Gedanken in der Pandemie 110: „Vorsichtig gesagt, verwirrend“
Die Regelung der Regelung – Gedanken in der Pandemie 110.
„What do you think about South America? I’m going there soon.“
„Is that so! Where’re you going?“
„Uruguay.“
„Well, you go Uruguay and I’ll go mine.“
Marx Brothers, „Animal Crackers“.
„Libertad o Muerte.“
Staatlicher Wahlspruch von Uruguay
Vor genau zwei Jahren erschien das erste Album von Billie Eilish „When we all fall asleep where do we go“, mit den großartigsten Liedern dieses letzte Prä-Pandemie-Jahres: „Ilomilo“, „You should see me in a crown“ und „Bury a friend“. Es ist ein einziger Horror – also genaugenommen ein überaus unterhaltsames und musikalisch exzellentes Spiel mit akustischen und filmischen Horror-Effekten.
Kurz davor, am 28 März 2019, verfasste Juliane Liebert im Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“ ein nachgerade geniales Porträt, in dem sie anhand der über Pop-Sängerin recht präzise den Geisteszustand der heutigen Jugend beschrieb: „Sie liebt Schmerzen. Sagt sie. Was soll man mit 17 auch sonst lieben? Sie spricht eine Art Street-Style-Theater-Sprech, jedes Wort ist präzise betont, gedehnt. Eine Mimik, als hätte jemand ausgerechnet, welcher Blick zu welchem Wort am glaubwürdigsten und sympathischsten wirkt. Sie sagt gerne und oft „honestly“, „bro“, „dude“ und „damn“.“
Wie den „Fridays for Future“ wurde auch Billie Eilish in ihrer kurzen Karriere schon so einiges unterstellt, sie „revolutioniere“ dies und das und so weiter. „Sie hat Präsenz und Stil und eine eigene Ästhetik.“ Meiner ganz persönlichen Meinung nach ist Billie Eilish ziemlich verpeilt in der Birne, aber sie ist ein instinktives Genie darin, sich zu bewegen, sich zu benehmen und in den Style-Entscheidungen, die vielleicht viel wichtiger sind als irgendwelche Intelligenzquotienten. „Wahlweise präsentiert sie sich als Monster unter dem Bett oder weint schwarze Farbe.“
Zugleich beweist dieses Porträt mal wieder, dass man sich mit der Persönlichkeit von Musikern vielleicht nicht zu genau beschäftigen sollte, will man die Musik auch weiterhin so ungebrochen lieben bisher. Auch das Phänomen Billie Eilish führt bei aller Faszination am Ende des Tages dazu, die Popkultur wieder ein kleines Stückchen weniger ernst zu nehmen, als am Tag davor. Früher bot Pop Offenbarungen, heute bietet er bestenfalls noch Statements und kurze Massenhysterie, aber doch eigentlich nie Erkenntnisse wie früher; sehr selten Philosophien wie früher oder Weltdeutungen. Fürs Kino hat diese Art von Musik auch keine Folgen mehr – obwohl sie umgekehrt sehr stark vom Kino profitiert.
Was können wir von Billie Eilish schon lernen? Jetzt mal ernsthaft.
Aber die Musik lässt mich immer wieder dahinschmelzen. „I don’t care if it’s a lie.“
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In Uruguay liegt die derzeitige Corona-Todesrate bei 308 Toten auf eine Million Einwohner, das ist nur knapp ein Drittel der deutschen Zahl. Woran liegt das? Bis Mitte August 2020 waren es keine 40 Tote. Seitdem waren es auch nur 270 mehr.
Also woran? Natürlich ist Uruguay wesentlich kleiner als die meisten Nachbarn. Natürlich ist der größte Teil Uruguays weite flache Steppe. Die Armenviertel sind kleiner als in den Nachbarländern. Auf der anderen Seite ist die Hauptstadt Montevideo genauso ein Ballungsraum wie andere lateinamerikanische Städte. Weitere günstige objektive Faktoren sind ein sehr hohes Bildungsniveau, ein eher geringes Gefälle zwischen reichen und armen Schichten, und das im Vergleich gute Gesundheitswesen. Dies alles trägt dazu bei, dass die Pandemie dem Land ziemlich wenig anhaben konnte. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das grundsätzliche Vertrauen der Bürger in den Staat und dessen Institutionen. In vielen anderen lateinamerikanischen Staaten existiert dies so nicht. Darum ist die Bereitschaft höher, auf politisch Autoritäten zu hören.
Zum ganzen Bild gehören aber auch andere Dinge. Zu keinem Zeitpunkt gab es in Uruguay eine obligatorische Quarantäne. Zwischendurch wurde bereits im März 2020 der Schulunterricht ausgesetzt, und Großveranstaltungen untersagt. Auch wurden die Grenzen geschlossen. Doch gleich zu Beginn stellte die rechtsliberale Regierung klar, dass es in Uruguay keine Ausgangssperre geben werde. Präsident Luis Lacalle Pou brachte das auf die Formel „Freiheit und Verantwortung“.
Der Faktor, der den eigentlichen Unterschied macht, sind: Tests. Noch bevor das Virus im vergangenen Februar Südamerika überhaupt erreichte, hat eine Gruppe von Forschern am Institut Pasteur in Montevideo mit der Entwicklung von Test begonnen. Noch im März 2020 standen im Land flächendeckend Tests zur Verfügung. Jede Infektion konnte so vom ersten Augenblick ihrer Feststellung an registriert und zumindest ansatzweise nachverfolgt werden.
Auch hier stellt sich wieder die Frage, warum so etwas in Uruguay, aber nicht in Deutschland möglich ist?
„Von Krise keine Spur“ titelte im vergangenen Herbst die ARD ihren Bericht über die Lage in Uruguay. Inzwischen haben sich auch dort einige Dinge verschlechtert. Die brasilianische Virus-Mutation ist erheblich ansteckender – entsprechend steigen auch in Uruguay die Infektionszahlen.
Aber noch immer bleibt ein wesentlicher Unterschied konstant: die Zahl der Toten ist nur ein Drittel so hoch wie in Deutschland.
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Offenbar verfügt die Politik (und vor allem die politischen Kommunikationsabteilungen) über keine guten Rezepte für den Umgang mit Menschenmassen. Es scheint, als sei diese Form sozialer Verdichtung im „Zeitalter des Individuellen“ (Adam Curtis) außer Mode geraten. Und weil die „starke Hand“ und ein Markus Söder noch immer als Maßstab einer handlungsfähigen Regierung gelten, wirken Nachgiebigkeit, Moderation, geschickte Ab- und Umlenkung wie Zeichen der Schwäche. Das ist das augenblickliche Problem von Armin Laschet.
Entgegen all der über drei Jahrzehnte breitgetretenen neoliberalen Rhetorik von „Ermöglichung“ und „Stimulation“ und „Eigenaktivität“ zeigt sich politische Macht weiterhin besonders in der medialen Darstellung darin, wie sie Mobilität kanalisiert, begrenzt und einschränkt. Letztlich behauptet sich politische Macht in der Fähigkeit, Bewegung am besten ganz zu verhindern: für „sichere Grenzen zu sorgen“, Straftäter „festzusetzen“, „Ankerzentren“ einzurichten. Auch jetzt wieder in der Pandemie.
Dass dies eine grundfalsche Wahrnehmung der Prioritäten ist, und außerdem am Wesen der Steuerung großer Massen (der Begriff der Systemsteuerungskunst, der „Kybernetik“ geht auf den altgriechischen Begriff des Steuermanns zurück) komplett vorbeigeht, zeigte auf traurige Weise das Loveparade-Unglück vor elf Jahren in Duisburg, das 21 Menschen das Leben kostete. Ursache dafür war nicht etwa, dass den anschwellenden Besucherströmen zu wenige Barrieren im Weg standen. Es waren zu viele. Wie also müsste eine Politik aussehen, die mit massenhaftem Handeln zurechtkommt? Sie müsste Barrieren abbauen!
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Als ich noch ein Kind war gab es auch schon Querdenker. Sie hießen damals Peter Glotz oder Heiner Geißler. Wie schade, dass diese schöne Begriffe für Menschen, die quer zum Mainstream denken, jetzt aus naheliegenden Gründen unbrauchbar geworden ist.
Querdenker sollten eigentlich nicht so heißen, sondern sie sollten Einbahnstraßendenker heißen.
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Habt ihr auch für die Pflegekräfte geklatscht und gesungen? Schön für euch. Aber was hat das eine Lage der Pflegekräfte geändert? In jeder Talkshow wird man irgendwann den Satz, es müsse mehr für die Pflegekräfte getan werden. Zum Beispiel soll er die Bezahlung verbessert werden. Praktisch ist bisher nichts in der Hinsicht geschehen. Diejenigen die daran Schuld tragen, sind nicht gierige private Heimbetreiber – sondern es ist die katholische Caritas.
Sie verweigert sich in den gemeinsamen Tarifrunden einer Erhöhung der Mindestbezahlung. Dass ausgerechnet die Caritas einen höheren Mindestlohn verhindert, ist ein neuer Tiefpunkt im Umgang mit den Pflegekräften.
Mehr als alle Missbrauchsskandale ist dies ein Grund zum Kirchenaustritt. Denn es ist nicht persönliches Fehlverhalten, sondern systemisches, das vom ganzen System mitgetragen wird. Außerdem trifft der Vorwurf nicht nur die katholische Kirche sondern auch die evangelischen, denn die haben sich bei der Abstimmung enthalten Mit dem sehr scheinheiligen Hinweis, ihr Votum ändere an der Sache nichts mehr.
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58 Prozent aller deutschen Lehrer sagen in einer Umfrage, sie fühlten sich nicht ausreichend über den Datenschutz informiert. Konkrete Fälle von Datenmissbrauch sind den zuständigen Datenschützern nach Auskunft der Zeit allerdings bisher nicht bekannt. Das kann nun auch am Prinzip liegen, möglichen Schaden gar nicht erst entstehen zu lassen, also an Schulen lieber weiter mit Papier und Bleistift zu arbeiten.
Der Datenschutz verhindert zwar nicht die Einführung einer besseren Corona-App, sehr wohl aber die Nutzung digitaler Unterrichtswerkzeuge. Zum Beispiel „padlet“. Aber auch Whatsapp, Google Meet, Microsoft Teams, Zoom, nutzen sogar große Unternehmen – aber in den Schulen ist es nicht erlaubt. Schulen sorgen sich, ob man über so sensible Dinge wie Schulzeugnisnoten überhaupt online diskutieren darf.
Selbstverständlich handhaben auch alle Bundesländer die Sache unterschiedlich. Und natürlich gelten auch innerhalb der Bundesländer an benachbarten Schulen zum Teil verschiedene Bestimmungen, je nachdem welches Schulamt zuständig ist, und wie weit sich Schulen dann überhaupt an das halten, was das Schulamt vorschreibt.
Andererseits muss die Frage erlaubt sein, wie viel Datenschutz überhaupt nötig ist? So etwa ist es kaum zu befürchten, dass die Mitarbeiter der Videoplattform Zoom bei einer Online-Zeugniskonferenz zuhören und die Namen der Schüler mitschreiben, wenn sie dort fallen. Solche Konzerne sammeln Metadaten, also Standorte-Kontakte und besuchte Webseiten. Auf Inhalte haben sie keinen Zugriff. Sowas kann man ziemlich schnell erfahren, wenn man sich die entsprechenden Richtlinien durchliest oder sich beraten lässt.
Vor allem aber haben wir es hier mit Schülern zu tun. Nun sind 97 Prozent aller deutschen Schüler bei Whatsapp angemeldet. Sie lassen sich insofern längst freiwillig ausschnüffeln. So bekommen die US-Geheimdienste Einblicke tiefe Einblicke in das Privatleben der ganzen deutschen Schüler-Generation. Und es macht sich wieder einmal nachträglich bemerkbar, dass die Deutschen seit Jahrzehnten das Thema Digitalisierung verschlafen haben – wie fast alle Europäer. Darum müssen es heute unbedingt US-Programme sein. Denn in Europa hat man keine europäischen Alternativen entwickelt.
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Jens Spahn verspricht schon wieder Dinge die er nicht halten kann und nicht halten wird: Lockerung und Privilegien für geimpfte. Auch wieder eine Meldung, die vor allem einen Teil der Bürger aufregt, die spaltet, und vom Wesentlichen ablenkt. Denn der gleiche Gesundheitsminister hat erst gerade den verschiedenen Lockerungs-Politiken der Bundesländer eine Absage erteilt. Er möchte eigentlich die Botschaft verkleiden, dass er dafür ist, erst einmal im Frühling alles herunterzufahren. Natürlich „nur für kurze Zeit“, „nur zwei, drei Wochen“. Aber wir haben es oft genug erlebt, dass die Politiker etwas ankündigen, was sie nicht halten. Wer soll ihnen also heute glauben?
Der harte Lockdown wird kommen. Es ist nur die Frage von höchstens einer Woche.
Nicht, weil die Zahlen so hoch sind. Die Zahlen der Toten gehen im Gegenteil gerade ständig herunter. Sondern weil die Politik auf Nummer sicher gehen möchte, gerade im Wahlkampfjahr.
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Eine Freundin schreibt auf Facebook „Sachen, an die man sich m. E. keine Sekunde gewöhnen sollte“: Intensivmediziner, die von „der Politik“ fordern, „alles herunterzufahren“ und sofort einen „harten Lockdown“ zu verhängen und bürgerliche Freiheitsrechte flächendeckend und noch massiver als zuvor einzuschränken, weil das Land das jetzt „braucht“, wie es in einer entsprechenden Petition von Berliner Ärzten an den Senat heißt.
Ich unterschätze die angespannte Lage auf den Intensivstationen nicht. Ich wünsche mir keinen Kollaps des Gesundheitssystems und ich will nicht, dass covid-kranke Menschen nicht mehr adäquat versorgt werden können.
Aus eben diesem Grund halte ich es für absolut legitim, dass Ärzte Alarm schlagen und vor drohender Überlastung warnen, und für ebenso legitim halte ich es, die politischen Handlungsträger mit aller gebotenen Dringlichkeit auf die tieferliegenden strukturellen Ursachen des Kapazitätenmangels hinzuweisen und konkrete Korrekturen vergangener systemischer Fehlsteuerungen einzuklagen und zugleich nach gesundheitspolitischen Präventionsmaßnahmen zu rufen, die greifen, bevor man an einen Punkt gelangt, an dem wieder einmal nur der Holzhammer zu helfen scheint. (Stichwort: Impfstagnation und so weiter)
Die kompensatorische Forderung nach flächendeckenden Lockdowns, Ausgangssperren und privaten Kontaktbeschränkungen gehört dagegen definitiv nicht zum Kompetenzbereich von Medizinern, die dafür kein politisches Mandat haben – und so intuitiv naheliegend es sein mag, im Angesicht des eigenen Am-Limit-Wirtschaftens nach dem Super-Shutdown zu rufen, weil sich auf diesem Wege schon irgendwie die Zahlen drücken lassen, so klar müsste jedem in jeder Sekunde sein, dass es so in einer liberalen Demokratie nicht ernsthaft laufen kann und auf die Dauer keinesfalls laufen darf.
Die Einschränkung grundrechtlich verbriefter bürgerlicher Freiheiten ist ein komplizierter, rechtsstaatlich geregelter und begründungspflichtiger Ausnahme-Vorgang, über den politische Akteure (idealerweise: Exekutive und Legislative) nach sorgfältigen Abwägen aller Risiken und Verhältnismäßigkeiten zu entscheiden haben und ein derart massiver Eingriff darf nicht utilitaristisch und bedarfsweise auf Zuruf durch Laien erfolgen – und sei der Kapazitätenmangel am jeweiligen Ort auch noch so groß.
So etwas darf nicht zur eingeübten Routine werden und daran sollte man ein Unbehagen verspüren, auch und gerade mit Blick auf die (gerade schwer vorstellbare) Zeit nach Corona.
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Jeder darf natürlich fordern, was er für richtig hält. Das Problem ist jedoch, dass man auf die Mediziner mehr hört als auf viele andere Wissenschaftler und Experten und sonstige Menschen, die mit guten Gründen das Gegenteil fordern. Angeblich „weil sie ja betroffen sind.“ Als ob nicht alle betroffen wären.
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Die Impf-Geschwindigkeit ist bekanntlich in vielen Ländern weitaus größer, als im lahmen Deutschland. Es ist seine Legende, wenn manche Politiker diese Lahmarschigkeit damit verteidigen, dass wir eine Demokratie sind und hier die Dinge langsamer dauern, als in den bösen Diktaturen. Damit hat dies überhaupt nichts zu tun! Denn auch Italien und Dänemark sind Demokratien und Chile auch, und sie kriegen das besser hin als Deutschland. Kein Grund also zur Überheblichkeit.
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Erstaunlich ist zum Beispiel auch das Ergebnis in Indien. Ich habe schon öfter geschrieben dass ich Indien für eines interessantesten Länder der Welt halte, weil es zwischen Wohlstand und Armut, zwischen 1. und 3. Welt eine einmalige Melange darstellt. Indien ist ein enorm fortgeschrittenes Land und zugleich ein bitterarmes.
Trotzdem haben es die Inder hinbekommen, dass sie (Stand 30. März) 68 Millionen Menschen geimpft haben. Das ist zwar nur ein Bruchteil der über 1,3 Milliarden großen Bevölkerung. Aber es wäre das komplette erwachsene Deutschland. Und das in Indien! Wer schon einmal dort war, weiß, was das für eine Aufgabe ist.
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Dafür beschäftigt man sich in Deutschland umso lieber mit der Anfertigung von Priorisierungslisten. die ändern allerdings nichts an der Ungerechtigkeit der Impf-Priorisierungen. Schon am 30. Januar hat die „Süddeutsche“ eine ganze Seite über Impf-Gerechtigkeit geschrieben. Darin berichtet sie zum einen ein bisschen zu erwartbar von empörenden Einzelfällen, zum Beispiel von einem DRK-Funktionär, der schon vorab eine Impfung bekommen hat. Sie berichten auch von dem 32-Jährigen Nico Schumann, der eine seltene Muskelkrankheit hat, die dazu führt, dass seine Muskeln langsam schwinden. Er ist 24 Stunden am Tag auf Betreuer angewiesen. Es wäre lebensgefährlich für ihn, würde einer der Betreuer sich anstecken oder seine Eltern. Trotzdem werden weder er noch die Menschen mit denen tagtäglich zu tun hat, geimpft. Denn er passt nicht in die starre Prioritätenliste der Impf-Ordnung des Bundes. Eine Einzelfallentscheidung für ihn ist zwar theoretisch möglich, doch der Weg dahin ist, wie die „Süddeutsche“ schreibt, „vorsichtig gesagt, verwirrend“.
Die Familie wird im Kreis geschickt zwischen Land und dem örtlichen Gesundheitsamt. Denn was die Impf-Ordnung von Jens Spahn nicht regelt, das ist die Regelung bei Härtefällen.
Schon bürokratisch ausgedrückt fehlt also eine Regelung für die Regelung.
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Wer erinnert sich an das wie ich schon als Kind fand, ziemlich populistische Lied von Reinhard Mey: „Einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars …“
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Die Länder halten sich nur wenig an die vom Bund festgelegte Impfreihenfolge, wie eine Auswertung durch den Rechercheverbund von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ ergab. Bis Ende Januar wurden nur 29 Prozent aller Impfdosen in Pflegeheimen verimpft, 41 Prozent dafür an medizinisches Personal. Auch zwischen den einzelnen Ländern gab es große Unterschiede in Nordrhein-Westfalen klappen die Dinge ganz gut: immerhin fast die Hälfte (47 Prozent) aller Impfdosen ging an Pflegeheime. Bei Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg waren es dagegen nur 17 Prozent. Die meisten Dosen gingen im Ländle allerdings an Senioren außerhalb von Heimen. In vielen Gegenden ist es zudem komplett intransparent welche medizinischen Mitarbeiter für das Impfen ausgewählt wurden. In manchen Bundesländern (Saarland, Rheinland-Pfalz, Sachsen) sind die Krankenhäuser selbstständig für die Verteilung verantwortlich. Ob das gut gehen kann? In Thüringen und Meck-Pomm wird auch medizinisches Personal geimpft, das nicht in die höchste Priorität gehört. Begründung man habe keine Impfdosen wegschmeißen wollen.
Ein Potsdamer Krankenhaus Unternehmen hat sich auch nicht im Leben Reihenfolge gehalten aber immerhin mit ein paar guten Ideen: sie haben nämlich außer im Fachpersonal in ihren Kliniken und Reha-Zentren auch Mitarbeiter geimpft, diese Speiseversorgung für Reinigung und für Fahrdienste zuständig gewesen sind, und deswegen die Patienten natürlich potentiell genausogut anstecken können, wie die eigentlichen Pfleger.
Komplett allein gelassen werden die Impf-Teams auch in der Frage was mit überzähligen Impfdosen und den Resten in den Ampullen geschehen soll. Theoretisch geht es darum, diese Impfstoffreste sinnvoll zu verteilen – sinnvoll heißt allerdings auch schnell. Das heißt kurz vor Toresschluss am Abend muss irgendwie pragmatisch entschieden werden.
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„Alles ist besser, als wegschmeißen.“
Jens Spahn
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