Das Foto passt zur Stimmung, findet Benedict Neuenfels. | Foto © Sabin Tambrea

Neulich erhielten der DoP Benedict Neuenfels und sein Team noch die höchste Ehre, jetzt stehen sie vor einem Problem. Wie die Insolvenz bei Zero One sich auch auf andere in der Branche auswirkt.

Ausgezeichnet wurde Benedict Neuenfels schon oft. Zwei „Lolas“ für die beste Bildgestaltung hat er erhalten, zwei „Grimme-Preise“ und sogar siebenmal schon den „Deutschen Kamerapreis“. Und einen „Oscar“-Film hat er auch fotografiert. Anfang Mai kam noch der „Marburger Kamerapreis“ dazu. Das klingt ein bisschen kleiner, ist aber etwas ganz Besonderes für die Zunft. Einmal im Jahr steht ein*e DoP im Mittelpunkt, wird ein Gesamtwerk in Filmen, Gesprächen und Vorträgen gewürdigt, in denen Wissenschaft, Filmkritik und Kameraleute übers Kino sprechen und genauer hinsehen. Das zeigt sich auch in der Jurybegründung, die nicht nur die Arbeit mit bekannten Regisseur*innen erwähnt, sondern sich eingehend mit den Feinheiten der Bildgestaltung beschäftigt. Und dem, was dahinter steckt:

„Bei der erzählerischen und technisch-gestalterischen Arbeit kann sich Benedict Neuenfels jederzeit auf ein Kamerateam verlassen, das zum Teil seit fünfunddreißig Jahren mit ihm zusammenarbeitet. Dazu gehören Kameraassistent Andreas Erben, Key Grip Markus Pluta und Oberbeleuchter Rainer Stonus. Philip Wölke kam als Techniker für das Digitale Bild (DIT) und Berater für Green-ScreenAufnahmen vor 16 Jahren dazu und ist seither ein ebenso fester Bestandteil des Teams. Die Verleihung des Marburger Kamerapreises gilt also nicht Benedict Neuenfels allein, sondern ebenso seinem Team, das bei jeder gemeinsamen Arbeit aufs Neue eindrucksvoll demonstriert, dass auch Kameraarbeit immer auch als Kollaboration zu denken ist und nur ein gut eingespielter Verbund Außergewöhnliches zu leisten imstande ist.“

Soweit die gute Nachricht. Denn vorige Woche hat die Berliner Produktionsfirma Zero One Film Insolvenz angemeldet. Die Nachricht hat auch Neuenfels und sein Team kalt erwischt:

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Vor drei Jahren war die Welt vorm Berlinale-Palast noch in Ordnung. Dann kamen Seuche, Krieg und Inflation … | Foto © Alex Janetzko/Berlinale

Das Budget bleibt gleich, die Kosten explodieren. Deshalb soll die Berlinale kleiner werden. Am Dienstag verkündete das Führungsduo sein Einsparkonzept. 

Der Berlinale offenbar harte Einschnitte bevor: Ganze Bereiche des Programms könnten wegen Kostendrucks gestrichen werden, berichtete vorige Woche Hannah Pilarczyk im „Spiegel“. Der Artikel steht hinter der Bezahlschranke, wurde aber sogleich weitererzählt: „Dem Magazin zufolge hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth der Berlinale ein ,indirektes Sparprogramm’ auferlegt, deshalb könnten drei der zwölf Sektionen künftig wegfallen: die Reihe für deutsche Nachwuchsfilme ,Perspektive Deutsches Kino’, diejenige für die Serien ,Berlinale Series’ und sogar die umfängliche Retrospektive mitsamt der meist zehnteiligen ,Hommage’, die Filme des jeweiligen Ehrenpreis-Gewinners präsentiert“, erklärt Christiane Peitz im „Tagesspiegel“. „Dass die Berlinale mit weniger Geld auskommen muss als vor der Pandemie, ist schon länger eine traurige Gewissheit. […] Auf Nachfrage heißt es nun aus dem Festivalbüro: ,Es gibt keine externe Sparvorgabe der BKM, vielmehr sehen wir als Festival angesichts stagnierender Budgets und steigender Kosten die Notwendigkeit, ressourcenschonende Maßnahmen zu ergreifen, um langfristig ein starkes Festival und eine gute Plattform für die Filmindustrie garantieren zu können’. Deshalb, so Geschäftsführerin Rissenbeek, ,wollen wir die Anzahl der Filme im Gesamtprogramm weiter straffen’.“

In der „Berliner Zeitung“ glaubt auch Susanne Lenz an eine Entwarnung: „Statt Sektionen abzuschaffen, möchte die Berlinale offenbar überall sparen.“

Von wegen! Am Dienstag meldeten sich die Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian mit einem etwas konkreteren Einsparkonzept. Insgesamt sollen nur noch 200 Filme in den Sektionen laufen. In diesem Jahr seien es 287 gewesen. Der Wettbewerb ist davon nicht betroffen. Das Leitungsduo sieht das als „Chance, mit einem konzentrierteren Programm die Präsentation und Wahrnehmung der eingeladenen Filme zu optimieren.“ Ganz aufgelöst wird die Sektion Perspektive Deutsches Kino, die Filme deutscher Nachwuchsregisseure präsentierte. Die sollen künftig in den anderen Sektionen laufen –  damit „soll eine stärkere internationale Wahrnehmung für die in Deutschland produzierten Debüt- und Zweitfilme ermöglicht werden.“

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Der Held kommt aus dem Rechner, die Stimme ist noch echt: Tom Hanks spricht „Woody“ in Pixars „Toy Story 3“. Es gibt keinen Algorithmus, der Emotionen überzeugend nachahmen kann, hoffen die Synchronsprecher*innen. Geklaut werden ihre Stimmen trotzdem. | Foto © Disney/Deborah Coleman

Mit einer Grundsatzerklärung stellen sich die United Voice Artists vor. 27 Verbände und Gewerkschaften professioneller Sprecher*innen aus Europa und Amerika melden sich gemeinsam zu Wort. Es geht um die KI. 

„Der wahllose und unregulierte Einsatz künstlicher Intelligenz stellt ein Risiko dar, das zum Aussterben des künstlerischen Erbes der Kreativität und des Staunens führen könnte – ein Gut, das Maschinen nicht hervorbringen können“, schreiben die United Voice Artists in ihrer ersten Stellungnahme. Gewerkschaften und Verbände quer durch Europa und Amerika haben sich zusammengetan, um ihre Bedenken zur Künstlichen Intelligenz vorzutragen – und ihre Forderungen, die sie in mehreren Sprachen darlegen. 

Nach Meinung der Verbände ignoriert die Europäische Union das Problem: Der mangelnde Schutz der Stimme von Künstler*innen –  mit dem Risiko, dass das persönliche Timbre geklont und künstlich reproduziert wird. Vor kurzem prangerte die Dubliner Synchronsprecherin Remie Michelle Clarke auf Twitter den Diebstahl ihrer Stimme durch eine Software an, die sie repliziert hatte, um benutzerdefinierte Lautsprecher für ein paar Dollar zu verkaufen.

In Italien kämpfen die Branchenverbände ANAD und ADAP um den Schutz von Schauspieler*innen und Sprecher*innen. Eine Mission, die in jüngster Zeit an mehreren Fronten an Intensität zugenommen hat. Worum es ihnen geht, erklären ANAD-Präsident Daniele Giuliani, Vizepräsidentin Georgia Lepore, die Schauspielerin und Synchronsprecherin Laura Romano und der Sprecher David Chevalier.

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Kultur sieht die AfD streng in Schwarz und Weiß. Nur eine von beiden findet sie gut. Szenenfoto aus „M – eine Stadt sucht eine Mörder“ (1931). | Montage © cinearte

Die AfD ist im Stimmungshoch und hält nicht viel von Kunstfreiheit. Was tun? Das „Netzwerk Film & Demokratie“ lud zur Podiumsdiskussion.

Eine Umfrage ist noch keine Wahl. In Umfragen erreicht die AfD zurzeit Höchstwerte – 20 Prozent ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Insa in seiner wöchentlichen repräsentativen Umfrage für die „Bild“. „Das ist mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr!“ bemerkt die Zeitung – die AfD wäre damit die zweitstärkste Partei nach der CDU und vor der SPD.

Muss man sich sorgen um die Demokratie? Sorgen machen sich viele in der Filmbranche. Und das nicht erst jetzt. Im Februar hatte sich das „Netzwerk Film & Demokratie“ mit einer Online-Konferenz vorgestellt. Drei Jahre Vorbereitung in Zeiten der Pandemie waren dem vorausgegangen. Inzwischen haben sich 30 Verbände und Institutionen der Branche angeschlossen. Mit dem Münchner Filmfest lud das Netzwerk am Montag zur Podiumsdiskussion – moderiert von Julia Weigl, nachzuhören auf Youtube. 

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Vor vier Jahren hat Felicitas Darschin ihre eigene Nachwuchsförderung gestartet. Mit Absolvent*innen der HFF München entwickelt sie im „Feenlab“ gemeinsam Geschichten – ehrenamtlich: „ich habe bisher leider noch keinen Fördertopf dafür entdeckt“, sagt die Regisseurin. | Foto © Zoe Hoffmann

Was passiert eigentlich mit dem Nachwuchs, wenn er größer wird? Felicitas Darschin hat Spielfilm-Regie studiert, macht aber noch viel mehr. Autorin ist sie auch, unterrichtet seit mehr als zehn Jahren, arbeitet als Fotografin und hat neben drei Spielfilmen einige TV-Dokus gedreht. Ihren Hauptberuf jedoch liebt sie ganz besonders und würde ihn gerne noch häufiger ausüben. Sprich: mehr inszenieren!

Frau Darschin, Ihr Langfilmdebüt als Regisseurin haben Sie gleich nach dem Abschluss an der HFF München gegeben. Inzwischen gibt es schon ihren dritten Film. Der sei ja die größte Hürde für junge Talente, heißt es immer wieder. Fühlen Sie sich als Nachwuchs von der Filmbranche gut gefördert?
Jein. Mein Debüt konnte ich erfreulich schnell nach dem Abschluss drehen, wofür ich unter anderem dem BR wirklich dankbar bin. Nun bin ich auch schon 41 – die Pause vor dem dritten Langfilm war also viel zu lang für meinen Geschmack, da juckte es schon weit vorher wieder in den Regie-Fingern. Als ich in München an der HFF studiert habe, wurden, je nach Sender, noch zwischen 10 und 40 Fernsehspiele und Kino-Koproduktionen finanziert und umgesetzt. Dann wurde die Schlagzahl deutlich kleiner –  Finanzkrise und dadurch bedingte Branchenkrise seit 2008. Damals waren da vor allem viele Herren um die 50, die das verbleibende Regie-Feld dominierten. Ich war 26. 

Und als Neuling bekamen sie dann den Märchenfilm zugeteilt …
Ich bekam sogar die Chance, danach noch einen Film für die Degeto zu machen. Deren Chef Jörn Klamroth war ein mutiger Mann noch vom alten Schlag. Er mochte meinen fantasievollen „Zwerg Nase“ und vertraute mir ein „Problem-Projekt“ an, aus dem eine andere Kollegin bereits ausgestiegen war – eine etwas unentschlossene Komödie. Leider war das Buch nicht so der Burner, aber ich wollte einfach drehen und hätte in meiner Anfangsphase vermutlich zu allem ja gesagt. 

Eine Fehlentscheidung?
Ich bereue nichts, aber die Branche bewertet einen da ziemlich streng, vor allem wenn man eigentlich noch ganz andere künstlerische Ambitionen hat als Regisseurin. Insofern hätte ich mir definitiv noch mehr Chancen gewünscht, mich weiter ausprobieren zu dürfen und andere Facetten zu zeigen.
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Erster Streiktag bei Netflix. Die anderen Gewerkschaften zeigen sich solidarisch mit den Drehbuchautor*innen. | Foto © Eric Kelly/WGA

Hollywood liegt lahm. Seit einem Monat streiken die Drehbuchautor*innen. Denn schon längst ist ein Umbruch im Gange, der an ihre Existenz geht. 

Seit Anfang Mai streiken die Drehbuchautor*innen in Hollywood. Worum es geht, hatte Deutschlandfunk Kultur schon damals detailliert beschrieben. 

„Die Gewerkschaft verlangt, dass sogenannte generative KI, etwa ChatGPT, nicht zur Umschreibung bestehender Werke oder zur Neuerschaffung genutzt werden darf. Doch die Hollywoodbosse haben klargestellt, dass sie nicht bereit sind, über diesen Punkt auch nur zu reden“, schreibt Axel Postinett im „Handelsblatt“. Doch die KI ist auch nur Teil eines Umbruchs, der schon längst im Gange ist und das gesamte Gewerk bedroht:

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Die Filmbranche ist klein. Wer petzt oder meckert, setzt leicht seine Existenz aufs Spiel. Szenenfoto aus „Manta, Manta – Zwoter Teil“.  | Foto ©  Constantin/Bernd Spauke

Ganz so schlimm ist die Filmbranche doch nicht, sagt der Geschäftsführer des Regieverbands. Aber auch: Man muss in dieser Szene mit Kritik sehr vorsichtig sein. Warum eigentlich?

Die Verhältnisse in der deutschen Filmbranche sind weiter im Gespräch. In der „Frankfurter Rundschau“ fragt Johanna Krause den Regisseur Jobst Oetzmann, der auch Geschäftsführer des Regieverbands (BVR) ist. „Natürlich weiß man, dass es solche Einzelfälle gibt, aber in dieser Ausprägung sind sie in der Filmbranche ausgesprochen selten. Ich bin seit über 30 Jahren im Filmgeschäft, und ich kann nur sagen: Die wilden Zeiten der Filmindustrie sind vorbei. Seit langer Zeit ist man deutlich sensibler, was den Umgang miteinander am Set angeht“, sagt Oetzmann. „Zunächst ist erst einmal die Produktion dafür verantwortlich, wie es am Set läuft. Das gilt erst recht für derart ernst zu nehmende Vorwürfe, dass es am Set Alkoholprobleme oder sogar Handgreiflichkeiten gibt. […] Was die Unterschreitung von gesetzlichen Ruhezeiten angeht, die es ja auch am Set gegeben haben soll, oder fehlerhafte Sicherheitsmaßnahmen, ist dies – nur um das klarzustellen – sicherlich ebenfalls nicht der Regie anzulasten. Das sind klassische Verantwortungsbereiche des Arbeitgebers.“ 

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Die Kulturstaatsministerin will soziale Standards in der Filmförderung. Die Initiative Fair Film hat schon konkrete Vorschläge dafür. Dahinter stehen 29 Berufsverbände und Organisationen der Branche.

Bei den Arbeitsbedingungen hat die Branche noch einiges aufzuholen. Das weiß auch Kulturstaatsministerin. In ihren Eckpunkten zur Reform des Filmfördergesetzes (FFG) forderte Claudia Roth die Einhaltung sozialer Standards als Fördervoraussetzung. 

Die Branche nimmt sie beim Wort, denn das sei mehr als überfällig, schreibt die Initiative Fair Film in einem Offenen Brief an die BKM. Dahinter stehen 29 Organisationen und Initiativen, darunter fast alle Berufsverbände: „Die durch zahlreiche Presseberichte in die Öffentlichkeit geratenen Missstände bei der Produktion ,Manta Manta – Zwoter Teil’ werfen ein Schlaglicht auf unsere Branche. Aus eigener Erfahrung können wir bestätigen, dass dies kein Einzelfall ist. Die Fallzahlen der Themis, aber auch die Umfrage von ,Vielfalt im Film’ belegen, die Strukturen in der Film- und Fernsehbranche fördern systemischen Machtmissbrauch. Zeitdruck, zu lange Arbeitszeiten sowie mangelnde finanzielle Mittel bei vielen Produktionen führen oft zu einer physischen und psychischen Überlastung der Filmschaffenden. Daher müssen wir Strukturen schaffen, die den dringend nötigen Kulturwandel in der Filmbranche ermöglichen.“ 

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„Wir holen mit großem logistischen Aufwand internationale Filme auf das Festival, die im Anschluss weder im Kino noch im TV zu sehen sind. Mit unserer dualen Edition öffnen wir unser Programm bundesweit für ein breites Publikum und bauen so Barrieren zu dieser Filmkultur ab“, sagt Dokfest-Leiter Daniel Sponsel. | Foto © Dokfest München

Rund 35.000 Gäste meldet das diesjährige Dokfest München zum Abschluss. Das erreicht zwar noch nicht den Stand vor Corona, doch das Festival läuft auch weiterhin dual. Und erreichte damit insgesamt 56.000 Zuschauer*innen – so viele wie noch nie. Die Kombination von Heim und Kino habe sich bewährt, findet der Festivalleiter Daniel Sponsel.

Herr Sponsel, zwei Jahre lang fand das Dokfest München virtuell statt, im vorigen Jahr lief es dual, dieses Jahr scheint alles wieder normal. Was ist geblieben vom Ausflug ins Virtuelle?
Das Freizeit- und das Rezeptionsverhalten, nicht nur unseres Publikums, hat sich durch die zwei Jahre der Pandemie relevant verändert – das ist die eine Erkenntnis. Die andere Erfahrung, die wir dank der rein digitalen Editionen gewinnen konnten, ist der Gewinn des bedingungsloseren Zugangs zu dem sorgfältig kuratierten Filmprogramm, das wir anbieten. Die jeweils drei bis vier Filmvorführungen, die wir im Kino in München anbieten, haben eine Kapazität von maximal 500 bis 600 Plätzen, das ist ganz schön exklusiv. Wir holen mit großem logistischen Aufwand internationale Filme auf das Festival, die im Anschluss weder im Kino noch im TV zu sehen sind. Mit unserer dualen Edition öffnen wir unser Programm bundesweit für ein breites Publikum, das nicht zu den Vorführungen im Kino erscheinen kann, und bauen auf diese Weise Barrieren für die Zugänge zu dieser Filmkultur ab. Weiterlesen

Mit Geld allein hat der Deutsche Film keine Zukunft. Es braucht auch Spielraum, damit schräge Ideen schiefgehen können. Und ein anderes Fördersystem, finden die Teilnehmer*innen beim Kongress in Frankfurt. | Foto © Elisa Grehl

Zwischen Berlinale und „Deutschem Filmpreis“ wurde in Frankfurt weiter an der Zukunft des Deutschen Films gearbeitet. Der Kongress schloss mit einer Erfolgsmeldung. Darum soll es in Zukunft regelmäßig weitergehen.

„Die Berlinale ist vorüber. Die Blamage war ziemlich ungeheuerlich, und der große Preis ging konsequenterweise an den falschen Film. Die Bundesfilmpreise sind auch wieder einmal vergeben. Es war eine prachtvolle Veranstaltung“, schrieb Uwe Nettelbeck in der „Zeit“. Und fand die Entscheidung „eine indiskutable Verwendung fiskalischer Gelder. Mit dem deutschen Film geht es vielleicht wirklich aufwärts, aber nicht mit dem erhofften neuen, sondern mit dem alten, mit dem, den wir satt haben, der abgeschmackt ist und fade. […] Wo sind die Rebellen von damals, die von Oberhausen ihren Namen haben? Sie sind heute müde, in alle Winde verstreut und haben sich fast alle, abgefunden. Für manche ist es schon Zeit geworden, sich um ihre Rente zu kümmern. Das Manifest war glühend und blieb ein Stück Papier. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber dafür sicher bald – wenn die Parlamentarier erst aus der Sommerfrische heimkehren – ein Filmhilfsgesetz, das die Etablierten stützt, dem Ehrgeiz Grenzen zieht und für brave Knaben ein Almosen vorsieht. […] Eine Filmhochschule haben wir noch immer nicht, aber daran liegt es nicht allein. Und man kann ein schlechtes Gesetz nicht für alles verantwortlich machen. Daß die trivialsten Filme das meiste Geld bekommen oder einspielen, ist weder neu noch besonders tragisch und auch kaum zu ändern. […] Die Filmförderung liegt im argen, zugegeben, und höheren Orts wird durch bornierte Funktionäre manches verdorben, zum Zuge kommt das Schlechte, und bei den Produzenten liegen noch immer die alten Rezepte auf dem Tisch. Es kommt aber auch keiner mit neuen.“

Nettelbeck schrieb das 1964, und auch Kritik und Publikum kommen in seiner Bestandsaufnahme zum Deutschen Film (West) nicht davon. Inzwischen hat sich vieles geändert: Ein Filmfördergesetz gibt es, Filmhochschulen sogar mehrere, und die Rebellen von Oberhausen hatten sich bald darauf auch noch gezeigt. Und doch klingt vieles 60 Jahre später seltsam bekannt. Man dürfte getrost alle Hoffnung fahren lassen.

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Im Writers’ Room von „Breaking Bad“. „Wer Serien kreiert, tut dies schreibend“, sagt der Deutsche Drehbuchverband. | Foto © AMC

Bei deutschen Serien werden die Credits oft noch unscharf benutzt. Der Drehbuchverband hat jetzt einen „Branchenstandard“ für die Berufsbezeichnungen vorgelegt. 

Der Deutsche Drehbuchverband (DDV) will den Wildwuchs an Funktionen in der Serienproduktion lichten. Dazu legte er heute einen Praxisleitfaden vor, der nichts weniger als „Branchenstandard in Deutschland für Credits und Berufsbezeichnungen“ sein soll. Der Leitfaden wurde im Austausch mit der Writers Guild of America (WGA) und der FSE (Federation of Screenwriters in Europe) erarbeitet, „um deutsche Gepflogenheiten den internationalen Standards anzugleichen und zukunftsfähig zu machen“, erklärt der DDV. Das vorangestellte 10-Punkte-Papier fasst das wesentliche Prinzip zusammen: „Im Zentrum der Serienentwicklung steht der/die schreibende Autor*in, der/die unterschiedliche Funktionen und Aufgaben übernehmen kann. Showrunner, Creator und Headwriter sind dabei Funktionen, die Drehbuchautor*innen vorbehalten bleiben. Wer Serien kreiert, tut dies schreibend.“
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„Manta Manta – Zwoter Teil“, die Aufarbeitung läuft. Constantin-Chef Martin Moskowicz hat inzwischen viele Vorwürfe bestätigt, die er erst abgestritten hatte, und räumt Fehler ein. | Foto © Constantin/Bernd Spauke

Da sind sich alle einig: ein schlechter Umgang am Set darf nicht sein! Auf dem Weg zur Wahrheit stellen sich aber noch einige Fragen.

Übrigens: Beim jüngsten „Fair Film Award Fiction“ im Februar war „Manta Manta – Zwoter Teil“ auf dem letzten Platz gelandet. Schulnote: 3,52. 

Monatelang arbeitete ein Team der „Süddeutschen Zeitung“ an der Recherche zu Til Schweiger. Erst wurde die Veröffentlichung verschoben, dann platzte die Geschichte ganz – und landete beim „Spiegel“. Wie konnte das passieren? Bei „Übermedien“ schildert Lisa Kräher, warum sich die Zeitung am Ende doch nicht traute. Für sie scheint es „vor allem ein hausgemachtes Problem der ,SZ’ gewesen zu sein – eine Mischung aus schlechter interner Kommunikation, zögerlichen Entscheidungen und Vertrauensverlust. Offene Fragen aber bleiben.“ 

Statt auf die eigene Recherche vertraute die Chefredaktion auf Rat von außerhalb und „zog den Anwalt Martin Schippan als juristischen Berater hinzu. Er vertritt die Tageszeitung seit Jahren immer wieder. Eine solche Beauftragung einer externen Kanzlei ist ein normaler Vorgang. […] Schippans Kanzlei arbeitet allerdings nicht nur für die ,SZ‘, sondern vertritt in anderen Angelegenheiten auch Constantin. […] Die Information über diesen möglichen Interessenskonflikt habe die Redaktion aus der SZ-Rechtsabteilung nicht erreicht.“  

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Die Berichte aus dem Filmalltag waren auch beim „Deutschen Filmpreis“ im Gespräch. Eigentlich brauche es keinen „Code of Conducts“ für die Arbeit am Set, meinte der Ehrenpreisträger Volker Schlöndorff (vorne links): „Anstand und ein ordentlicher Umgang mit Menschen sollten genügen.“ | Foto © DFP/Clemens Porikys

Beim „Deutschen Filmpreis“ gab’s am Freitag doch noch eine kleine Überraschung: Der große Abräumer stand zwar schon vorher fest. Gold und noch vier weitere „Lolas“ gingen aber an einen kleineren Film. Was auffiel: die Preisträger*innen betonten die ,Arbeit auf Augenhöhe’ und gegenseitigen Respekt.

Am Freitag wurde in Berlin der „Deutsche Filmpreis“ verliehen. „2023 ist ein guter Jahrgang“, titelt „Der Tagesspiegel“. Na also! Doch das ist für Andreas Busche kein Grund für vorschnelle Freude, erstmal muss er die Perspektive geraderücken: „Im kalifornischen Silicon Valley dürfte man diesen Freitagabend im Theater am Potsdamer Platz wohl nur mit mäßigem Interesse verfolgt haben. Gut möglich auch, dass im Netflix-Hauptquartier niemandem erklärt wurde, wer diese ,Lola’ eigentlich ist. Der ,Deutsche Filmpreis’ verfügt wie das Kino, das er repräsentiert, über wenig internationale Strahlkraft. Und wenn dann mal wieder ein Film wie ,Im Westen nichts Neues’ weltweit für Aufsehen sorgt, räumt der in Amerika und England gleich so viele Preise ab, dass die Verleihung der ,Lolas’ am Ende der Auswertungskette nur noch einen Restschein des Ruhms abbekommt. Rein numerisch ist Edward Bergers Netflix-Produktion mit neun Auszeichnungen der erfolgreichste Film beim 73. Deutschen Filmpreis. Als gefühlter Sieger geht jedoch Ilker Çataks Satire ,Das Lehrerzimmer’ aus dem Abend hervor, die die ,Goldene Lola’ gewinnt und seinem Regisseur zudem den Regie-Preis einbringt.“

Was folgt, ist aber Lob genug: „Die Filmpreis-Zeremonie wirkt von Beginn an fokussierter als in den Vorjahren, mit niedrigerem Peinlichkeitsfaktor und einer schlagfertigen Gastgeberin“ Jasmin Shakeri, „streetsmarter, statt wie üblich nur dem großen Glamourversprechen hinterherzujagen.“ Vielleicht auch so entspannt, „weil man sich in diesem Jahr endlich mal nichts beweisen muss“ – „Im Westen nichts Neues“ sei Dank. „Umso erfreulicher ist es dann, dass am Ende ein verhältnismäßig kleiner Film wie ,Das Lehrerzimmer’ von der Filmakademie gewürdigt wird – wo die Schwarmintelligenz der Akademiemitglieder sich gewöhnlich, gerade bei den Hauptpreisen, um einen Film sammelt.“

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Was vorfällt an deutschen Filmsets, sammelt die Plattform „Let’s Plant Stories“. Mit den Berichten wollen die Initiatoren „die Kultur der Stille“ aufbrechen. | Screenshot

Einmal noch nehmen wir uns heute die Arbeitsbedingungen vor, denn langsam wird’s interessant. Ein paar Geschichten von Strukturproblemen und Alltagsanstand.

Hat’s schon jemand bemerkt? Über die Arbeit beim Film wird zurzeit viel geschrieben. Doch das meiste steht hinter Bezahlschranken.

„Etwas überdreht“ findet Andreas Scheiner in der „Neuen Zürcher Zeitung“ die Aufregung um Til Schweiger: „Vermutlich hat Schweiger ein Alkoholproblem. Aber wie toxisch geht es überhaupt zu beim deutschen Film?“ Die Antwort muss warten, denn erst wird doch lieber über Psyche und Talent eines Regisseurs unter Druck spekuliert. Anschließend wird „Der Spiegel“ verdächtigt, mit seinen Enthüllungen gar ein „Geschäftsmodell“ zu verfolgen (was sonst sollte wohl das Geschäftsmodell eines Nachrichtenmagazins sein?). „Müssen ausserdem Menschen, denen offenbar ein Unrecht angetan wurde, zwingend zum ,Spiegel’, oder gibt es auch andere Wege?“ 

Nein. Da sind die drei Filmschaffenden, die Scheiner schließlich zitiert, eindeutig: „Ich kann es mir nicht leisten, jemanden zu outen“, sagt eine Kostümbildnerin. Wer als „troublemaker“ gelte, werde nicht mehr gebucht. Scheiners dürres Fazit: „Ganz unrecht“ seien die Vorwürfe wohl nicht. Was er offenbar noch nicht wusste: „Der Spiegel“ hat sich das gar nicht selber ausgedacht. Weiterlesen

Der „Spiegel“ sieht sich weiter um hinter den Filmkulissen. Die Branche reagiert wie üblich. Szenenfoto aus „Manta Manta – Zwoter Teil.“ | Foto © Constantin/Bernd Spauke

Nicht alles läuft gut an deutschen Filmsets, das räumt die Branche selbst ein. Und weiß auch warum: Schuld sind immer die anderen. Neu ist das alles nicht, könnte aber noch spannend werden.

Wie verbreitet ist übergriffiges Verhalten im Filmgeschäft? Der „Spiegel“ hatte vorige Woche über mutmaßliche Schikanen am Set von Til Schweiger berichtet (hier der Überblick). Gleich acht Autor*innen fragten zum Wochenende im „Spiegel“ [Bezahlschranke], „inwiefern die mutmaßlichen Übergriffe des Erfolgsregisseurs nur ein Beispiel für ein insgesamt unfaires oder gar toxisches System sind. Schweigers angebliche Ausfälle sollen unter Alkoholeinfluss passiert und von einem Mann gekommen sein, der sich möglicherweise in einer privaten Krise befunden hat. Viele sahen am Set von ,Manta Manta – Zwoter Teil’ aber offenbar einfach zu und taten nichts. Wie vergiftet von Gebrüll, Mobbing und sogar körperlichen Attacken ist der Arbeitsalltag bei Film- und Fernsehproduktionen? Im Filmgeschäft sind viele Menschen in zeitlich befristeten und oft prekären Beschäftigungsverhältnissen engagiert – und offensichtlich ist es auch nach Jahren der Debatte über Machtmissbrauch in der Arbeitswelt nicht ungewöhnlich, dass am Set gepöbelt und im Extremfall sogar geprügelt wird, weil keiner es verhindert.“

Die Fragestellung macht klar, welchen Verdacht das „Spiegel“-Team hegt. Die Antwort der Regisseurin Doris Dörrie deutet zwar eher auf einen Systemfehler hin, doch für sie gibt es „einen Hauptschuldigen in dieser Sache: die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten“. Damit spreche sie „einen zentralen Punkt an: Die meisten Kinofilme in Deutschland sind auf eine Filmförderung angewiesen, von der FFA, der Filmförderungsanstalt, oder von den Landesanstalten. Eine Förderung gibt es aber in der Regel nur mit der Zusage eines Teilbeitrags durch eine Fernsehanstalt. Die mit Rundfunkbeiträgen finanzierten Sender sparen jedoch. Deshalb ist es zuletzt schwieriger geworden, eine Förderung zu bekommen und Filme zu produzieren.“ Der „Spiegel“ merkt an, dass Dörrie „die Partnerin des Constantin-Chefs und Schweiger-Produzenten“ ist. Angemerkt sei außerdem, dass „Manta Manta – Zwoter Teil“ ein Kinofilm ist und mit mehr als vier Millionen Euro gefördert wurde. Eine Senderbeteiligung ist nicht bekannt.  

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