Fack Ju Göhte

Warum Edgar Reitz die Film­för­de­rung abschaffen will, die Perver­tie­rung der Kultur­po­litik und unsere Liebe zur Kontroll­ge­sell­schaft – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 78. Folge

Fack ju Göhte wurde bisher von knapp 5.5 Millionen Zuschauern gesehen. Gefördert wurde der Film von den verschie­denen Insti­tuten der deutschen Film­för­de­rung mit mindes­tens 2,6 Millionen Euro – also etwas mehr als 50 Cent pro zahlendem Zuschauer. Diese Förder­gelder setzen sich folgen­der­maßen zusammen: 900.000 Euro vom DFFF (Deutscher Film­för­der­fonds), 800.000 Euro vom FFF (Film Fernseh Fonds Bayern), 650.000 Euro vom Medien­board Berlin-Bran­den­burg, 300.000 Euro von der FFA (Film­för­der­an­stalt), sowie weiteren 200.000 Euro Verleih­för­de­rung von der FFA und weiteren 150.000 Euro FFF-Geldern, ebenfalls als Verleihf örderung.

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Man braucht nicht viel Einfüh­lungs­ver­mögen, um darauf zu tippen, dass sich die deutsche Film­för­de­rung die Tatsache, dass Bora Dagtekins Film bisher fast 5.5 Millionen Besucher bekam, als einen Erfolg ihres Wirkens zurechnen dürfte. Schließ­lich gilt Fack ju Göhte als »erfolg­reichster Film« des Jahres 2013, und bei dieser enormen Summe hat die Film­för­de­rung dieses Ergebnis in gewisser Weise überhaupt erst möglich gemacht.
Genau genommen aller­dings handelt es sich bei diesem Ergebnis eher um die endgül­tige Perver­tie­rung dieser Förderung – denn schließ­lich wurde das, was wir bislang noch »die deutsche Film­för­de­rung« nennen, obwohl sie diesen Namen von Tag zu Tag weniger verdient, vor rund 50 Jahren einmal gegründet, um dem Kommer­zkino ein kultu­relles Gegen­ge­wicht an die Seite zu stellen.

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Vom 1. bis 31. Dezember waren alle crew united Member aufgerufen, die Fairness Ihrer Produktionen 2013 zu bewerten. Hier das Ergebnis, wobei nur Produktionen berücksichtigt werden, bei denen mindestens 15 Beteiligte abgestimmt haben:

Note    Titel Sparte Ausführende Produktion
1.29 Rico, Oskar und die Tieferschatten   NOMINIERT Kinospielfilm Lieblingsfilm GmbH
1.31 Polizeiruf 110 – Liebeswahn   NOMINIERT TV-Film (Reihe) filmpool fiction GmbH
1.38 Die Gruberin   NOMINIERT TV-Film die film gmbh
1.48 Buddy   NOMINIERT Kinospielfilm herbx film- und fernsehproduktion GmbH
1.50 Im Schleudergang (Folge 7-12) TV-Serie Infafilm GmbH Manfred Korytowski
1.50 Schoßgebete Kinospielfilm Little Shark Entertainment GmbH
1.50 Dyslexie (aka. Analphabetismus) TV-Film Tellux Film GmbH
1.54 Wer hat Angst vorm weißen Mann? TV-Film die film gmbh
1.63 SOKO Stuttgart (Folge 96-120) TV-Serie Bavaria Fernsehproduktion GmbH
1.63 Mara und der Feuerbringer Kinospielfilm Rat Pack Filmproduktion GmbH
1.75 Charleen macht Schluss Kinospielfilm IMBISSFILM Stehle & Rehbock GmbH & Co. KG
1.76 Die Rosenheim-Cops (Folge 276-305) TV-Serie Bavaria Fernsehproduktion GmbH
1.85 Die Vampirschwestern 2 und das große Herzflattern Kinospielfilm Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion GmbH
1.85 Der Koch Kinospielfilm Senator Film Köln GmbH
1.91 Als wir träumten Kinospielfilm Rommel Film e.K.
1.94 SOKO Wismar TV-Serie Cinecentrum Berlin Film- und Fernsehproduktion GmbH
1.95 Bornholmer Straße TV-Film UFA FICTION GmbH
2.00 Polizeiruf 110 – Familiensache TV-Film (Reihe) filmpool fiction GmbH
2.00 The Cut Kinospielfilm bombero international GmbH & Co KG
2.00 Vaterfreuden Kinospielfilm Pantaleon Films GmbH
2.00 Lichtjahre Kinospielfilm Heimatfilm GmbH + Co KG
2.00 Die Pfefferkörner (Folge 118-130) TV-Serie Studio Hamburg FilmProduktion GmbH
2.06 Nicht mein Tag Kinospielfilm Westside Filmproduktion GmbH
2.06 Die Bücherdiebin Kinospielfilm Zwanzigste Babelsberg Film GmbH
2.08 Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss Kinospielfilm HUPE Film- und Fernsehproduktion, Brauer Roelly Winker GbR
2.08 Freundinnen TV-Film Neue Bioskop Television GmbH
2.12 The Voices Kinospielfilm Vertigo Entertainment [us]
2.12 Herzensbrecher – Vater von vier Söhnen (Folge 1-10) TV-Serie ITV Studios Germany GmbH
2.17 Let’s go TV-Film Eikon Süd GmbH
2.17 Stereo (aka. Schatten) Kinospielfilm Frisbeefilms GmbH & Co KG
2.17 Mona kriegt ein Baby TV-Film Ninety-Minute Film GmbH
2.19 The Monuments Men Kinospielfilm Zweiundzwanzigste Babelsberg Film GmbH
2.22 Die goldene Gans TV-Film Kinderfilm
2.23 Der Fall Ritter TV-Film FFP New Media
2.24 Landauer TV-Film Zeitsprung Pictures GmbH
2.25 Doc meets Dorf (Folge 5-8) TV-Serie teamWorx Television & Film GmbH
2.26 Die Chefin (Folge 9-16) TV-Serie NETWORK MOVIE Film- und Fernsehproduktion GmbH & Co. KG.
2.33 Irre sind männlich (aka. Die Therapie Crasher) Kinospielfilm Chestnut Films GmbH & Co.KG
2.35 The Business Trip Kinospielfilm Vierundzwanzigste Babelsberg Film GmbH
2.36 Tatort – Mord auf Langeoog TV-Film (Reihe) Wüste Medien GmbH
2.38 SOKO Köln TV-Serie NETWORK MOVIE Film- und Fernsehproduktion GmbH & Co. KG.
2.38 Bibi & Tina Kinospielfilm DCM Productions GmbH
2.40 WhoAmI Kinospielfilm Wiedemann & Berg Film GmbH & Co. KG
2.42 Zwischen Welten Kinospielfilm Independent Artists Filmproduktion
2.48 The Grand Budapest Hotel Kinospielfilm Neunzehnte Babelsberg Film GmbH
2.50 Der Kriminalist (Folge 55-62) TV-Serie Monaco Film GmbH
2.53 Saphirblau Kinospielfilm Lieblingsfilm GmbH
2.57 Coming In Kinospielfilm Summerstorm Entertainment GmbH
2.59 In aller Freundschaft TV-Serie Saxonia Media Filmproduktionsgesellschaft mbH
2.62 Ein Schnitzel für alle TV-Film Colonia Media Filmproduktion GmbH
2.64 Notruf Hafenkante TV-Serie Studio Hamburg FilmProduktion GmbH
2.65 V8 – Die Rache der Nitros Kinospielfilm Rat Pack Filmproduktion GmbH
2.67 Männerhort Kinospielfilm die film gmbh
2.67 Heldt (Folge 7-18) TV-Serie Sony Pictures Film und Fernseh Produktions GmbH
2.69 Tatort – Kalter Engel TV-Film (Reihe) FFP New Media
2.71 Tatort – Großer Schwarzer Vogel TV-Film (Reihe) Ziegler Film GmbH & Co. KG
2.72 SOKO Leipzig TV-Serie UFA Fernsehproduktion GmbH
2.73 Die Kanzlei (vormals Der Dicke) TV-Serie Studio Hamburg FilmProduktion GmbH
2.78 Fack Ju Göhte Kinospielfilm Rat Pack Filmproduktion GmbH
2.83 Beste Bescherung TV-Film Roxy Film GmbH
2.92 Heiter bis tödlich – Alles Klara (Folge 22-35) TV-Serie ndF – neue deutsche Filmgesellschaft mbH
2.92 Heiter bis tödlich – Akte Ex (Folge 9-16) TV-Serie Saxonia Media Filmproduktionsgesellschaft mbH
2.92 Tatort – Kopfgeld TV-Film (Reihe) Constantin Television GmbH
2.92 Hin und weg Kinospielfilm Majestic Filmproduktion GmbH
2.92 Sils Maria Kinospielfilm CG Cinéma SA [fr]
2.93 Die Auserwählten TV-Film ndF – neue deutsche Filmgesellschaft mbH
3.00 Beauty and the Beast / La belle & la bête Kinospielfilm Eskwad [fr]
3.00 Heiter bis tödlich – München 7 (Folge 17-25) TV-Serie Akzente Film- und Fernsehproduktion GmbH
3.00 Die Familiendetektivin (Folge 1-10) TV-Serie Bavaria Fernsehproduktion GmbH
3.05 Wir sind jung. Wir sind stark. Kinospielfilm teamWorx Television & Film GmbH
3.07 Im Labyrinth Kinospielfilm Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion GmbH
3.08 Konrad & Katharina TV-Film Ziegler Film GmbH & Co. KG
3.16 Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei TV-Serie action concept Film- und Stuntproduktion GmbH
3.32 Ich und Kaminski Kinospielfilm X Filme Creative Pool GmbH
3.33 Alles auf Anfang TV-Film Ninety-Minute Film GmbH
3.38 SOKO 5113 (Folge 510-534) TV-Serie UFA Fernsehproduktion GmbH
3.44 Letzte Spur Berlin (Folge 12-18) TV-Serie Novafilm Fernsehproduktion GmbH
3.50 Dora Heldt – Unzertrennlich TV-Film (Reihe) M.I.M. made in munich movies GmbH
3.87 Dessau Dancers Kinospielfilm Boogiefilm
3.90 Freistatt Kinospielfilm Zum Goldenen Lamm Filmproduktion GmbH & Co.Kg
4.00 Da muss Mann durch Kinospielfilm NFP
4.08 Letzte Spur Berlin (Folge 19-30) TV-Serie Novafilm Fernsehproduktion GmbH
4.15 Kückückskind TV-Film Dor Film Köln GmbH
4.77 LenaLove Kinospielfilm Rafkin Film Produktion GmbH
5.00 Rockabilly Requiem Kinospielfilm Neue Mira Filmproduktion GmbH

Alle Mitarbeiter der 4 nominierten Produktionen werden von Die Filmschaffenden – Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände e.V. nochmals befragt, um die diesjährige Gewinnerproduktion zu ermitteln.

Der Gewinnerproduktion und allen daran beteiligten Mitarbeitern wird die Auszeichnung während der Berlinale am 8. Februar 2014 in einem Festakt überreicht.  In der Laudatio durch den Schauspieler Dietrich Mattausch wird die Idee dieses Awards noch einmal dargestellt, und die individuellen Gegebenheiten der ausgezeichneten Produktion werden hervorgehoben.

Die Bewertungskriterien waren:

Arbeitszeiten und Arbeitsschutz
Die Arbeits-, Pausen, -Ruhe und Reisezeiten werden team- und familienfreundlich gestaltet. Das Arbeitszeitgesetz, die Regelungen der Tarifverträge zur Arbeitszeit und die Arbeitsschutzgesetze und -Vorschriften werden eingehalten.

Vertrag, Gagen und Entgelte
Der Vertrag wird rechtzeitig und persönlich verhandelt und die wichtigsten Eckdaten werden umgehend schriftlich (Dealmemo) festgehalten und ausgehändigt. Der endgültige Arbeitsvertrag liegt möglichst noch vor Arbeitsbeginn vor. Es werden mindestens Tarifgagen gezahlt, die tarifvertraglichen Regelungen werden als Mindeststandards eingehalten. Leistungen von Freischaffenden, Dienstleistern und Filmschaffenden, für deren Beruf es noch keinen Gagentarifvertrag gibt, werden nach branchenüblichen Standards entlohnt. Kreativität wird angemessen vergütet. Urheber- und Leistungsschutzrechte bleiben gewahrt. Gagen und Entgelte werden pünktlich ausgezahlt.

Kommunikation und Arbeitsklima
Das Arbeitsklima ist geprägt von der gemeinsamen Anstrengung, das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Die Kommunikation zwischen Gewerken und Hierarchien ist ergebnisorientiert, gewaltfrei, offen, motivierend, respektvoll, funktional und strukturiert. Jeder Projektbeteiligte trägt seinen „wichtigen“ Teil zum Ganzen bei und wird dafür wertgeschätzt. Eine angemessene Versorgung mit Essen, Trinken, evtl. Wärmekleidung, Schutzkleidung usw. wird unaufgefordert gewährleistet.

Professionalität
Das Filmprojekt wird unter Berücksichtigung der finanziellen, organisatorischen und gesetzlichen Möglichkeiten und Grenzen fachmännisch geplant, vorbereitet, gestaltet und durchgeführt. Dazu kommt professionelles Personal zum Einsatz, reguläre Positionen werden nicht durch Praktikanten besetzt.

Konflikte
Konflikte werden zeitnah, direkt und zielorientiert im Sinne des Projekts gelöst. Entscheidungen, die das gesamte Team betreffen (z.B. unerwarteter Überstundenfall) werden nicht nur mit Teilen des Teams besprochen.

Gleichbehandlung
Projektpersonal, Dienstleister und weitere Ressourcen werden nach Qualifikation und ökonomischer Notwendigkeit ausgewählt und eingesetzt. Eine Diskriminierung aufgrund Herkunft, Geschlecht, Sexualität oder Religion findet nicht statt.

 

 

Erfolgreichster deutscher Film 2013: Fack ju Göhte. Foto: Constantin Film

Kommerz und Kunst – nur nichts dazwischen. Das deutsche Kino ist in der Krise. Die Filmproduzenten sind gegenüber den Verwertern im Nachteil, die Filmförderung liegt im Argen.

Der Kinofilm ist zweierlei: ein wirtschaftliches und ein kulturelles, manchmal sogar künstlerisches Gut. Beide Seiten sind dabei nicht voneinander zu trennen – ob der hohen Produktionskosten und der im Erfolgsfall möglichen weitreichenden gesellschaftlichen Wirkung.

Zum Ende des Jahres sorgt der phänomenale Erfolg von „Fack Ju Göhte“ dafür, dass der Marktanteil des deutschen Films in diesem Jahr sich wieder über 20 Prozent einpendeln wird, nachdem er 2012 unter diese Marke gerutscht war. Auf der anderen Seite der Medaille glänzt die „Berliner Schule“ – sie wurde gerade im Museum of Modern Art in New York mit einer kleinen Werkschau geehrt. Es scheint alles gut zu laufen beim deutschen Film, die Kasse stimmt und höhere Weihen wurden in dem Tempel der Kunst der Moderne empfangen. Und doch lenken gerade diese Erfolge umso mehr den Blick auf die Krise des deutschen Films.

Es fehlt an regelmäßigen guten Produktionen

Es fehlen in Deutschland seit langem Spielfilme, die sich zwischen den Polen von wirtschaftlicher und kultureller Ausrichtung positionieren. Es fehlt an regelmäßigen guten und erfolgreichen Filmproduktionen, die an einem Begriff von Film festhalten, der populär und anspruchsvoll zugleich ist. Die dafür dringend benötigten filmischen Geschichtenerzähler arbeiten in der Regel für das Fernsehen. Dort sind sie finanziell noch einigermaßen ausreichend ausgestattet, müssen aber lernen, mit den eher dürftigen inhaltlichen Ansprüchen klar zu kommen. Da die derzeit in den USA, Großbritannien oder Skandinavien blühende Serienform in Deutschland inhaltlich wie ökonomisch komplett unterentwickelt ist, bleibt den kreativen Urhebern und Produzenten in der Regel nur der Brotjob beim TV. Die Arbeit am Kinofilm ist für die meisten in der Branche zu einem gelegentlich stattfindenden nostalgischen Ausflug geworden, den man sich ab und zu leisten kann.

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Die Produktionsbedingungen kann man nach Schulnoten anonym bewerten.

Ab sofort sind alle Filmschaffenden des Branchennetzwerks crew united aufgerufen, die Arbeits- und Produktionsbedingungen ihrer Produktionen 2013 bis zum 31.01.2013 zu bewerten. Jede Stimme zählt, denn ab diesem Jahr werden nicht nur die Nominierten und der Sieger veröffentlicht, sondern alle bewertete Produktionen. Die Gewinnerproduktion erhält den „Hoffnungsschimmer„, der bereits zum 4. Mal vergeben wird. Der Hoffnungsschimmer ist eine Veranstaltung der Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände in Kooperation mit crew united und German Film Commissions.

Nach Goethe! für das Jahr 2010 und Barbara für das Jahr 2011 hat die Produktion Polizeiruf 110 – Fischerkrieg den Hoffnungsschimmer 2012 erhalten. Weiterlesen

Als wär’s ein Gemälde von Goya oder Lucian Freud: In „Paradies: Liebe“ sind Bezüge zur bildenden Kunst nicht zu übersehen. Es sei denn, die Filmkritik hat anderes im Blick. | Foto © Neue Visionen

Filmkritik ist wichtig, meint die MFG Filmförderung Baden-Württemberg. Weil sie im Idealfall Orientierung bietet und zu verstehen hilft, was man da gerade gesehen (oder übersehen) hat, oder gar wie das alles im großen Ganzen des wirklichen Lebens einzuordnen sei. Da gehen die Meinungen bekanntlich manchmal auseinander. Filmkritiker folgen mitunter auch ihrem Geschmack, ihren Vorlieben und dem Urteil bekannterer Kollegen, so dass man sich schon mal 124 Minuten lang prächtig langweilen kann, weil man gerade dem falschen Hype aufgesessen ist. Andererseits: Wer mag sich schon allein auf die Werbetextchen verlassen, die immer mehr Illustrierte von den Mitteilungen der Verleihfirmen abtippen und das dann Kinotip nennen? Weiterlesen

Kein Geheimnis: „Paradies: Glaube“ erhält in drei Wochen den „Europäischen Filmpreis“ fürs beste Sounddesign. Auch fünf weitere Einzelleistungen wurden schon vorher verraten – angeblich ist das gut für die Filmkünste. | Foto © EFA

Der „Europäische Filmpreis“ wird zwar erst einen Tag nach Nikolaus verliehen, aber ein paar Gewinner kann man ja ruhig schon vorher verraten – würde ja sonst allzu spannend, die ganze Angelegenheit. Und außerdem geht’s hier um Gewerke, mit denen eh kaum einer was anfangen kann, mag sich die Europäische Filmakademie gedacht haben. Anders kann ich es mir einfach nicht erklären, warum sie schon Ende Oktober die Auszeichnungen für Kamera, Schnitt, Szenen- und Kostümbild, Filmmusik und Sounddesign bekannt gab – sechs Wochen vor der Preisgala am 7. Dezember in Berlin. Nur auf Regie, Drehbuch und Schauspiel dürfen wir weiterhin gespannt sein.

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Wenn die Kunst wichtiger wird als die Botschaft: Das Programm zur neuen „Biennale des bewegten Bildes“ ist so schön gestaltet, dass sich keiner mehr zurecht findet. | Screenshot

Genau zwei Jahre ist es her, dass in Frankfurt zum letzten Mal die „Edit“ tagte. Was viele nicht so schlimm fanden, weil sie die Bankenstadt eh nicht für einen Medienstandort hielten (was man bei drei Tageszeitungen, etlicher Magazine und Buchverlage, einem Fernseh- und mehreren Radiosendern an anderer Stelle auch mal diskutieren könnte), ich aber doch bisschen bedauerte. Weil, nach 13 Jahren, das „Filmmaker’s Festival“ endlich auf dem richtigen Weg schien, dieses Versprechen einzulösen: Ein Kongress der Filmkünste in ihrer gesamten Bandbreite – umfassender als die auf digitale Effekte und Postproduktion spezialisierte FMX, gründlicher und praxisnäher als die Medientage, die die „richtigen“ Medienstandorte alljährlich für viel Geld veranstalten, um vornehmlich doch nur Funktionäre und Theoretiker im luftleeren Raum über vermeintliche Trends diskutieren zu lassen. Kurz: Die Edit stellte am Ende etwas ziemlich Einzigartiges dar, nicht nur in Deutschland. Leider aber war sie glücklos: „Den Namen ,Edit‘ kannte kein Mensch“, klagte Kunstministerin Eva Kühne-Hörmann im vorigen Jahr. Vielleicht hätte die Veranstaltung ja nur noch ein paar Jahre gebraucht, wer weiß das schon. Doch jeder Jahrgang der Edit kostete rund eine Million Euro, die das Land Hessen zu gut drei Vierteln finanzierte, da war es dem Rechnungshof und dem zuständigen Ministerium irgendwann zu viel – nach der Ausgabe von 2011 kam das Aus.

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Stieve_Rev1

Nach der französischen Revolution 1789-1799, der Erfindung des Cinematographen durch die Gebrüder Lumière 1890 und der neuen Frauenbewegung der 1970er Jahre ist Frankreich 2013 wieder einmal vorne dabei, wenn es um das Aufbrechen alter Strukturen und Innovationen in der Filmbranche geht.

Die Charta für Gleichheit zwischen Frauen und Männern im Filmsektor
Am 10. Oktober 2013 unterschrieben Aurélie Filippetti (Kulturministerin) und Najat Vallaud-Belkacem (Ministerin für die Rechte von Frauen / Regierungssprecherin) in Paris eine Urkunde, die im Original La Charte pour l’Égalité entre les Femmes et les Hommes dans le Secteur du Cinéma heißt. Mitunterzeichnet haben außerdem Véronique Cayla (Präsidentin von Arte France), Frédérique Bredin (Präsidentin der staatl. Filmförderungsbehörde CNC) und Bérénice Vincent (Präsidentin von Le Deuxième Regard).

Le Deuxième Regard (Der Zweite Blick, eine Anspielung auf Simone de Beauvoir’s „Le Deuxième Sexe“) wurde im März 2013 von den Pariser Filmfrauen Bérénice Vincent, Delphyne Besse und Julie Billy gegründet. Sie legten der französischen Kulturministerin eine Reihe von Maßnahmen zur Erhöhung der Zahl der Frauen in der Filmwirtschaft und zur Verbesserung ihrer Situation vor, darunter den Entwurf der Charta, die diesen Monat unterzeichnet wurde: als Absichtserklärung, Appell und vor allem Selbstverpflichtung.
Das Ganze hat natürlich eine Vorgeschichte. Im Juni veröffentlichte der Senat (= das französische Oberhaus) den Bericht „La place des femmes dans l’art et la culture: le temps est venu de passer aux actes“ / „Der Platz von Frauen in Kunst und Kultur: die Zeit ist gekommen zu handeln“. In dieser Studie wird die Unausgewogenheit im Kultursektor angesprochen und drei Hauptprobleme ausgemacht: das Beibehalten von Geschlechterstereotypen in kulturellen Zusammenhängen, die relative Unsichtbarkeit von Künstlerinnen (ihre Abwesenheit von Retrospektiven, Preisverleihungen, Festivals) und die Männerdominanz in strategisch wichtigen Positionen.
Die Charta will darauf reagieren. Mit ihrer Unterschrift verpflichten sich die Beteiligten:

ihre Statistiken nach Geschlechtern aufzuschlüsseln, um die gegenwärtigen Probleme besser ausmachen zu können und an gemeinschaftlichen Überlegungen zur Situation der Frauen im Film mitzuwirken,
in den eigenen Entscheidungsgremien für eine paritätische Besetzung mit Männern und Frauen zu sorgen,
die filmische Kreativität anzuregen indem Projekte gefördert werden, die die traditionelle Darstellung von Frauen und Männern umwerfen,
ihre Mitarbeiter/innen für das Thema Gleichstellung zu sensibilisieren, insbesondere durch Bekämpfen von Stereotypen,
gleiche Bezahlung für Frauen und Männer zu gewährleisten.
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Der eigentliche Zweck des Urheberrechts, nämlich den Urheber zu schützen und ihm für seine schöpferische Tätigkeit ein Auskommen zu sichern, ist in der Praxis längst ausgehebelt worden. Das gilt besonders für die Filmbranche. Ein Autor, der einen Drehbuchvertrag unterschreibt, tritt mit seiner Unterschrift de facto sämtliche Rechte an seinem Werk ab und muss sich obendrein den Preis für seine Arbeit diktieren lassen. Gegen die Marktmacht der Fernsehsender hat der einzelne Autor keine Chance.

Selbst wenn sich Urheber in Berufsverbänden organisieren, läuft es für sie nicht unbedingt besser. Das hat sich in den Verhandlungen zu gemeinsamen Vergütungsregeln gezeigt, die der VDD über Jahre hinweg mit dem ZDF geführt hat. Das Ergebnis war so ernüchternd, dass sich eine Schar wütender Drehbuchautoren, die bislang nicht im VDD waren, unter dem Label NORAU zusammengetan hat, um geschlossen in den Verband einzutreten. Das erklärte Ziel: die Vereinbarung mit dem ZDF schnellstmöglich zu kündigen. Weiterlesen

Daniel Day-Lewis as Abraham Lincoln

…und nicht nur von dort: Steven Spielberg, Georg Lucas, Angela Merkel – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 72. Folge

»God save the queen/ The fascist regime/
They made you a moron/ Potential H-bomb/
God save the queen/ She ain’t no human being/

Don’t be told what you want/ Don’t be told what you need/
There’s no future, no future,/ No future for you.«

Sex Pistols

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Von einem großen Sieg für Angela Merkel schreiben und reden jetzt viele. So kann man die Resultate vom Sonntag vermut­lich sehen, zumal an der persön­li­chen Zustim­mung für die Kanzlerin wenig Zweifel bestehen und sich die GRÜNEN gerade so benehmen, als seien sie und nicht die FDP aus dem Bundestag geflogen. Man könnte aber auch sagen: 1. Die Kanzlerin hat keine Mehrheit mehr. 2. Die Union hat trotz erhöhter Wahl­be­tei­li­gung nur gut 7 Prozent gewinnen können; da die FDP aber fast zehn Prozent einge­büsst hat, hat nicht nur Schwar­zGelb sowieso verloren, sondern der konser­vativ-neoli­be­rale Block hat insgesamt Stimmen verloren. 3. Es gibt eine Mehrheit links von Merkel, fast 60 % der Wähler und über drei Viertel der Wahl­be­völ­ke­rung haben sie nicht gewählt.

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Kann die Unterwelt Hollywood retten? Nach einem heißen Sommer, in dem die Block­buster an der Kinokasse wie Karten­häuser zusam­men­bre­chen, in der George Lucas und Steven Spielberg wie zwei Weise, die in ihrem langen Leben schon alles gesehen haben und nun auch in die Zukunft blicken können, der Film­in­dus­trie in ihrer jetzigen Form die Apoka­lypse prophez­eihen, den Untergang in jenem digitalen Tornado aus DVD, VOD, YouTube, file-share und sozialen Netz­werken, den die Filmbosse in ihrer uner­sätt­li­chen Gier einst selbst ins Leben gerufen hatten und nun wie Goethes Zauber­lehr­ling längst zum Sklaven ihrer Geschöpfe geworden sind.

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Katharina Thalbach merkelt entschlossen als Kanzlerin (in Der Minister) - © SAT.1/Hardy Brackmann

Unter Zombies: Der Wahlkampf und das Kino der Alter­na­tiv­lo­sig­keit – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 71. Folge

»Aufrich­tig­keit ist die erste Pflicht des Kritikers.« – Marcel Reich-Ranicki

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»Nur die aller­dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.« Etwas abge­hangen dieser Sponti-Spruch, schon klar, aber hoffen wir mal, dass da am Sonntag keiner etwas tut, was er später bereut. Die Metzger sollen noch mal schön ein bisschen warten.

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Die meisten Deutschen finden den Bundes­tags­wahl­kampf lang­weilig, meldet die Kölnische Rundschau. Viel­leicht ist es ja gar nicht der Wahlkampf, viel­leicht sind ja auch einfach die Leute lang­weilig, die Wähler. Aber stimmt ja: Wähler­be­schimp­fung kommt gar nicht gut an, Leser­be­schimp­fung also auch nicht, man muss den dummen Leuten sagen, dass sie klug sind. »Die Köchin soll den Staat regieren können«, hat schließ­lich schon Lenin gesagt. Die Betonung liegt hier aller­dings auf »können« und auf »soll« – dass sie ihn schon regieren kann, hat er damit aller­dings nicht gesagt. Lenin kannte aller­dings auch Angela Merkel noch nicht.

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Heute um 14 Uhr wurde vor dem Kanz­leramt ein offener Brief übergeben, den die Schrift­stel­lerin und Film­au­torin Juli Zeh aufge­setzt hat, und der inzwi­schen von über 67.000 Menschen unterz­eichnet wurde, darunter auch von zahl­rei­chen Filme­ma­chern und Dreh­buch­au­toren. Der Brief richtet sich gegen die Passi­vität der Bundes­re­gie­rung ange­sichts des NSA-Skandals.
Wir empfehlen unseren Lesern dringend, sich dem Brief anzu­schließen: Jeder kann hier unterz­eichnen.

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2013_00012_Filmtipp_Sneakers

Wenn die Wirklichkeit die Fantasie überholt, liegt das auch daran, dass ihr die Fantasie voraus war. Mitunter mehr als 20 Jahre: 1992 warnte die Gaunerkomödie „Sneakers“ schon vor all dem, was uns heute im Datenverkehr Sorgen macht. Man musste nur richtig hinsehen. | Foto © Universal

Über Edward Joseph Snowden, die NSA und was man mit Internet und Mobilfunk so alles anstellen kann, brauche ich wohl nichts mehr zu schreiben, hat ja hier auch nichts zu suchen in einem Blog zum Filmschaffen … Es sei denn, der Fall zeigte, wie die Kunst mal wieder der Wirklichkeit voraus war, was damals nur keiner merkte oder merken wollte und das offenbar noch immer nicht tut. Zeit also für einen kleinen verschwörungstheoretischen Filmtipp am 11. September:
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Bis zu 15.000 Euro am Tag verdiene Maria Furtwängler als Schauspielerin, weiß das Nachrichtenmagazin ihres Ehemanns und lässt daraus einen tollen Jahresverdienst vermuten. Weil sie natürlich 365 Tage im Jahr vor der Kamera steht … | Foto © NDR, Christine Schröder

Deutschlands Boulevardzeitschriften wussten vorletzte Woche mal wieder Bescheid: „So viel verdienen deutsche TV-Stars wirklich“, enthüllte das Faktenmagazin Focus und berief sich dabei auf Informationen der „Bild“-Zeitung: „12.000 bis 15.000 Euro am Tag“ erhielte etwa Maria Furtwängler – ein Spitzeneinkommen, das auch Götz George und Mario Adorf erzielen, dicht gefolgt von Veronica Ferres, Hannelore Elsner und Iris Berben mit „angeblich 8.000 bis 12.000 Euro.“ Zwar sei auf diese Tagesgagen „laut ,Bild‘-Recherchen kein Verlass“, räumt der „Focus“ ein, druckt die Zahlen aber trotzdem ab. Denn zwar könnten schlechte Einschaltquoten einen Schauspieler jederzeit wieder ans Ende der Honorarliste katapultieren (was heißt: „wirklich“ verdienen auch TV-Stars nicht so viel). Doch auch am Ende der Honorarliste ließe es sich noch prima leben, rechnet der „Focus” nach Milchmädchen-Art vor: Schließlich würden schon für einmalige Gastauftritte in manchen Fernsehserien 1.000 bis 3.000 Euro locker gemacht. „Somit bekommen selbst vergleichsweise schlecht verdienende Schauspieler an einem Tag noch mehr, als manch Bundesbürger im Monat.“

Das klingt ja auch nach einem ganz schönen Batzen – vor allem wenn man das Ganze reflexartig gleich mal 30 nimmt oder meint, „Fantastisch! Nur zwei Tage arbeiten und den Rest des Monats frei …“ Das schreibt der „Focus“ natürlich nicht, verführt aber zu dem Gedanken.

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Auch Kunst macht Quote: Besucher im Louvre, die „Mona Lisa“ betrachtend | Foto © Frank Cullmann

„Blickpunkt Film“ hat im neuen Heft einen Artikel über eine geplante Verfeinerung der Quotenmessung veröffentlicht, teilt mir ein Kollege mit. Wäre das nicht einen Beitrag wert? Weil erstens doch zur Zeit die Quote mal wieder heftig diskutiert wird und zweitens nun endlich auch das Fernsehgucken über andere Geräte wie Smartphone, Tablet und Computer berücksichtigt werde …

Nö, finde ich nicht. Und zwar nicht, weil die Fernsehforscher der deutschen Sender darüber ja schon seit mindestens sechs Jahren nachdenken und man in den USA da schon vor Monaten ein ganzes Stück weiter gekommen ist, sondern weil ich Quoten generell für Quatsch halte. Und wer jetzt noch weiterlesen mag, dem erkläre ich auch gerne, warum. Weiterlesen

Fritz Langs Nibelungen

Die Nibe­lungen mal wieder, Bayreuth, Mongolen-Ansturm, der Kultur­staats­mi­nister, künst­le­ri­scher Terro­rismus und Listen, Listen, Listen – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 68. Folge

»Dissent can be dicy.«
Susan Sarandon in der Rolle der Ex-Revoluzzerin Susan Solarz in Robert Redfords The Company You Keep

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»Diese Entschei­dungs­lo­sig­keit«, sagte der Redakteur, »es ist wie vor dem Joghurt-Regal. Welche Sorte soll man nehmen? Und von welchem Anbieter?« Tja, ein Alltags­schicksal in der Multi­op­ti­ons­ge­sell­schaft. Der Redakteur, der – das ist nicht selbst­ver­s­tänd­lich – auch ein Freund ist, sprach eigent­lich nicht vom Super­markt, sondern von seinem Bücher­vorrat. »Der Stapel ist unendlich – alles Bücher, die man in den Sommer­fe­rien unbedingt lesen sollte.« Mir fällt dazu erstmal nichts ein, aber ich spüre einen Stich im Herzen. Stimmt: Redak­teure haben ja Sommer­fe­rien. Bezahlt! Dann frage ich, ihn, welches Buch denn bei ihm ganz oben auf dem Stapel läge? »Naja«, sagt er, »eigent­lich sollte ich den Kittler lesen.« – »Der ist doch tot?« – »Eben drum«, meint er, »man muss jetzt halt schauen, was an ihm wirklich dran ist. Aber…«, meint er weiter, »ganz oben liegt bei mir ein Buch von Johannes Fried übers Mittel­alter. Kennst Du den Fried?«
– Kenne ich, hab ja schließ­lich Geschichte studiert, und mir fällt bei Fried als erstes ein, dass er wie alle deutschen Histo­riker besonders gern englische Tweed-Jackets trägt, grünliche, glaube ich. »Das Mittel­alter«, meint der Redakteur, und klingt jetzt aufgeregt »… in seinem Buch schreibt der Fried über den Mongo­len­ein­fall.« Ich warte. Und glaube, jetzt kommt irgendwas über den Dünger, der das Abendland zum Blühen brachte. »Der Mongo­len­ein­fall ist ein erster großer Anlass geworden, sich mit fremden Kulturen zu befassen. Die Mongolen haben die Hälfte der unga­ri­schen Bevöl­ke­rung massa­kriert und sind wieder abgezogen. Zurück blieb großes Staunen über die Mongolen. Und dann ist der Papst gekommen, und hat gesagt: ‚Dem müssen wir nachgehen.‘ Das ist ja die Frage, die man auch heute hat: ‚Wer sind die Aliens?’« Das Abendland, das hat da aufgrund des Fragen­ka­ta­logs der Hoch­scho­lastik zur Neuent­de­ckung Asiens beige­tragen.

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