Schauspieler in Hochschulfilmen – Die neuen „Ehrenamtlichen Mitarbeiter“

,
Gendergerechtigkeit ist schon seit 25 Jahren im Filmförderungsgesetz festgeschrieben. Erst jetzt wurde sie umgesetzt. Es brauchte wohl eine unmissverständliche Gebrauchsanleitung, wie sie erst der neue Gesetzestext liefert. | Grafik © cinearte

Szene aus Das Leben der Anderen mit Sebastin Koch und Martina Gedeck | Foto © Wiedemann und Berg

Wer Regisseur oder Filmproduzent werden will, dem eröffnet sich in Deutschland eine Vielzahl von Möglichkeiten. Neben zahlreichen privaten Akademien und Schulen bieten sieben staatliche und zwei staatlich anerkannte private Filmhochschulen entsprechende Studiengänge an. Zur praktischen Ausbildung gehört naturgemäß auch das Drehen eigener Filme. Je nach Hochschule variieren Anzahl und Format der Eigenproduktionen. Zu den Projekten gehören kurze Übungsfilme mit einer Länge von wenigen Minuten – aber auch abendfüllende Abschlussfilme. Für ihre Produktionen sind die Studenten regelmäßig auf die Mitwirkung externer Gewerke angewiesen, da nicht alle erforderlichen Leistungen durch die Studenten selbst erbracht werden können. Insbesondere können naturgemäß nicht alle Rollen durch Schauspiel-Studenten besetzt werden, so dass die Liste erfahrener Schauspieler, die in Studentenproduktionen mitgewirkt hat, endlos lang ist.

Da für studentische Produktionen in der Regel nur minimale finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, erbringen Schauspieler ihre Leistungen regelmäßig unentgeltlich. Soweit solche Studentenproduktionen nicht für eine kommerzielle Verwertung vorgesehen sind, ist hieran grundsätzlich auch nichts auszusetzen. Beide Seiten profitieren von der Zusammenarbeit: Die Studenten lernen von der Arbeit mit professionellen Schauspielern – und den Schauspielern bieten studentische Produktionen immer wieder die Möglichkeit, ihr Können in besonderen Rollen zu zeigen, die ihnen im Rahmen von kommerziellen Produktionen nicht geboten werden.

Nicht alle Studentenfilme verschwinden jedoch nach ihrer Fertigstellung im Archiv der Hochschule. Vor allem die abendfüllenden Abschlussfilme werden regelmäßig auch wirtschaftlich ausgewertet. In der Regel reichen die Erlöse aus einer solchen Verwertung zwar nicht annähernd zur Deckung der Produktionskosten – aber es gibt Ausnahmen. „Das Leben der Anderen“ war der Abschlussfilm von Florian Graf Henckel von Donnersmarck an der HFF München. Der Film wurde mit dem Deutschen Filmpreis, dem Bayerischen Filmpreis und dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet und spielte weltweit in den Kinos rund 77 Millionen US-Dollar ein. Roland Emmerichs Abschlussfilm „Das Arche Noah Prinzip“ lief 1984 auf der Berlinale und wurde in über 20 Länder verkauft.

Es steht außer Frage, dass es sich bei diesen Beispielen um absolute Ausnahmeerscheinungen handelt. Dennoch bot sich für den Fall, dass eine studentische Produktion für eine kommerzielle Auswertung z.B. im Kino oder im Fernsehen vorgesehen war, für den Schauspieler in der Vergangenheit die Möglichkeit, seine Leistung zwar zunächst unentgeltlich zu erbringen – vertraglich jedoch eine Beteiligung für den Fall zu vereinbaren, dass der Film kommerziell erfolgreich ist. Z.T. wurde insofern die Gage „zurückgestellt“, d.h. vereinbart, dass eine Gage erst dann bezahlt werden würde, wenn die Produktion bestimmte Erlöse verzeichnen konnte. Teilweise wurde auch eine Beteiligung an den Auswertungserlösen vereinbart.

Die Einführung des Mindestlohngesetzes in Deutschland zum 01.01.2015 stellte die Hochschulen und ihre Studenten jedoch plötzlich vor ein schwer lösbares Problem: Bei den Verträgen mit Schauspielern handelt es sich regelmäßig um Arbeitsverträge über sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten. Nach dem neuen Gesetz hätten die Schauspieler somit in jedem Fall einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 EUR/Stunde. Selbst bei einem überschaubaren Cast sind die finanziellen Mittel hierfür regelmäßig nicht vorhanden. Auch die früher beliebten Rückstellungsvereinbarungen waren aufgrund des Mindestlohngesetzes nicht mehr möglich.

Die „Lösungsansätze“ der Hochschulen für diesen Konflikt sind vielfältig. Besonders beliebt ist das Konstrukt einer „ehrenamtlichen Tätigkeit“ des Schauspielers, da diese nach § 22 Abs. 3 des Mindestlohngesetzes vom Mindestlohn ausgenommen ist. Forderungen von Schauspielern und ihren Agenten, insbesondere bei größeren Produktionen, für die eine kommerzielle Auswertung geplant ist, eine Beteiligung des Schauspielers an den Auswertungserlösen zu vereinbaren, wurden unter Verweis auf die neue Gesetzeslage abgelehnt.

Diese neue Lage führt nach Ansicht unseres Verbandes zu einem nicht akzeptablen Ungleichgewicht. Selbstverständlich ist es wichtig, dass Schauspieler den Nachwuchs tatkräftig unterstützen und die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass unzählige Schauspieler hierzu auch bereit sind. Eine solche Produktion kann dann zum beeindruckenden Ergebnis einer Teamleistung werden. Wenn mit dieser Teamleistung dann aber Erlöse erzielt werden, dann erscheint es nur angemessen, dass davon auch etwas an diejenigen zurückgegeben wird, die ihre Arbeitsleistung unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben und häufig für den Erfolg des Films unersetzlich gewesen sind.

Zumindest in den Fällen, in denen eine kommerzielle Auswertung einer studentischen Produktion vorgesehen ist, hält unser Verband es für unangemessen, den gesetzlich vorgesehen Mindestlohn durch die Beschäftigung der Schauspieler als „ehrenamtliche Mitarbeiter“ zu umgehen und zugleich auch jegliche Beteiligung des Schauspielers an etwaigen Erlösen abzulehnen.

Nicht zu vernachlässigen ist auch ein anderer Gedanke: Welche Erfahrungen nehmen die Produzenten und Regisseure von morgen aus diesen Produktionen mit? Dass Filmproduktionen finanzielle Herausforderungen sind – ja sicher. Aber auch, dass die Leistung von Schauspielern nicht unbedingt etwas kosten muss, sondern dass es durchaus möglich ist, Schauspieler mit interessanten Rollen zur unentgeltlichen Mitwirkung zu gewinnen.

Unser Verband verkennt keineswegs die finanziellen Probleme der Hochschulen. Wir müssen uns daher dafür einsetzen, die finanzielle Situation der Filmhochschulen entscheidend zu verbessern. Bisher stehen für studentische Produktionen nur völlig unzureichende Geldmittel zur Verfügung. Zwar gibt es staatliche Förderungen – aber auch die sind im Zweifel nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Eine nicht unerhebliche Anzahl studentischer Produktionen wird zudem im Fernsehen ausgestrahlt. Wenn insbesondere öffentlich rechtliche Sender mit solchen Produktionen ihr Programm gestalten, dann sollten diese Sender auch – mehr als bisher – in die finanzielle Unterstützung der Filmhochschulen eingebunden werden.

Wenn wir dafür sorgen wollen, dass Studenten in Deutschland zu erfolgreichen Regisseuren und Produzenten ausgebildet werden, dann kann dies nicht allein dadurch erfolgen, dass hochschul-externe Gewerke unentgeltlich ihre Leistungen zu Ausbildungszwecken „ehrenamtlich“ zur Verfügung stellen.

Erforderlich ist zunächst eine bessere Transparenz im Hinblick auf die geplante Verwertung der Ausbildungsproduktionen. In der Regel wird dem Schauspieler, dem ein Vertrag über die Mitwirkung in einer studentischen Produktion angeboten wird, nicht mitgeteilt, ob und wie der Film ausgewertet werden soll. Gleichwohl verlangen die Hochschulen regelmäßig, dass der Schauspieler einer umfassenden Verwertung – von der Kino- über die Fernseh- bis zur DVD-Auswertung zustimmt.

Unser Verband hat sich im vergangenen Jahr an zahlreiche Hochschulen gewandt und gegen die Verpflichtung von Schauspielern als „ehrenamtliche Mitarbeiter“ oder in vergleichbaren Konstruktionen protestiert. Zusammen mit dem BFFS haben wir den Hochschulen angeboten, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die für beide Seiten akzeptabel sind. Leider haben bisher nur drei Hochschulen dieses Angebot angenommen: Mit der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und der DFFB Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin fanden konstruktive Gespräche statt und es wird gemeinsam nach einer Möglichkeit gesucht, Schauspieler an einer kommerziellen Auswertung filmischer Produktionen zu beteiligen. Auch mit der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) gab es Gespräche. Nach letzten Erfahrungen ist die KHM dazu übergegangen, mit den Schauspielern wieder „normale“ Arbeitsverträge abzuschließen und ihre Leistungen zu vergüten.

Es ist außerordentlich bedauerlich, dass die anderen Hochschulen unser Angebot, nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen, bisher nicht angenommen haben. Wir werden unsere Versuche, auch mit diesen Hochschulen in Verbindung zu treten, in diesem Jahr weiter fortsetzen. Es geht dabei nicht allein darum, einen Konflikt widerstreitender Interessen zu lösen. Im Hinblick auf die schlechte finanzielle Ausstattung der Hochschulen bietet es sich vielmehr an, mit vereinten Kräften zu versuchen, die Lage zu verbessern. Eine tatkräftige Unterstützung der Hochschulen durch die Schauspieler und ihre Agenten sollte insofern auch im Sinne der Hochschulen sein.

Julia Bezzenberger, geschäftsführende Justiziarin der VdA