Zeit zum Träumen

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Mit einem Lied präsentierte sich Nadine Wrietz 2011 und gewann den ersten SMS-Wettbewerb – an Weihnachten kommt sie als Hauptrolle ins Kino. Florian Hacke suchte 2013 ­vergeblich nach seinem Dialekt, ­gewann damit aber den Wettbewerb. Florentine Schara verzweifelte 2015 am Telefon an der Liebe, seither steht die Theaterschauspielerin mehr und mehr vor der Kamera (von links). | Fotos © Mirjam Knickriem | Nick Arthur Daniel | Joachim Gern

Mit einem Lied präsentierte sich Nadine Wrietz 2011 und gewann den ersten SMS-Wettbewerb – an Weihnachten kommt sie als Hauptrolle ins Kino. Florian Hacke suchte 2013 ­vergeblich nach seinem Dialekt, ­gewann damit aber den Wettbewerb. Florentine Schara verzweifelte 2015 am Telefon an der Liebe, seither steht die Theaterschauspielerin mehr und mehr vor der Kamera (von links). | Fotos © Mirjam Knickriem | Nick Arthur Daniel | Joachim Gern

Frau Wrietz, hat sich durch den SMS-Gewinn etwas verändert?

Es hat sich wahnsinnig viel für mich geändert. Nach dem Shorty-Gewinn waren viele Caster sehr neugierig auf mich, haben mich viel vorgeschlagen und mir ihr Vertrauen geschenkt, das ich versucht habe, Rolle für Rolle nicht zu enttäuschen. Ich durfte gleich im ersten Jahr wahnsinnig viel drehen. Fast immer Tagesrollen, in denen ich aber oft für den betreffenden Film prägnante Szenen spielen durfte. So hab ich viel Material sammeln können für ein neues, ganz aktuelles und facettenreiches Showreel, das mir wiederum sehr geholfen hat, besetzt zu werden.
Seit dem Gewinn damals durfte ich mittlerweile in über 50 sehr unterschiedlichen Produktionen mitspielen. Davon viel Kino und in den letzten zwei, drei Jahren immer größer werdende Rollen. Ich bin mittlerweile fest im Hauptcast einer RTL-Serie, war auf dem Traumschiff und werde von der Agentur Schlag vertreten. Im letzten Winter habe ich neben Elyas M’Barek und Philipp Schwarz meine erste Kinohauptrolle unter der Regie von Marc Rothemund drehen dürfen. Der Film heißt Dieses bescheuerte Herz und kommt Weihnachten 2017 in die Kinos.
Das ist zwar nur eine Momentaufnahme, und mir ist bewusst, dass das jederzeit wieder vorbei sein kann, wie schon mal in den Jahren vor dem SMS-Festival, aber umso glücklicher bin ich über die jetzige Situation. Bis heute werde ich regelmäßig auf das Shorty von 2011 angesprochen. Von Kollegen und Castern, auch Regisseuren und Produzenten und bin immer wieder baff, wie viel es gesehen wurde und offenbar einen Nerv getroffen hat. Darauf bin ich sehr stolz.

Das Konzept ist ja eher ungewohnt. Was gab Ihnen den Anstoß, mitzumachen?

Bevor ich damals den 1. Preis gewonnen habe, hatte ich fast drei Jahre keinen einzigen Drehtag. Ich musste mehrere Jobs anzunehmen, um zu überleben und habe mich mehr und mehr dabei verzettelt. Es heißt immer, Schauspieler brauchen ein zweites Standbein, um nicht so abhängig zu sein. Für mich funktioniert das nicht so gut. Ich war abends nach der Arbeit immer so fertig, dass ich keine Kraft mehr hatte, kreativ zu sein oder Caster um ein Treffen zu bitten. Wenn ich dann abends völlig erledigt Fernsehen geguckt habe, dachte ich immer, boah, die drehen alle, wie machen die das nur, was kann ich nur machen …
Im März 2011 beschloss ich dann, meinen damaligen Job zu kündigen, um mich für ein paar Monate nur der Schauspielerei zu widmen beziehungsweise dem Business dahinter, ich wollte alles dafür tun, das in meiner Macht stand. Gekündigt hab ich mit den Worten: »Wenn ich das jetzt nicht nochmal probiere, wird das nix mehr.« Ein paar Tage später hatte ich den Aufruf zum 1. Self-Made-Shorty-Wettbewerb in meinem Postfach und wusste sofort, das mach ich!
Mein Showreel damals war veraltet, und ich hatte ja drei Jahre kein neues Material sammeln können. Ein Teufelskreis, aus dem ich ohne mein Shorty wohl nie rausgekommen wäre.

Für einen Shorty braucht’s ein kleines Drehbuch, eine Kamera, vielleicht auch etwas Make-up … wie war der Einblick in die anderen Gewerke?

Ich hatte in den Jahren vor meiner »Durststrecke« einigermaßen viel gedreht und hab’ mich schon immer viel für andere Gewerke interessiert, wie Schnitt, aber auch Ausstattung, aber ich hab’ schnell festgestellt, dass wenn man alles alleine macht, ständig Abstriche machen muss … Niemand da, der dir einen Aufheller für die Augen hinhält; zwischendurch abpudern – musste ich selber dran denken; jemand, der die Schärfen zieht – gibt es nicht; also musste ich Einstellungen finden, in denen ich den Abstand zur Kamera immer gleich halte. Der Ton, das war fast die größte Herausforderung. Ich wusste, dass ich selber alleine kaum einen guten Ton hinkriegen würde, deswegen kam ich überhaupt nur auf die Idee mit dem Lied, so musste ich mich darum nicht mehr kümmern, ich hatte ja ein Vollplayback.
Aus diesen Erfahrungen hab’ ich noch mehr Wertschätzung mitgenommen für alle Departments. Heute stehe ich manchmal am Set und denke mir, krass, damit wir jetzt 40 Sekunden Material drehen können, sind mindestens 20 Leute total auf diese 40 Sekunden konzentriert, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Drehen ist Teamwork total.

Was war die größte Hürde beim Mitmachen?

Es war davon die Rede, dass eine tolle Jury von Castern und Produzenten alle Einreichungen sichten würde. Die drei Minuten, die man also hatte, um sich zu präsentieren, wollte ich bestmöglich nutzen. Das hat mir ziemlich Druck gemacht, weil ich unsicher war, wie das wohl ankommen würde, ein Lied mit Video über mich. Ständig muss man sich entscheiden … Für diese Textzeile, gegen jene Einstellung. Das ist schwer, ganz allein. Später kam noch etwas hinzu. Die Technik beim schneiden und umwandeln. Da hab’ ich, glaub’ ich, zwei Tage lang nur darauf verwendet, rauszufinden, mit welchem Codec-Frame-Bitrate-Blabla ich das beste Ergebnis erzielen würde. Gleichzeitig hat mich das für alle E-Castings, die noch folgen sollten, sehr gut aufgestellt.

Sehen Sie einen Unterschied zu anderen Wettbewerben?

Besonders im ersten Jahr hatte man die größtmögliche Freiheit, sich in diesem Rahmen zu zeigen, in den Jahren danach wurde ein Thema gestellt, an dem man sich abarbeiten konnte. Für mich war super, dass ich ganz frei war.
Ich kenne sonst gar keine anderen Wettbewerbe. Höchstens vom BFFS »Ungeschminkt«. Diese Beiträge finde ich oft sehr gelungen und witzig.

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Herr Hacke, hat sich durch den SMS-Gewinn etwas verändert?

Ich habe viele Leute kennengelernt und bin ziemlich gut vernetzt, aber da ich durchgängig fest an verschiedenen Theatern engagiert war, war ich nicht sehr flexibel. Jetzt war ich in Elternzeit, habe drei Kilo zugenommen, und eine Casterin sagte mir, so könne sie mich nur als Hausmeister oder besten Freund besetzen. Unter anderem darüber habe ich einen Soloabend geschrieben, der jetzt im Mai Premiere hat.

Das Konzept ist ja eher ungewohnt. Was gab Ihnen den Anstoß, mitzumachen?

Ich hatte Lungenentzündung, lag sehr lange im Bett und dachte: Toll, kein Dialekt, kein Heimat-SMS. Meine Frau sagte dann: Schreib halt darüber!

Für einen Shorty braucht’s ein kleines Drehbuch, eine Kamera, vielleicht auch etwas Make-up … wie war der Einblick in die anderen Gewerke? Das war das Beste. Wir haben viele Freunde und Kollegen mobilisiert, und ich habe gelernt, wie man im Schnitt alles retten kann.

Was war die größte Hürde beim Mitmachen?

Die Szene mit meiner Mutter mussten wir fast vierhundertmal drehen, weil wir immer schreien mussten vor Lachen.

Sehen Sie einen Unterschied zu anderen Wettbewerben?

Dass Schauspieler mal nicht zuletzt zu einem Projekt dazukommen, sondern von der ersten Idee an verantwortlich sind – das finde ich gut.

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Frau Schara, hat sich durch den SMS-Gewinn etwas verändert?

Für mich hat sich durch den SMS Gewinn viel verändert. Ich habe vorher vornehmlich Theater gespielt, seit dem Shorty stehe ich nun auch vor der Kamera, bin in einer Agentur und habe meinen ersten Tatort gedreht. Außerdem kam es in den letzten beiden Jahren öfter vor, dass mich wildfremde Kollegen mit »Du bist doch die mit der Katze, oder?« angesprochen haben – das freut mich dann schon auch, dass der Shorty so eine unmittelbare Resonanz hat.

Das Konzept ist ja eher ungewohnt. Was gab Ihnen den Anstoß, mitzumachen?

Ich hatte mir zum Zeitpunkt der Ausschreibung ohnehin vorgenommen, etwas Eigenes fürs Demoband zu drehen. Als mir ein Freund von den Self Made Shorties erzählte, empfand ich das als prima Motivation, Gedanken in Taten umzusetzen – denn dabei hilft es ja enorm, eine klare Deadline zu haben und ein vorgegebenes Thema. Und das Konzept, als Schauspielerin eine total eigene Vision umsetzen zu können, fand ich extrem reizvoll.

Für einen Shorty braucht’s ein kleines Drehbuch, eine Kamera, vielleicht auch etwas Make-up … wie war der Einblick in die anderen Gewerke?

Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten, weil ich, glaube ich, nicht wirklich im klassischen Sinn rangegangen bin, sondern mir die anderen Gewerke mit den Mitteln einer Schauspielerin erschlossen habe. Bei mir gab es nur eine Kameraeinstellung, der Einblick in das Gewerk fiel also eher bescheiden aus. Ich habe mich auch nicht an den Schreibtisch gesetzt und an einem Drehbuch geschrieben, sondern einer Freundin im Vorfeld improvisierte Interviews aus der Rolle heraus gegeben, die dann schließlich in verdichteter Form zum Drei-Minuten-Shorty wurden. Es hat mir großen Spaß gemacht, zu überlegen, wie meine Figur wohl wohnt, was sie anzieht und wie sie sich schminkt, aber das sind Dinge, mit denen ich mich bei jeder Rolle, die ich vorbereite, beschäftige. Mit dem Unterschied, dass ich bei dem Shorty die alleinige Entscheidungsgewalt hatte, mich dafür aber auch um alles selbst kümmern musste.

Was war die größte Hürde beim Mitmachen?

Da gab es zwei gedankliche Hürden: einmal den Respekt vor den technischen Anforderungen wie Kamera, Licht, Schnitt etc. und damit verbundenen Kosten. Diese Hürde habe ich umschifft, indem ich mir zum Dogma gemacht habe, ohne technischen Aufwand auszukommen und die drei Minuten ohne Schnitt zu erzählen, was gleichzeitig spielerisch ein großer Ansporn war. Und dann natürlich die Hürde, die wir, glaube ich, alle gut kennen: Wenn mir soviel Freiheit in der Gestaltung gegeben wird, für welche der vielen Möglichkeiten entscheide ich mich? Welche Idee ist die beste, um zu erzählen, was ich erzählen will? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es gut ist, sich bald konsequent für eine Idee zu entscheiden und daraus die beste Idee zu machen. Funktionieren kann jede Idee.

Sehen Sie einen Unterschied zu anderen Wettbewerben?

Ich glaube, der größte Unterschied ist tatsächlich, dass man aufgerufen ist, komplett sein eigenes Ding zu machen. Als Schauspieler sind wir extrem kreative Menschen, aber meistens äußeren Faktoren untergeben: dem Drehbuch, dem Regisseur, den Wünschen der Produktion, dem Markt etc. Toll an den Self Made Shorties ist, dass all diese äußeren Faktoren für einen Moment keine Rolle spielen und jeder einzelne Schauspieler die Möglichkeit hat, sich in seiner Einzigartigkeit zu zeigen und vielleicht auch Seiten zu offenbaren, für die sonst kein Raum ist. Dafür bin ich sehr dankbar.

 

Alle Beiträge der ­früheren Wettbewerbe sehen Sie hier:

www.schauspielervideos.de/ecasting/ergebnis/sms-festival-2011
www.schauspielervideos.de/ecasting/ergebnis/sms-festival-2013
www.schauspielervideos.de/ecasting/ergebnis/sms-festival-2015