Bücher als Bedrohung einer Ideologie in Fahrenheit 451

Poli­ti­sche Farben­lehre, Ausstel­lung für Bücher­freunde, der Kino­st­ar­be­trieb und der Kampf ums Filmerbe – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 129. Folge – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 129. Folge

»Wer von uns wacht hier und warnt uns, wenn die neuen Henker kommen? Haben sie wirklich ein anderes Gesicht als wir?«
aus »Nacht und Nebel« von Alain Resnais

Es ist zwar ein kaltes, helles, unfeines Blau, kein warmes, aber eben ein Blau, nicht Braun oder zumindest Grau, wie einst bei Franz Schön­hu­bers REPs, mit dem dem bei den Wahl­sen­dungen der öffent­lich-recht­li­chen Sender die Zahlen der rechts­ex­tremen AfD markiert werden. Warum eigent­lich? Warum nicht Braun oder Grau? Das Argument, die Partei hätte diese Farbe auf ihren Plakaten, zählt nicht, denn die CDU wird schließ­lich auch mit Schwarz markiert, obwohl ihre Plakat-Farbe Orange ist.
Man sollte solche Symbole nicht unter­schätzen, es zwar nur kleine Gesten, aber markante. Und es sind die vielen kleinen Gesten, mit denen man den Wolf im Schafs­pelz oder Bürger­pelz sichtbar macht. Oder eben nicht. Es ist auch bemer­kens­wert. wie oft die Bericht­erstatter von »Rechts­po­pu­listen« reden, nicht von »Rechts­ra­di­kalen«, »Rechts­ex­tre­misten« oder gar »post­fa­schis­tisch«. Wenn es dagegen um die LINKE geht, habe ich von den gleichen Leuten noch nie das Wort »Link­s­po­pu­listen« gehört. Die sind natürlich »am linken Rand«, oder »links­ra­dikal« oder »post­kom­mu­nis­tisch.«

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Die Frage wäre auch einmal zu stellen, ob Unab­hän­gig­keit der Medien überhaupt möglich ist. Man könnte argu­men­tieren, dass zumindest der öffent­lich-recht­liche Rundfunk (die privaten Print­me­dien viel­leicht nicht) eine Pflicht zur Partei­nahme pro Demo­kratie habe. Dass er die sehr wohl in Anspruch nimmt, wenn es um die NPD geht, oder um Putin oder Assad oder andere.

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Diese Thema­ti­sie­rung der AfD hat durchaus auch im engeren Sinn etwas mit Kino zu tun, denn die AfD, das sind auch die Kino­zu­schauer. Für die werden Filme gemacht, schon bisher. Viel­leicht sollte man endlich auch wieder Filme machen, um die Zuschauer zu erziehen und umzu­er­ziehen. Umer­zie­hung heißt auf Englisch Reedu­ca­tion, das war mal eine gute Sache. Und Politik lässt sich von Ästhetik sowieso nicht trennen.

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Bei einer Film­sich­tung habe ich einen Haufen Fern­seh­filme vor mir. Von ZDF und DEGETO so schlecht wie lange nicht. Das Resümee nach den ersten zwei Tagen: Felicitas Woll und Rosalie Thomas kämpfen gerade um die Nachfolge von Veronika Ferres als »starke Frau« des deutschen Fern­se­hens.

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© https://buffer.com/pablo

Darf das denn wahr sein? ARD und ZDF brüsten sich mit geförderten Sendungen und zum „Dank“ werden wir, die eigentlichen Macher der Sendung, mit Verweis auf diese Förderung um unsere wichtigste Altersversorgung gebracht?

Eigentlich ist alles geregelt:

  • Der Bürger zahlt Rundfunkgebühren.
  • Die Länder haben 1970 die Rundfunkgebühren erhöht und seitdem einen Teil davon für die sogenannten „Anstaltsbeiträge“ zur betrieblichen Altersvorsorge der „freien“ Fernseh- und Rundfunkschaffende bestimmt.
  • Damit sind ARD und ZDF in der Verantwortung, sich um die betriebliche Altersvorsorge der „freien“ Fernseh- und Rundfunkschaffenden zu kümmern. Dafür gibt es die Pensionskasse Rundfunk.
  • Laut der Statuten der Pensionskasse Rundfunk müssen – unabhängig, ob vollfinanziert, teilfinanziert oder gefördert – in allen Fällen Anstaltsbeiträge fließen, wenn Sendungen für ARD oder ZDF hergestellt werden.

Schön wär’s!

Die Schwachstelle sind die Produktionsfirmen. Sie hängen am Tropf hauptsächlich von ARD und ZDF und sollen für sie die Anstaltsbeiträge an die Pensionskasse Rundfunk weiterleiten. Aber weil die Produzenten fürchten, auf den Kosten sitzenzubleiben, kommt keine rechte Begeisterung auf, sich für die Pensionskasse Rundfunk und unsere betriebliche Altersvorsorge in die Pflicht nehmen zu lassen. Weiterlesen

Matthias Brandt und Michael Mendl in 'Im Schatten der Macht' - © 2016 ZIEGLER FILM GmbH & Co. KG

Hintergrund: Im Rahmen der Berlinale erschienen im tagesspiegel zwei Artikel über die deutsche Agenturenlandschaft „Nur wer reingelassen wird, ist drin“? und „Das Gesetz des Marktes?“. Dazu ergab sich eine größere Debatte in Fachkreisen. Sibylle Flöter, neue Vorstandsvorsitzende vom Verband der Agenturen (VdA), resümiert.

Ich weiß nicht, ob man dem Artikel „Nur wer reingelassen wird, ist drin“ nicht zu viel Bedeutung beimisst, wenn man seine Inhalte noch weiter verbreitet. Es war ein leider nachlässig recherchierter, inhaltlich fehlerhafter, reißerisch geschriebener Text, der zudem in einer gewollten Tendenz zugespitzt formuliert war. Aufgrund seiner an der Oberfläche bleibenden Argumentation sollte er jedoch – wie ich finde – auch nicht all- zu ernst genommen werden. Nun darf man sicher nicht die Erwartung haben, dass am Tag der Eröffnung der Berlinale, eine tagesaktuelle Zeitung eine grundlegende ausgewogene Abhandlung über die Vielfalt der deutschen Agenturenlandschaft veröffentlicht. Während der Berlinale kommt sich Berlin immer ein bisschen wie Hollywood vor und da schwebte dem Autor wahrscheinlich vor, von Glamour und Macht zu schreiben.

Der Artikel erwähnte den Berlinale Empfang, den 6 Mitgliedsagenturen gemeinsam unter dem Begriff „FULL HOUSE“ (weil es ursprünglich nur 5 waren) veranstalten. Es stimmt, was Lutz Schmökel als einer der Agenten in diesem Artikel sagt: „Das Event ist mittlerweile als eine der zentralen Veranstaltungen etabliert und wird von sehr vielen interessanten Leuten besucht“. Und warum ist das so?
Weil diese Agenturen unter ihren Klienten zahlreiche Hauptrollenspieler der Oberliga haben. Alles gefragte, gut beschäftigte Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Drehbuchautoren, an denen Redakteure und Produzenten ein gesteigertes Interesse haben. Weil ihre Klienten wichtig sind, werden diese Agenturen auch wichtig genommen. Weiterlesen

Jonathan Webdale (Journalist), Marcus Ammon (Sky Deutschland), Antony Root (HBO Europe) und Diego Suarez (Sony Pictures Television) beim Drama Series Days der Berlinale (Bild: Oliver Möst/Berlinale)

Bei den Drama Series Days der Berlinale drehte sich alles um die langen Erzählformate. Einig waren sich die Experten in einem Punkt: Der Boom geht weiter – und es wird radikaler erzählt werden.
Der Serien-Boom geht weiter, legt vielleicht sogar noch eine Schippe drauf. An Nachschub mangelt es heute schon nicht, in den USA wurden vergangenes Jahr 409 fiktionale Serien ausgestrahlt. Dass der Trend weiter nach oben zeigt, wurde bei den „Drama Series Days“, die am 15. und 16. Februar im Rahmen der Berlinale stattfanden, deutlich. Beispiel HBO: Der Pay-TV-Serienpionier ist in Europa in gut einem Dutzend Länder als eigenständige Marke und Plattform aktiv. Für seine Ableger in Mittel- und Osteuropa hat HBO eigene Serien in Auftrag gegeben. „Burning Bush – Die Helden von Prag“ in Tschechien, „Umbre“ in Rumänien, weitere in Polen und Ungarn. Demnächst steigt HBO für seine Plattform in Skandinavien in Eigenproduktionen ein, bestätigte Antony Root, bei HBO Europe für das Programm verantwortlich, in Berlin. Jetzt sind Schweden oder Dänemark keine weißen Flecken in der internationalen Serienlandschaft, im Gegenteil, keiner beherrscht die Kunst des seriellen Erzählens in Europa besser als die Skandinavier. HBO muss sich also etwas einfallen lassen, will man in Nordeuropa erfolgreich Abos verkaufen. Die Lösung: eigenproduzierte Serien mit einer üppigen Portion Lokalkolorit, um Dänen, Schweden oder Norweger zu ködern. „Aktuell prüfen wir Drehbücher“, so HBO-Manager Root. Weiterlesen

Was ist die Pensionskasse Rundfunk?

Die Pensionskasse Rundfunk ist eine betriebliche Altersversorgung für freie Fernseh- und Rundfunkschaffende. Das sind auf die Dauer einer Produktion befristete Angestellte (z. B. Schauspielerinnen und Schauspieler oder Produktionspersonal), arbeitnehmerähnlich Beschäftigte (z. B. Journalistinnen und Journalisten) oder Selbständige (z. B. Autorinnen und Autoren), die bei der Herstellung öffentlich-rechtlicher Sendungen mitwirken. Sie arbeiten entweder direkt bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder – immer öfter – indirekt für sie. Denn „Freie“ werden zunehmend über Produktionsfirmen beschäftigt, da inzwischen ein Großteil öffentlich-rechtlicher Inhalte als Auftragsproduktionen hergestellt wird.

Die Pensionskasse-Rundfunk-versicherten „Freien“ heißen „ordentliche Mitglieder“. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, beigetretene Tochterunternehmen sowie Produktionsfirmen heißen „Anstaltsmitglieder“.

Weil das unregelmäßige Erwerbsleben der „Freien“ lückenhafte oder fehlende Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung bedingt, kann sie den Lebensabend der „Freien“ kaum absichern.

Die Pensionskasse Rundfunk ist das eigentliche Standbein der Altersversorgung für „Freie“!

Wie funktionieren die Beitragszahlungen?

Laut Pensionskasse-Rundfunk-Satzung herrscht Beitragspflicht, wenn ordentliche Mitglieder an Produktionen mitwirken, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entweder selbst herstellen oder für sie von Produktionsfirmen hergestellt werden. In allen anderen Fällen (z. B. bei Kinofilmen) herrscht keine Beitragspflicht – es können aber trotzdem Beiträge für ordentliche Mitglieder gezahlt werden. Weiterlesen

Fack ju Göthe 2 © 2016 Constantin Film

Im Winter unseres Miss­ver­nü­gens… – Monika Grütters bricht eine erste Lanze für die kultu­relle Film­för­de­rung, wider die Fürsten der herr­schenden Verhält­nisse, und sie könnte für die deutschen Film- und Fern­seh­bonzen noch zur eisernen Lady werden – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 127. Folge

»Es freut mich, dass wir gemeinsam Wege gefunden haben, um kreative und künst­le­ri­sche Aspekte bei der wirt­schaft­li­chen Film­för­de­rung noch stärker zu berück­sich­tigen. Denn ich bin überzeugt: Lang­fristig zahlt es sich aus, nicht immer allein die Maxi­mie­rung des Ertrags, sondern auch den Mut zum Expe­ri­ment, mehr neue, gute Ideen zu fördern.« – Monika Grütters, 11.2.16, Empfang der Produ­zen­ten­al­lianz

Der Tag war nicht blendend gesetzt. Oder gerade doch, denn viel­leicht haben wir alle Monika Grütters ein bisschen unter­schätzt.
Jeden­falls war mit der Pres­se­mit­tei­lung der Beauf­tragten für Kultur und Medien (BKM) klar, dass es in den Feuil­le­tons und Film­zeit­schriften der Republik erst einmal unter­gehen würde, dass erst recht die – über­ra­schenden – zustim­menden Reak­tionen und die gar nicht über­ra­schenden eiligen Ableh­nungs­be­scheide der soge­nannten »deutschen Film­branche« erst einmal ins Leere verpuffen würden.
Es war auch klar, dass mit ihr ein Gesprächs­thema für die Berlinale gesetzt war, ein Thema, das an den folgenden Tagen an vielen der kleinen runden Steh­ti­sche der Film­branche auftauchte und heiß disku­tiert wurde.

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Was war geschehen? Das BKM hatte ein paar »Eckpunkte« zur Kultu­rellen Film­för­de­rung und zur Stärkung des künst­le­risch und kulturell heraus­ra­genden deutschen Kinofilms veröf­fent­licht.
Als Ziel­set­zung benennt Grütters »ein unab­hän­gi­geres Arbeiten als bisher« und das Vermeiden künst­le­ri­scher Kompro­misse, die »so gering wie möglich« gehalten werden sollen.
Die für 2016 zusätz­lich zur Verfügung gestellten Mittel für Maßnahmen der kultu­rellen Film­för­de­rung (15 Mio. €) sollen haupt­säch­lich in die Produk­ti­ons­för­de­rung der BKM im Bereich des Langfilms (Spiel-, Doku­mentar-, Kinder­film) fließen. Darüber hinaus steht die gezielte Stärkung der unab­hän­gigen Stof­fent­wick­lung für Spiel- und Doku­men­tar­filme im Fokus, um früh­zeitig Kino­qua­lität zu fördern und zu sichern, sowie die Unter­s­tüt­zung des Abspiels zur
Sicht­bar­ma­chung dieser Filme.
Die Maßnahmen sehen eine »deutliche Aufsto­ckung der Mittel für die Produk­ti­ons­för­de­rung« ebenso vor, wie zukünftig getrennte Förder­töpfe für Spiel-, Doku­mentar- und Kinder­film, die Vervier­fa­chung der bishe­rigen Förder­höchst­summe auf bis zu 1 Mio. Euro, um »dem soge­nannten Förder­tou­rismus entgegen zu wirken.«
Auch die Dreh­buch­för­de­rung wird quan­ti­tativ und quali­tativ ausgebaut, völlig neu ist die Einfüh­rung einer Stof­fent­wick­lungs­för­de­rung »für Doku­men­tar­filme, die die ausführ­liche und fundierte Recherche für besonders kino­re­le­vante programm­fül­lende Doku­men­tar­filme von Auto­ren­fil­mern unter­s­tützt.«
Die Förder­praxis wird flexibler durch Erhöhung der Einreich­ter­mine und Einfüh­rung eigen­s­tän­diger unab­hän­giger Jurys und die Verklei­ne­rung der bishe­rigen Jurys.

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Zwei Probleme hat das Papier aus meiner Sicht: Vom Fernsehen ist gar nicht die Rede. Dabei muss vor allem die Stellung und Betei­li­gung der Sender an der Förderung verändert werden.
Das zweite ist die Aufsto­ckung der Verleih­för­de­rung. Gegen Aufsto­ckungen ist im Prinzip nichts zu sagen. Aber die Verleiher sind die einzigen, die überhaupt noch Geld im Kino verdienen. Wenn man sie fördern will, sollte man die Heraus­gabe bestimmter Filme fördern, von Filmen, deren Sicht­bar­keit gewünscht ist. Nicht die aller Filme.
Und wenn Grütters schreibt, die bishe­rigen Antrags­vor­aus­set­zungen für Verleih­för­de­rungen würden »gemeinsam mit der Branche überprüft und an die Markt­ent­wick­lungen der letzten Jahre (insb. im Hinblick auf die Digi­ta­li­sie­rung) angepasst«, dann ist das schön formu­liert. Gemeint ist: Die viel­ge­lobte Digi­ta­li­sie­rung schadet den kleinen Verlei­hern. Jetzt können alle Star Wars spielen.
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Standbild aus 'Mitten im Leben' © RTL

Britta Steinwachs über die Inszenierung einer „Unterschicht“ in Fernsehsendungen des so genannten „Scripted Reality“. Britta Steinwachs ist Soziologin und befasst sich ideologiekritisch mit popkulturellen Phänomenen. Das Interview führte Patrick Schreiner[*].

Der Beitrag steht auch als Podcast zur Verfügung.

Sie befassen sich in Ihrem Buch „Zwischen Pommesbude und Muskelbank“[**] mit der „Inszenierung der Unterschicht“ im Fernsehen. Was ist Scripted Reality, und welche Rolle spielt sie bei eben dieser Inszenierung?

Britta Steinwachs: Scripted Reality ist ein Sammelbegriff für eine in den vergangenen Jahren aufgekommene Vielzahl an Fernsehformaten, die pseudo-dokumentarische Techniken mit einer klar vorstrukturierten Erzählung verbinden. Viele kennen da sicher Sendungen wie „Mitten im Leben“ oder „Familien im Brennpunkt“. Im Scripted Reality werden drehbuchbasierte Geschichten erzählt, die wie mitten aus dem alltäglichen Leben gegriffen wirken sollen. Dabei werden einerseits Techniken des Dokumentarfilms angewendet, wie zum Beispiel verwackeltes Filmen mit einer Handkamera. Auf diese Weise wird der Eindruck erweckt, es handle sich um authentische Szenen, bei denen „nur die Kamera draufgehalten wird“. Andererseits arbeiten diese Formate gezielt mit Laiendarsteller_innen, deren Körper und Wohnort zum Spielball einer zwiespältigen Inszenierung zwischen fiktiver Konstruktion und lebensweltlicher Authentizität wird. All das, was sich mit dem klassenspezifischen Habitus der Darsteller_innen umreißen lässt (also zum Beispiel spezifisches Körperempfinden und Körpersprache sowie Kleidungsstil), wird damit als zentrales Gestaltungselement in den medialen Produktionsprozess integriert.

Welche Funktion oder Rolle nimmt dieser „klassenspezifische Habitus“ ein?

Britta Steinwachs: Die in den Sendungen dargestellten Verhaltensweisen und Geschmäcker der Akteur_innen sind keine zufälligen Besonderheiten einzelner Charaktere, sondern verweisen immer auch auf gesellschaftliche Strukturen. Dem Habitus kommt also eine symbolische Dimension zu: Wenn man einen unbekannten Menschen im Fernsehen sieht und dort gezeigt wird, wie er sich kleidet, spricht, artikuliert usw., dann lässt sich daraus stets mehr als das direkt Gezeigte ablesen. Mit einem intuitiven Sinn erkennt das Publikum – oft auch unbewusst – meist sofort, welcher sozialen Klasse das Gegenüber angehört. Wenn im Fernsehen nun mithilfe von Laiendarsteller_innen vermeintlich realistische Alltagsgeschichten erzählt werden, ergibt sich daraus die besondere Konstellation, dass sich hier der „reale“ Habitus von Menschen mit einer fiktiven Erzählung verwebt. Aus diesem Grund wirken die Figuren in ihrer halbrealen und halbfiktiven Körperlichkeit authentisch. Dies ist auch ein Grund für den großen Erfolg dieser Formate.

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Noch steht er im Hintergrund, aber gleich wird der Regisseur Axel Ranisch eine Rede halten. Mit dem „FairFilm®Award“ zeichnen die Berufsverbände der Branche alljährlich vorbildliche Produktionsbedingungen aus. | Foto © Stefan Maria Rother


Meinen ersten Kinofilm „Dicke Mädchen“ habe ich vor fünf Jahren gedreht. Mit einem aberwitzigen Budget von 517,32 Euro. Ich habe von vielen Filmschaffenden dafür Ärger bekommen. Ich versaue die Preise auf dem Markt, ich schüre den Glauben, dass man ohne Geld Filme drehen kann. Das mag vielleicht sogar sein. Aber, liebe Kollegen, was hätte ich denn machen sollen? Ich hab es doch versucht. Aber mich kannte doch keiner. Niemand hätte mir Geld gegeben, um mein Team und meine Schauspieler anständig zu bezahlen, ohne, dass ich mich und den Film, den ich drehen wollte, hätte dafür verbiegen müssen.
Ich kenne überhaupt keinen einzigen Filmemacher, der nicht unter Ausbeutung seines Teams und der eigenen Ressourcen angefangen hat Filme zu drehen. Das lässt doch nur eine Schlussfolgerung zu: Wir bekommen dieses beschissene unfaire Verhalten anerzogen. Es gibt, so weit ich weiß, an keiner deutschen Filmhochschule einen Workshop über faires Produzieren. Mir hat man noch vor meinem Studium beigebracht: Wenn du zum Film willst, dann arbeitest du die ersten zehn Jahre umsonst; und wenn du dieses Opfer nicht aufbringen willst, dann bist du falsch in der Branche. Also warum wundern wir uns dann über die beschissenen Arbeitsbedingungen, wenn so eine Moral herrscht?
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Symptomatische Angst – Till Schweiger in Tschiller: Off Duty © 2016 Warner

Wie klein muss einer sein: Was Dieter Kosslick und Til Schweiger gemeinsam haben, 5,2 Millionen für Tschiller und natürlich die leider unbe­merkte Bank­rotter­klä­rung der deutschen Film­för­de­rung – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 126. Folge

Von Rüdiger Suchsland (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen)

»Die gefor­derte neue Film­kritik kriti­siert die Gesell­schaft, aus der der Film hervor­geht.«
Enno Patalas und Wilfried Berghahn in der Zeit­schrift »Film­kritik«, 3/1961

»Germans do always try to copy American charac­ters; Greeks try not to show too much about Greek charac­ters.«
Hans W. Geißen­dörfer auf der Abschluß­ver­an­stal­tung des »Grie­chi­schen Filmfests« in Berlin.

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Stefanie Stap­pen­beck gehört zu den deutschen Schau­spie­le­rinnen, die ich schon immer ein bisschen unter­schätzt fand. In manchem schlechten Film ist sie der einzige Licht­blick. Und einiges Pech hat sie auch gehabt: Als sie 2009 endlich eine Serien-Haupt­rolle im ARD-Poli­zeiruf bekam, die überaus inter­es­sante und unge­wöhn­liche Figur des Hauptmann Ulrike Steiger, einer deutschen Generals Daughter, die in Uniform in der Bundes­wehr ermittelt, und dann, enttäuscht vor allem vom eigenen
Vater, die Bundes­wehr verlässt, aber mit dem ganzen über­holten Disziplin-Befehl&Gehorsams-Müll im Kopf, zur Münchner Polizei kommt – da hätte das mit der Stap­pen­beck das Zeug gehabt, eine würdige Edgar-Selge-Nachfolge-Polzeiruf-Reihe zu werden. Doch ihr Partner Jörg Hube starb nach der ersten Folge und anstatt dann etwas draus zu machen, das reale Leben als Chance der Fiktion zu sehen, stellte die ARD alles und damit auch die Stap­pen­beck-Figur ein.
Vier Jahre später dann spielte sie im neuen Hamburger Tatort, aber nur die Frau, noch dazu geschie­dene, des Ermitt­lers. Und ausge­rechnet an der Seite von Til Schweiger. OMG, die Arme dachte ich als Stap­pen­beck-Sympa­thi­sant, und dann, als sie, natürlich weil der doofe Dödel Nick Tschiller schuld hatte, kurz vor Sylvester erschossen wurde, war das ein tiefer Stich ins Herz. Der Trost kam dann ein paar Tage später, als klar wurde: Für sie ist der Tod als Schweiger-Frau ein Aufstieg. Denn im
Sommer spielt sie dann im ZDF wieder eine Ermitt­lerin.

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Gleich zu Anfang eine Ankün­di­gung in eigener Sache: Nächste Woche fängt ja nicht nur am, Donnerstag die Berlinale an, und einen Tag vorher etwa gleich­zeitig mit der nächsten regulären artechock-Ausgabe, sondern bereits ab Montag gibt’s ein artechock-Berlinale-Special mit täglich neuen Texten, und einigen Über­ra­schungen. Und das nicht nur hier, sondern auch auf Facebook, und viel­leicht noch in anderer Form. Es lohnt sich also, regel­mäßig nach­zu­schauen.

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Es wird die 66. Berlinale überhaupt und erst die 15. mit Dieter Kosslick – obwohl man den Eindruck haben könnte, der Mann sei schon ewig da. Immerhin wird er in paar Wochen länger im Amt sein, als Helmut Kohl Bundes­kanzler war, und im Gegensatz zum Pfälzer scheint den Berlinale-Chef die Macht eher jung zu halten. Wahr­schein­lich würde er selber sagen, dass das alles an Yoga und seinem Vege­ta­rismus liegt, aber wer Kosslick am Dienstag auf der dies­jäh­rigen Berlinale-Pres­se­kon­fe­renz beob­ach­tete, der merkte, wie schön es sein muss, wenn einem überhaupt niemand mehr wider­spricht. Diese Stufe hat Kosslick inzwi­schen erreicht. Die, die ihn blöd finden, haben es inzwi­schen aufge­geben, weil man sach­be­zo­gene Debatten mit dem Mann sowieso nicht führen kann. Und die, die ihn anhimmeln, himmeln ihn an.
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'Was für ein Schlamassel' - The Hateful 8 © 2015 Weinstein

Unter­schei­dungs­ver­mögen, Leiden­schaft, Subjek­ti­vität: Der Film­kri­tiker als Zeit­ge­nosse – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 125. Folge

»Prak­ti­sche Antwort eines sowje­ti­schen Künstlers auf gerechte Kritik«
Titel der 5.Symphonie von Dimitri Shosta­ko­vitsch

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Eine Studentin, die eine Arbeit über Film­kritik im Wandel der Medien­land­schaft schreibt, und darin versucht, mit sozio­lo­gi­scher Genau­ig­keit durch Publi­kums­be­fra­gung neue »Nutzer­typen« zu erkennen, befragt mich und bittet um Charak­te­ri­sie­rung meiner Arbeit. Der Ansatz ihrer Arbeit ist wichtig, weil sie einmal das Publikum in den Blick nimmt. Das ist die erste Voraus­set­zung zu einer unbedingt nötigen Kritik des Publikums. Denn es stimmt nicht, dass das Publikum »immer recht« hätte und es ist ein Miss­ver­s­tändnis von Demo­kratie, alles Elitäre zu verachten und zu glauben, dass das »Volk« oder gar »die Mehrheit« immer recht habe. Viele User neuer Medien über­schätzen die neuen User­par­ti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­keiten syste­ma­tisch, weil sie selbst User sind, also aus schlichter Selbstüber­schät­zung, die sehr mensch­lich ist.
Nehmen User durch Bewer­tungen und Kommen­tare eine immer bedeu­ten­derer Rolle ein? Nein. Denn auch User, die bloggen, sind Publikum, und die werden nur dann zu Film­kri­ti­kern, wenn sie Film­kri­tiken verfassen. Ansonsten sind sie Teil des Meinungs­schwarms. Und der mag denken, was er will. So wenig eine Quote im Fernsehen etwas über Sendungs­qua­lität aussagt, so wenig dieser Schwarm und seine Meinungen.
Über Kunst, ihren Gehalt, ihre Aussage, ihre Qualität und ihren Wert kann man nicht demo­kra­tisch abstimmen.

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Nicht alle Zuschauer sind klug. Das Miss­trauen, das manche etwa gegen Film­kri­tiker äußern, weil sie »bezahlt« seien ist genauso absurd unin­for­miert wie das Vertrauen in Schwar­min­tel­li­genz und Ratings (etwa imdb) naiv ist. So etwas kann man genauso indus­triell orga­ni­sieren, wie eine positive Kritik – und das passiert auch.
Mich erschüt­tert oft der Ernst, der in uns und unsere Texte hinein­pro­ji­ziert wird. Zu wenige erkennen das Spie­le­ri­sche einer Film­kritik, überhaupt eines Textes. Wir sind eben gerade keine Wissen­schaftler, wir produ­zieren keine objek­tiven Aussagen, sondern Subjek­ti­vität. Wir sind ein Medium, auf dem der Film Resonanz erzeugt. Film­kri­tiken sind emotio­nale, intel­lek­tu­elle und stilis­ti­sche Reso­nanzen eines Films. Der Film erzwingt eine bestimmte Kritik von mir – das sagt so viel über mich, wie über den Film.
Aber manchmal spiegelt mein Text auch eine Debatte, einen reinen Teil­as­pekt eines Films, der für mich zu kurz kam. Oder ich betone etwas über Gebühr, weil es bisher unter den Tisch fiel.
Leser scheinen dagegen oft eine Objek­ti­vität zu erwarten und auch zu verlangen, die ich gar nicht liefern will. Wenn sie dann mitunter auch noch behaupten zu wissen, was »guter« oder »schlechter« Jour­na­lismus sei, wird es lächer­lich, dann ist ihr Urteil oft dumm und dreist. Sie verkennen, dass Film­kritik so wenig Reportage ist, wie Wirt­schafts­teil Ergeb­nis­dienst. Es ist Feuil­leton, also spie­le­risch, lite­ra­risch, künst­le­risch.

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„Das Beste an einem Film ist sich mit den Figuren identifizieren zu können.”
Geena Davis, US-amerikanische Schauspielerin. GDIGM.

Ein schöner Gedanke! Und bei der Masse an Film- und Fernsehfilmen, die Jahr für Jahr in Deutschland produziert werden, sollte auch für alle etwas dabei sein. Oder etwa nicht?

Die Ausgangslage: Deutlich weniger Frauenfiguren

In Deutschland leben 51 % Frauen und 49 % Männer, im deutschen Fernsehen wird dieses Verhältnis aber nicht annähernd gespiegelt.
Abbildung 1 zeigt die Hauptcasts von je drei ARD und ZDF Sendereihen (erstausgestrahlte Filme, 20.15 Uhr) aus dem Jahr 2015:

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Das sind die Durchschnittswerte für jeweils 31 – 40 Filme. Eine generelle Männerlastigkeit ist evident, einzig in der Herzkinoreihe gibt es eine fast ausgeglichene Verteilung: 49 zu 51. Reicht das als Gegengewicht zu den männerstrotzenden Krimis?

Männerdominierte Casts sind kein neues Phänomen, siehe dazu auch FilmMittwoch im Ersten: „Nur Fiktion”? und Zweimal werden wir noch wach.

Die folgende Abbildung zeigt alle Filme der sechs 2015er Reihen, in deren Hauptcasts ein Geschlecht mindestens doppelt so häufig vorkommt wie das andere:

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Mehr als ein Viertel der 208 Filme hatten mindestens doppelt so viele Männer- wie Frauenrollen im Hauptcast, davon 18 zwischen drei und sechsmal so viele. An der Spitze stehen DIE SEELEN IM FEUER (ZDF, 1 F – 11 M) und NACKT UNTER WÖLFEN (0 F – 15 M).
Insgesamt gab es aber nur vier Filme, die ein 2 bis 3-faches Frauenübergewicht hatten, darunter findet sich jedoch kein Herzkinofilm, es scheint also möglich zu sein, ein Geschlecht schwerpunktmäßig ins Zentrum zu stellen ohne das andere außen vor zu lassen, – im Gegenteil, für diesen Sendeplatz weist die Analyse 5 männerlastige Filme aus.

Selbstverständlich spricht nichts gegen Filme, die Geschichten mit einem großen Männerrollenübergewicht erzählen oder gegen Filme, die nur von Männern handeln. Nur, wo bleibt der Ausgleich? Weiterlesen

© Film- und Medienstiftung NRW

Die vorliegende cn-klappe zeigt einen Zusammenschnitt eines Gespräches Zusammenschnitt eines Gespräches im Rahmen des Film- und Kinokongress NRW mit der Schauspielerin und Preisträgerin des Herbert-Strate-Preises 2015.

Der Beitrag gliedert sich in folgende Kapitel:

Intro
Kapitel 1: Iris Berbens Weg zum Film
Kapitel 2: Die Filmbranche damals und heute
Kapitel 3: Die Schauspielerei ist ein Handwerk
Kapitel 4: Vom Sternchen zum Star & vom Kino zum Fernsehen
Kapitel 5: Die Magie des Kinos
Kapitel 6: Stagniert das deutsche Fernsehen?
Kapitel 7: Die Komödie als Krux des Schauspielers
Kapitel 8: Die gesellschaftliche Verantwortung des Einzelnen

Viel Spaß beim Anschauen: Zur cn-klappe bei casting-network

The Revenant starring Leonardo DiCaprio as explorer Hugh Glass who, after a brutal bear attack, is left for dead by his own party. - © 20th Century Fox

Die Medi­en­ma­schine des Terrors – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 124. Folge

»Dass es so bleibt, ist die Kata­strophe.« – Walter Benjamin

»Die Bezeich­nung ‚Isla­mo­phobie‘ hätte ohne die oft schwach­sin­nige Kompli­zen­schaft der Medien nicht diesen aber­wit­zigen Erfolg. (…) Der Islam, den die Medien ihren Konsu­menten aufti­schen, kommt notwen­di­ger­weise radikal und voll­bärtig daher. Tatsäch­lich ist das, was die großen Medien als Infor­ma­tion über den Islam ausgeben, häufig eine Karikatur. (…) Kurz gesagt, der Jour­na­list trägt dazu bei, ein Problem aufzu­bau­schen, um dann anschließend so zu tun, als wundere er sich über die Existenz und das Fort­be­stehen dieses Problems.« – CHARB, »Brief an die Heuchler – und wie sie den Rassisten in die Hände spielen«, Paris 2015 (Stuttgart 2015)

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Fragen des Jahres: Wer ist eigent­lich »wir«? Was heißt »das«? Und was meint sie mit »schaffen«?

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»So grandios, dass dieje­nigen, die sie fertig sehen, uns für wahn­sinnig halten.« So schrieb Ferdinand III. von Kastilien im Jahr 1248 in seinem Beschluss zum Bau der Kathe­drale von Sevilla. So wurde die dritt­größte Kathe­drale nach dem Petersdom und St. Pauls in nur 70 Jahren gebaut.
So muss man heran­gehen, an Kunst, an Politik, an Film. Wahn­sinnig! Wir brauchen mehr Wahnsinn!

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»Geheim­dienst warnte vor Anschlag« – auch so eine Dumm­beu­tel­schlag­zeile, die heute wieder zu lesen war und die nach jedem Anschlag mittlerer Größe hoch­ploppt. So auch heute. Irgendein Geheim­dienst hat immer irgend­etwas vorher gewusst, zumindest nach Ansicht irgend­wel­cher Medien.

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Das einzig Gute an dem Attentat von Istanbul und am Tod David Bowies in dieser Woche war die Stille danach: Für einen halben Tag war mal Ruhe mit Köln, Sylvester und den Frauen. Dann schwoll das Rauschen wieder an. Der CDU-Gene­ral­se­kretär, dessen Namen man auch nach über zwei Jahren im Amt einfach nicht kennt und der es deswegen besonders nötig hat, forderte »tausend Abschie­bungen am Tag«.
Das Schlimme daran ist nicht, dass Peter Tauber das gesagt hat. Zumindest ich erwarte nach wie vor nichts Besseres von einem Gene­ral­se­kretär der CDU, als dass er den Rechts­po­pu­listen hinter­her­läuft. Das Schlimme ist, dass davon berichtet, es nach­druckt, gesendet und damit ernst genommen wird. Das Schlimme ist die Energie, die damit draufgeht, von Jour­na­listen und in den Redak­tionen, der Platz in Zeitungen, die Sende­mi­nuten in Radio und Fernsehen, die anderem fehlen, das es mehr verdient hätte. Das Schlimme ist die Verkom­men­heit und der Dilet­tan­tismus von Medien, die von der »Vierten Gewalt« zu Sound­ver­s­tär­kern verkommen sind.
»Tausend Abschie­bungen pro Tag« – wieviel Selbst­ver­ach­tung muss ein Politiker haben, bevor er so etwas öffent­lich von sich gibt? Aber wieviel Selbst­ver­ach­tung brauchen erst Jour­na­listen und ihre Medien, um den Stuss noch zu beachten?

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„Steenbeck flatbed 16mm ST 921 (6498659541)“ von DRs Kulturarvsprojekt from Copenhagen, Danmark - Steenbeck flatbed 16mm ST 921Uploaded by palnatoke. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons

Zur Klärung dieses mittlerweile bei vielen Selbständigen vergällten Themas des eigenen „Status“ und zur sozialen Absicherung derjenigen, die – zur Einsparung von Sozialabgaben in eine Selbständigkeit gedrängt werden, obwohl sie abhängig Beschäftige sind – dafür gibt es das Statusfeststellungsverfahren.

Fast jeden freien Editor, oft seit den 90er-Jahren selbständig – als noch der Befreiungsschein von der Rentenversicherungspflicht durch die damalige BfA (heute Deutsche Rentenversicherung Bund) die Selbständigkeit bestätigte, insbesondere Kameraleute, die auf Rechnung arbeiten, aber auch Maskenbildner und zunehmend alle weiteren kreativen Departments trifft es.
Aus Angst vor den Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger tendieren immer mehr Produktionen dazu, die Durchführung des Statusfeststellungsverfahren von Rechnungsstellern zu verlangen. Leider geht es (teilweise regional) so weit, dass unabhängige Produktionsfirmen von vornherein grundsätzlich nur noch befristete Anstellungen für Rechnungssteller anbieten. Diese Entwicklung kann jedoch nicht die Lösung sein, denn sie geht allein zu Lasten derjenigen, die sich aus Überzeugung für eine selbständige Tätigkeit als Film- und Kulturschaffender auf dem freien Markt entschieden haben. Für den Nachwuchs kann das künftig bedeuten, dass es keine Selbständigkeit mehr als Editor, Kamerafrau/-mann, Masken- , Kostüm- oder auch Szenenbildner geben wird. Ob das gut oder schlecht ist hängt wiederum von entsprechenden (derzeit nicht branchengerechten) Regelungen im Sozialgesetzbuch ab, die alle nicht-„schöpferischen“, weisungsgebundenen Filmschaffende nur zu gut kennen und Arbeitslosen- und ggf. gesetzliche Rentenansprüche trotz unsteter, befristeter Beschäftigung regeln.
Langfristig können hier nur entsprechend sachgerechte Vereinbarungen der Spitzenverbände Lösungen bringen – mittelfristig kann jedoch nur durch eine gefestigte Rechtsprechung mehr Rechtssicherheit erlangt werden, die Einfluss auf entsprechende politische Entscheidungen haben kann – und die gibt es bisher leider nur vereinzelt und scheint (beiderseits) vermieden zu werden.

Was ist das Statusfeststellungsverfahren?
Durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit hat der Gesetzgeber in § 7a SGB IV das sogenannte Anfrage- oder auch Statusfeststellungsverfahren eingeführt. Das Verfahren dient der Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status oder anders, ob eine Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung) besteht.
Die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldepflichten – auch zur Künstlersozialabgabe wird bei den Arbeitgebern im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV mindestens alle vier Jahre überprüft.
Das gesetzgeberische Anliegen zur Einführung des Antragsverfahrens war vor allem die Verhinderung der „Scheinselbständigkeit“. Mittlerweile scheint es allerdings auch der Bekämpfung von Selbständigkeit innerhalb des Filmsektors zu dienen. Hier kämpfen nämlich nicht mehr nur scheinselbständige freie Mitarbeiter um ihre soziale Absicherung, sondern die DRV auch um die Beiträge von seit Jahren Selbständigen. Weiterlesen

Heinrich Schafmeister | CREDIT: Steffi Henn

Über Heinrich Schafmeister
Statt eines „personalisierten“ Steckbriefes haben wir Heinrich Schafmeister ein paar Fragen zu seiner Person gestellt, um Euch ein lebhaftes Bild unseres Interviewpartners vermitteln zu können:

Deine eigentliche Leidenschaft galt dank der „Beatles“ der Musik, wie kam es dann trotzdem zum Abbruch des Musikstudiums und der Berufswahl Schauspieler?
Das war Ende der Siebziger: Ich zog schon seit Jahren mit Bands umher und machte Straßenmusik. Meine damalige Freundin brachte mich auf die Idee, mein Treiben durch eine künstlerische Ausbildung zu fundieren. Da ich damals gerade mit Piet Klocke und anderen Freunden in einer Rocktheaterband spielte und wusste, dass ich für ein Klavierstudium nicht virtuos genug sein würde, habe ich mich zur Schauspielaufnahmeprüfung an der Folkwang-Schule angemeldet. Womit ich nicht gerechnet hatte: Die haben mich aufgenommen. Und so bin ich auf die „schiefe Bahn“ der Schauspielerei geraten. Ich bin nicht unglücklich darüber!
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