Das Arbeitsgericht Berlin hat vergangenes Jahr in einem von der Künstlerkanzlei Schmidt-Hug geführten Verfahren eine Berliner Produktionsfirma verurteilt, einem Filmschaffenden alle geleisteten Überstunden nachzubezahlen. Der Produzent vertrat zuvor die Ansicht, daß nach dem Vertrag „mit der vereinbarten außertariflichen pauschalen Vergütung“ alle Ansprüche abgegolten seien, zudem heiße es im Vertrag ausdrücklich, „der Vertragspartner hat keinen Anspruch auf Mehrarbeit (Überstunden, sechster Arbeitstag in der Woche, Nacht- und Sonntagsarbeit)“.
Mit Berufung auf das Bundesarbeitsgericht stellte das Gericht fest, daß der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluß erkennen können muß, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muß. Bemerkenswerterweise konkretisierte das Gericht zum hier vorliegenden Fall der Pauschalvergütung in der Filmbranche ausdrücklich: „nach dem Inhalt der Regelung könnte der Arbeitnehmer mangels Festlegung irgendwelcher erkennbaren Begrenzungen theoretisch ,rund um die Uhr‘ arbeiten und unter Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten, ohne hierfür eine zusätzliche Vergütung zu erhalten“. Dieser Regelung erteilte das Gericht eine deutliche Abfuhr und führte sie als „unangemessene Benachteiligung“ zur „Unwirksamkeit“ (Arbeitsgericht Berlin, Az.: 53 Ca 12217/14). Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Steffen Schmidt-Hughttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgSteffen Schmidt-Hug2016-05-02 12:32:432016-05-02 12:32:43Geld für Überstunden
München ist eine Filmstadt! Darauf hat sich der Standort jahrzehntelang verlassen können. Doch seit einigen Jahren zeigen sich feine Haarrisse im bayerischen Selbstbewusstsein: Köln und Berlin haben sich für die Kinoproduktion immer hübscher gemacht – gerade die Hauptstadt zieht immer wieder internationale Großprojekte mit Schaueffekt an und bietet heimischen Produktionen die richtige Kulisse fürs urbane Lebensgefühl oder nächtliche Verfolgungsjagden.
Hat München sich zu lange auf seinem Ruf ausgeruht? Wird es eine Filmstadt bleiben? Der Verband der Szenen- und Kostümbildner (VSK) hatte am 12. April dazu zum „Tischgespräch“ geladen. Mit der Reihe will der Berufsverband aktuelle Themen in der Branche mit Gästen und Fachleuten diskutieren – „in eher privater Atmosphäre“ gehe es nicht um „Pauschalhaltungen“, sondern darum, ein Thematik bewusst zu machen, die unterschiedlichen Perspektiven zu zeigen und „im besten Fall Ausblicke auf mögliche Lösungen [zu] erarbeiten.“
„Drehen in München – München als Filmstandort“ also. Darüber diskutierten fünf Vertreter aus Politik und Branche. Und damit auch tatsächlich nicht bloß „Pauschalhaltungen” vorgetragen werden, und die Diskussion nach der Absicht der Veranstalter verläuft, wurde sie von Barbara Dickmann moderiert, ehemals erste Moderatorin der Tagesthemen. Gleich vorweg:?Das Publikum selbst blieb bei dem ganzen Gespräch seltsam zurückhaltend – von den Filmschaffenden selbst kamen kaum Fragen zum Thema.
Nach zweijährigen Verhandlungen der Produzentenallianz mit der ARD hat diese nun im Januar eine neue „Selbstverpflichtungserklärung“ für künftige Auftragsproduktionen beschlossen. Die Produzenten konnten einige erhebliche Verbesserungen für sich erzielen. Manche davon bewirken mittelbar auch echte Verbesserungen für das Filmschaffen und die Filmschaffenden:
Unter dem Punkt „Kalkulationsrealismus“ haben die ARD-Anstalten nun zum einen die verbindliche Anerkennung des Tarifvertrages für Film- und Fernsehschaffende als Kalkulationsgrundlage erklärt, einschließlich der Mehrkosten für das Zeitkonto sowie Feiertags- und Nachtzuschläge. Künftig kann es also keine Ausflüchte mehr zu Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen geben.
Dabei ist zu beachten, dass diese steuer- und sozialabgabenfrei sind, also brutto wie netto ausgezahlt werden. Daher sollte man sich bei Vertragsverhandlungen auch nicht statt dieser Zuschläge auf eine höhere Pauschalgage einlassen, weil die Hälfte der dadurch höheren Gage von Steuer- und Sozialversicherung „aufgefressen“ wird.
Schauspieler haben einen Agenten, das ist klar. Auch immer mehr Regisseure und Drehbuchautoren haben einen, der sich um all das kümmert, was am Filmberuf wenig kreativ ist und andere Kompetenzen erfordert: Akquise, Vertragsverhandlungen, und und… Vereinzelt tauchen sogar schon Szenenbildner und Kameraleute in den Profilen der Agenturen auf. Die meisten Filmschaffenden sind aber noch zurückhaltend:?Agentur??Brauch’ ich nicht.
Tatsächlich??Nicht nur Zeitungsberichte und Branchenumfragen über Arbeit und Überleben in der Filmwelt erzählen etwas anderes. Auch die Berufsverbände der Branche bekommen immer wieder Verträge von Mitgliedern vorgelegt, die, vorsichtig ausgedrückt, dringend nachgebessert werden müssen, obwohl die Betroffenen schon seit Jahren im Geschäft sind.
Spielt womöglich so eine Art natürliches Schamgefühl eine Rolle? Es mag ja angehen, wenn Schauspieler und Heads of Department einen vorschicken, der für sie spricht und ihnen den Ärger dieser Welt vom Leibe hält und die Dinge erledigt, die mit ihrer eigentlichen Arbeit nichts zu tun haben. Aber eine Garderobiere mit Agent? Ist die jetzt völlig abgehoben? Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Peter Hartighttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgPeter Hartig2016-04-15 15:06:192016-04-15 15:12:37Agentin für die Crew
Ein Gesetz, dass Urheber und ausübende Künstler stärken sollte, läuft Gefahr, sich ins Gegenteil zu verkehren. Betroffen sind nicht nur Autoren und Journalisten, sondern auch Filmschaffende wie Regisseure als Urheber, oder andere ausübende Künstler wie Cutter, Sounddesigner, Schauspieler u.v.a.
Der aktuelle Gesetzentwurf zur Reform des Urhebervertragsrechts, wie er nun von der Bundesregierung vorgelegt wurde, stößt auf massive Kritik auf Seiten der Urheber und ausübenden Künstler.
Während der Berlinale hatte Bundesjustizminister Heiko Maas bei einer Podiumsdiskussion des BFFS in der Akademie der Künste noch betont, dass er zentrale Punkte seines Reformvorhabens für das Urhebervertragsrecht wie bspw. den Auskunftsanspruch zugunsten der Urheber über die Nutzungs- und Verwertungsumfang ihrer Werke oder das Verbandsklagerecht durchboxen wolle.
Wenige Tage später wurde durch den Regierungsentwurf klar, dass dem Lobbying ? insbesondere von Seiten der Verlage ? in weiten Teilen nachgegeben wurde und zentrale Punkte des ursprünglichen Referentenentwurfs zum Opfer fallen werden. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Tina Thielehttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgTina Thiele2016-04-08 11:24:062016-05-19 12:06:07Lieber gar keine Reform als so eine?
Vorwort aus aktuellem Anlass:
Bei der vorliegenden cn-klappe handelt es sich um einen Mitschnitt des Panels „Braucht die Kultur Klimaziele? Ein Gespräch zur Großwetterlage im Urhebervertragsrecht“, welches im Rahmen der Berlinale am 14. Februar 2016 stattfand. Ausrichter der Veranstaltung waren der Bundesverband Schauspiel (BFFS) in Kooperation mit der Initiative Urheberrecht und der Akademie der Künste.
Zu dieser Zeit lag ein Entwurf zur Novelle des Urhebervertragsrechts vor, der von der Mehrheit der Interessenvertretungen der Künstler und Filmschaffenden begrüßt wurde. Gegen die Interessen der übermächtigen Sender und Verwerter wollte Bundesjustizminister Heiko Maas eine deutliche Stärkung der Urheber durchsetzen. Dies betraf u.a. die Beteiligung an der Auswertung durch eine Einschränkung von Buyout-Verträgen, die Option eines Verbandsklagerechts im Streitfall und eine weitgehende Auskunftspflicht über die erzielten Erlöse von Filmen und anderen Kunstwerken.
Als am 10. März nun der Regierungsentwurf bekannt wurde, schien nicht mehr viel von den guten Vorsätzen des Justizministers vom Kabinett übernommen worden zu sein. So ist die Auskunftspflicht deutlich eingeschränkt, Werknutzer können sich dem Verbandsklagerecht durch Austritt aus Verwerterverbänden entziehen, und der ursprünglich ausdrücklich vorgesehene Anspruch auf die Vergütung jeder einzelnen Nutzung würde wesentlich unkonkreter formuliert. Total-Buyout-Verträge bleiben auch künftig möglich. Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Tina Thielehttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgTina Thiele2016-04-08 11:24:042016-05-19 11:43:14cn-klappe: Braucht die Kultur Klimaziele?
Sibylle Flöter leitete von 1995 bis 2015 erfolgreich ihre eigene Schauspielagentur in München und war Gründungsmitglied des Verbandes der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater, welcher 1998 von 16 namhaften Agenturen in Berlin gegründet wurde. Seit Beendigung ihrer aktiven Tätigkeit als Agentin ist sie Ehrenmitglied des Verbandes und arbeitet in diversen Arbeitskreisen mit. In der Mitgliederversammlung während der diesjährigen Berlinale ist die Diplompolitologin auf drei Jahre zur neuen Vorstandsvorsitzenden des Verbandes gewählt worden.
Verband der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater
Der VdA vertritt seit 1998 die Interessen der privaten Künstler- Agenten in den Bereichen Film, Fernsehen und Bühne im deutschsprachigen Raum. Die 60 Mitgliedsagenturen repräsentieren über 2.600 Schauspieler, Regisseure, Autoren, Kameraleute und Komponisten.
20 Jahre waren Sie mit Ihrer Agentur Sibylle Flöter als Schauspielagentin tätig. Was nehmen Sie für sich aus dieser Zeit mit?
Bevor ich mich selbstständig machte, hatte ich 22 Jahre lang im öffentlichen Dienst gearbeitet. Davon habe ich acht Jahre lang bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) den Film- und Fernsehbereich geleitet. Insgesamt 20 Jahre war ich daraufhin mit meiner eigenen Schauspieleragentur selbstständig. Während der langen Zeit im öffentlichen Dienst hatte ich das Gefühl dafür verloren, was ich kann und was ich tatsächlich leiste. Was ich aus der selbstständigen Berufstätigkeit mitgenommen habe, ist vor allem Selbstvertrauen. Als ich 1995 meine eigene Agentur eröffnete, war ich sehr unsicher, ob ich mich auf dem freien Markt würde behaupten können. Aber das hat 20 Jahre gut funktioniert und da wusste ich, das ist meine Leistung, dafür trage ich die Verantwortung. Ansonsten habe ich in der ganzen Zeit das gelernt, was das tägliche Brot aller Agenten ist: Auf eine freundliche Art und Weise konstant Widerstand zu leisten (lacht). Ich denke, dies habe ich im beruflichen Bereich gemeistert und es kam mir auch privat zugute.
Sie stehen dem Verband der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater e.V. (VdA) als Mitbegründerin natürlich sehr nah. Was war damals der Ansporn den Verband mit zu gründen?Weiterlesen
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Tina Thielehttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgTina Thiele2016-04-04 15:49:252016-05-19 11:46:30cn-kolumne: Die neue VdA-Vorstandsvorsitzende Sibylle Flöter im Gespräch
Bücher als Bedrohung einer Ideologie in Fahrenheit 451
Politische Farbenlehre, Ausstellung für Bücherfreunde, der Kinostarbetrieb und der Kampf ums Filmerbe – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 129. Folge – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 129. Folge
»Wer von uns wacht hier und warnt uns, wenn die neuen Henker kommen? Haben sie wirklich ein anderes Gesicht als wir?«
aus »Nacht und Nebel« von Alain Resnais
Es ist zwar ein kaltes, helles, unfeines Blau, kein warmes, aber eben ein Blau, nicht Braun oder zumindest Grau, wie einst bei Franz Schönhubers REPs, mit dem dem bei den Wahlsendungen der öffentlich-rechtlichen Sender die Zahlen der rechtsextremen AfD markiert werden. Warum eigentlich? Warum nicht Braun oder Grau? Das Argument, die Partei hätte diese Farbe auf ihren Plakaten, zählt nicht, denn die CDU wird schließlich auch mit Schwarz markiert, obwohl ihre Plakat-Farbe Orange ist.
Man sollte solche Symbole nicht unterschätzen, es zwar nur kleine Gesten, aber markante. Und es sind die vielen kleinen Gesten, mit denen man den Wolf im Schafspelz oder Bürgerpelz sichtbar macht. Oder eben nicht. Es ist auch bemerkenswert. wie oft die Berichterstatter von »Rechtspopulisten« reden, nicht von »Rechtsradikalen«, »Rechtsextremisten« oder gar »postfaschistisch«. Wenn es dagegen um die LINKE geht, habe ich von den gleichen Leuten noch nie das Wort »Linkspopulisten« gehört. Die sind natürlich »am linken Rand«, oder »linksradikal« oder »postkommunistisch.«
+ + +
Die Frage wäre auch einmal zu stellen, ob Unabhängigkeit der Medien überhaupt möglich ist. Man könnte argumentieren, dass zumindest der öffentlich-rechtliche Rundfunk (die privaten Printmedien vielleicht nicht) eine Pflicht zur Parteinahme pro Demokratie habe. Dass er die sehr wohl in Anspruch nimmt, wenn es um die NPD geht, oder um Putin oder Assad oder andere.
+ + +
Diese Thematisierung der AfD hat durchaus auch im engeren Sinn etwas mit Kino zu tun, denn die AfD, das sind auch die Kinozuschauer. Für die werden Filme gemacht, schon bisher. Vielleicht sollte man endlich auch wieder Filme machen, um die Zuschauer zu erziehen und umzuerziehen. Umerziehung heißt auf Englisch Reeducation, das war mal eine gute Sache. Und Politik lässt sich von Ästhetik sowieso nicht trennen.
+ + +
Bei einer Filmsichtung habe ich einen Haufen Fernsehfilme vor mir. Von ZDF und DEGETO so schlecht wie lange nicht. Das Resümee nach den ersten zwei Tagen: Felicitas Woll und Rosalie Thomas kämpfen gerade um die Nachfolge von Veronika Ferres als »starke Frau« des deutschen Fernsehens.
https://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpg00Rüdiger Suchslandhttps://out-takes.de/wp-content/uploads/2019/11/out_takes_logo01.jpgRüdiger Suchsland2016-03-23 14:35:382016-03-23 14:35:38Cinema Moralia – Folge 129: Blau ist die kälteste Farbe…
Geld für Überstunden
Steffen Schmidt-HugWer Pauschalverträge unterschreibt, sollte ahnen, daß damit unbezahlte Überstunden auf ihn zukommen, meint das Arbeitsgericht. Zugleich kassierte es aber die Vereinbarung: Die „unangemessene Benachteiligung“ des Arbeitnehmers mache sie unwirksam. | Foto © Vincent Lutz
Das Arbeitsgericht Berlin hat vergangenes Jahr in einem von der Künstlerkanzlei Schmidt-Hug geführten Verfahren eine Berliner Produktionsfirma verurteilt, einem Filmschaffenden alle geleisteten Überstunden nachzubezahlen. Der Produzent vertrat zuvor die Ansicht, daß nach dem Vertrag „mit der vereinbarten außertariflichen pauschalen Vergütung“ alle Ansprüche abgegolten seien, zudem heiße es im Vertrag ausdrücklich, „der Vertragspartner hat keinen Anspruch auf Mehrarbeit (Überstunden, sechster Arbeitstag in der Woche, Nacht- und Sonntagsarbeit)“.
Mit Berufung auf das Bundesarbeitsgericht stellte das Gericht fest, daß der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluß erkennen können muß, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muß. Bemerkenswerterweise konkretisierte das Gericht zum hier vorliegenden Fall der Pauschalvergütung in der Filmbranche ausdrücklich: „nach dem Inhalt der Regelung könnte der Arbeitnehmer mangels Festlegung irgendwelcher erkennbaren Begrenzungen theoretisch ,rund um die Uhr‘ arbeiten und unter Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten, ohne hierfür eine zusätzliche Vergütung zu erhalten“. Dieser Regelung erteilte das Gericht eine deutliche Abfuhr und führte sie als „unangemessene Benachteiligung“ zur „Unwirksamkeit“ (Arbeitsgericht Berlin, Az.: 53 Ca 12217/14).
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Verblasster Glanz
out takes, Peter HartigReden über den Filmstandort (von links): Maximilian Lange (Szenenbildner), Klaus Schaefer (FFF?Bayern), Moderatorin Barbara Dickmann, Joseph Schmid (Zweiter Bürgermeister der Stadt München), Jan S. Kaiser (Bavaria Fernsehproduktion), Uli Aselmann (Produzentenallianz). | Foto © Peter Knoblich
München ist eine Filmstadt! Darauf hat sich der Standort jahrzehntelang verlassen können. Doch seit einigen Jahren zeigen sich feine Haarrisse im bayerischen Selbstbewusstsein: Köln und Berlin haben sich für die Kinoproduktion immer hübscher gemacht – gerade die Hauptstadt zieht immer wieder internationale Großprojekte mit Schaueffekt an und bietet heimischen Produktionen die richtige Kulisse fürs urbane Lebensgefühl oder nächtliche Verfolgungsjagden.
Hat München sich zu lange auf seinem Ruf ausgeruht? Wird es eine Filmstadt bleiben? Der Verband der Szenen- und Kostümbildner (VSK) hatte am 12. April dazu zum „Tischgespräch“ geladen. Mit der Reihe will der Berufsverband aktuelle Themen in der Branche mit Gästen und Fachleuten diskutieren – „in eher privater Atmosphäre“ gehe es nicht um „Pauschalhaltungen“, sondern darum, ein Thematik bewusst zu machen, die unterschiedlichen Perspektiven zu zeigen und „im besten Fall Ausblicke auf mögliche Lösungen [zu] erarbeiten.“
„Drehen in München – München als Filmstandort“ also. Darüber diskutierten fünf Vertreter aus Politik und Branche. Und damit auch tatsächlich nicht bloß „Pauschalhaltungen” vorgetragen werden, und die Diskussion nach der Absicht der Veranstalter verläuft, wurde sie von Barbara Dickmann moderiert, ehemals erste Moderatorin der Tagesthemen. Gleich vorweg:?Das Publikum selbst blieb bei dem ganzen Gespräch seltsam zurückhaltend – von den Filmschaffenden selbst kamen kaum Fragen zum Thema.
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Realistischer kalkulieren
Steffen Schmidt-HugEs wird nachjustiert: Die ARD hat für Auftragsproduktionen einige Berufsgruppen erstmals anerkannt. Auch bei Vorsorge und Gagen sind Verbesserungen für die Filmschaffenden vereinbart. | Foto © Vincent Lutz
Nach zweijährigen Verhandlungen der Produzentenallianz mit der ARD hat diese nun im Januar eine neue „Selbstverpflichtungserklärung“ für künftige Auftragsproduktionen beschlossen. Die Produzenten konnten einige erhebliche Verbesserungen für sich erzielen. Manche davon bewirken mittelbar auch echte Verbesserungen für das Filmschaffen und die Filmschaffenden:
Unter dem Punkt „Kalkulationsrealismus“ haben die ARD-Anstalten nun zum einen die verbindliche Anerkennung des Tarifvertrages für Film- und Fernsehschaffende als Kalkulationsgrundlage erklärt, einschließlich der Mehrkosten für das Zeitkonto sowie Feiertags- und Nachtzuschläge. Künftig kann es also keine Ausflüchte mehr zu Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen geben.
Dabei ist zu beachten, dass diese steuer- und sozialabgabenfrei sind, also brutto wie netto ausgezahlt werden. Daher sollte man sich bei Vertragsverhandlungen auch nicht statt dieser Zuschläge auf eine höhere Pauschalgage einlassen, weil die Hälfte der dadurch höheren Gage von Steuer- und Sozialversicherung „aufgefressen“ wird.
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Agentin für die Crew
out takes, Peter HartigMit ihrer Filmcrew Agency spart Nadja Ster Produktionsbüros Zeit und Geld bei der Suche nach dem passenden Team. Fast 60 verschiedene Berufsbilder hat sie in ihrer Kartei. | Foto © cinearte
Schauspieler haben einen Agenten, das ist klar. Auch immer mehr Regisseure und Drehbuchautoren haben einen, der sich um all das kümmert, was am Filmberuf wenig kreativ ist und andere Kompetenzen erfordert: Akquise, Vertragsverhandlungen, und und… Vereinzelt tauchen sogar schon Szenenbildner und Kameraleute in den Profilen der Agenturen auf. Die meisten Filmschaffenden sind aber noch zurückhaltend:?Agentur??Brauch’ ich nicht.
Tatsächlich??Nicht nur Zeitungsberichte und Branchenumfragen über Arbeit und Überleben in der Filmwelt erzählen etwas anderes. Auch die Berufsverbände der Branche bekommen immer wieder Verträge von Mitgliedern vorgelegt, die, vorsichtig ausgedrückt, dringend nachgebessert werden müssen, obwohl die Betroffenen schon seit Jahren im Geschäft sind.
Spielt womöglich so eine Art natürliches Schamgefühl eine Rolle? Es mag ja angehen, wenn Schauspieler und Heads of Department einen vorschicken, der für sie spricht und ihnen den Ärger dieser Welt vom Leibe hält und die Dinge erledigt, die mit ihrer eigentlichen Arbeit nichts zu tun haben. Aber eine Garderobiere mit Agent? Ist die jetzt völlig abgehoben?
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Lieber gar keine Reform als so eine?
Tina ThieleEin Gesetz, dass Urheber und ausübende Künstler stärken sollte, läuft Gefahr, sich ins Gegenteil zu verkehren. Betroffen sind nicht nur Autoren und Journalisten, sondern auch Filmschaffende wie Regisseure als Urheber, oder andere ausübende Künstler wie Cutter, Sounddesigner, Schauspieler u.v.a.
Der aktuelle Gesetzentwurf zur Reform des Urhebervertragsrechts, wie er nun von der Bundesregierung vorgelegt wurde, stößt auf massive Kritik auf Seiten der Urheber und ausübenden Künstler.
Während der Berlinale hatte Bundesjustizminister Heiko Maas bei einer Podiumsdiskussion des BFFS in der Akademie der Künste noch betont, dass er zentrale Punkte seines Reformvorhabens für das Urhebervertragsrecht wie bspw. den Auskunftsanspruch zugunsten der Urheber über die Nutzungs- und Verwertungsumfang ihrer Werke oder das Verbandsklagerecht durchboxen wolle.
Wenige Tage später wurde durch den Regierungsentwurf klar, dass dem Lobbying ? insbesondere von Seiten der Verlage ? in weiten Teilen nachgegeben wurde und zentrale Punkte des ursprünglichen Referentenentwurfs zum Opfer fallen werden. Weiterlesen
cn-klappe: Braucht die Kultur Klimaziele?
Tina ThieleVorwort aus aktuellem Anlass:
Bei der vorliegenden cn-klappe handelt es sich um einen Mitschnitt des Panels „Braucht die Kultur Klimaziele? Ein Gespräch zur Großwetterlage im Urhebervertragsrecht“, welches im Rahmen der Berlinale am 14. Februar 2016 stattfand. Ausrichter der Veranstaltung waren der Bundesverband Schauspiel (BFFS) in Kooperation mit der Initiative Urheberrecht und der Akademie der Künste.
Zu dieser Zeit lag ein Entwurf zur Novelle des Urhebervertragsrechts vor, der von der Mehrheit der Interessenvertretungen der Künstler und Filmschaffenden begrüßt wurde. Gegen die Interessen der übermächtigen Sender und Verwerter wollte Bundesjustizminister Heiko Maas eine deutliche Stärkung der Urheber durchsetzen. Dies betraf u.a. die Beteiligung an der Auswertung durch eine Einschränkung von Buyout-Verträgen, die Option eines Verbandsklagerechts im Streitfall und eine weitgehende Auskunftspflicht über die erzielten Erlöse von Filmen und anderen Kunstwerken.
Als am 10. März nun der Regierungsentwurf bekannt wurde, schien nicht mehr viel von den guten Vorsätzen des Justizministers vom Kabinett übernommen worden zu sein. So ist die Auskunftspflicht deutlich eingeschränkt, Werknutzer können sich dem Verbandsklagerecht durch Austritt aus Verwerterverbänden entziehen, und der ursprünglich ausdrücklich vorgesehene Anspruch auf die Vergütung jeder einzelnen Nutzung würde wesentlich unkonkreter formuliert. Total-Buyout-Verträge bleiben auch künftig möglich. Weiterlesen
cn-kolumne: Die neue VdA-Vorstandsvorsitzende Sibylle Flöter im Gespräch
Tina ThieleSybille Flöter © Urban Ruths
Sibylle Flöter leitete von 1995 bis 2015 erfolgreich ihre eigene Schauspielagentur in München und war Gründungsmitglied des Verbandes der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater, welcher 1998 von 16 namhaften Agenturen in Berlin gegründet wurde. Seit Beendigung ihrer aktiven Tätigkeit als Agentin ist sie Ehrenmitglied des Verbandes und arbeitet in diversen Arbeitskreisen mit. In der Mitgliederversammlung während der diesjährigen Berlinale ist die Diplompolitologin auf drei Jahre zur neuen Vorstandsvorsitzenden des Verbandes gewählt worden.
Verband der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater
Der VdA vertritt seit 1998 die Interessen der privaten Künstler- Agenten in den Bereichen Film, Fernsehen und Bühne im deutschsprachigen Raum. Die 60 Mitgliedsagenturen repräsentieren über 2.600 Schauspieler, Regisseure, Autoren, Kameraleute und Komponisten.
Das Interview führte Tina Thiele von Casting Network
20 Jahre waren Sie mit Ihrer Agentur Sibylle Flöter als Schauspielagentin tätig. Was nehmen Sie für sich aus dieser Zeit mit?
Bevor ich mich selbstständig machte, hatte ich 22 Jahre lang im öffentlichen Dienst gearbeitet. Davon habe ich acht Jahre lang bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) den Film- und Fernsehbereich geleitet. Insgesamt 20 Jahre war ich daraufhin mit meiner eigenen Schauspieleragentur selbstständig. Während der langen Zeit im öffentlichen Dienst hatte ich das Gefühl dafür verloren, was ich kann und was ich tatsächlich leiste. Was ich aus der selbstständigen Berufstätigkeit mitgenommen habe, ist vor allem Selbstvertrauen. Als ich 1995 meine eigene Agentur eröffnete, war ich sehr unsicher, ob ich mich auf dem freien Markt würde behaupten können. Aber das hat 20 Jahre gut funktioniert und da wusste ich, das ist meine Leistung, dafür trage ich die Verantwortung. Ansonsten habe ich in der ganzen Zeit das gelernt, was das tägliche Brot aller Agenten ist: Auf eine freundliche Art und Weise konstant Widerstand zu leisten (lacht). Ich denke, dies habe ich im beruflichen Bereich gemeistert und es kam mir auch privat zugute.
Sie stehen dem Verband der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater e.V. (VdA) als Mitbegründerin natürlich sehr nah. Was war damals der Ansporn den Verband mit zu gründen? Weiterlesen
Cinema Moralia – Folge 129: Blau ist die kälteste Farbe…
out takes, Rüdiger SuchslandBücher als Bedrohung einer Ideologie in Fahrenheit 451
Politische Farbenlehre, Ausstellung für Bücherfreunde, der Kinostarbetrieb und der Kampf ums Filmerbe – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 129. Folge – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 129. Folge
»Wer von uns wacht hier und warnt uns, wenn die neuen Henker kommen? Haben sie wirklich ein anderes Gesicht als wir?«
aus »Nacht und Nebel« von Alain Resnais
Es ist zwar ein kaltes, helles, unfeines Blau, kein warmes, aber eben ein Blau, nicht Braun oder zumindest Grau, wie einst bei Franz Schönhubers REPs, mit dem dem bei den Wahlsendungen der öffentlich-rechtlichen Sender die Zahlen der rechtsextremen AfD markiert werden. Warum eigentlich? Warum nicht Braun oder Grau? Das Argument, die Partei hätte diese Farbe auf ihren Plakaten, zählt nicht, denn die CDU wird schließlich auch mit Schwarz markiert, obwohl ihre Plakat-Farbe Orange ist.
Man sollte solche Symbole nicht unterschätzen, es zwar nur kleine Gesten, aber markante. Und es sind die vielen kleinen Gesten, mit denen man den Wolf im Schafspelz oder Bürgerpelz sichtbar macht. Oder eben nicht. Es ist auch bemerkenswert. wie oft die Berichterstatter von »Rechtspopulisten« reden, nicht von »Rechtsradikalen«, »Rechtsextremisten« oder gar »postfaschistisch«. Wenn es dagegen um die LINKE geht, habe ich von den gleichen Leuten noch nie das Wort »Linkspopulisten« gehört. Die sind natürlich »am linken Rand«, oder »linksradikal« oder »postkommunistisch.«
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Die Frage wäre auch einmal zu stellen, ob Unabhängigkeit der Medien überhaupt möglich ist. Man könnte argumentieren, dass zumindest der öffentlich-rechtliche Rundfunk (die privaten Printmedien vielleicht nicht) eine Pflicht zur Parteinahme pro Demokratie habe. Dass er die sehr wohl in Anspruch nimmt, wenn es um die NPD geht, oder um Putin oder Assad oder andere.
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Diese Thematisierung der AfD hat durchaus auch im engeren Sinn etwas mit Kino zu tun, denn die AfD, das sind auch die Kinozuschauer. Für die werden Filme gemacht, schon bisher. Vielleicht sollte man endlich auch wieder Filme machen, um die Zuschauer zu erziehen und umzuerziehen. Umerziehung heißt auf Englisch Reeducation, das war mal eine gute Sache. Und Politik lässt sich von Ästhetik sowieso nicht trennen.
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Bei einer Filmsichtung habe ich einen Haufen Fernsehfilme vor mir. Von ZDF und DEGETO so schlecht wie lange nicht. Das Resümee nach den ersten zwei Tagen: Felicitas Woll und Rosalie Thomas kämpfen gerade um die Nachfolge von Veronika Ferres als »starke Frau« des deutschen Fernsehens.
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