Urheberrecht: Nur ein halber Sieg

Im Prinzip hat Anika Decker ja recht, urteilte das Gericht. Der Drehbuchautorin bringt das aber wenig. Denn wenn’s ums Geld geht, hat auch das Urheberrecht ein Verfallsdatum. | Foto © MDR
Der Kampf um ihr Urheberrecht ist vorbei. Acht Jahre lang hatte die Drehbuchautorin Anika Decker um ihren Anteil an den Kino-Bestsellern „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ gekämpft. Am Montag hat sie’s aufgegeben.
Gleich mit zwei Bestsellern hatte die Drehbuchautorin Anika Decker ihre Karriere gestartet. „Keinohrhasen“ war 2008 der erfolgreichste deutsche Film im Kino, „Zweiohrküken“ war 2009 die meistverkaufte DVD im Land. Allein in den Kinos spielten die beiden Filme 113 Millionen Euro ein – Decker war dafür mit 207.000 Euro vergütet worden. Am späteren Erfolg wurde sie nicht beteiligt.
Zum Glück gibt’s den sogenannten „Fairnessparagraf“ 32a im Urheberrechtsgesetz. Der schreibt eine „angemessene Beteiligung“ vor, wenn die Vergütung „unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen“ war. Decker klagte gegen die Produktionsfirma Barefoot Films und Warner Bros. Das Landgericht Berlin gab Decker schon vor zwei Jahren prinzipiell recht und stellte dabei auch fest: Decker ist Haupt-Autorin der Drehbücher. Eine „Signalwirkung“ vermutete damals nicht nur Jonas Wintermantel beim RBB.
Mehr aber auch nicht. Denn bei der angemessenen Beteiligung fiel das Urteil nicht im Sinne der Klägerin – das Gericht sprach ihr lediglich 183.000 Euro zu. „Der Großteil ihrer Ansprüche ist laut Urteil verjährt. Auch die Prozesskosten für das insgesamt fünfjährige Verfahren wird sie selbst tragen müssen. […] ,Sie hätte viel früher Klage erheben müssen’, sagte der Vorsitzende Richter“.
Gegen dieses Verfallsdatum beim Urheberschutz war Decker in Berufung gegangen. Am Montag zog sie ihre Berufung zurück – sie wäre voraussichtlich abgewiesen worden. Das Urteil von 2023 ist damit rechtskräftig.
Seine Signalwirkung hatte es schon vorher in einem anderen Fall gezeigt. Deshalb ist Marc Mensch bei „Spot“ [Bezahlschranke] auch nicht wirklich überrascht vom Ausgang des Prozesses: „Tatsächlich stand schon im April 2024 die Vermutung im Raum, dass ein Verfahren zwischen Drehbuchautor Stefan Cantz und der Constantin auch deswegen so schnell in einem Vergleich mündete, weil sich angesichts des Urteils im Decker-Prozess abzeichnete, dass auch das Landgericht München Nachvergütungsansprüche auf Basis des Erfolgs von ,Manta Manta’ als verjährt ansehen würde.
Warum sie denn nicht schon früher geklagt hatte, fragte Philipp Bovermann die Autorin in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke]: „Wenige Monate, bevor sie im Juli 2018 klagte, war sie von Warner zu Constantin gewechselt, mehr als zehn Jahre nach ‚Keinohrhasen‘. Kinoverleiher gebe es nicht so viele. ,Wenn man einen davon verklagt, wie sieht die Zukunft aus?’ […] Seit 2002 existiert der sogenannte Fairnessparagraf im Urheberrecht, er schreibt vor, Künstlerinnen und Künstler angemessen an Gewinnen mit ihren Werken zu beteiligen. Dafür müssen die jedoch erst einmal wissen, was mit ihren Werken verdient wird. […] Ohne Anwalt, ohne sich unbeliebt zu machen, bekomme man überhaupt nichts zu sehen, und das wiederum könne ,existenzbedrohend’ sein. ,Ich war mal bei einem Abendessen, auf dem damit geprahlt wurde, dass sie Schwarze Listen haben mit Leuten, die Ärger gemacht haben.’“
Für Kreative sei dieser Ausgang jedenfalls keine gute Nachricht, meint Julia Encke, die sich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke] und frei bei „MSN“ mit der Argumentation um die Verjährung auseinandersetzt. „Ich weiß nicht, wie praktikabel die Rechtsprechung für uns ist“, sagt ihr Decker. Das Fazit steht in der Überschrift: „Soll jetzt jedes Mal geklagt werden?“
Decker ist nicht die erste Urheberin, die sich auf den „Fairnessparagraf“ beruft. Seit 2008 prozessierte der DoP Jost Vacano um eine angemessene Beteiligung am Film „Das Boot“ von 1981. Nach 14 Jahren durch mehrere Instanzen war er letztlich erfolgreich, berichtete Tobias Kniebe in der „Süddeutschen Zeitung“ – was „es ohne die Entscheidungen der Gerichte nie gegeben hätte.“ Doch über einen Teil der Ansprüche wird noch immer verhandelt.
Jost Vacano wurde vorigen Samstag 91. Wir gratulieren!