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„So weit kommt's noch. Sogar vor sich selbst muss man den Schein wahren.“ In der Zeit plädierte Saralisa Volm für einen entspannteren Umgang mit Fehlern, Scheitern und Versagen. Auf Instagram zeigt sie, wie das ungefähr aussehen könnte. | Foto © Saralisa Volm, Instagram

„So weit kommt's noch. Sogar vor sich selbst muss man den Schein wahren.“ In der Zeit plädierte Saralisa Volm für einen entspannteren Umgang mit Fehlern, Scheitern und Versagen. Auf Instagram zeigt sie, wie das ungefähr aussehen könnte. | Foto © Saralisa Volm, Instagram

Frau Volm, auf dem Papier sind sie Schauspielerin, Autorin, Filmemacherin und Mutter von vier Kindern. In der „Zeit“ erzählten Sie hinreißend von Versagensängsten und Scheitern. Ist das die Schauspieler-Wirklichkeit?

Ich habe nicht darüber nachgedacht, ob das schauspiel-immanent ist. Ich erzähle nur aus meinem eigenen Leben. Diese Probleme bringen auch andere Berufe mit sich. Ich bin auch als Regisseurin nervös. Wäre ich Juristin, hätte ich Panik, vor Gericht mein Plädoyer zu halten. Das ist eher eine Typfrage. Aber vielleicht sind viele Schauspieler ja sensibler …

Zu den eigenen Fehlern stehen und Scheitern akzeptieren, proklamieren Sie in Ihrem Artikel und: „Ich kämpfe immer häufiger mit offenem Visier.“ Geht das denn in einer Branche, die nach Sicherheiten und Erfolg verlangt?

Ich habe dieses Jahr das Instagram-Projekt @365_imperfections gestartet, das sich dem täglichen Scheitern widmet. Das beschäftigt mich als Thematik. Ich habe das Projekt und den Artikel aber nicht speziell mit Blick auf die Branche geschrieben, sondern auf die Gesamtgesellschaft. Aber hier mache ich natürlich viele Erfahrungen.
Ob man in der Branche mit offenerem Visier kämpfen kann, versuche ich allerdings gerade noch heraus zu finden.
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Der Branche gehen die Arbeitskräfte aus. Das liegt nicht nur daran, dass mehr gedreht wird. ­­Einige kehren der Branche einfach den Rücken. Warum? Ein Erfahrungsbericht mit Vorschlägen. | Foto © Archiv

Der Branche gehen die Arbeitskräfte aus. Das liegt nicht nur daran, dass mehr gedreht wird. ­­Einige kehren der Branche einfach den Rücken. Warum? Ein Erfahrungsbericht mit Vorschlägen. | Foto © Archiv

Ich bin jetzt seit über zehn Jahren beim Film. Ich habe mit 17 mein erstes Praktikum gemacht und wusste sofort: Da will ich hin! Die Mischung zwischen laufender Baustelle und Kunst, der Rhythmus, der Typ Mensch, der sich für den Beruf entscheidet – das traf alles meinen Geschmack. Man verdient, subjektiv betrachtet, nicht schlecht, kann im Winter ein paar Wochen wegfahren ohne zu befürchten, den Job zu verlieren, und es ist äußerst vielfältig und abwechslungsreich. Aber der Schein trügt und nicht zu knapp. Vielleicht war ich noch zu jung, um das endlose Spiel zu durchschauen. Vielleicht habe ich mich auch von den unzähligen Wichtigtuern blenden lassen. Den Weitblick hatte ich auf jeden Fall nicht, und jetzt stehe ich da ohne Ausbildung, ohne Abschluss, mit einer Berufsbezeichnung, die man „Set-Aufnahmeleitung“ nennt, und mit der ich woanders nichts anfangen kann. 

Meine berufliche Hinrichtung fand allerdings erst statt, als ich Mutter wurde. Es fing schon damit an, dass mir die Elternzeit durch die Agentur für Arbeit nicht anerkannt wurde, weil ich nicht „unmittelbar vor dem Mutterschutz“ sozialversicherungspflichtig war. Zwischen dem Zeitkonto und dem Mutterschutz lagen etwa zwei Wochen. Ich stand also da mit einem einjährigen Kind, ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Gedanke, wieder in den Job einzusteigen, als wäre nichts gewesen, war absurd: tariflich festgelegte 13-Stunden-Tage (2016), Reisebereitschaft, Bereitschaft zur Arbeit an Wochenenden und Feiertagen sowie Nachtarbeit, kurzfristige und absolute Verfügbarkeit. Das mag alles machbar sein, wenn man ungebunden ist, aber mit Kindern ist das unmöglich. 

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„Soziale und ökologische Nachhaltigkeit jetzt!“ fordert die Branchenplattform Crew United. Oder einfacher gesagt:? Die Agenda 2030 gilt auch für die Filmbranche. | Foto © Archiv

„Soziale und ökologische Nachhaltigkeit jetzt!“ fordert die Branchenplattform Crew United. Oder einfacher gesagt:? Die Agenda 2030 gilt auch für die Filmbranche. | Foto © Archiv

Das Filmförderungsgesetz (FFG) prägt die deutsche Filmkultur und Filmwirtschaft, der Gesetzgeber schafft damit den gesetzlichen Rahmen und beauftragt die Filmförderungsanstalt (FFA) mit der Umsetzung. Eine Novellierung des FFG muss mit den kultur-, gesellschafts- und umweltpolitischen Zielen der Bundesregierung übereinstimmen.

Eines der wichtigsten Zielsysteme, denen sich die Bundesregierung verpflichtet hat, sind die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030, die „Sustainable Development Goals“. Sie richten sich an Regierung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft.

Die deutsche Filmbranche ist bei sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit leider nicht Vorreiter, sie hinkt vielmehr weit hinterher: Studien weisen auf die drohende Altersarmut vieler Filmschaffender hin; Projektarbeiter*innen (insbesondere Solo-Selbstständige) fallen durch das soziale Netz; Diesel-Generatoren sind der Standard an Filmsets; der Gender Pay Gap ist bittere Realität vieler weiblicher Filmschaffender.

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Seit einem Jahr stöhnt die Branche immer lauter:?Sie findet kaum mehr Fachkräfte für die Drehs. Selbst Schuld:?Der Mangel in der Filmbranche ist hausgemacht! | Foto © cinearte

Seit einem Jahr stöhnt die Branche immer lauter:?Sie findet kaum mehr Fachkräfte für die Drehs. Selbst Schuld:?Der Mangel in der Filmbranche ist hausgemacht! | Foto © cinearte

Seit ein paar Jahren deutet er sich an. Voriges Jahr wurde er für alle sichtbar. Im Herbst mussten erste Produktionen wegen Fachkräftemangel abgesagt werden. Andere Produktionen drehten bereits etwa ohne Regieassistenz. Jetzt ist der Personalmangel schon im Februar wie Donnerhall zu hören und stellt alle vor eine Zerreißprobe – im Guten wie im Schlechten.

Zahlreiche Filmschaffende haben jetzt schon vor dem eigentlichen Saisonbeginn mehrere Anfragen gleichzeitig und sie können sich das Projekt mit den besten Arbeitsbedingungen heraussuchen. Auch lassen sich nun in den Verträgen Konditionen durchsetzen, die bei vielen Firmen oft schwierig waren, zum Beispiel statt (ohnehin unwirksamer) Pauschalgagen eine richtige Überstundenvergütung mit tariflichen Zuschlägen – das heißt bis zu 100 Prozent.

Anderseits haben die Produktionsfirmen massive Probleme, das notwendige Personal für ein Team zusammenzustellen. Versuche, Filmschaffende im benachbarten Ausland zu akquirieren, scheitern oft an der erforderlichen Qualifikation. Das Problem zeigt sich weniger „above the line“, da die Schauspiel- und Filmhochschulen weiterhin jährlich eine Vielzahl von Regisseuren, Kameraleuten und Schauspielern in den Markt spülen. „Below the line“ sieht es jedoch ganz anders aus. Gesucht sind die „Indianer“, insbesondere Requisiteure, Regieassistenten beziehungsweise 1st AD, Aufnahmeleiter oder Garderobieren.

Der Fachkräftemangel hat vor allem zwei Ursachen: Zum einen mangelt es an Nachwuchs, zum anderen aber verlassen zahlreiche hochqualifizierte und langjährig erfahrene Filmschaffende die Branche. Beide Probleme sind selbstgemacht. Weil die Filmbranche es bis heute versäumt hat, verlässliche und verbindliche Strukturen aufzubauen – weder in der Aus- und Weiterbildung, noch im Arbeitsalltag. Wozu auch? Es ging ja auch so. Das Praktikanten­system als Ausbildungsmodell war billiger. Weiterlesen