Corona: Brancheninfo 86
Wer die Welt demnächst regiert, ist fast allen klar. Über den Wert der Kultur sich sich auch die meisten einig. Und wenn auch beides noch nicht ausgestanden ist, können wir uns wichtigeren Themen widmen und verschaffen uns mal einen Überblick zur Novemberhilfe.
Zwischen US-Wahl und Kulturdebatte treiben Filmschaffende ganz praktische Fragen um. Etwas mehr „Geleit“ wünscht sich ein*e Leser*in zu unseren Infos, ein*e andere macht dazu gleich den Praxistest: „Wo finden wir die Anträge, um die so viel gepriesene Soforthilfe für diesen November, sprich diese 75 Prozent des Einkommens vom letzten November zu erhalten?“
Das mit dem Geleit liegt uns selbst am Herzen. Wir müssen allerdings die Einschränkung vorausschicken, die wir schon im Frühjahr in vielen Newslettern wiederholten: Detaillierte Antworten zu Einzelfällen können wir nicht liefern – für eine individuelle arbeitsrechtliche Einschätzung verweisen wir an Berufsverbände, Gewerkschaften und Berater*innen.
Was die neue Überbrückungshilfe II angeht, sind noch nicht alle Quellen auf dem neuesten Stand beziehungsweise eindeutig. Die Website der Bundesregierung erklärt lediglich „Auch Soloselbstständige und Freiberufler können einen Antrag stellen, wenn sie die Programmvoraussetzungen erfüllen.“
Besser und genauer erklärt es das Bundeswirtschaftsministerium in einem FAQ (und liefert auch einen technischen „Leitfaden für Antragserfassende“) und scheint auf einem aktuelleren Stand als das Finanzministerium.
Detaillierte Übersichten und Antworten geben unter anderem auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Haufe Online oder die Bundessteuerberaterkammer in einem FAQ (Stand: 20. Oktober 2020).
Die Kulturstaatsministerin bringt es auf den Punkt: Antragsberechtigt sind demnach „Betriebe oder Soloselbstständige, die nachweislich und regelmäßig 80 Prozent ihres Umsatzes in Zusammenarbeit mit den direkt betroffenen Unternehmen erwirtschaften.“ Sie können für den November 2020 bis zu 75 Prozent ihres Umsatzes im November 2019 als direkte Hilfe erhalten (es gibt aber eine Obergrenze). Alternativ können sie auch den monatlichen Durchschnittsverdienst 2019 als Bezugsrahmen zugrunde legen.
Dass im ersten Halbjahr der Pandemie bei diesen Hilfen nicht alles so rund lief, wie (nicht nur) von der Kulturstaatsministerin beteuert wurde, zeigen die beiden wichtigsten Neuerungen:
1. Die Schwelle für die Überbrückungshilfe wurde beträchtlich gesenkt. Hilfe erhält, wer eines der beiden Kriterien erfüllt:
# Umsatzeinbruch von mindestens 50 Prozent in zwei zusammenhängenden Monaten im Zeitraum April bis August 2020 gegenüber den jeweiligen Vorjahresmonaten.
# Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent im Durchschnitt in den Monaten April bis August 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
2. Soloselbstständige können nun eine Art „Unternehmerlohn“ geltend machen. In der vorherigen Fassung galt die Hilfe nur für betriebliche Ausgaben, Soloselbständige wurden bislang direkt an die Grundsicherung („Hartz IV“) verwiesen. Was allerdings in diesem Zusammenhang kaum erwähnt wurde: Auch damals konnten sie (zumindest den Buchstaben zufolge), Fixkosten geltend machen, sofern die „betrieblich“ waren – etwa für Telefon und Internet, Abonnements und Mitgliedsbeiträge, Steuerberatung und IT-Service, Zinsen für Kredite und Darlehen, Kontoführungsgebühren oder Kraftfahrzeugsteuer …
Die Überbrückungshilfe II umfasst die Fördermonate September bis Dezember 2020. Anträge können ab sofort gestellt werden, die Frist endet am 31. Dezember 2020. Dafür gibt es ein bundesweites Online-Antragsportal. Die Anträge stellen Steuerberater*innen, Rechtsanwält*innen, Wirtschafts- oder vereidigte Buchprüfer*innen. Für Soloselbständige, die nicht mehr als 5.000 Euro Förderung beantragen, gilt eine Ausnahme: Sie dürfen ihren Antrag ohne solche „prüfende Dritte“ selbst stellen.
Die Anträge werden dann automatisch an die zuständigen Bewilligungsstellen der Bundesländer übermittelt. Das sind meist die jeweiligen Investitions- oder Aufbaubanken, zum Beispiel im Saarland aber das Wirtschaftsministerium, in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierungen, in Bayern die IHK München.
Unterdessen wird die Hilfe mit Blick aufs kommende Jahr weiterentwickelt, teilt das Finanzministerium mit. Beide Ministerien arbeiteten bereits „mit Hochdruck“ an den Details.
Grundnahrung! „Die Kulturbranche wird von der Pandemie heftig getroffen. Künstler und Veranstalter kämpfen um ihre Existenz. Dabei gehören Musik, Museen und Schauspiel unbedingt zum Leben.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ erklärt nochmal ausführlich, warum.
„Der erneute Lockdown walzt wie ein Bulldozer über uns hinweg und macht besonders eine Branche platt, die sich schon lange nicht mehr wehren kann:“ Die Kommentatorin der „Kreiszeitung“ „kann und will nicht verstehen, warum ausgerechnet Kinos wieder schließen müssen. Ein Kommentar.
Und auch der ehemalige Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“, Kurt Kister, macht sich Gedanken: „Die vergangenen Monate der Pandemie erhellen schlaglichtartig die enormen Veränderungsprozesse unserer Zeit. Und sie zeigen deutlich, dass Wandel nur als Gemeinschaftsleistung funktioniert.“
„Der Experimentier-,Tatort‘ hat sich als eigenes Untergenre inzwischen etabliert“, weiß die „Süddeutsche Zeitung“, aber in Münster hätte sie sowas wie „Limbus“ doch nicht erwartet. Da schwebte gestern Gerichtsmediziner Boerne als Geist zwischen seinen Kollegen und durch eine „wundervoll ausstaffierte Vorhölle“, wie man’s sonst eher und reichlich aus Netflix-Serien kennt. Der Zeitung gefällt der neue Stil: „Tatsächlich funktioniert die Kombination aus altem Wortwitz und ungewohnt neuem Setting ganz ordentlich.“
„Wer dachte, der ,Tatort’ aus Münster wäre schon halbtot, kann nun seiner Auferstehung beiwohnen“, freute sich auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und fand „in diesem spielfreudig vom Ensemble dargebotenen und mit leichter Hand von Max Zähle in Kammerspielszenen inszenierten ,Tatort’ vielerlei Anlässe für individuelle Läuterung und allgemeine Katharsis der watteweichen Art. Genau das also, was man für anderthalb Stunden erbaulicher Weltflucht braucht.“
Von „wahnwitzigen Szenen“ schwärmt „Der Spiegel“: „Der Krimi ist ebenso reich an Twists wie an Tragikomik.“
Und die „Frankfurter Rundschau“ findet den „Tatort“ so „bezaubernd heruntergekühlt“, dass sie ungewöhnlich viele Gewerke würdigt: Aber obwohl auch der Tatort ,Limbus’ fast keinen Spaß auslässt, finden Autor Magnus Vattrodt und Regisseur Max Zähle im Verein mit Kameramann Frank Küpper einen smarten Weg zwischen Scherzen, dem unvermeidlichen Anteil Sentimentalität und einer bezaubernden Unterkühltheit. Hierzu trägt erheblich Szenenbildnerin Michaela Schumann bei, denn der Limbus selbst, jedenfalls die betreffende Abteilung römisch zwei, ist ein theatralischer Ort, der sich gleichwohl bedeckt hält.“
Auch der Drehbuchautor Erol Yesilkaya steht hinter vielen „Tatorten“. Doch zurzeit entführt er die Zuschauer mit dem Film „Exit“ in die Zukunft. Drei Argumente, warum man sich den anschauen sollte , will die „Westdeutsche Zeitung“ hören. Der Autor antwortet: „Der Film ist extrem spannend, extrem bewegend, und ich wüsste nicht, dass es einen Film in dieser Art in den letzten 30 Jahren im deutschen Fernsehen gegeben hat. Das allein ist ein Argument dafür, ihn sich anzuschauen und zu sehen, wohin das öffentlich rechtliche Fernsehen bereit ist zu gehen. Der Film betritt Neuland in der deutschen Fernsehlandschaft.“
An der Zukunft des Kinos arbeitet Annie Chang bei Universal. Als Vice President of Creative Technologies leitet sie das Projekt „Production 3.0“. Ihre Vision stellt sie übermorgen in ihrer Keynote zur MediaTech Hub Conference vor. Im Interview erzählt sie es uns hier.
Die MTH Conference findet erstmals im digitalen Raum über eine interaktive Online-Plattform statt. Zwei Tage lang diskutieren über 70 internationale Speaker Medientechnik in Industrie und Entertainment und präsentieren neue Lösungen für die Krise. Member von Crew United erhalten mit dem Code „CrewUnited30“ 30 Prozent Rabatt auf ein Ticket.
„Die neue Kraft des Faktischen“ bestaunt „Der Standard“ in Österreich und schreibt von einem Boom des Dokumentarfilms: „Komplexe Zeiten verlangen nach Aufklärung und Orientierung – eine Leistung, der auch Fernsehsender nachkommen wollen, neuerdings auch private.“ Und denen werden Dokumentarfilme „wichtiger, weil es Stücke sind, die sich Zeit nehmen, um spannende Themen zu erklären“, sagt da Puls-4-Chefin Stefanie Groiss-Horowitz.
Die Komödie „Das Unwort“ erzählt heute Abend im ZDF von einem ernsten Thema: Wie Antisemitismus an Schulen eskaliert. „Der Tagesspiegel“ sieht „wichtige Denkanstöße“.
Die Schauspielerin Iris Berben findet das gewählte Genre gut: „Über Humor kann man viele Menschen mitziehen“, sagt sie im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Bereits mit seinem Debüt hatte Fernando Solanas 1967 einen Klassiker des politischen Dokumentarfilm erschaffen: „Die Stunde der Hochöfen“. 2004 bekam er den Goldenen Ehrenbären der Berlinale für sein Lebenswerk. Nun ist der argentinische Dokumentarfilmer an den Folgen seiner Corona-Erkrankung gestorben, meldet DPA. Solanas hatte im Oktober auf Twitter bekanntgegeben, dass er in Paris positiv auf das Virus getestet worden und zur Beobachtung im Krankenhaus sei.
Er gelte als „Bezugspunkt für das Kinoland Argentinien“, erinnert „Der Tagesspiegel“. „Als Aufrührer mit der Kamera in der Hand wollte er für eine gerechtere Welt streiten. Dabei hatte er keine Angst, anzuecken und Stellung zu beziehen. 1991 zerschossen ihm Unbekannte beide Beine, nachdem er den damaligen Präsidenten Carlos Menem und dessen Regierung der Korruption beschuldigt hatte.“
„Kritisch beleuchtete er die ökologischen und gesundheitlichen Effekte von Argentiniens großen Devisenbringern und wichtigsten Einnahmenquellen für den Staatshaushalt“, ergänzt die „Taz“ in ihrem Nachruf.
Ausführlich würdigt ihn der „Filmdienst“: „Fernando Solanas war ein großartiger Redner, ein Rhetoriker gegen das Unrecht, wenn er mit funkelnden Augen und wehenden weißen Haare die Miseren der Globalisierung und der korrupten Eliten in Lateinamerika anklagte.“
Auch die Wikipedia soll weiblicher werden: Das haben sich die Kinothek Asta Nielsen in Frankfurt am Main und der Verein FIM (Frauenrecht ist Menschenrecht) als Ziel gesetzt. Mit dem Projekt „Women Writing Wiki“ wollen sie für mehr Einträge von und über Frauen sorgen und das „Gender Knowledge Gap“ beseitigen. „Derzeit sind nur knapp 10 Prozent der Wikipedia-Einträge von Frauen geschrieben, nur 16 Prozent der biografischen Einträge in der deutschsprachigen Wikipedia behandeln Frauen. Wissen ist Macht – und selbst im Jahr 2020 ist dieses Wissen noch sehr männlich dominiert“, erklärt Angela Dorn. Die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst fördert das Projekt „Women Writing Wiki“ mit fast 50.000 Euro.
Das Unternehmen ZDF Digital, eine Tochter von ZDF Enterprises, steht seit einigen Wochen ohne Geschäftsführer da, hatte DWDL im Juli berichtet. Über die Gründe für die Trennung sei nichts bekannt …
Inzwischen doch: Was der Sender verschwieg, berichtet „Der Spiegel“ [Bezahlschranke], die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ fasst es gratis zusammen: Der Mann wird beschuldigt, junge Frauen aus seinem Team mit versteckten Kameras junge Mitarbeiterinnen heimlich in Intimsituationen gefilmt zu haben. Warum so lange nichts unternommen wurde, sei unklar. Die Betroffenen fühlten sich vom Sender alleingelassen. Von dessen Seite heiße es, es habe Anlaufstellen und Vertrauenspersonen gegeben, an die sich die Mitarbeiterinnen hätten wenden können.
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