Corona: Brancheninfo 24
In Bayern gibt’s jetzt sowas wie ein bedingungsloses Mini-Grundeinkommen auf Zeit für Künsterler*innen in der Corona-Krise. Nach Baden-Württemberg das zweite Bundesland, das auf die Notrufe gehört hat. Und auch Zeitungen und Fernsehen beschäftigten sich heute ausführlich mit den besonderen Problemen der Branche und ihrer Filmschaffenden. Nur die Kulturstaatsministerin hält Hartz IV immer noch für eine gute Alternative. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare.
Morgen hätte es losgehen sollen, doch aus aktuellem Anlass wird der zweite Kongress zur „Zukunft Deutscher Film“ frühestens im Herbst stattfinden. „Perspektiven der deutschen Film- und Kinokultur“ sollen trotzdem diskutiert werden: Gestern startete das Lichter Filmfest seinen Podcast zum Kongress – und fragte uns. „Der Deutsche Film – schon wieder in der Krise und diesmal richtig!“ heißt die erste Folge. Jenni Zylka sprach mit Oliver Zenglein, Geschäftsführer von Crew United, und Peter Hartig, Herausgeber von „cinearte“.
Ein letztes Mal drängeln wir noch: Heute nacht schließt unsere Kurzumfrage zu den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Filmschaffenden. Jede Antwort ist wichtig.
Auch Bayern greift jetzt zur praktischen Lösung und zahlt Künstler*innen in der Corona-Krise 1.000 Euro pro Monat, und zwar drei Monate lang. Das verkündete Ministerpräsident Markus Söder heute in seiner zweiten Regierungserklärung zur Pandemie im Landtag. Unterstützt werden seiner Formulierung zufolge aber ausschließlich die rund 30.000 Künstler, „die auch in der Künstlersozialkasse organisiert“ seien.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft in München findet das eine „echte Verbesserung“, die sie übrigens selber angestoßen habe. Allerdings hätte man sich einen höheren Betrag wie in Baden-Württemberg gewünscht – dort gibt es 1.180 Euro. Zudem sollten „die Hilfen für alle Soloselbstständigen gelten, unabhängig davon, ob sie Mitglied in der Künstlersozialkasse sind.“
Ein bundeseinheitliches Soforthilfeprogramm fordert auch die „Initiative Kulturschaffender in Deutschland“, die sich unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie zusammengeschlossen haben, in einem Offenen Brief. Nach dem Vorbild Baden-Württembergs solle ein monatlicher Bedarf zur Lebenshaltung von 1.180 Euro integrierbar ermöglicht werden.
Freischaffende Künstler*innen sind systemrelevant, schreibt der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum im „Tagesspiegel“: „Der Arbeitsweise freischaffender Künstler wird Unterstützung durch Arbeitslosengeld nicht gerecht. Fazit: Es gibt im Moment so gut wie keinen Rettungsschirm speziell für Künstler.“
Auch auf 3sat appellierte Baum an die Bundesregierung, die Soforthilfe für freiberufliche Künstler*innen zu erweitern. Und heute sprach er darüber nochmal mit dem Deutschlandfunk.
Am Donnerstag gab der bayerische Ministerpräsident Markus Söder erste Schritte zur Lockerung der Corona-Maßnahmen bekannt. Über alles wurde gesprochen: Schule, Kinderbetreuung, Geschäfte, Fußball, ja sogar Fußpflege – nur nicht über die Kultur. Das ist enttäuschend, meinte der BR am Freitag, was aber (siehe oben) vielleicht schon überholt ist.
„Wie groß die Not ist und die Verzweiflung“, weiß die Kulturstaatsministerin. Doch auch es gebe ja ein „sogenanntes Sozialschutzpaket, das sich tatsächlich an Soloselbstständige und Einzelne richtet, denen ganz plötzlich die Gagen wegbrechen“, erklärte Monika Grütters am Freitag im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF. Damit meint sie den vereinfachten Zugang zur sogenannten Grundsicherung („Hartz IV“) ohne Vermögensprüfung.
Die Kommentare unterm Artikel erzählen etwas anderes. Zur Illustration zitieren wir einen Leser*innenbrief an unsere Redaktion:
„Ich wollte nur den „SZ“-Artikel bestätigen, in dem es um Hartz IV geht. Es ist absolut zum heulen, mein Partner und ich sind beide Künstler und haben ein kleines Baby. Die Antragstellung ist sehr kompliziert, da man erst sich online melden muss, dann telefonisch, dann bekommt man die Formulare und dann geht’s erst richtig los. Wir sind kurz davor, darauf zu verzichten und eben weiterhin von 300 Euro im Monat zu Dritt zu leben.
Ich arbeite normalerweise als Synchronsprecherin, aber die Studios sind zu. Jetzt müssen wir Hartz IV beantragen, und obwohl ich Elterngeld bekomme und eigentlich nur mein Partner beantragen sollte, muss ich mich natürlich auch nackt machen. Ich habe aber höhere Kosten als ein Hartz-IV-Satz (Auto, Mitgliedschaft Crew United und so weiter …).
Dies soll nur bestätigen, dass es nicht nur einzelnen so geht.“
Ausnahmezustand in der Filmbranche. Die Kinos sind leer, Dreharbeiten gestoppt, das Filmgeschäft ist auf nahezu Null heruntergefahren. Wie geht es weiter? fragte heute das „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF.
Kinos geschlossen, Konzerte abgesagt: Schauspieler und Musiker warnen vor der Gefahr für ihre wirtschaftliche Existenz. Die Hilfen reichten nicht, berichtet „Der Spiegel“. Allein die Autokinos boomen jetzt.
Die Wirtschaft darf anfahren, doch die Kultur muss noch warten. Der Deutsche Bühnenverein kritisiert das Schweigen der Politik.
Wenn Friseure und Autohändler wieder öffnen, stehen Theater, Opernhäuser und Museen weiter am Abgrund. Wie die Kultur bei der Corona-Bekämpfung den Kürzeren zieht, beschreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
„Früher war mehr Lamento“, meint Mareile Blendl in ihrem Blog. Der Zwischenbericht einer lahmgelegten Schauspielerin in der Corona-Krise.
Das „Morgenmagazin“ sprach heute auch mit Ufa-Chef Nico Hoffman über die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Filmindustrie. Der schilderte ebenfalls die Nöte der Filmarbeiter*innen und skizzierte grob, wie zukünftige sichere Arbeitsbedingungen am Set aussehen könnten – und wo die Probleme liegen.
Welche Probleme die Studios in Hollywood noch am Lösen sind, ehe es wieder losgehen kann, beschreibt das Branchenmagazin „Deadline Hollywood“ [auf Englisch].
Mit Schauspielkollege Peter Schneider spricht Susanne Bormann im Podcast „Close-up“ der Deutschen Filmakademie über dessen Brandbrief an Staatsministerin Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie andere Institutionen, in dem er auf die fehlende Unterstützung für Schauspieler*innen in den Hilfspaketen hinweist.
Virus gegen das Urheberrecht: Die Corona-Pandemie wird von Netzaktivisten instrumentalisiert, um Rechte der Kreativen zu delegitimieren. Die Kampagne nützt den Monopolisten. Mit verantwortlicher Freiheit hat das nichts zu tun, schreibt Helga Trüpel, ehemalige Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament.
Nach langer Zeit des Rätselratens gibt es seit kurzem Gewissheit: Die Kinos in Österreich bleiben geschlossen, und das über den gesamten Sommer hinweg, bis zumindest Ende August. Das wurde am Freitag in einer Pressekonferenz bekanntgegeben.
Am kommenden Freitag werden trotz Corona die „Deutschen Filmpreise“ vergeben. Die Zeremonie wird ein wenig aussehen wie eine Teamsitzung mit vielen Home Offices. Der Präsident der Deutschen Filmakademie, Ulrich Matthes, über die Gründe, an der Preisverleihung festzuhalten, und über seinen Alltag während der Corona-Krise.
Das Frankfurter Lichter Filmfest geht komplett ins Netz und eröffnet heute um Mitternacht mit einem Film, der genau zur Situation passt: „Midnight Family“ über private Rettungsfahrer. Einmal mehr weiß man danach, was ein gesundes Gesundheitssystem ausmacht, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
Demo in München: Die ÖDP setzt sich vor Gericht gegen die Stadt durch. Exakt zwölf Menschen protestieren am Freitag sitzend auf dem Marienplatz – mehr waren nicht erlaubt.
Die Deutschen erwachen aus der Wohlstands-Illusion, meint Wolfgang Bok in einem Gastkommentar in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Der „gefühlte Reichtum“ sei zu ungleich verteilt, aber irgendwie hätten (wieder mal) auch Flüchtlinge, Umweltschutz und vor allem die EU Schuld an der Krise.
Zuvor hatte der Journalist schon in „Cicero“ eine „unkontrollierte Großzügigkeit“ der Soforthilfen ausgemacht.
Immer wieder wird die Zahl der Grippetoten in der Saison 2017/18 den bisherigen Corona-Todesfällen gegenübergestellt und damit impliziert, dass Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie übertrieben seien. Die Todeszahlen werden aber ganz unterschiedlich erhoben und lassen sich nicht vergleichen, erklärt das Recherchezentrum Correctiv.
Die Reproduktionszahlen R und R0 gehören zu den wichtigsten Zahlen für die Kontrolle der Epidemie. Das Wissenschaftsmagazin „Spektrum“ erklärt, was sie aussagen.
Im Corona-Fieber sollen andere Themen nicht vergessen werden. Die Kulturinitiative der Vielen will mit einer Petition den 8. Mai zum Feiertag machen: #DieBefreiungfeiern.
Vor anderthalb Jahren hat die Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt in der Film-, Fernseh- und Theaterbranche (Themis) ihre Arbeit aufgenommen. 255 Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sind ihr seither gemeldet worden (Stand: 31. März 2020). Rund 60 Prozent der Fälle seien Belästigungen von zweideutigen Gesten und taxierenden Blicken über dauerhafte sexualisierte Anmachen, Beleidigungen mit sexuellem Inhalt bis hin zu Androhungen beruflicher Nachteile bei sexueller Verweigerung gewesen. Bei etwa 40 Prozent sei es sogar um körperliche sexuelle Belästigung bis hin zur Vergewaltigung gegangen.
Kreativ in der Krise. In der zweiten Brancheninfo hatten wir die Idee vorgestellt, inzwischen ist der Film abgedreht. Die „Quarantinos“ haben in den vergangenen vier Wochen nach Filmemacher*innen gesucht, die mit Schauspieler*innen in einem Haushalt zusammenwohnen und dadurch auch während der Kontaktsperre von Zuhause aus drehen können. „Mit fünf der mittlerweile über hundert Haushalte im Netzwerk“ wurde das umgesetzt, berichtet Tobias Stubbe, der vom Schreibtisch aus per Video-Übertragung an den Filmsets in Deutschland und Österreich die Regie führte.
Getroffen hat sich bei den Dreharbeiten niemand, der nicht eh miteinander wohnt, zusammengearbeitet wurde digital. „Unter den Einschränkungen muss man umdenken und neue Workflows entwickeln. Ein schöner Nebeneffekt ist aber auch, dass wir mit dieser Produktion so gut wie keinen CO2-Fußabdruck hinterlassen haben“, betont auch Producerin Helen Dreesen.
„Damals, 2020“ erzählt zehn Jahre in der Zukunft, was die Corona-Krise in der Welt verändert hat.Wo der Film ausgestrahlt wird, ist noch nicht klar. Einen Trailer der No-Budget-Produktion gibt es aber bereits zu sehen.
Der Film ist das kreative Nebenprodukt der eigentlichen Idee hinter der Initiative „Quarantinos“: Das ehrenamtliche Team habe in den letzten Wochen Aufträge an Freiberufler*innen aus der Filmbranche vermittelt, die von Zuhause aus arbeiten können.
Das war’s, hoffentlich etwas hoffungsweckend, zum Wochenanfang.
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