Die Regisseure werden immer älter, die Frauen nicht mehr und die Deutschen laufen im Ghetto – was tut Dieter Kosslicks Berlinale wirklich für den deutschen Film? Eine Münchner Studie liefert überraschende Ergebnisse – Berlinale-Tagebuch, Folge 06
Die Berlinale ist das mit Abstand größte deutsche Filmfestival und auch eines der international bedeutendsten Filmfestivals der Welt. Dort laufen in über einem Dutzend Sektionen und Untersektionen Filme aus aller Welt, nicht zuletzt auch immer mehr Filme von Regisseurinnen und immer mehr Filme aus Deutschland. Denn die Berlinale behauptet von sich, dass sie Frauen fördert und viel für das hiesige Kino tut, ein Schaufenster für den deutschen Film ist.
»Wir haben 74 deutsche Filme in allen Programmen der Berlinale, das ist ja auch wichtig und drei im Wettbewerb und mehrere deutsche Filme noch im ‚Berlinale-Spezial‘.« Also sprach Berlinale Direktor Dieter Kosslick erst vor einer Woche, als er das diesjährige Programm vorstellte. Stimmt doch auch. Oder etwa nicht?
Es stimmt zumindest nicht ganz, muss man zugeben. Drei Wissenschaftler der LMU, der Münchner Universität und der HFF München, der Münchner Filmhochschule, Tanja C. Krainhöfer, Konrad Schreiber und Dr. Thomas Wiedemann,haben jetzt etwas genauer hingeschaut, was wirklich an den vollmundigen Behauptungen und dem Selbstlob der Berlinale dran ist.
Das Ergebnis ist ernüchternd.
Die Wissenschaftler haben 37 Jahre Berlinale-Programm gründlich unter die Lupe genommen und nach Herkunft, Alter und Geschlecht der Filmemacher aufgeschlüsselt. Weil im Gegensatz zu Cannes oder Venedig in Berlin die Leiter leicht die Amtszeiten sowjetischer Parteifunktionäre überschreiten, werden damit genaugenommen nur zwei Intendanten miteinander verglichen: Der Schweizer Moritz de Hadeln, der 1980 die Leitung der Berlinale übernahm, und sein Nachfolger nach 21 Jahren,
Dieter Kosslick, der, wenn er im Jahr 2019 aufhört, auch 19 Jahre im Amt sein wird.
Was etwas trocken als »Untersuchung der Programmdiversität« – also der Programmvielfalt – »der Internationalen Filmfestspiele Berlin« bezeichnet wird, ist
viel mehr nur eine enorme Fleißarbeit – hinter allerlei Zahlentabellen und Diagrammen enthält der Text auch einigen kulturpolitischen Sprengstoff.
Das wichtigste Ergebnis: Der Anstieg des deutschen Produktionsaufkommens spiegelt sich nicht in einer Erhöhung der programmierten deutschen Produktionen wider. Gemessen am Gesamtprogramm, das in den letzten Jahrzehnten mehr als verdreifacht wurde, hat der Anteil der deutschen Filme sogar abgenommen.