Pandemie-Konformismus, Journal des Verschwindens und Chiffren für das Dahinter: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 59.
„Il faut savoir encore sourire/
Quand le meilleur s’est retiré/
Et qu’il ne reste que le pire/
Dans une vie bête à pleurer“
Charles Aznavour
„Sie haben es abgerissen. Ein aus der Mode gekommenes Restaurant mit riesigem Speisesaal. […] Die Durchreisenden bevorzugten den offenen Saal mit Blick auf die Bahnhofsuhr. […] Die Zeit ist um, meinten sie. Und eröffneten eine gläserne Theke für den Durchgangsverkehr. Du sollst dich nicht aufhalten. Iss, zahle und verschwinde hier.“
Raymond Dittrich
Corona-Zeiten waren Zeiten, in denen wir auch das Filme-sehen neue entdeckt haben. Wir sollten dies nicht verlernen über diesen Sommer unseres Leichtsinns, bevor die zweite Welle kommt und wir kulturelle Überlebenstechniken viel wichtiger brauchen, als Virologie.
Unser Umgang mit Filmgeschichte ist insgesamt ungemein schludrig. Kein Vergleich zu unserem Umgang mit alten Gemälden oder Klassikern der Literatur.
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Stummfilme, das wissen wir ja eigentlich auch, waren nicht stumm oder still. Sie waren begleitet von Musik, oft eigens komponierter, und oft von Soundeffekten. Wir nennen diese Filme so, weil man ab Ende der 20er Jahre mit „Tonfilm“ geworben hat.
Heute kann man diese Filme in der Regel nur in Filmmuseen sehen und dies sehr selten, denn auch die Stummfilme, die überhaupt noch existieren, also zwischen 10 und 20 Prozent der Werke, die mal irgendwann gemacht wurden, sind in den allermeisten Fällen überhaupt nicht zugänglich. Denn die Rechteinhaber verlangen viel zu viel Geld dafür, dass sie im Kino gezeigt werden. Wer heute bedeutende Werke der Filmgeschichte spielen möchte, ist mit massiven finanziellen Forderungen konfrontiert.
Hinzu kommt, dass die interessantesten Werke der alten Filmgeschichte nicht immer diejenigen sind, die wir heute am besten kennen. Auch nicht immer die großen, besonders berühmten Filme, nicht immer die repräsentativen sogenannten „Meisterwerke“. So ähnlich, wie die „Mona Lisa“ nicht unbedingt das beste oder auch nur wichtigste Gemälde der Renaissance ist (vielmehr hat sich diese Vorstellung von der „Mona Lisa“ als „dem“ Non-plus-ultra-Meisterwerk überhaupt erst im 19. Jahrhundert herausgebildet), so wenig ist „Metropolis“ von Fritz Lang (meiner persönlichen Ansicht nach ein ganz toller, unbedingt sehenswerter und sehr besonderer Film, und ohne Frage auch ein ungemein wichtiger) der beste oder der interessanteste Film seiner Epoche.