2017_00025_100_Jahre_Ufa

Die Ufa feiert 2017 ihr 100. Gründungsjubiläum. Wir wollen einen Blick auf die langjährige Geschichte der Kult-Produktionsfirma aus der Sicht des Castings werfen und nehmen Euch mit auf eine Zeitreise. Wir stellen vier Besetzungsexperten vor, die Casting bei der Ufa mitgeprägt haben oder es heute noch tun.

Weimarer Republik – Jobst von Reiht-Zanthier
Erster Besetzungschef der Ufa wurde im Jahr 1931 Jobst von Reiht-Zanthier (1893–1965), kurz Jobst von Reiht genannt. Er erhielt den ersten anerkannten Casting-Credit für den Film „Münchhausen“. Der ehemalige Schauspieler war zuvor lange Jahre Regieassistent am Theater. Als rechte Hand von Max Reinhardt und Direktor Dr. Klein kannte dieser Allroundman die gesamte Theaterlandschaft vom Star bis zum Statisten. 1931 wurde er von Erich Pommer für die Ufa rekrutiert: „Wir brauchen Theaterleute. Der Tonfilm hat begonnen, nun müssen wir richtige Schauspieler finden. Überlegen Sie sich mal, wie man das am besten macht.“
Der Produktionschef der Ufa, Ernst-Hugo Corell, konkretisierte das Problem: „Können Sie uns wohl Schauspieler für den Film beschaffen? Sie müssen ja nun sprechen können, Schauspieler sein und noch fotogen dazu! Wo findet man die?“ Die Lage war ernst, da viele der stimmerfahrenen deutschen Stars Mitte der 20er-Jahre nach Hollywood gezogen waren. Corells Erwartung an Jobst von Reiht war eindeutig, der Produktionschef wollte neue Stars: „Mir ist erzählt worden, Marlene Dietrich kannten Sie gut, und die ist auch in Hollywood. Wollen Sie nicht auch mal für uns entdecken?“
Von Reiht riskierte den Sprung ins kalte Wasser, etwas Neues sollte entstehen, mit dem Namen Besetzungsbüro: „In Hollywood gab es das schon, die Casting-Büros, die aus aller Welt ihr Schauspielmaterial heranholten. Mir dämmerte eine Ahnung auf, dass eine Kartei entstehen müsste mit Bildern und Daten dazu.“
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pablo (1)

Nach der Woche der Vorent­schei­dungen: Die Kultur­staats­mi­nis­terin stellt in der Debatte um die Zukunft der Berlinale erste Weichen. Doch die Diskus­sion über die Zukunft der Berlinale verrät viel über den Zustand des deutschen Kinos – die Debatte um die Zukunft der Berlinale – Teil 2

»In der Kunst kann es keinen Frieden geben. Bewegung entsteht aus Konflikt. Das hat Geschichte.«
Thomas Heise / Christoph Hoch­häusler, am 4.12.2017

Seit Ende November ist sie da und nicht mehr zu verdrängen: Die Debatte über die Zukunft der »Inter­na­tio­nalen Berliner Film­fest­spiele«. Ob deren Ursache auch in einer schwe­lenden Krise der gegen­wär­tigen Berlinale liegt und in persön­li­chen Schwächen der handelnden Akteure, darüber gehen die Meinungen schon wieder ausein­ander: Aber klar zu sein scheint: So wie es ist, kann, wird und soll es nicht weiter­gehen.

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Auf den am 24. November veröf­fent­li­chen Brief von über 80 deutschen Film­re­gis­seuren, darunter sehr bekannte Namen wie Volker Schlön­dorff, Fatih Akin und Maren Ade, die das bevor­ste­hende Ende der Amtszeit des noch amtie­renden Berlinale-Direktors zum Anlass genommen hatten, Fragen und Wünsche zur Zukunft der Berlinale zu stellen, und einen Neuanfang zu fordern, folgte eine Einladung des BKM zu einer Veran­stal­tung im »Haus der Kulturen der Welt« (HDKW) am 4. Dezember, in der es formal ganz allgemein und leicht verbrämt um »Film­fes­ti­vals heute« gehen sollte, obwohl doch jeder wusste, dass die Berlinale das einzige Thema war.

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War dies nun ein Befrei­ungs­schlag für Monika Grütters? Die amtie­rende Kultur­staats­mi­nis­terin (CDU) hatte sich, nicht ganz ohne eigenes Zutun, in den letzten Monaten in eine schwie­rige Position gebracht in der Frage nach der Zukunft des wich­tigsten deutschen Film­fes­ti­vals, der Berlinale. Denn bisher hatte man aus ihrem Hause wenige klare Worte dazu gehört. Das zumindest hat der Brief der Regis­seure bewirkt: Grütters sah sich offenbar zu gewissen Klar­stel­lungen gezwungen. In ihrem Hause mag man argu­men­tieren, dass das alles auch ohne den Brief der Regis­seure entstanden wäre. Aber so wie die Dinge liegen, erscheint dieser wie ein Auslöser. Denn erst nach dem Brief der Regis­seure wurde eine Veran­stal­tung im Berliner »Haus der Kulturen der Welt«, von der man bis dahin nur unter der Hand schon erfahren hatte, die nur »auf persön­liche Einladung« zugäng­lich sein sollte, plötzlich »halböf­fent­lich« und dann im Fortgang der Debatte »öffent­lich«.

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Und erst nach dem Brief der Regis­seure nutzte die amtie­rende Kultur­staats­mi­nis­terin ihr Grußwort zu immerhin einigen unmiss­ver­s­tänd­li­chen Aussagen, und stellte schon an diesem Abend und am Tag darauf erste entschei­dende Weichen: Ihr Grußwort nutzte die Minis­terin zu der unmiss­ver­s­tänd­li­chen Aussage, dass der noch bis März 2019 amtie­rende Berlinale-Direktor Dieter Kosslick, der bis dato öffent­lich wie hinter den Kulissen um ein Weiter­ma­chen gekämpft hatte, mit Auslaufen seines Vertrags tatsäch­lich aufhören muss, und auch nicht in anderen Entscheider-Funk­tionen mit im Boot bleibt. Denn nicht nur sagte Grütters, dass das Gerücht falsch sei, dass »der Name Dieter Kosslick für eine Schlüs­sel­po­si­tion nach 2019 gesetzt ist«. Grütters betonte zudem ausdrück­lich: »Miss­ver­standen … wurde ganz offen­sicht­lich die Ankün­di­gung, dass Herr Kosslick dem Aufsichtsrat der KBB ein Konzept für die Zeit nach 2019 vorstellt. Deshalb auch dazu eine Klar­stel­lung: Es handelt sich bei diesem Konzept um einen Diskus­si­ons­bei­trag unter mehreren.« Weiterlesen

Auf dem Podium (von links): der Produzent Thomas Kufus, der Regisseur Volker Schlöndorff, Moderator Philipp Weinges, die Präsidentin der HFF München, Bettina Reitz, der Regisseur Christoph Hochhäusler und Christiane Peitz („Tagesspiegel“). | Foto © Bundesregierung/Koall

Auf dem Podium (von links): der Produzent Thomas Kufus, der Regisseur Volker Schlöndorff, Moderator Philipp Weinges, die Präsidentin der HFF München, Bettina Reitz, der Regisseur Christoph Hochhäusler und Christiane Peitz („Tagesspiegel“). | Foto © Bundesregierung/Koall

Deutschlands größtes Filmfestival braucht eine neue Leitung. Noch zweimal wird Dieter Kosslick zur Berlinale laden, dann läuft sein Vertrag aus, und über 70 wird er dann ja auch schon sein. Und so ist in den jüngsten Wochen eine Diskussion in Gang gekommen, wer ihm denn wohl nachfolgen könnte oder sollte oder müsste …

Debattiert wird freilich nur in den Filmspalten im Kulturteil, denn so sehr interessieren sich dann doch nur die Wenigsten fürs Hauptstadt-Festival mit Weltrang oder die öffentliche Personalpolitik. Dafür sind die Positionen umso klarer und fest: Die Berlinale habe kein Profil, der Wettbewerb keine Inspiration, das Renommee hätten andere Festivals, lassen sich die kritischen Stimmen grob zusammenfassen.

Mitunter erinnern die Vorwürfe an die späten 1990er-Jahre, als Kosslicks Vorgänger Moritz de Hadeln vom Hof gejagt wurde. Eine neue Ära brach an, die Berlinale wurde plötzlich wieder sexy. „Ohne Dieter Kosslick wäre die Berlinale nicht das heutige herausragende Filmkunstereignis mit internationaler Strahlkraft, auf das wir in Berlin so stolz sind“, sagt Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM). Und die ganze Diskussion habe zudem „kampagnenhafte Züge“, kritisiert zugleich der Aufsichtsrat der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin (KBB), der für die Berlinale zuständig ist. Dreihundertdreißigtausend verkaufte Karten, eine halbe Million Besucher – was soll es da zu meckern geben?

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Nach wie vor ist es notwendig, auf die fairen Produktionen hinzuweisen, weil sie alles andere als die Regel sind. Es hat auch nichts genutzt, dass in der seit 01.01.2017 gültigen Neuauflage des Filmfördergesetzes (§2 9. FFG) erstmals “sozialverträgliche Bedingungen” als Fördergrundlage verankert wurden. Deshalb rufen wir auch dieses Jahr alle Member von Crew United zur Bewertung auf!

Die Kriterien für Faire Filmproduktion wurden erneut weiter entwickelt und überarbeitet. Die Umfrage ist bis einschließlich 31.12.2017 online und nur für die Nominierung ausschlaggebend. Für die Preisvergabe werden alle Teammitglieder nochmals extra befragt – also auch die, die kein Profil bei Crew United haben.

Zwei, vielleicht auch drei wichtige Änderungen wird es dieses Jahr geben:

Am Donnerstag, den 15.2.2018, werden wir um 16.30 Uhr in der Kulturbrauerei ein Panel veranstalten, das dann in eine kurze, feierliche Preisverleihung übergeht. Im Anschluss beginnt der Crew Call Berlin. Der Bundesverband Die Filmschaffenden wird im Jahr 2018 keine Preisverleihung veranstalten. Den Preis der DIE FILMSCHAFFENDEN werden wir daher zusätzlich im Namen zahlreicher Verbände, Vereinigungen, Organisationen und Gewerkschaften überreichen, die sich für faire Arbeitsbedingungen einsetzen und den Preis unterstützen, egal ob sie Mitglied bei DIE FIlMSCHAFFENDEN sind oder nicht. Noch haben nicht alle auf die laufende Anfrage antworten können, aber schon jetzt liegen 33 Zusagen vor.

AG DOK
Allianz Unabhängiger Filmdienstleister
art but fair
Berufsvereinigung Filmton
Bundesverband Beleuchtung und Bühne
Berufsverband Kinematografie e.V.
Bundesverband Casting e.V.
Bundesverband der Fernsehkameraleute e.V.
Bundesverband deutscher Stuntleute e.V.
Bundesverband Filmschnitt Editor
Bundesverband Locationscouts e.V.
Bundesverband Produktion e.V.
Bundesverband Regie
Bundesverband Schauspiel – Bühne|Film|Fernsehen|Sprache
Bundesvereinigung Maskenbild
DEFKOM Deutsche Filmkomponistenunion
Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.
Festivalarbeit in ver.di
FairTV
DIE FILMSCHAFFENDEN
Filmunion Verdi
Filmverband Südwest e.V.
Interessengemeinschaft Licht und Bühne München
Interessenverband Deutscher Schauspieler e.V.
InteressenVerband Synchronschauspieler e.V.
Pro Quote Film
Verband der Agenturen für Film, TV und Theater
Verband der Berufsgruppen Szenenbild und Kostümbild
Verband der Requisiteure & Setdecorator
Verband Deutscher Drehbuchautoren E.V.
Verband Deutscher Filmproduzenten e.V. – VDFP
Verband Deutscher Schauspieler Agenturen
Verband Deutscher Sprecher e.V.

* Wir werden dieses Jahr den Preis in zwei Kategorien vergeben: Spielfilm und Serie. Eine Preis für die fairste Dokumentarfilmproduktion wird es wohl in Zusammenarbeit mit dem DOK.fest München im Mai 2018 geben. Dafür wird eine gesonderte Umfrage stattfinden.

* Anfangs hieß die Auszeichnung Hoffnungsschimmer, die letzten beiden Jahre hieß sie Fair Film Award, der zukünftige Name ist durch eine laufende markenrechtliche Prüfung noch offen. Bis zur Preisverleihung werden wir aber wissen, wie der Preis heißen wird.

Egal wie viel Hoffnung auf Veränderung Sie mit dem Fairness Award verbinden:
Er wird von der Politik und der Branche wahrgenommen und Mitmachen kostet nichts! Einfach ins Crew United Profil einloggen und die Projekte bewerten! Jede Stimme zählt! Und wer noch nicht registriert ist, kann das gerne kostenfrei für die Abstimmung machen.

pablo (1)

Trouble in Paradise: Die Regis­seure, der Festi­val­leiter und die Minis­terin – der Kampf um die Zukunft der Berlinale – Teil 1

Manche, auch wohl­ge­son­nene Menschen, behaupten dieser Tage, wir hätten ja etwas gegen die Berlinale. Wir würden sie nicht mögen, oder würden die Berlinale schlecht machen.
Das ist falsch. Wer so redet, hat das Entschei­dende nicht verstanden. Wer die Berlinale kriti­siert, der tut das, weil sie ihm am Herzen liegt. Weil man sie mag und gern dorthin geht. Weil es der Mühe wert ist, seine Zeit damit zuzu­bringen, sie zu kriti­sieren. Kritik muss man sich verdienen. Die Berlinale hat sich Kritik verdient, denn sie könnte besser sein, als sie ist, und wenn man das weiß, dann versucht man seinen Beitrag dazu zu tun, sie besser zu machen.
Wenn manche jetzt den amtie­renden Festi­val­leiter kriti­sieren, oder sogar die Nicht­ver­län­ge­rung seines Vertrages wünschen, dann sollte man dies nicht mit Kritik an der Berlinale verwech­seln. Die Vermi­schung von Insti­tu­tion und Person, von Amt und Amts­in­haber ist derzeit die Strategie des amtie­renden Festi­val­lei­ters, um sich an sein Amt zu klammern. Man sollte auf diese Taktik nicht herein­fallen.
Die Berlinale ist wichtiger als jede Person. Wer das leugnet, beschä­digt die Berlinale.

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Die derzei­tige Debatte um die Zukunft der Berlinale ist überaus spannend und ein Para­de­bei­spiel für kultur­po­li­ti­sche Kämpfe, poli­ti­sche Stra­te­gien und mediale Taktiken.
Es ist in aller­erster Linie ein Kampf um die Meinungs­macht.
Wer die Vorgänge genau und kühl beob­achtet, kann hier viel lernen, weit über den Gegen­stand hinaus. Weiterlesen

Ein 1. AD hat alle Hände voll zu tun, eine Regieassistentin auch. Wie sich die beiden Berufsbilder unterscheiden und weshalb sie in Deutschland doch gerne vermischt werden, erörterten Julia Eplinius und Sebastian Fahr-Brix auf den Regietagen. | Foto © BVR, Christof Arnold

Amerika, du hast es besser. Nirgendwo scheint der alte Spruch noch mehr zu gelten als in der Filmbranche. Sehnsüchtig schauen manche Filmschaffende Richtung Hollywood, wo größere Budgets und bessere Strukturen vermeintlich die Filmarbeit erleichtern. Einen Einblick in der Realität versuchten auf den Regietagen am ­Wochenende in München Julia Eplinius und Sebastian Fahr-Brix für ihr Tätigkeitsfeld zu vermitteln: die Regieassistenz – im angelsächsischen Sprachraum First Assistant Director, kurz 1. AD.

Doch sind beide Systeme oder weiteres zu vergleichen? Sebastian Fahr-Brix hat als 1. AD fast alle Filme von Tom Tykwer begleitet – bis hin zur neuen Serie „Babylon Berlin“, die mit einem Rekordbudget von 40 Millionen Euro mit den Produktionen von Streamingdiensten und Abosendern konkurrieren soll. Julia Eplinius vertritt als Vorstand die Regieassistenten im Bundesverband Regie (BVR). Einem Laien ist schon der Beruf des Regieassistenten schwer begreiflich. Die meisten stellen sich darunter tatsächlich nur eine „rechte Hand“ vor, die dem Regisseur alles vom Leibe hält, was ihn von seiner kreativen Arbeit ablenkt – bis hin zum Kaffeeholen. Und irgendwann darf dieses Helferlein dann auch mal endlich selber einen Film inszenieren …

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Kodak ist wieder da. Auf den Regietagen stellte sich der einstige Traditionsriese Anfang November in München mit einer Podiumsdiskussion wieder vor. Auf der Bühne diskutierte der Regisseur Christian Wagner mit Kollegen aus Bildgestaltung, Regie, Produktion und Postproduktion über Für und Wider von analoger und digitaler Aufnahmetechnik.

Wenn man’s so beschreibt, klingt es kalt und trocken. Tatsächlich rührt die Frage aber mehr an als nur den Verstand. Zwar werde nicht mal mehr ein Prozent der weltweiten Filmproduktion noch auf Film gedreht, sagte Michael Boxrucker. Kodak-„Botschafter“ und selbst DoP. Das heißt aber nicht, dass die Filmemacher den Film nicht vermissen würden.
Das ist keine bloße Nostalgie: Konzentration, Entschleunigung, Gewissenhaftigkeit und Expertise lauteten die Argumente für das Traditionsformat. Die Digitalisierung fördere die Nachlässigkeit. Lediglich Tom Fährmann, DoP und Professor für Bildgestaltung an der HFF, nahm den Fortschritt uneingeschränkt in Schutz.

Eine Zusammenfassung der zweistündigen Podiumsdiskussion können Sie im Video sehen. Für die schlechte Bild- und Tonqualität bitten wir um Entschuldigung. Die geplante professionelle Aufzeichnung ist leider kurzfristig an technischen Problemen gescheitert. Zum Glück gibt es aber kleine Digitalkameras. Die Meinungen auf dem Podium bieten wir hier im Überblick.

Peter Zeitlinger, DoP („Königin der Wüste“)

„Analoger Film ist Massage für die Retina.“

„Digital ist Fast Food mit Geschmacksverstärker (das sind die Codecs). Ich will lieber Bio.“

„Die Videoausspiegelung war der Anfang vom Untergang.“

„Wenn wir auf Film drehen, herrscht eine ganz andere Atmosphäre am Set. Jeder konzentriert sich.“

„Beim Film wird bei den Mitarbeitern die Spreu vom Weizen getrennt. Bei Digital kommen die noch mit. Aber das sind „Garbage“-Produktionen.“

Kyrill Ahlvers (Silbersalz-Film)

„Ich habe in Köln studiert. Da hatten wir zwei Übungen auf 35 Millimeter. Das muss in den Filmschulen wieder­erweckt werden.“

 

Leena Koppe, DoP („Die Vaterlosen“)

„Willst Du mit Tiefe erzählen, ist Film das Material. Die digitale Kamera ist fast überscharf.“

„Im Moment ist das Digitale dabei, den Film umzubringen. In Österreich wurde gerade das letzte Labor geschlossen.“

„Mich stört, dass die Industrie drüberbrettert, und verspricht, dass alles besser und billiger wird. Das ist aber nicht so.“

„Die Formatfrage sollte eine freie Entscheidung sein.“

 

Tom Fährmann, DoP („Das Wunder von Bern“)

„Es ergibt keinen Sinn, von analog auf digital zu wechseln, wenn das Digitale nicht besser ist. Das aber ist mit der Alexa tatsächlich passiert. Bis dahin wirkten Hauttöne eher wie Porzellan. Nun sehen sie nahezu organisch aus. Alles, was ich über Digital dachte, hat sich geändert. “

„Ab dem Digital Intermediate sind alle Schritte in der Postproduktion exakt die gleichen.“

„Die Probleme sind in der Anzahl gleich. Sie haben nur einen anderen Namen.“

„Ich höre da immer wieder, dass der Film durch die geringe Menge disziplinierend wirke. Aber wir sind doch keine Kinder.“

 

Michel Morales, Produzent („Lola auf der Erbse“)

„Für kleine Produktionen ist Digital sinnvoll. Bei großen Budgets gibt sich beides nichts mehr.“

„Die digitale Kamera läuft die ganze Zeit über. Die Postproduktion und das Sichten des Materials kosten dann wieder mehr …“

„Das Set ist wie ein Sack voller Flöhe. Die Kamera am Set schafft eine Magie – alle sind konzentrierter.“

„Ich freue mich, wenn ein Regisseur oder eine Kamerafrau sagt, sie will auf Film drehen.

„Die Industrie treibt dauernd eine andere Sau durchs Dorf und sagt, dass es billiger werde.“

 

Marc Rothemund, Regisseur („Sophie Scholl – Die letzten Tage“)

„Nachträglich Korn einzusetzen, ist extrem schwierig – ­Szenen haben eine Eigendynamik.“

„Das Material lebt beim Film.“

„Digitalkameras sind nicht handhabbarer. Der Lüfter da ist lauter als das Surren der Filmstreifen, die Kabellage anfällig. Und die Konzentration ist bei Film schon eine andere.“

„Seit ich digital drehe, habe ich viel mehr Unschärfen. “

„Die Maske dauert länger.“

„Die meisten Produzenten sagen, Film sei zu teuer, ohne profundes Fachwissen. Das ist so plakativ.“

Auf dem Podium bei den Regietagen (von links):?Skadi Loist, von der Universität Rostock, Moderatorin Margrét Rún, HFF-Präsidentin Uschi Reich, die Regisseurin Julia von Heinz, Claudia Tronnier, Leiterin des „Kleinen Fernsehspiels“, und Studio-Hamburg-Chef ­Michael Lehmann. | Foto © BVR, Stella Boda

Auf dem Podium bei den Regietagen (von links):?Skadi Loist, von der Universität Rostock, Moderatorin Margrét Rún, die Produzentin Uschi Reich, die Regisseurin Julia von Heinz, Claudia Tronnier, Leiterin des „Kleinen Fernsehspiels“, und Studio-Hamburg-Chef ­Michael Lehmann. | Foto © BVR, Stella Boda

2016 war das Jahr der Regisseurinnen, war 2016 zu lesen. Maren Ade hatte mit „Toni Erdmann“ in Cannes die Herzen erobert, Maria Schrader mit „Vor der Morgenröte“ begeistert, Nicolette Krebitz mit „Wild“ überrascht. „Toni Erdmann“ gewann sechs „Europäische Filmpreise“ und in diesem Jahr noch mal fünf „Lolas“, jeweils auch in den Kategorien für den besten Film und die beste Regie. Wo übrigens beim „Deutschen Filmpreis“ drei der sechs nomierten Filme von Frauen inszeniert waren, drei der vier nominierten Regisseure Frauen waren. Na bitte, geht doch! Und alles ohne offizielle Quote.

Hinter den Blitzlichtern ist die Freude nicht mehr so groß. Auf den Regietagen Anfang November hatte der Bundesverband Regie (BVR) seinen „Diversitätsbericht für das Jahr 2016“ [PDF] vorgestellt. Es ist bereits der vierte. Untersucht wird nicht weniger als die „Regievergabepraxis in Deutschen fiktionalen Primetime-Programmen von ARD, ZDF, RTL Sat1 und Vox sowie in deutschen Kinospielfilmen.“ Wer dreht oder darf drehen, was am meisten und liebsten gesehen wird?

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Ganz so einfach ist es nicht...

Ganz so einfach ist es nicht...

Moral, Schuld und Kunst­kritik: »Lost in Politics«, wir Parti­sanen der Ambi­va­lenz und die Debatte zum »Fall Weinstein« – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 164. Folge

»Warum gibt es diese Obsession, nach dem Ange­mes­senen und nach dem Korrekten zu fragen?«
Cristina Nord bei »Lost in Politics« in Leipzig, 1.11.17

Heute bei der Dok Leipzig: Der Verband der Film­kritik debat­tierte über »Lost in Politics«, also Formen und Varianten des Poli­ti­schen im Kino und darüber, was es eigent­lich heißt, wenn man von »poli­ti­schen« Filmen redet. Klarer­weise ging es diesmal vor allem um das Poli­ti­sche im und am Doku­men­tar­film: Sind (Doku­mentar-) Filme auto­ma­tisch dringlich oder wichtig, weil sie mit wichtigen oder dring­li­chen Themen befasst sind? Geht das, was (Doku­mentar-) Filme politisch meinen, in dem auf, was sie ästhe­tisch tun? Drei Autoren stellten, moderiert von Heike Melba Fendel, jeweils gegen­wär­tige Film­bei­spiele vor: Cristina Nord  Auster­litz (von Sergei Loznitsa), Patrick Holzapfel I Am Not Your Negro (Raoul Peck), und Jide Tom Akin­le­minu den argen­ti­ni­schen Film Project 55 aus dem aktuellen Wett­be­werb.

Die Veran­stal­tung war sehr anregend und stel­len­weise kontro­vers. Es ging dabei vor allem um das Verhältnis von Main­stream­kino zu Kunstkino, darum ob Filme, die den Regeln folgen, stand ihnen Wider­stand entge­gen­zu­setzen, trotzdem gut sein können und ob es immer gut ist, Regeln anzu­greifen. Die Film­aus­schnitte hätten kürzer sein dürfen, die gesamte Veran­stal­tung dafür länger. So blieb einiges auf der Strecke.
Was ich mitnehme, ist der diffuse Verdruss darüber, dass Film­kritik immer etwas gegen Main­stream an-sich haben muss, statt guten Main­stream von schlechtem zu unter­scheiden, warum Attrak­tion, Emotion, und Exzeß bei vielen Kollegen scheinbar syste­misch unter Verdacht stehen…

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41123788_303Die Casting Director Iris Baumüller hat 30 Jahre Erfahrung in der Filmbranche. Mit der DW spricht sie über sexuelle Belästigung in der deutschen Film- und Theaterszene – und wie man sie in Zukunft bekämpfen kann.

Der Bundesverband Casting (BVC) hat in einem öffentlichen Statement mit dem Titel „Sexuelle Übergriffe und (Macht-)Missbrauch sind ein trauriger Bestandteil unseres täglichen Lebens!“ alle Betroffenen der Film- und Theaterbranche aufgefordert, in einen Dialog über das Thema zu treten. Iris Baumüller (Artikelbild) ist Mitglied im BVC und im International Casting Directors Network. Sie hat vor 18 Jahren ihr eigenes Castingbüro gegründet und arbeitet als freie Dozentin an der Internationalen Filmschule und der Filmacting School Cologne.

Deutsche Welle: Im Statement des BVC ist häufig von ‚Wir‘ die Rede. Ist das eine Soldaritätsbekundung, oder sind Castingdirektoren auch von sexueller Belästigung betroffen?

Iris Baumüller: Beides. Wir sind ja alle einen langen Weg gegangen, um Castingdirektoren zu werden. Wir alle haben vorher am Set oder am Theater gearbeitet und sind mit dem Thema in Berührung gekommen oder waren selbst betroffen. Aber auch in unserer jetzigen Position sind wir vor Belästigungen nicht gefeit, denn wir sind zu 80% Frauen. Deshalb sitzen wir alle im selben Boot.

Der Skandal um Harvey Weinstein und jetzt auch James Toback nimmt immer größere Ausmaße an. Ist es in Deutschland auch so schlimm?

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Am 28. Oktober 2017 fand zum fünften Mal die Preisverleihung der DEUTSCHEN AKADEMIE FÜR FERNSEHEN im Filmforum NRW im Museum Ludwig, Köln, statt. Die Auszeichnungen wurden für herausragende Leistungen an Fernsehschaffende aller Gewerke in 21 Kategorien vergeben.

Dieses Jahr fand, im direkten Vorfeld der Verleihung, eine Podiumsdiskussion statt. Das Thema lautete:

„Vor uns die Streamflut“

„ Wie sieht Fernsehen in 10 Jahren aus?“

Hier geht es zu den Nominierungen 2017: https://www.deutscheakademiefuerfernsehen.de/rl/pressemitteilung-koeln-den-21-09-2017/

Soll man Mr. Weinstein verbrennen? Und ein verschwun­dener Artikel über Sexismus und Rassismus auf der Berlinale – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 163. Folge

»Sometimes we stop and watch the birds when there ain’t no birds. And look at the sunsets when its raining. We have a swell time. And I always get a big tip. But after­wards, oh oh…
»What do you mean, ‚after­wards, oh oh‘?«
»They crab, crab, crab. They yell at me. Watch the lights. Watch the brakes, Watch the inter­sec­tions. They scream at me to hurry. They got no faith in me, or my buggy. Yet, it’s the same cab, the same driver. and we’re going back over the very same road. It’s no fun. And no tips… After this he’ll be a perfectly normal human being. And you know what stinkers they are!«

»Harvey »von Henry Koster, 1950

»Der, der ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.«
Evan­ge­lium des Johannes

»Mein Motto: Immer auf der falschen Seite stehen.«
Shizu

Die soge­nannte Weinstein-Affaire wirft mehr Fragen auf, als bisher beant­wortet werden.

Wenn man liest, was veröf­fent­licht wird, ist es unglaub­lich viel Hören­sagen, Verdacht, anonyme Anschul­di­gung, vages, »unan­ge­mes­senes Benehmen«. Wenn man die Erleb­nisse von Ashley Judd und Asia Argento liest, möchte man sie lieber nicht gelesen haben. Nicht wegen der Ekeleien Wein­steins, sondern weil diese Frauen da viel dummes Zeug reden, und seiner­zeit manches dumme Zeug gemacht haben – was natürlich Weinstein nicht im Geringsten entschul­digt, das muss man ja heute besser dazu sagen.

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Ich frage mich manches, zum Beispiel: Warum sind es eigent­lich immer Juden, die derart öffent­lich vorge­führt, an den Pranger gestellt und exeku­tiert werden? Roman Polanski, Woody Allen, Dominique Strauss-Kahn, Harvey Weinstein? Wird da neben der Lust an detail­lierter Beschrei­bung auch ein verkappter Anti­se­mi­tismus der Öffent­lich­keit bedient?
Ich frage mich: Warum sind es immer Linke oder Liberale und Unter­s­tützer der Demo­kraten, um die es geht? Mein Eindruck: Es geht auch darum, mit einer Epoche abzu­rechnen: den Sixties und ihrer Libe­ra­lität. Nicht Personen, sondern die libertäre Kultur der Sechziger Jahre soll gebrand­markt und öffent­lich vernichtet werden.
Es geht um ein Zurück zum Puri­ta­nismus.

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Verena Lueken stellte in ihrem FAZ-Kommentar eine wichtige Frage: Wie ist die Rolle der Medien? »Sie sind Teil der Branche. Recher­chen, die schon vor mehr als zehn Jahren unter­nommen wurden, hat er, so scheint es, zu unter­drü­cken gewusst. Weinstein hat in den vergan­genen Jahren, in denen keiner seiner Filme mehr Oscars gewann, mit seiner Firma Macht eingebüßt. Gibt es einen Zusam­men­hang mit dem Zeitpunkt der Veröf­fent­li­chung? Brachte die »New York Times« den Stein nur ins Rollen, weil Weinstein schon ange­schossen war?«
Man fragt sich übrigens, warum der Sender NBC wegen »Quel­len­pro­blemen« jene Story ablehnte, die der »New Yorker« gedruckt hat. Sie stammt nicht zufällig von Ronan Farrow, dem Sohn von Mia Farrow und Woody Allen.

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Ich frage mich schließ­lich, warum in dieser Hexenjagd jedes Maß verloren wird? Gerede jene, die sonst bei allen möglichen über­führten und verur­teilten Krimi­nellen auf Reso­zia­li­sie­rung pochen, die – oft mit guten Gründen – in vielen Verfahren mildernde Umstände ins Feld führen, kennen in diesem Fall keinen Rechts­staat mehr.
Recht­staat­liche Basis­prin­zi­pien, wie die Unschulds­ver­mu­tung exis­tieren de facto nicht mehr im Fall von Sexu­al­ver­bre­chen.

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Festivals boomen. Kaum eine Stadt, die nicht ihr eigenes Filmfest hat, kaum ein Thema oder eine Gegen dieser Welt, die nicht als Motto für eine eigene Filmschau dient. In den jüngsten zehn Jahren hat sich die Zahl der Filmfestivals auf der Welt vervierfacht! „Schäzungsweise 8.000“ Filmfestivals haben sich inzwischen weltweit miteinander vernetzt, sagt die Medienwissenschaftlerin Tanja Krainhöfer. „Vier oder fünf” wären genug, meinte schon 2010 der Regisseur Werner Herzog. Da ging der Boom erst los. In diesem Jahr war das Phänomen schon für einige Zeitungsartikel gut. Da wurde gestaunt und auch ein bisschen gelästert, doch eingehender hatte sich bisher keiner damit beschäftigt: Was soll das Alles?

Das holten nun Crew United und das Filmfest Hamburg nach und ließen im Festivalzelt auf dem Podium diskutieren. Einen Überblick lieferte Krainhöfer mit einem kurzen Vortrag. Die Medienwissenschaftlerin sieht die „Festivalflut” offenbar entspannter als Herzog, der Regisseur. Gleich zum Einstieg wies sie darauf hin, dass gerade eben auf Rügen ein weiteres Festival seine Premiere hatte. Rügen und Film, da vermute mancher eher Tourismuswerbung, sagte Krainhöfer. Aber: „Warum auch nicht?“ Schließlich hatte der ganze Zauber einst in Venedig begonnen, als Werbeveranstaltung eines Hotels. „Nicht immer“ sei die Gründung eines Festivals der Liebe zur 7. Kunst geschuldet gewesen. Der Großteil aber werde von Menschen getragen, die das Kino lieben. „Und jedes einzelne Teilchen spielt in der Summe eine Rolle.“

Krainhöfer hat Festivals in Deutschland nach ihrer Motivation befragt. Drei Erklärungen führte sie an: Die Alternative zur kommerziellen Filmerfahrung. Die Stärkung der Filmkultur auf dem Lande fernab der Metropolen. Interkulturelles Verständnis zwischen Nationen – dafür sei Film das beste Medium.

Längst ginge es nicht mehr nur ums Filmeschauen: Festivals hätten sich zu einem eigenen Vertriebskreislauf entwickelt, seien Faktoren mit „herausragender Wirkung“ für Wirtschafts-, Kultur-, Bildungs-, Medien- und sogar Außenpolitik. Und sie ziehen jedes Jahr mehr Zuschauer an: Während im Kino die Zahlen zurückgehen. 178 Millionen Kinobesucher waren es 2001, voriges Jahr nur noch 117 Millionen – ein Drittel weniger.

Die Entwicklungen in Gesellschaft und Technik (Stichwort Digitalisierung) allein reichen nicht aus, um das rapide Wachstum in der Festivallandschaft zu erklären. Vier weitere, „filmwirtschaftliche“ Gründe findet Krainhöfer:

  1. Die Programmkinos sind seit dem Aufstieg der Multiplexe immer weniger geworden.
  2. Weltweit werden immer mehr Filme gedreht.
  3. Was gedreht wird, will auch gezeigt werden.
  4. Festivals sind „Impulsgeber“ für die Filmwirtschaft – längst kreisen um die großen Filmfeste Stoffbörsen, Filmmärkte, Koproduktionsforen und mehr.

Tatsächlich ist seit der Jahrtausendwende die Zahl der Kinostandorte in Deutschland von 1071 auf 892 gesunken. Während die hiesige Kinolandschaft noch von Hollywoodproduktionen beherrscht wird, sieht die Welt schon ganz anders aus – inzwischen wird nicht nur in Indien, sondern auch in China jährlich mehr gedreht, Südkorea hat Deutschland überholt. Wie sollten die Kinos das bewältigen können? Im normalen Programm ist von den neuen Verhältnissen kaum etwas zu sehen, auch die Arthouse-Kinos zeigen sie nicht wirklich, Festivals lassen es zumindest ahnen.

Dabei sind sie mehr als Sneak Previews für Filmliebhaber oder Werbeveranstaltungen für Filmhändler. Viele Werke tingeln über die Festivals dieser Welt und begeistern volle Säle, während sie im Kino keinen Platz oder Publikum finden. Noch sei sich die Branche dieser Rolle nicht richtig bewusst. Die Statistiken der Filmförderungsanstalt (FFA) etwa zählen nur die Besucher in den Kinos, nicht die der Festivalvorführungen. Krainhöfer appellierte daher an die Verleiher, auch diese Zahlen an die FFA zu melden. Ihre These: Die Filmwirtschaft jenseits des Mainstreams können gar nicht ohne Festivals auskommen. Also auch das Europäische Kino.

Torsten Frehse war diese These zu steil. Der Geschäftsführer des Verleihs Neue Visionen kommentierte auf dem Podium die Zahlen aus seinem Blickwinkel: Anderthalb bis zwei Millionen Zuschauer brächten die deutschen Festivals zusammen auf, „inklusive Berlinale“ – dagegen stünden eben die 117 Millionen Kinobesucher im vorigen Jahr. Konkreter: 1,4 Millionen Zuschauer erreiche Neue Visionen mit ihren Filmen – nur 20.000 davon auf Festivals.

Es dauert wohl noch, bis Festivals tatsächlich ein eigener Weg zum Publikum sind, gar eine Art analoges Netflix mit richtigem Filmerleben. Endgültige Antworten wurden an dem Abend nicht gefunden. Das hatte auch keiner erwartet. Vielmehr ging es ja darum, das Thema überhaupt mal auf die Bühne zu bringen, meinte Moderator Rüdiger Suchsland.

Anstöße für weitere Runden wurden während der regen Diskussion jedenfalls reihenweise gefunden. Da vermisst etwa Frehse oft die Zeit und Orte für tatsächliche Gespräche, „dass alle zusammenstehen und über Filme reden.“

Oliver Baumgarten, Mitgründer von Filmplus und Programmleiter beim „Max-Ophüls-Preis“ sieht Festivals als Ergänzung zum Arthouse-Kino, wo mancher Film seinen Verleih findet.

Frédéric Jaeger lobt die Vielfalt, die in der Festivallandschaft gepflegt werde – während doch die Filmförderungsanstalt (mit Zustimmung der Kinobetreiber) mit ihren neuen Leitlinien so ziemlich das Gegenteil ansteuere.

Skadi Loist, Festivalforscherin an der Universität Rostock mahnte ans Geld: Festivals müssten so ausgestattet werden, dass sie ohne freiwillige Selbstausbeutung unzähliger Filmliebhaber auskommen könnten. Denn auch Kuratoren lebten nocht selten unter prekären Umständen. Einen ersten Fortschritt konnte sie bei der Gelegenheit auch melden: Seit September gibt es bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) eine Gruppe der Festivalmitarbeiter. Loist nutzt die Gelegenheit zum Appell, sich zu organisieren – „Verdi kostet nicht viel.“

Die neue alte Leitung bei Filmplus: Kyra Scheurer (von links)?ist fast von Anfang an dabei, Jenny Krüger (rechts) verantwortet schon seit drei Jahrne die Organisation. Auch Dietmar Kraus (Mitte) ist kein wirklicher Neuling; der Editor war lange begeisterter Besucher und ist im Vorstand seines Berufsverbands.

Die neue alte Leitung bei Filmplus: Kyra Scheurer (von links)?ist fast von Anfang an dabei, Jenny Krüger (rechts) verantwortet schon seit drei Jahrne die Organisation. Auch Dietmar Kraus (Mitte) ist kein wirklicher Neuling; der Editor war lange begeisterter Besucher und ist im Vorstand seines Berufsverbands. | Foto © Filmplus

Das Konzept ist einzigartig: Bei Filmplus stehen drei Tage lang die Editoren im Mittelpunkt. Seit diesem Jahr steht das Festival für Filmschnitt und Montagekunst unter neuer Leitung.

Frau Scheurer, Herr Kraus, dieses Jahr tritt Filmplus mit einem neuen Team an. Wird nun alles anders beim Festival für die Kunst der Filmmontage?

Kyra Scheurer: Ganz so dramatisch ist der Wechsel nicht. Nikolaj Nikitin und Oliver Baumgarten hatten Filmplus 2001 gegründet. Sie haben sich Ende 2016 zurückgezogen, um sich anderen Projekten zu widmen. Somit gibt es ein neues Gesellschafter-Trio, doch Jenny Krüger ist bereits seit drei Jahren für die Organisation verantwortlich; ich selbst bin seit 2003 bei Filmplus dabei, seit 2009 als künstlerische Leiterin. Ganz neu ist lediglich Dietmar Kraus als dritter Gesellschafter und Nachfolger von Oliver Baumgarten als künstlerischer Leiter des Spielfilmwettbewerbs. Als Filmeditor kennt er sich bestens mit den Themen des Berufsstandes aus. Auch unsere weiteren Mitarbeiter Werner Busch und Pascal Maslon sind schon seit einigen Jahren dabei. Und schließlich haben wir ja seit den frühen Stunden von Filmplus vier Partner, die uns nicht nur als Preisstifter weiterhin unterstützen: die Film- und Medienstiftung NRW, das Kulturwerk der VG Bild Kunst, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Köln. Man kann hier also ruhig von Kontinuität sprechen.

Dietmar Kraus: Ich habe Filmplus seit 2007 als begeisterter Besucher miterlebt. Es war für mich immer so eine kostbare Insel in Köln, wo dreieinhalb Tage lang wir Editoren im Mittelpunkt stehen. Europaweit ist es die einzige Veranstaltung, die sich so intensiv der Filmmontage widmet und zudem hochkarätige Preise für den Schnitt verleiht.

Sie haben Anfang des Jahres eine Umfrage gestartet, was gut ist an Filmplus und was besser werden könnte. Was kam dabei herausgekommen?

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Wie wird sich das Fernsehen in den kommenden Jahren entwickeln? Wie wird es uns als Kreative, Künstler und Macher des Programms entwickeln? Und wohin?

Eine Podiumsdiskussion der Deutschen Akademie für Fernsehen (DAFF) im Rahmen des Filmfestes München. Auf dem Podium waren vertreten:

Kai Wiesinger (Autor, Produzent, Regisseur & Schauspieler der Web-Serie „Der Lack ist ab“)

Susanne Rath (Geschäftsfeldleiterin AV- und Produktionssysteme beim Institut für Rundfunktechnik)

Katharina Uppenbrink (Geschäftsführerin Initiative Urheberrecht)

Thomas Sessner (Redakteur beim BR)

Phillip Klausing (Head of Production von Pantaleon Films, verantwortlich für die Amazon-Serie „You Are Wanted“)

Es moderierte Jochen Greve, Drehbuchautor und Vorstand der DAFF.

 

Der Videobeitrag gliedert sich in folgende Kapitel (in der Ecke links oben anklickbar):

Intro

Kapitel 1: Status Quo: Das Fernsehen im digitalen Zeitalter

Kapitel 2: Quo Vadis: Faire Spielregeln auf dem digitalen Markt

Kapitel 3: Prognose: Das Wissen um den User

Kapitel 4: Publikumsdiskurs

Abspann & Dankeschön