Wie klein muss einer sein: Was Dieter Kosslick und Til Schweiger gemeinsam haben, 5,2 Millionen für Tschiller und natürlich die leider unbemerkte Bankrotterklärung der deutschen Filmförderung – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 126. Folge
Von Rüdiger Suchsland (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen)
»Die geforderte neue Filmkritik kritisiert die Gesellschaft, aus der der Film hervorgeht.«
Enno Patalas und Wilfried Berghahn in der Zeitschrift »Filmkritik«, 3/1961»Germans do always try to copy American characters; Greeks try not to show too much about Greek characters.«
Hans W. Geißendörfer auf der Abschlußveranstaltung des »Griechischen Filmfests« in Berlin.
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Stefanie Stappenbeck gehört zu den deutschen Schauspielerinnen, die ich schon immer ein bisschen unterschätzt fand. In manchem schlechten Film ist sie der einzige Lichtblick. Und einiges Pech hat sie auch gehabt: Als sie 2009 endlich eine Serien-Hauptrolle im ARD-Polizeiruf bekam, die überaus interessante und ungewöhnliche Figur des Hauptmann Ulrike Steiger, einer deutschen Generals Daughter, die in Uniform in der Bundeswehr ermittelt, und dann, enttäuscht vor allem vom eigenen
Vater, die Bundeswehr verlässt, aber mit dem ganzen überholten Disziplin-Befehl&Gehorsams-Müll im Kopf, zur Münchner Polizei kommt – da hätte das mit der Stappenbeck das Zeug gehabt, eine würdige Edgar-Selge-Nachfolge-Polzeiruf-Reihe zu werden. Doch ihr Partner Jörg Hube starb nach der ersten Folge und anstatt dann etwas draus zu machen, das reale Leben als Chance der Fiktion zu sehen, stellte die ARD alles und damit auch die Stappenbeck-Figur ein.
Vier Jahre später dann spielte sie im neuen Hamburger Tatort, aber nur die Frau, noch dazu geschiedene, des Ermittlers. Und ausgerechnet an der Seite von Til Schweiger. OMG, die Arme dachte ich als Stappenbeck-Sympathisant, und dann, als sie, natürlich weil der doofe Dödel Nick Tschiller schuld hatte, kurz vor Sylvester erschossen wurde, war das ein tiefer Stich ins Herz. Der Trost kam dann ein paar Tage später, als klar wurde: Für sie ist der Tod als Schweiger-Frau ein Aufstieg. Denn im
Sommer spielt sie dann im ZDF wieder eine Ermittlerin.
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Gleich zu Anfang eine Ankündigung in eigener Sache: Nächste Woche fängt ja nicht nur am, Donnerstag die Berlinale an, und einen Tag vorher etwa gleichzeitig mit der nächsten regulären artechock-Ausgabe, sondern bereits ab Montag gibt’s ein artechock-Berlinale-Special mit täglich neuen Texten, und einigen Überraschungen. Und das nicht nur hier, sondern auch auf Facebook, und vielleicht noch in anderer Form. Es lohnt sich also, regelmäßig nachzuschauen.
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Es wird die 66. Berlinale überhaupt und erst die 15. mit Dieter Kosslick – obwohl man den Eindruck haben könnte, der Mann sei schon ewig da. Immerhin wird er in paar Wochen länger im Amt sein, als Helmut Kohl Bundeskanzler war, und im Gegensatz zum Pfälzer scheint den Berlinale-Chef die Macht eher jung zu halten. Wahrscheinlich würde er selber sagen, dass das alles an Yoga und seinem Vegetarismus liegt, aber wer Kosslick am Dienstag auf der diesjährigen Berlinale-Pressekonferenz beobachtete, der merkte, wie schön es sein muss, wenn einem überhaupt niemand mehr widerspricht. Diese Stufe hat Kosslick inzwischen erreicht. Die, die ihn blöd finden, haben es inzwischen aufgegeben, weil man sachbezogene Debatten mit dem Mann sowieso nicht führen kann. Und die, die ihn anhimmeln, himmeln ihn an.
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