. (Ämterhäufung wäre ebenfalls ein #MeToo-Thema). Der eigentlich freundliche Heinz Ungureit regte sich über meine ihm zugetragenen Äußerungen auf. Und zwar derartig, dass er mir den Garaus machen wollte. Ich erhielt eine Einladung nach Mainz – denn das Opfer geht zum Schafott, klar. Während unserer mehr als einstündigen Unterredung, die fast durchgängig eine Strafpredigt war, musste Ungureit viele Herzpillen schlucken. Denn er konnte sich über die Unverschämtheit, diesen großen Film so runterzumachen, überhaupt nicht mehr einkriegen.
Er sprach mir jegliche Kompetenz ab
Er sprach mit jegliche Kompetenz ab, Filme zu bewerten. Überhaupt sprach er mir jegliche Kompetenz für meinen Job ab. Und er versprach, er werde das Mögliche dafür tun, dass ich bald entlassen werde. Mit Hinweis auf meine Zeugnisse und bisherigen Leistungen für Arte versuchte ich, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Er aber blieb sich sicher, dass ich die falsche – und eben: Frau – auf dem so wichtigen Posten war. Schließlich war ich die einzige Frau in der deutschen Arte-Hierarchie, die etwas zu sagen hatte. Wehe, wenn sie ihren Mund aufmachte. Übrigens gibt es noch heute keine einzige deutsche Frau in der Programmkonferenz von Arte, geschweige denn in der Hierarchie. Und noch ein Übrigens: Es ging nicht immer nur um Frauenrollen, es ging hauptsächlich um den Einsatz der Gebühren für Arte. Das ist ein anderes Thema. Auch darüber sagte ich oft meine Meinung.
Ruf der Feministin
Dieses erste Ereignis brachte mir den Ruf der Feministin ein. Die Männer hatten dafür immer nur ein abschätziges, hämisches Lachen bereit. Es führte auch dazu, dass mann mir meinen Doktortitel überhäufig an den Kopf warf. Sie wissen schon: Mann betont das „Frau Doktor“ so, dass es wie eine Beschimpfung klingt. Mann kannte dann oft nicht mal mehr meinen Nachnamen, sondern beließ es bei dem fast ausgespuckten Titel.
Sie sind eine sehr kompetente Person
Mann nahm mich mal beiseite. Das war etwas später und wahrscheinlich wieder aufgrund einiger für angepasste Herren aufmüpfig klingende Äußerungen. Nach einem sehr üppigen Bankett setzte mann mich an einen etwas abseitigen Tisch und sprach: „Frau Dr. Landbeck, Sie sind eine sehr kompetente Person. Aber Ihr Job gehört uns, dem Bayerischen Rundfunk.“ Das kam aus dem Mund von Thomas Jansing, der damals in der Intendanz tätig war. Später stieg er zum Unterhaltungschef des BR auf und leitet heute die „Sternstunden“, eine – Ironie des Schicksals – Benefizaktion des BR.
Frauen in Hotelbetten
Auch hörte ich, das war noch etwas später, aus dem Mund des damaligen stv. WDR-Fernsehspielchefs Michael Schmid-Ospach, man könne durchaus „betriebsinterne Kündigungen“ aussprechen.
In ihrer Gesamtheit und schließlich in Gestalt des inzwischen verstorbenen Dr. Klaus Wenger zermürbte mich diese geballte Herrenriege so, dass ich dann selbst kündigte. Nur einer entschuldigte sich bei mir für sein Verhalten: das war Heinz Ungureit.
Übrigens gab es beim ZDF einen wichtigen Mann, der reihenweise Frauen in Hotelbetten zog. Das war ein offenes Geheimnis – wahrscheinlich, indem er sie mit Karrierechancen lockte, denn seine Schönheit kann es nicht gewesen sein. Dr. Walter Konrad, Chef der europäischen Satellitenprogramme beim ZDF, Nachfolger von Dr. Ungureit in dieser Position. Richtig böse konnte der werden – das war kurz vor meiner Kündigung im Jahr 1997 – wenn frau sich weigerte, mit ihm selbiges Bett zu teilen. Richtig böse.
Und noch ein Übrigens
Und noch ein Übrigens: Alle genannten Herren sind bzw. waren Ordensträger: sie erhielten und/oder das Bundesverdienstkreuz, den Ordre des Arts et des Lettres, den Bayerischen Verdienstorden und sicher noch viel mehr Ehrungen.
So sieht das also aus mit #MeToo. Es geht viel weiter, viel tiefer – ich könnte noch viel mehr Episoden erzählen. Aber diese reichen ja vielleicht schon mal, um einen Einblick in die schöne deutsche (Fernseh)Welt zu gewähren. Übrigens wundert mich natürlich nicht, dass der Saarländische Rundfunk die Aussagen von Frauen über „Fehlgriffe“ des Dieter Wedel tief in den Akten verschwinden ließ (siehe die aktuelle ZEIT).
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Dr. Hanne Landbeckhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgDr. Hanne Landbeck2018-06-05 12:42:442018-06-05 12:46:05#MeToo – Aus dem Nähkästchen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Anfang April hatten Filmemacher und andere zur Zukunft des deutschen Films getagt. Nun ist das offizielle Ergebnispapier erschienen.
Als Edgar Reitz vor zwei Jahren Schirmherr des LICHTER Filmfest Frankfurt war und grundlegende Reformen im deutschen Filmsystem forderte, machte er öffentlich, was fast allen Beteiligten schon seit längerem bekannt ist: Das System von Filmherstellung und -verbreitung in Deutschland befindet sich in einer Sackgasse. Es ist auf der Produktionsseite von verknöcherten Strukturen, langen Entscheidungswegen und faulen künstlerischen Kompromissen gekennzeichnet und auf der Distributionsseite von einem grundlegenden Wandel der Medienwelt betroffen.
Viele Menschen haben auf Aspekte dieser Herausforderungen Antworten gegeben. Dennoch wird häufig aneinander vorbeigeredet. Missverständnisse und Misstrauen verhindern eine offene Debatte. Wir haben einen anderen Ansatz gewählt. Wir haben in Frankfurt Filmschaffende aus den verschiedensten Bereichen der Branche zusammengebracht und sie darum gebeten, zu diskutieren und konkrete Vorschläge zu erarbeiten. Vorschläge, die ein breites Spektrum von Themen abdecken und dabei deutlich machen, dass an vielen Stellen Grundlegendes verändert werden muss, damit in diesem Land ein Aufbruch in Film und Kino beginnen kann.
Das vorliegende Papier ist das Ergebnis dieses Prozesses. Es wurde in drei Arbeitsgruppen erstellt, die in teilweise wechselnder Zusammensetzung unabhängig voneinander gearbeitet und dabei Impulse aus dem Kongressprogramm aufgenommen haben. Es enthält zahlreiche Positionen zu verschiedenen Aspekten des Filmbetriebs, die naturgemäß nicht von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kongresses geteilt werden.
Wir sind überzeugt, dass dieses Papier einen Weg aufzeigt, in welche Richtung sich die Verhältnisse ändern können. Es versteht sich als Motor für weitere Diskussionen, vor allem aber soll es ein Aufruf zu konkreten Taten sein. In diesem Sinne wünschen wir uns, dass möglichst viele, denen das Kino am Herzen liegt – ob sie am Kongress teilgenommen haben oder nicht –, sich diesem Aufruf anschließen, auch wenn sie nicht jeden einzelnen Vorschlag des Papiers unterstützen.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2018-04-30 16:13:062018-04-30 16:13:43Frankfurter Positionen zur Zukunft des Deutschen Films – Ein Ergebnispapier
Wir verleihen am 3. Mai 2018 in Kooperation mit dem DOK.fest München und mit Unterstützung der Pensionskasse Rundfunk erstmals den FairFilmAward Non-Fiction. Er zeichnet die Produktionsfirma aus, welche die fairsten Produktions- und Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Dokumentarfilmen in den Jahren 2016/17 ermöglichte. Der Preis wird verliehen im Namen zahlreicher Branchenverbände.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Oliver Zengleinhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgOliver Zenglein2018-04-23 10:07:222019-11-04 15:24:131. FairFilmAward Non Fiction: Die Nominierten
Zukunftspläne auf Sendung
out takes, Peter HartigEinen Platz im Internet suchen alle Fernsehsender. Die RTL-Group hat aber auch im Kino noch einiges vor. | Foto © RTL II
Das lineare Fernsehen ist tot. Glauben zumindest die Leute, die sich lieber ihr eigenes Programm über Streaming-Plattformen wie Netflix und Amazon zusammenstellen. Und das werden immer mehr. Auch die linearen Fernsehsender stellen sich auf diese Zukunft ein. Die Öffentlich-Rechtlichen vertrauen anscheinend auf die Kraft ihrer Mediatheken und die Hilfe der Politik. Am 14. Juni hatten die Ministerpräsidenten beschlossen, den Spielraum der Mediatheken zu erweitern, auf Europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, die Ländergrenzen bei der Verbreitung niederzureißen (cinearte 396). In beiden Fällen protestieren die Branchenverbände, die das als Nachteil der Urheber sehen.
Unterdessen haben die Privatsender ihre eigenen Pläne vorgestellt. Pro Sieben Sat.1 und der US-Medienkonzern Discovery wollen mit einer gemeinsame Streaming-Plattform mitmischen, die schon in der ersten Jahreshälfte 2019 Filme, Serien und Live-Sportübertragungen zeigen und innerhalb von zwei Jahren zehn Millionen Nutzer gewinnen soll. Dazu bringen sie ihre bisherigen eigenen Internet- und Video-on-Demand-Dienste Maxdome, 7TV und Eurosport Player ein. RTL, ARD und ZDF seien eingeladen mitzumachen, sagte der neue ProSiebenSat.1-Chef Max Conze auf den Screenforce Days am 20. und 21. Juni in Köln.
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Ballung von Macht im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen
LaDOC FilmnetzwerkFoto © Ladoc
Vertreter*innen der Filmbranche NRW thematisieren die Ballung von Macht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Die Vorwürfe des Machtmissbrauchs in Form sexueller Belästigung, die den WDR zur Kündigung seines Mitarbeiters Gebhard Henke veranlasst haben, zeigen symptomatisch einen Systemfehler im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Jenseits der Frage möglicher Schuld zeigt sich an diesem Beispiel deutlich, dass die Monopolisierung von Entscheidungsmacht erhebliche Auswirkungen auf eine kreative Branche hat.
Denn in diesem Fall handelt es sich nicht nur um den Leiter des Programmbereichs Kino, Fernsehfilm und Serie im WDR, sondern gleichzeitig um den Koordinator des Tatorts der ARD, um ein Gremienmitglied der Filmförderung und einen Professor in der Lehre.
An jeder dieser Positionen wird maßgeblich über das Entstehen von Projekten und die Besetzung von Stellen bestimmt. Kommt es zu einer derartigen Konzentration von Macht, dann können Einzelne den Inhalt und die Gestalt von Filmen oder die Entwicklung von Berufsbiografien so nachhaltig beeinflussen, dass ihr Geschmack zum Mainstream wird. Es finden sich in den Sendern genügend Beispiele für dieses Phänomen, bei Entscheiderinnen und Entscheidern gleichermaßen. Diese normale Praxis macht nicht nur anfällig für Formen von Machtmissbrauch, sondern reduziert auch systematisch Pluralität innerhalb der Branche.
Die Entflechtung von Macht und die Schaffung von mehr Autonomie auf der Seite der unterschiedlichen Redakteur*innen führt zu einer größeren Vielfalt an Formen und Inhalten in der Filmbranche. Flachere Hierarchien schaffen produktive Widersprüche im Programm, die einer Demokratie gut zu Gesicht stehen. Die Entscheidung, was für die Zuschauer*innen gut ist, wäre nicht mehr abhängig von der Einschätzung einiger weniger, sondern könnte wieder vermehrt in täglichen Versuchen ausprobiert und verhandelt werden. Von solchen vergrößerten Spielräumen und von der damit einhergehenden Leidenschaft im Dialog zwischen Sendern und Kreativen profitieren die Zuschauer*innen. Wer außer dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann sich dies leisten?
Wir fordern mehr autonome Ansprechpartner*innen in den Redaktionen, um eine größere Bandbreite an Entscheidungswegen innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sender zu schaffen.
Wer über Sendeplätze verfügt, soll nicht gleichzeitig über die Finanzierung von Filmen durch die Filmförderung entscheiden dürfen.
Wir verlangen eine sichtbare Entflechtung von Macht in den wichtigen Entscheidungspositionen der Film- und Fernsehbranche.
AG DOK West • Dokomotive Filmkollektiv • Filmbüro NW e.V. • LaDOC Filmnetzwerk
Wer unsere Stellungnahme mit unterzeichnen möchte, bitte eine E-Mail an (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen).
Dieser Artikel erschien zuerst auf dem LaDoc DOKUMENTARFILM-FRAUEN-NETZWERK KÖLN.
Unständige Beschäftigung: Sieben Tage sind keine Woche
out takes, Peter HartigSchauspieler (wie hier David Krumholtz in der Krimiserie „Numbers“) werden oft nur für einzelne Drehtage verpflichtet. Das kostet die Produktionsfirmen mehr Geld für Sozialabgaben. Billiger wird’s, wenn die Einzeltage zusammengezählt werden. Doch dieser Praxis wurde jetzt höchstrichterlich ein Ende gesetzt. | Foto © Paramount
Im EU-Vergleich steht Deutschland zwar erst auf Rang 8, auf sein Sozialsystem ist das Land dennoch stolz. Rund ein Fünftel ihres Einkommens zahlen Arbeitnehmer in die Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, die Arbeitgeber geben den selben Betrag hinzu. Dafür sind die Arbeitnehmer dann gegen jegliche vorstellbaren Widrigkeiten abgesichert. Zumindest in der Theorie. Der Haken: Das System basiert auf einem klassischen ständigen Beschäftigungsverhältnis, das nicht in allen Branchen der Standard ist. An den Sets der Film- und Fernsehproduktionen sind die nur auf Produktionsdauer oder gar „unständig” angestellten Beschäftigten in der Überzahl. Auf 25.000 wird ihre Zahl meist beziffert, zuletzt benutzte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) diese Zahl bei den aktuellen Tarifverhandlungen.
Dauert ihr Engagement eine Woche oder länger, ist alles gut, dann zahlen sie ganz normal ihre anteiligen Sozialbeiträge – das gilt in der Regel für die auf Produktionsdauer angestellten Filmarbeiter. Anders verhält es sich mit der „berufsmäßigen unständigen Beschäftigung” – vor allem Schauspieler sind davon betroffen, die nur für einzelne Drehtage engagiert werden. Für die „Unständigen” gelten klare Kriterien: Die unständige Beschäftigung darf nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sein, die „Unständigen” sind in der Regel nicht ständig beim selben Arbeitgeber beschäftigt und das weniger als eine Woche. Dabei zählen nur die konkreten Arbeitstage (Drehtage), egal, wie viele Stunden der Beschäftigte an einem Tag tatsächlich arbeitet.
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Nach Metoo nun Ichnicht?
Ellen WietstockNoch während der diesjährigen Berlinale gab es in Sachen Metoo von allen Seiten vollmundige Versprechungen. Viel ist seitdem nicht geschehen. | Foto © Berlinale, Alexander Janetzko
Als sich der „Zeit“-Herausgeber Giovanni di Lorenzo bei einer Fernseh-Talkrunde zum Fall Dieter Wedel fassungslos die Frage stellte, warum so viele Leute vom Verhalten des Regisseurs gewusst, so lange geschwiegen und weiter mit ihm gearbeitet hätten, wurde im Kreis der Diskutanten zustimmend genickt. Zeugt diese Frage von grenzenloser Naivität oder handelt es sich um heuchlerisches Augenverschließen vor der Wirklichkeit? Denn den Satz „Du willst doch bestimmt noch weiter in der Branche arbeiten“ werden sicher schon viele Frauen und Männer zu Beginn und im Laufe ihrer Karriere in der Medienbranche gehört haben.
Noch während der diesjährigen Berlinale gab es in Sachen Metoo auf allen Veranstaltungen von allen Seiten vollmundige Versprechungen. „Schaut genau hin“, riet zum Beispiel der ARD-Programmdirektor Volker Herres. Iris Berben, Präsidentin der Deutschen Filmakademie, erklärte, Sexismus und sexuelle Übergriffe hätten in der Filmbranche, der großen Filmfamilie, nichts zu suchen. Aber schon bei der Filmpreis-Gala Verleihung rief sie in ihrer Rede dazu auf, die „Männer nicht unter Generalverdacht“ zu stellen und wurde dafür von zahlreichen Anwesenden beklatscht.
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Tarifvertrag 2018: Ein erster Eindruck
out takes, Peter HartigDie Löhne steigen!?Um 6,9 Prozent, in drei Jahresschritten, vor Abgaben und Steuern. Klingt trotzdem noch gut. Bis man die durchschnittliche Netto-Inflationsrate von 1,7 Prozent in Rot über den Brutto-Zuwachs legt. | Grafik © cinearte
Deutschlands Film- und Fernsehproduzenten klangen auch schon mal begeisterter. Als „Kompromisspaket“ bezeichnet die Produzentenallianz den neuen Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende, den sie am 29. Mai mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und den Berufsverbänden für Filmton (BVFT), Montage (BFS) und Schauspiel (BFFS) ausgehandelt hat: „Die Arbeitgeberseite musste bei der Höchst-Arbeitszeit deutliche Zugeständnisse machen“, räumte die Produzentenallianz in einer ersten Pressemitteilung nach der Einigung ein. Dafür habe sie „aber im Gegenzug viel weitergehende, überzogene Tarifforderungen der Arbeitnehmerseite abwehren und eine ungewöhnlich lange Laufzeit der Tarifverträge erreichen“ können.
Das Verhandlungsergebnis ist noch nicht endgültig, sondern muss auf beiden Seiten noch intern bis Ende Juni beraten werden. Insofern ist die Vereinbarung auch nicht öffentlich, sondern nur in den Auszügen bekannt, die beide Seiten in eigenen Presseerklärungen als wichtig herausgestellt haben. Auch dieser Artikel ist davon betroffen.
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#MeToo – Aus dem Nähkästchen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Dr. Hanne Landbeck, out takesDie #MeToo Diskussion um Dieter Wedel weckt Erinnerungen – Nicht immer muss es Vergewaltigung sein, wenn das Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern im Beruf eine Rolle spielt. Einblick in das Innere von Arte, ARD und ZDF.
#MeToo – Ein Wort in eigener Sache
Immer wieder werde ich an meine Zeit beim Fernsehen erinnert, wenn von #MeToo die Rede ist. Aber dann denke ich, nein, vergewaltigt hat dich ja keiner. Tatsächlich bin ich kein Vergewaltigungsopfer, aber es gibt ja noch x andere Bereiche außerhalb des körperlichen, wie Männer ihre Überlegenheit ausdrücken können. Oder hoffen wir: konnten, denn es wäre wirklich an der Zeit, dass diese Zeit vorbei ist. #MeToo sollte also um Dimensionen erweitert werden.
Ein Beispiel, weil wir gerade über Dieter Wedel sprechen:
Der große Bellheim – Mein Nein und die Folgen
Frauen als Geliebte und Intrigantin
Als ich von 1992 bis 1997 stellvertretende Programmgeschäftsführerin und Prokuristin der ARTE Deutschland TV GmbH war, war ich auch (und zwar: stimmberechtigtes) Mitglied der Programmkonferenz. Dort stimmten die beteiligten Sendeanstalten und „Glieder“ der ARTE-Familie über die Programme ab, die zur Sendung oder Produktion gelangen sollten – oder eben nicht. Durchaus gab es Nein-Voten. Und ich wollte ein solches für den eingereichten Film des ZDF „Der Große Bellheim“ erreichen. Das war ein Fernsehspielvierteiler von Dieter Wedel, in dem Mario Adorf den großen Bellheim spielte. Dieser setzte seine Macht u.a. für eine viel jüngere Geliebte ein. Mich störte, dass außer vielleicht Leslie Malton, die ja schon immer ziemlich souverän auftrat, keine Frauenrolle mit auch nur irgendeiner Bedeutung besetzt war.
Es ging über die vier langen Teile der Serie hauptsächlich um große, oft auch körperlich voluminöse Männer. Es ging um ihre Kämpfe gegen- und miteinander – und um das große Geld. Frauen spielten entweder die Rolle der Geliebten wie Renan Demirkan, oder die der Intrigantin wie Leslie Malton. Ansonsten suhlten sich Kamera und Regie in der Inszenierung der nie enden wollenden Tatkraft und Virilität der Herren.
Wir schrieben das Jahr 1992
Wir schrieben das Jahr 1992, und die Programmkonferenz von Arte war bis auf eine Ausnahme (mich) mit Männern besetzt. Ich artikulierte meine Bedenken und sagte, so sollten heutzutage Frauen nicht mehr dargestellt zu werden. Das Geschrei nach meinem Redebeitrag mit der Bitte der Rückstellung des „Großen Bellheim“ war laut und groß. Es war so groß, dass es bis zum Direktor „Europäische Satellitenprogramme“ des ZDF, Dr. hc. Heinz Ungureit gelangte.
Das Gerücht kam ihm also zu Ohren, von diensteifrigen Vasallen von Straßburg nach Mainz getragen. Z.B. von dem späteren und noch amtierenden Redaktionsleiter Kino- und Fernsehfilm der Arte GEIE – und nebenbei Honorarprofessor für Medienwissenschaft an der Uni Konstanz – Dr. Andreas Schreitmüller. (Ämterhäufung wäre ebenfalls ein #MeToo-Thema). Der eigentlich freundliche Heinz Ungureit regte sich über meine ihm zugetragenen Äußerungen auf. Und zwar derartig, dass er mir den Garaus machen wollte. Ich erhielt eine Einladung nach Mainz – denn das Opfer geht zum Schafott, klar. Während unserer mehr als einstündigen Unterredung, die fast durchgängig eine Strafpredigt war, musste Ungureit viele Herzpillen schlucken. Denn er konnte sich über die Unverschämtheit, diesen großen Film so runterzumachen, überhaupt nicht mehr einkriegen.
Er sprach mir jegliche Kompetenz ab
Er sprach mit jegliche Kompetenz ab, Filme zu bewerten. Überhaupt sprach er mir jegliche Kompetenz für meinen Job ab. Und er versprach, er werde das Mögliche dafür tun, dass ich bald entlassen werde. Mit Hinweis auf meine Zeugnisse und bisherigen Leistungen für Arte versuchte ich, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Er aber blieb sich sicher, dass ich die falsche – und eben: Frau – auf dem so wichtigen Posten war. Schließlich war ich die einzige Frau in der deutschen Arte-Hierarchie, die etwas zu sagen hatte. Wehe, wenn sie ihren Mund aufmachte. Übrigens gibt es noch heute keine einzige deutsche Frau in der Programmkonferenz von Arte, geschweige denn in der Hierarchie. Und noch ein Übrigens: Es ging nicht immer nur um Frauenrollen, es ging hauptsächlich um den Einsatz der Gebühren für Arte. Das ist ein anderes Thema. Auch darüber sagte ich oft meine Meinung.
Ruf der Feministin
Dieses erste Ereignis brachte mir den Ruf der Feministin ein. Die Männer hatten dafür immer nur ein abschätziges, hämisches Lachen bereit. Es führte auch dazu, dass mann mir meinen Doktortitel überhäufig an den Kopf warf. Sie wissen schon: Mann betont das „Frau Doktor“ so, dass es wie eine Beschimpfung klingt. Mann kannte dann oft nicht mal mehr meinen Nachnamen, sondern beließ es bei dem fast ausgespuckten Titel.
Sie sind eine sehr kompetente Person
Mann nahm mich mal beiseite. Das war etwas später und wahrscheinlich wieder aufgrund einiger für angepasste Herren aufmüpfig klingende Äußerungen. Nach einem sehr üppigen Bankett setzte mann mich an einen etwas abseitigen Tisch und sprach: „Frau Dr. Landbeck, Sie sind eine sehr kompetente Person. Aber Ihr Job gehört uns, dem Bayerischen Rundfunk.“ Das kam aus dem Mund von Thomas Jansing, der damals in der Intendanz tätig war. Später stieg er zum Unterhaltungschef des BR auf und leitet heute die „Sternstunden“, eine – Ironie des Schicksals – Benefizaktion des BR.
Frauen in Hotelbetten
Auch hörte ich, das war noch etwas später, aus dem Mund des damaligen stv. WDR-Fernsehspielchefs Michael Schmid-Ospach, man könne durchaus „betriebsinterne Kündigungen“ aussprechen.
In ihrer Gesamtheit und schließlich in Gestalt des inzwischen verstorbenen Dr. Klaus Wenger zermürbte mich diese geballte Herrenriege so, dass ich dann selbst kündigte. Nur einer entschuldigte sich bei mir für sein Verhalten: das war Heinz Ungureit.
Übrigens gab es beim ZDF einen wichtigen Mann, der reihenweise Frauen in Hotelbetten zog. Das war ein offenes Geheimnis – wahrscheinlich, indem er sie mit Karrierechancen lockte, denn seine Schönheit kann es nicht gewesen sein. Dr. Walter Konrad, Chef der europäischen Satellitenprogramme beim ZDF, Nachfolger von Dr. Ungureit in dieser Position. Richtig böse konnte der werden – das war kurz vor meiner Kündigung im Jahr 1997 – wenn frau sich weigerte, mit ihm selbiges Bett zu teilen. Richtig böse.
Und noch ein Übrigens
Und noch ein Übrigens: Alle genannten Herren sind bzw. waren Ordensträger: sie erhielten und/oder das Bundesverdienstkreuz, den Ordre des Arts et des Lettres, den Bayerischen Verdienstorden und sicher noch viel mehr Ehrungen.
So sieht das also aus mit #MeToo. Es geht viel weiter, viel tiefer – ich könnte noch viel mehr Episoden erzählen. Aber diese reichen ja vielleicht schon mal, um einen Einblick in die schöne deutsche (Fernseh)Welt zu gewähren. Übrigens wundert mich natürlich nicht, dass der Saarländische Rundfunk die Aussagen von Frauen über „Fehlgriffe“ des Dieter Wedel tief in den Akten verschwinden ließ (siehe die aktuelle ZEIT).
Dieser Artikel erschien zuerst auf der Seite von Schreibwerkberlin: https://schreibwerk-berlin.com/metoo-ard-zdf/
Frankfurter Positionen zur Zukunft des Deutschen Films – Ein Ergebnispapier
out takes, Peter HartigAnfang April hatten Filmemacher und andere zur Zukunft des deutschen Films getagt. Nun ist das offizielle Ergebnispapier erschienen.
Als Edgar Reitz vor zwei Jahren Schirmherr des LICHTER Filmfest Frankfurt war und grundlegende Reformen im deutschen Filmsystem forderte, machte er öffentlich, was fast allen Beteiligten schon seit längerem bekannt ist: Das System von Filmherstellung und -verbreitung in Deutschland befindet sich in einer Sackgasse. Es ist auf der Produktionsseite von verknöcherten Strukturen, langen Entscheidungswegen und faulen künstlerischen Kompromissen gekennzeichnet und auf der Distributionsseite von einem grundlegenden Wandel der Medienwelt betroffen.
Viele Menschen haben auf Aspekte dieser Herausforderungen Antworten gegeben. Dennoch wird häufig aneinander vorbeigeredet. Missverständnisse und Misstrauen verhindern eine offene Debatte. Wir haben einen anderen Ansatz gewählt. Wir haben in Frankfurt Filmschaffende aus den verschiedensten Bereichen der Branche zusammengebracht und sie darum gebeten, zu diskutieren und konkrete Vorschläge zu erarbeiten. Vorschläge, die ein breites Spektrum von Themen abdecken und dabei deutlich machen, dass an vielen Stellen Grundlegendes verändert werden muss, damit in diesem Land ein Aufbruch in Film und Kino beginnen kann.
Das vorliegende Papier ist das Ergebnis dieses Prozesses. Es wurde in drei Arbeitsgruppen erstellt, die in teilweise wechselnder Zusammensetzung unabhängig voneinander gearbeitet und dabei Impulse aus dem Kongressprogramm aufgenommen haben. Es enthält zahlreiche Positionen zu verschiedenen Aspekten des Filmbetriebs, die naturgemäß nicht von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kongresses geteilt werden.
Wir sind überzeugt, dass dieses Papier einen Weg aufzeigt, in welche Richtung sich die Verhältnisse ändern können. Es versteht sich als Motor für weitere Diskussionen, vor allem aber soll es ein Aufruf zu konkreten Taten sein. In diesem Sinne wünschen wir uns, dass möglichst viele, denen das Kino am Herzen liegt – ob sie am Kongress teilgenommen haben oder nicht –, sich diesem Aufruf anschließen, auch wenn sie nicht jeden einzelnen Vorschlag des Papiers unterstützen.
Die VeranstalterInnen
Hier geht es zum Ergebnispapier:
http://www.lichter-filmfest.de/media/frankfurterpositionen_zukunftdeutscherfilm.pdf
1. FairFilmAward Non Fiction: Die Nominierten
Oliver Zenglein, out takesWir verleihen am 3. Mai 2018 in Kooperation mit dem DOK.fest München und mit Unterstützung der Pensionskasse Rundfunk erstmals den FairFilmAward Non-Fiction. Er zeichnet die Produktionsfirma aus, welche die fairsten Produktions- und Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Dokumentarfilmen in den Jahren 2016/17 ermöglichte. Der Preis wird verliehen im Namen zahlreicher Branchenverbände.
Gestern, am 22.4.2018, ist die Bewertungsphase abgelaufen, in der alle an nonfiktionalen Projekten im Zeitraum vom 1.1.2016 bis heute beteiligten Filmschaffenden und Dienstleister die Produktionsfirmen bewerten konnten. Eine Bewertung setzt sich aus jeweils sieben Teilnoten zu folgenden Bereichen zusammen: Chancengerechtigkeit, Gleichbehandlung und Diversität – Vertrag, Gagen und Entgelte – Kommunikation und Arbeitsklima – Arbeitszeiten und Arbeitsschutz – Professionalität und Qualifizierung – Umgang mit Protagonist.innen – Nachhaltigkeit, Solidarität und Perspektiven
Nominiert für den 1. FairFilmAward Non Fiction sind:
# Florianfilm Gmbh
# Flare Film GmbH
# Zero One Film GmbH
Das Gesamtergebnis finden Sie hier: https://www.crew-united.com/survey/2018_FairFilmAward_NonFiction_Produktionen.htm
Der Gewinner wird bei der Verleihung FFA Non-Fiction & VFF Dokumentarfilm-Produktionspreis am 3. Mai im Anschluss an die Konferenz GANZ GROSSES KINO – Die Konferenz zur Zukunft des deutschen Kinodokumentarfilms am 03. Mai 2018 – bekanntgegeben. Tickets für die Konferenz am Vormittag gibt es unter https://konferenz-ganz-grosses-kino.eventbrite.de.