Zum Glück wiederholt sich Geschichte nicht. Kurz vor der Wahl erinnert die Kultur nochmal an die Werte der Demokratie (Motiv zur Kampagne).

Vorige Woche verpuffte die Brandmauer, am Wochenende demonstrierten Hunderttausende für die Demokratie. Auch die Kultur redet Politik und Wahlvolk nochmal ins Gewissen.

Zweieinhalb Wochen noch bis zur Bundestagswahl; und die Vorgänge vorige Woche im Parlament lassen nichts Gutes ahnen. Am Mittwochabend verpuffte die Brandmauer, als die CDU einen Antrag durchbrachte. Der Antrag bleibt zwar wirkungslos und verstößt ohnehin gegen Grundgesetz und Europarecht, doch der Union ging es ums Prinzip: Eine Demontage des Asylrechts „für sichere Grenzen“  – wenn nötig auch mit Hilfe der AfD! Schon am nächsten Tag veröffentlichte die „Vogue“ einen Offenen Brief, den „Hunderte bekannte Namen aus Kunst, Kultur und Medien“ unterschrieben haben: 

„Dieser Pakt mit der AfD bedeutet einen historischen Tabubruch. Menschen Asyl zu gewähren, ist ein in der Verfassung verankertes Grundrecht und darin auch eine der zentralen Lehren aus den Verbrechen des Nationalsozialismus. Die Union ist bereit, diese Rechte mit den ideologischen Erben der Täter zu beschließen und mit dem historischen Konsens des ,Nie wieder’ zu brechen. In der Woche des Holocaustgedenktages“, heißt es in dem Brief, den die Schauspieler*innen Luisa-Céline Gaffron und Jonathan Berlin verfasst haben.  

Die Abgeordneten von CDU, FDP und BSW, die dem Antrag zustimmt hatten, werden aufgefordert, „von ihren verfassungswidrigen Plänen und jeglicher Art der gemeinsamen Sache mit der AfD umgehend Abstand zu nehmen“: „Sie alle haben so oft gesagt: ,Nie wieder ist jetzt!’ So oft haben Sie gesagt: ,Die Brandmauer steht.’ Doch nein, Sie sind es nicht, die sie stützen, Sie destabilisieren Sie auf dramatische Weise und wir stellen fest: Wir, die Zivilgesellschaft dieses Landes, müssen nun diese Brandmauer sein und Sie an Ihre Versprechen erinnern. Sie drohen, Grundrechte mithilfe von Rechtsextremen auszuhöhlen und verhelfen der AfD so zu Einfluss und Macht […]. Geschichte wiederholt sich, und wir schauen dieses Mal nicht weg.“  

Am Wochenende demonstrierten Hunderttausende auf den Straßen für Brandmauer und Demokratie. Und die Kultur wandte sich in einer weiteren Intitiative direkt ans Wahlvolk, um ihm ins Gewissen zu reden: „Es ist #NICHTokay, die AfD zu wählen!“  

Denn die Partei sei „eine reale Bedrohung für unser demokratisches Miteinander“, erklärt der Initiativtext zur Kampagne, hinter der Prominente aus Film, Musik, Sport und Schauspiel stehen. Und für die ist die Wahl auch eine Gewissensfrage: „Menschen, die die AfD wählen, entscheiden sich bewusst für eine Partei, die Hass und Ausgrenzung fördert. Sie unterstützen eine Politik, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer Sexualität angreift. Mit ihrer Stimme tragen sie dazu bei, die Werte zu zerstören, die uns als Gesellschaft ausmachen: Vielfalt, Solidarität, Freiheit.“ 

„Der Spiegel“ hatte das zuerst gemeldet – und mit einem großen Logo der AfD illustriert.  

Aufmerksamer berichtet Martin Schmidt bei NTV über die „Kampagne, die gegen die AfD und für eine starke Wahlbeteiligung mobilisieren soll. Die Schauspielerin Tina Pfurr, auch als Werbegesicht ,Ingrid’ bekannt, hat sie mit initiiert. Umfragewerte um die 20 Prozent für eine in Teilen rechtsextreme Partei machten ihr Angst. Es gelte jetzt Gesicht zu zeigen, solidarisch zu sein: ,Wir sagen jetzt nicht, geht diese eine Partei wählen, sondern wir sagen: Geht unbedingt wählen und wählt eine demokratische Partei!’“ 

Für die Entscheidungsfindung gibt es Hilfen. Echte Alternativen zeigt zum Beispiel der „Wahl-O-Mat“ der Bundes­zentrale für politische Bildung: Er fragt nach der Einstellung zu 38 politischen Thesen und vergleicht sie mit den Programmen aller Parteien, die zur Wahl antreten. Die Übereinstimmung mit den eigenen Antworten wird in Prozent angegeben, dazu gibt es weitere Informationen zu den Parteien und Thesen.  

Auf die gleiche Weise funktioniert auch „Wahltraut“. Die Wahl­entscheidungs­hilfe setzt den Fokus aber „auf feministische und gleich­stellungs­politische Themen“ – kurzum: „Welche Parteien setzen sich wirklich für Gleichberechtigung ein?“ 

Wahlprogramme versprechen viel. Wieviel davon verwirklicht wird, hatte das Transparenz-Projekt „Frag den Staat“ schon in einem „Koalitionstracker“ überprüft. Zur Bundes­tagswahl hat man nun mit weiteren Nichtregierungsorganisationen den „Real-O-Mat“ entwickelt. Der schaut nicht auf die Wahlprogramme, sondern auf das bisherige Abstimmungsverhalten der Parteien zu 20 Themen. Zwangsläufig werden hier aber auch nur die Parteien berücksichtigt, die bislang im Parlament sitzen. Keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung, erklärt Christina Lopinski in der „Süddeutschen Zeitung“: Beschlussempfehlungen, Gesetzesentwürfe, Anträge und Plenarprotokolle sind verlinkt.