Corona: Brancheninfo 93
Zum Redaktionsschluss berieten sich Bund und Länder noch, wie es in den nächsten Wochen sicher durch die Krise gehen soll. Erste Meldungen lassen vermuten: Es wird nicht lockerer. Das „Handelsblatt“ berichtet aktuell im Live-Ticker.
„Verbohrt und arrogant“ nennt die Kolumnistin in der „Zeit“ die deutsche Corona-Politik: „Während sich Bund und Länder streiten, Maskenverweigerer demonstrieren und Firmen pleitegehen, funktioniert das Leben in Ostasien fast wie zuvor. Wir sind selbst schuld.“
Für die Lage der Schauspieler*innen nahm sich das ZDF-Morgenmagazin am Freitag zehn Minuten Zeit und sprach mit der Kulturstaatsministerin Monika Grütters (BKM) und mit Hans-Werner Meyer, Vorstandsmitglied im Bundesverband Schauspiel (BFFS). Der schilderte, dass auch die neuen Hilfen an seinen Kolleg*innen vorbeigehen, weil die befristet beschäftigt sind: „Wenn wir schon nicht spielen dürfen, dann müssen die Schauspieler und Schauspielerinnen wenigstens aufgefangen werden.“
Woran es hängt, erklärte die BKM. Es sei „juristisch und arbeitsrechtlich nicht ganz einfach, so ganz besondere Beschäftigungsformen, wie sie in der Kultur nun mal sind, auf ein sehr schematisches Muster in Deutschland anzuwenden.“ Bei den Solo-Selbständigen habe das nun geklappt, und auch zur Situation der Schauspieler*innen habe sie am Donnerstag „ein sehr positives Signal“ aus dem Bundeswirtschaftsministerium erhalten, dass Schauspieler*innen „wenigstens wie Solo-Selbständige behandelt“ werden.
Wie die Kinokultur in Deutschland geschleift wird, erklärt Lars Henrik Gass, Leiter der Oberhausener Kurzfilmtage, im Interview mit „Jungle World“ ein weiteres Mal: Der Kunstbereich reklamiere „mittlerweile in hohem Maße die Definitionshoheit über die Kunst am Film“, ignoriere aber dessen Besonderheit. Zugleich habe man den Film im Kino dem Markt überlassen – „mit den bekannten Folgen.“ In der Corona-Krise versuche man nun, durch Nothilfeprogramme nachzuarbeiten. Doch „nicht erst seit Ausbruch der Pandemie, sondern bereits seit Jahrzehnten zeichnet sich ab, dass das Kino als gewerblicher Ort und Geschäftsmodell keine Zukunft hat. Man versucht immer noch, die Filmförderung an die Kinoauswertung zu binden, in der Illusion, dass Kinoauswertung die letztgültige Form sei, mit Film umzugehen. Damit hat man weder die mediengeschichtliche Besonderheit des Kinos verstanden noch zur Kenntnis genommen, welche gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen wir gerade in rasender Geschwindigkeit durchlaufen.“ Er schlägt ein Zukunftsprogramm vor, dass die Filmkunst ebenso ernst nimmt wie etwa Oper oder Theater: „Wenn sich die Stadt Hamburg eine Elbphilharmonie für über 800 Millionen Euro leisten kann, darf ich doch einmal ausrechnen, dass sich allein mit dieser Summe jede Großstadt in Deutschland eine Kinemathek leisten könnte. Das ist kein Aufrechnen der Künste gegeneinander, sondern eine legitime Frage an Kulturpolitik nach ihren Prioritäten. Und letztlich auch nach dem historischen Auftrag, den ich sehe, und der mit jedem Tag des Fortdauerns der Covid-19-Pandemie triftiger wird.“
5,4 Millionen Euro hat die Filmförderungsanstalt (FFA) diese Woche für Weltvertrieb, Kino- und Videostarts von 19 Filmen vergeben. Fast die Hälfte der Summe kommt aus dem BKM-Sonderprogramm „Neustart Kultur“.
Martin Hagemann, Produzent und unter anderem Professor an der Filmuniversität Babelsberg, hat auf Facebook nachgerechnet: „Über eine Million Euro Verleihförderung für einen Film wie ,Lauras Stern‘ durch die FFA heisst: Der Film muss weit über eine Million Zuschauer ins Kino bringen, damit die Kinoabgabe und die Rückzahlung der Verleihförderung diese Summe deckt. Das ist – gelinde gesagt – schwierig (der erste Teil der Animationsreihe hatte 2004 noch 1,3 Millionen Zuschauer, alle folgenden drei animierten Teile unter 500.000 Zuschauer, dann gab es über elf Jahre eine TV-Animationsreihe und nun also das Ganze als Realfilm.) Die FFA verabschiedet sich damit offensichtlich von ihrem Credo, eine wirtschaftlich gedachte Filmförderung zu sein und stärkt die Abhängigkeit der Branche von der Subventionierung – hauptsächlich finanziert durch das BKM-Sonderprogramm ,Neustart Kultur‘. Dann mal viel Spass im Kinderkino (eine weitere Million Euro ging noch an ,Die Biene Maja‘ und ,Hilfe, ich habe meine Freunde geschrumpft‘). So wird das nichts mit dem Deutschen Kino, wenn Formate von gestern durch überhohe Subventionen gepusht das Publikum nach Corona wiederfinden sollen. Aber ja, es wurde auch noch anderes gefördert: Der ,gute deutsche Mix‘ drückt sich perfekt in der Pressemitteilung der FFA aus […]“: Insgesamt rund 1,7 Millionen Euro gehen an den siebten Eberhofer-Kinofilm „Kaiserschmarrndrama“, die Neuverfilmung von Stefan Zweigs Klassiker „Schachnovelle“, die internationale Action-Koproduktion „Monster Hunter“, den Kinderkrimi „Die Pfefferkörner und der Schatz der Tiefsee“ und „Die Schule der magischen Tiere“, eine weitere Kinderbuch-Adaption.
Das deutsche Fernsehen hat ein Überalterungsproblem, berichtet der „Weser-Kurier“: Junge Menschen schauen weniger TV, dafür nutzen sie vermehrt Streaming-Dienste. Die Fernsehanstalten müssen sich neu aufstellen. Und dabei seien sie nicht überall im Nachteil: Anders als Streaming- und Videoplattformen böten sie auch Orientierung. „Und sie profitieren von einer hohen Glaubwürdigkeit, gerade auch bei jüngeren Generationen“, sagt der Medienwissenschaftler Leif Kramp.
Der SWR bündelt seine dokumentarischen Formate zum 1. April 2021 in einer eigenständigen Hauptabteilung, berichtet „Digitalfernsehen“. Hier sollen gerade auch für die jüngeren Zielgruppen systematisch Dokumentationen und Doku-Serien entwickelt und die um die ARD-Mediathek gestärkt werden. Damit reagiere der Sender auf die positive Resonanz seines Publikums und die hohe Nachfrage nach dokumentarischen Formaten. Auch andere Bereiche änderten sich durch den neuen Zuschnitt: Die Hauptabteilung Fiktion und Familie entwickle künftig verstärkt serielle Angebote für alle Altersgruppen.
Ziemlich wirklich: Die Youtube-Serie „Jugendland“ porträtiert drei junge Erwachsene im ländlichen Raum . „Angenehm abwesend“ sei der typische Blick aus der Großstadt, findet die „Taz“: „,Jugendland’ ist nicht per se eine Doku über Dorfjugend. In erster Linie ist es ein Coming-of-Age-Format. Sarah, René und Timo beschäftigt, was viele Jugendliche beschäftigt: die Frage nach der Zukunft, einer Ausbildung, die Frage nach der nächsten Party oder mit wem man zusammen ist. Ihre Antworten fallen anders aus als die einer Großstadtjugend.“
Von Sommer 2018 bis zum Frühjahr dieses Jahres begleiteten Regisseur Christoph Heymann und Kameramann Jannis Keil die drei Protagonist*innen. Der NDR berichtete selbst über seine Produktion, die in 24 kurze Episoden dienstags und donnerstags auf Youtube erscheint.
Den Krisenmodus in der Filmbranche betrachtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland zwischen Rhein und Eifel: Filmteams bauten hier gerne ihre Kameras auf, wo selbst „Indiana Jones“ schon Abenteuer erlebte: „Dennoch ist Rheinland-Pfalz das einzige Bundesland ohne eigene Filmförderung.“
Die großen Verlierer der Corona-Pandemie in der Filmbranche sind die Kinos. Die großen Gewinner die Streaming-Anbieter. Das wussten wir schon. Der NDR überlegt weiter: Wie verändert sich das Geschäftsmodell von Netflix und Co.?
Die Webserie Heimatkino schaut „auf den Untergang und die Wiederauferstehung der Orte, die Filme zu einem Kinoerlebnis gemacht haben und immer noch machen.“ Begonnen hatte es im Mai 2018 noch ganz heimatverbunden im Ruhrgebiet – Kurzdokumentarfilme erkunden die Kinoszene und porträtieren die dazugehörigen Menschen. Im Herbst 2019 erweiterten weiterere Kurzfilme den Blick aufs Rheinland, Nun rücken Kinos in Thüringen in den Fokus. Zwischen fünf und acht Minuten dauern die „Liebeserklärungen ans Kino“ (Deutschlandfunk). 13 Filme sind bereits erschienen, vier weitere in Produktion. Auch Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein sollen demnächst an die Reihe kommen. Alle Episoden der Webserie sind auch auf Youtube, Kinoflimmern und Amazon Prime zu sehen.
Der Komiker und Schauspieler Karl Dall ist am Montag im Alter von 79 Jahren gestorben. Nach Angaben seiner Familie erholte er sich von einem Schlaganfall nicht mehr, berichtet „Der Spiegel“ in einem kurzen Nachruf.
Vor 30 Jahren starb Helga Feddersen, und die „Tageszeitung“ wundert sich selbst, dass sie daran erinnert: „Machen wir eigentlich fast nie, zu Todestagen im niedrigen zweistelligen Bereich Nachrufe, das ist noch nicht lang genug her.“ Macht sie aber trotzdem, denn wer sich dem Werk der Schauspielerin und Drehbuchautorin heute nähert, könne eine grandiose realistische Künstlerin entdecken: Sie „mochte die Leute, über die sie schrieb, prinzipiell, ohne Dünkel. Kaum erstaunlich, dass ihre sprachlich akkurat entworfenen Arbeiten nicht Gegenstand seriöser TV-Diskurse waren: Das war weder low noch high, auch nicht vom Appeal der späteren ,Lindenstraße’, opfer- und empörbereit im Dauerlauf. Fernsehsprache wurde mehr und mehr, heutzutage auch in puncto Ausstattung, zu einer der besseren, aufgestiegenen Kreise: Gelacktheit durchweg. Helga Feddersen blieb irgendwie die Frau der Nebenrollen, die sich mal aufs Parkett der Drehbuchschreiberei wagte. Dabei hatte sie nicht einmal mitspielen sollen, in der Rolle der sitzengelassenen Verkäuferin: Sie sei nicht schön genug, hieß es seitens der Produktion. Und sie setzte sich resolut durch: ,Was heißt – nicht schön genug? Haben Sie sich mal draußen umgeguckt, wie die Leute aussehen, die solche Arbeit machen?’ Mehr ist dazu nicht zu sagen.“
Vor ein paar Wochen hatte der NDR mit einer Dokumentation an „ Helga – Die zwei Gesichter der Feddersen“ erinnert. Bis Oktober 2021 noch in der Mediathek, länger noch auf Youtube.
Am Freitag beginnt das „Drehbuchfestival“, veranstaltet vom Internationalen Filmfestival Up-and-Coming in Hannover. Zum Auftakt geht’s um nicht weniger als die „aufwendigste, teuerste, bestbesetzte und mit den größten Erwartungen gestartete deutsche Fernsehserie aller Zeiten“, kurz: „Babylon Berlin“. Der Regisseur und Drehbuchautor Henk Handloegten be spricht mit dem Filmkritiker Stefan Stosch, wie Streamingdienste und serielles Erzählen seine Arbeit inzwischen verändert haben. Das Gespräch wird am 27. November ab 19 Uhr live auf Youtube gesendet.
Online läuft auch die diesjährige Visionale, das Hessische Jugend-Medien-Festival für Filmemacher bis 27 Jahre. Alle Filme können bis zum kommenden Sonntag gesehen werden. Am Samstag kann das Publikum von 10 bis 22 Uhr über die Gewinner des Sonderthemas „#coronatime“ abstimmen.
Auch das Internationale Kurzfilmfestival „20minmax“ in Ingolstadt lief erstmals als Online-Version. Der Festivalleiter Marcel Aigner sprach mit dem „Donaukurier“ über die neuen Erfahrungen – und über eine Grundsatzfrage: „Die Bundesregierung hat zum ,Lockdown light’ mitgeteilt, dass ,alle Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen’, verboten würden. Kultur als reine ,Unterhaltung’ zu betiteln, bedeutet jedoch eine grobe Minderschätzung aller Kulturschaffenden. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Wenn die Politik das Kulturleben weiter einschränkt und die Akteure nicht endlich unterstützt, dann kommt das einem großen Versagen gleich.
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