Anna und Linus de Paoli blicken vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Mit ihrem Kollektiv Schattenkante tragen sie gewagtes Kino aus Deutschland in die Welt. Wenn’s sein muss, auch ohne Förderung und Senderhilfe:?Ihr neuer Film „A Young Man with High Potential“ (oben) läuft zurzeit im Kino. | Foto © Michel Diercks

Anna und Linus de Paoli blicken vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Mit ihrem Kollektiv Schattenkante tragen sie gewagtes Kino aus Deutschland in die Welt. Wenn’s sein muss, auch ohne Förderung und Senderhilfe:?Ihr neuer Film „A Young Man with High Potential“ (oben) läuft zurzeit im Kino. | Foto © Michel Diercks

Euer stark mit Gore- und Thriller-Elementen arbeitender Film „A Young Man with High Potential“ ist vorige Woche im Verleih von Forgotten Film mit vier Kopien angelaufen. Im Rahmen der Kinotour wart ihr bei der ein oder anderen Vorführung dabei. Wie hat das Publikum auf die Geschichte des genialen wie ebenso verklemmten Informatik-Nerds Piet und seinem problematischen Verhältnis zu Frauen reagiert?

Linus de Paoli: Ich war fast überrascht, wie gut der Film bisher beim Publikum ankam. Es gibt zwar in der Regel bei jeder Vorführung ein paar „Walkouts“, wofür wir vollstes Verständnis haben – denn das Dargestellte mutet dem Publikum einiges zu. Die beste Erfahrung war, dass viele aber wiederkehren, um das Ende zu sehen, und dann trotzdem über den Film sprechen wollen. Das ist auch genau das, was ich am Filmemachen am spannendsten finde: den Diskurs. 

Weniger begeistert haben sich Filmförderung und TV-Sender für diesen Stoff, so dass der Film als reine Independent-Produktion entstand. Wie erklärt ihr euch diese Zurückhaltung insbesondere in Zeiten, in denen düstere Stoffe bei Netflix und Co. auf so viel Zuspruch stoßen – insbesondere beim jüngeren Publikum, das im Kino vermisst wird?

Linus de Paoli: Leider sind Sender und Förderanstalten nicht so aufgeschlossen und mutig wie sie sich gerne geben. Die Systeme sind unflexibel und das Verständnis dafür, was als kulturell gilt, ist beschränkt. Bei unserem letzten Film Der Samurai wurde uns gesagt, der Film entspreche nicht den „öffentlich-rechtlichen Geschmacksvorgaben“. A Young Man with High Potential war für das BKM „moralisch fragwürdig“. Ich finde es schade, dass hierzulande das Zeigen und Thematisieren von Kontroversem oft mit deren Verherrlichung gleichgesetzt wird. Für mich fängt es erst da an interessant zu werden, wo es ambivalent wird. Netflix und andere Streamingportale sind in den Punkten nicht unbedingt weiser – aber offener.

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