Ein neuer Chef fürs ZDF

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Über zwei Runden lieferten sich Tina Hassel und Norbert Himmler ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Schließlich nahm Hassel das Ergebnis vorweg, indem sie Ihre Kandidatur zurückzog. | Fotos © Markus Hintzen/ZDF | WDR/Max Kohr

Das ZDF bekommt einen neuen Intendanten. Norbert Himmler gewann im dritten Wahlgang. Zuvor hatte sich Mitbewerberin Tina Hassel von der Wahl zurückgezogen, weil sie doch eigentlich das Gleiche wollen: „einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. 

Norbert Himmler ist am Freitag zum ZDF-Intendanten gewählt worden. „Eine hervorragende Nachricht ist das“, findet die „Süddeutsche Zeitung“. „Das Signal: Da wird im nächsten März einer Senderchef, der seit Jahren Programmdirektor ist, also schon jetzt bestimmt, was im Fernsehen kommt. Einer, der den Laden kennt. Und der ein Zögling des jetzigen Intendanten Thomas Bellut ist, der vorher ebenfalls Programmdirektor war. Wie langweilig – zum Glück. Denn damit endet schon die Beständigkeit der Verhältnisse. Die Karriere von Himmler ist geprägt davon, dass er das ZDF-Programm nicht durch ,Traumschiff‘-Gefilde, sondern durch die erste Welle der Digitalisierung, den großen Umbruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelotst hat. Wenn das ZDF heute in vielem moderner wirkt und technisch oft weiter ist als die ARD-Sender, hat das auch viel mit Strategien des Duos Bellut/Himmler zu tun. Man traut der Anstalt mit ihm eine ähnlich ruhige, aber radikale Entwicklung zu.“

Seine Gegenkandidatin Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, hatte vor dem dritten Wahlgang ihre Kandidatur zurückgezogen, berichtet die „Medienkorrespondenz“ und zitiert aus Hassels kurzer Rede: „Im zweiten Wahlgang hat es noch keine Mehrheit gegeben. Vier Stimmen trennen Herrn Doktor Himmler und mich. Und ich möchte im Sinne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und eines starken ZDF, dass aus einer kleinen Mehrheit eine große Mehrheit wird, dass Sie alle für Herrn Doktor Himmler stimmen können.“

Himmler gehe „nicht geschwächt aus dieser Wahl hervor, auch wenn es drei Anläufe gebraucht hat“, meint „DWDL“. „In einer demokratischen Wahl gegen eine starke Gegnerin knapp zu gewinnen, ist mehr wert, als nach im Hinterzimmer vorab ausgekungelte Absprachen eine nur vermeintliche ,Wahl’ für sich zu entscheiden. Und deshalb sind auch das ZDF und der ZDF-Fernsehrat Gewinner dieser Wahl. Alle ARD-Anstalten sollten sich nochmal genau ansehen, wie offen jeder per Web-Stream den Geschehnissen folgen konnte. Wenn sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk so gerne Transparenz auf die Fahnen schreibt, dann muss sie dort beginnen, wo eine neue Senderspitze gewählt wird.“

Die „Taz“ schildert das kritischer: Himmler „segelte auf dem Ticket des CDU-nahen Freundeskreises, auch wenn er kein Parteisoldat ist. […] Erinnerungen wurden wach an die Hängepartie bei der Wahl von Markus Schächter anno 2001, die erst nach fünf Wahlgängen und heftigem Gemauschel nebst parteipolitischen Absprachen über die Runden ging. […] Auch dieses Mal mussten die Freundeskreise wieder ran. Nach dem zweiten Wahlgang wurde die Sitzung unterbrochen, und die weder im ZDF-Staatsvertrag noch in der Fernsehrats-Geschäftsordnung vorgesehenen parteinahen Klüngelkreise traten zusammen. Mit dem Ergebnis, dass Tina Hassel vor dem dritten Wahlgang ihre Kandidatur zurückzog und so den Weg für Himmler frei machte.“

„Die Revolution blieb aus“, kommentiert die „Taz“ in einem weiteren Artikel die Wahl. „Auf den versierten Programmgestalter Nobert Himmler kommen als ZDF-Intendant ganz andere, schwerere Aufgaben zu.“ Weil dem „Medienmanager neben ARD und Privaten noch Netflix-Amazon-Youtube im Nacken sitzen und der Rundfunkbeitrag samt Erhöhung stets aufs Neue begründet werden muss. Da ist das ZDF weiter gut aufgestellt, auch nach der Ära Bellut.“

„Ein spannendes Rennen“ sah die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Im ersten Wahlgang entfielen auf Tina Hassel 24, auf Norbert Himmler 34 Stimmen, zwei der insgesamt sechzig Rundfunkräte enthielten sich. Damit verfehlte Norbert Himmler die nötige Dreifünftelmehrheit von 36 Stimmen nur knapp. Im zweiten Wahlgang holte Tina Hassel auf und verlor Norbert Himmler Stimmen. Nun votierten 28 Rundfunkräte für die ARD-Journalistin, 32 für den ZDF-Programmdirektor. Enthaltungen gab es im zweiten Wahlgang nicht. Nach der Verkündigung des Ergebnisses der ersten Runde wurde ein zweiter Wahlgang beschlossen. Nach der zweiten Runde entschieden sich die Rundfunkräte für eine Unterbrechung der Sitzung und zogen sich in den ,Freundeskreisen’, also den beiden Gruppen, in die sich das Aufsichtsgremium spaltet, zurück. Damit wurde zunächst ein deutlicher Vorsprung für Himmler erkennbar, aber auch, dass viele aus dem ,roten’ Freundeskreis, aus dessen Reihen Tina Hassel als Kandidatin vorgeschlagen worden war, der Kandidatur etwas abgewinnen können. Dieser Eindruck verstärkte sich mit dem zweiten Wahlgang. Dass Himmler kandidieren würde, war seit langem klar. Die Kandidatur von Tina Hassel, von der es heißt, dass die Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz sie lanciert hat, kam eher überraschend. Überraschend auch für den ,schwarzen Freundeskreis’, der damit gerechnet hatte, die Wahl werde von ganz allein auf Himmler zulaufen.“

„Das Schöne bei der Wahl in Mainz war auch, dass man einmal die sogenannten Freundeskreise leibhaftig sehen konnte, die im ZDF-Fernsehrat neuerdings viel Wert darauf legen, überparteilich zu sein“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ in einem weiteren Artikel. „Der schwarze, geleitet vom ehemaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung, CDU, versammelte sich in der Pause nach dem ersten Wahlgang hinter einem Absperrband auf der Terrasse vor der Halle. Der rote, von Verdi-Chef Frank Werneke geleitet, beriet sich im Sitzungssaal. Das ist deshalb bemerkenswert, weil ansonsten alle an diesem Tag so taten, als gebe es diese Lagerbildung nicht in dem mächtigen Aufsichtsgremium. Und als läge es außerhalb der Möglichkeiten, dass Hassels Rückzug mit Zugeständnissen des schwarzen an den roten Freundeskreis verbunden gewesen sein könnte. Mit ihrer Präsentation dürfte sie sich zumindest empfohlen haben für andere demnächst zu besetzende Ämter im öffentlich-rechtlichen Kosmos.“

Himmler sagte unter anderem, dass er das ZDF als „modernes Medienunternehmen“ führen möchte, berichtet „Meedia“: „Dazu gehören sowohl die Stärkung des Investigativen und Wirtschaftsberichterstattung als auch eine gesteigerte Nutzung durch ZDF-ferne Gruppen sowie das Bestreben, das ZDF zum Innovations-Marktführer zu machen. Himmler, der sein komplettes bisheriges Berufsleben beim ZDF verbracht hat, erläuterte zudem, dass er Partnerschaften stärken möchte, um sich so gegen globale Marktteilnehmer zu positionieren. Dazu gehören sowohl internationale Kooperationen, beispielsweise mit öffentlich-rechtlichen Häusern in Europa, als auch die Zusammenarbeit mit der ARD und dem Deutschlandradio.“

Die „Berliner Zeitung“ zeigt sich zuversichtlich: „In den letzten Jahren hat sich Himmler vor allem um neue Formate innerhalb des ZDF bemüht, darunter um das Zusatzprogramm ZDF Neo, das sich intensiver an ein jüngeres Publikum wendet, um so stärker dem Image eines Alten-Senders entgegenzutreten. Zu den markantesten Merkmalen von Norbert Himmlers programmatischer Neuorientierung gehört die Förderung des Moderators und Satirikers Jan Böhmermann im Hauptprogramm des ZDF.“

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