Corona: Brancheninfo 22

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„Ganz oder gar nicht“? Im Kino war’s ja noch lustig vorm Arbeitsamt die Hosen runterzulassen. Im wahren Leben haben die Künstler oft nur die zweite Wahl. | Foto © 20th Century Fox

Allmählich wird auch außerhalb der Künste erkannt, dass die Finanzhilfen an vielen vorbeigehen.  Die versprochene „schnelle und unbürokratische Hilfe“ bedeutet für Freischaffende und Projektarbeiter oft: Hartz IV.  Und in Nordrhein-Westfalen denkt darum auch schon die SPD-Opposition an eine Art „vorübergehendes staatliches Grundeinkommen“. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare – und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können. 

 

„Frust, Wut und Fassungslosigkeit“ titelte gestern abend die „Süddeutsche Zeitung“, nachdem sie näher auf die „unbürokratische Hilfe von Bund und Ländern“ geschaut hatte: Freischaffende Künstler*innen erhalten meist keine. Die meisten werden ans Hartz IV verwiesen.

Die Zahl der Anträge auf Hartz IV wächst stark, meldete die „Süddeutsche Zeitung“. Etwas untertrieben: Im Jobcenter Fürstenfeldbruck, das die Zeitung als Beispiel anführt, haben sich die Neuanträge versechsfacht! Wer wegen der Corona-Krise ohne Einkommen ist, soll allerdings von den strengen Regeln der „Grundsicherung“ ausgenommen sein: Keine Maßnahmen, keine Kürzungen,  keine Vermögensprüfung – rückwirkend zum 1. März und bis 30. Juni.

Aus diesem Anlass nochmals die Links zur Kurzumfrage zur Situation der befristet Angestellten in der Filmbranche und zur Petition zum ALG1.

Verwertungsgesellschaften kassieren Hunderte Millionen Euro – doch kleine Labels und Kreative fühlen sich benachteiligt. „Die GVL sitzt auf dem Geld der kleinen Musiker“, schreibt der „Spiegel“.

Betroffen sind aber nicht nur Musiker. Der Schauspieler und Synchronsprecher Frank Röth hatte schon vor Wochen in einem Offenen Brief die GVL kritisiert, sie sitze „seit langem auf einem hohen dreistelligen Millionenbetrag, der uns Künstlern zusteht und längst hätte ausgeschüttet werden müssen.“ Die Antwort zitierte er zwei Tage später. 

 

„Enttäuschend“ findet der Bundesverband Locationscouts (BVL) die Hilfsprogramme von Bund und Ländern. Die Kritik teilt auch die SPD-Opposition im Landtag von Nordrhein-Westfalen. „Eine Rückkehr zum normalen Publikumsbetrieb wird auf absehbare Zeit nicht möglich sein“, selbst wenn Schutzmaßnahmen in anderen Arbeitsbereichen greifen, antwortete deren Kulturpolitischer Sprecher Andreas Bialas dem Verband: „Wir können daher nicht in Tagen oder wenigen Wochen denken, wir müssen in einer die Krise überbrückenden Zeit von mindestens 15 Monate planen.“
Der beste Weg bleibe „quasi ein vorübergehendes staatliches Grundeinkommen für Künstler*innen in von ihnen nicht zu verantwortenden Krisenzeiten.“ Die NRW-Soforthilfe von 2.000 Euro diene als Übergang zu längerfristig greifenden Regelungen. Etwa 17.000 Anträge seien gestellt worden, „nur ein kleiner Teil“ konnte bedient werden. Klärung bräuchten auch die Regelungen des Wirtschaftsministeriums auf Bundesebene, die bislang Lebenshaltungskosten nicht als betriebliche Ausgaben anerkennen.
„Ein Rückfall auf die Ebene des ALG2 ist nicht wünschenswert“, schreibt Bialas. „Wenn überhaupt, dann müssen folgende Bedingungen gelten:
# Keine Anrechnung im Falle von Bedarfsgemeinschaften
# Schnelle unbürokratische Hilfe
# Keine umfassende Prüfung der Vermögensverhältnisse, auch nicht nachträglich
# Keine Anrechnung eigenen Vermögens, Rücklagen, Ersparnisse, etc.
# Sicherstellung von Beiträgen beziehungsweise Anrechnung der Ausfallmonate für die Künstlersozialkasse (KSK).“
Auch die kommunalen Rettungsschirme müssten entsprechend ausgestattet werden, um die kulturelle Infrastruktur zu erhalten.

 

„Alle fahren nur auf Sicht“. Mancher hätte sich bei den Lockerungen mehr gewünscht. Aber die Kommentatoren sind sich einig: Es geht nur mit Augenmaß. In einem wichtigen Punkt allerdings gibt es Kritik. Pressestimmen zur Lockerung des Shutdowns.

Fragen, nachfragen, hinterfragen: Die Corona-Pandemie macht in Deutschland zunehmend bewusst, wie wichtig Journalismus für eine demokratische Gesellschaft erst recht dann ist, wenn die Regierung Grundrechte einschränkt, um eine Krise zu bewältigen. Wie erfüllt Journalismus diesen Auftrag? Wie verändert er sich selbst durch die Krise? Eine Einschätzung aus medienethischer Perspektive. 

Wird durch Corona mehr Fernsehen geschaut? Und vor allem: Sind eher Unterhaltungssendungen besonders gefragt – oder Ablenkung? Dazu liegt nun eine erstaunliche Studie vor.

„Ach, nur Leute mit Vorerkrankungen tot? Ihr wisst schon, dass die auch leben wollen?“ fragt der „Volksverpetzer“ vorsichtshalber nochmal nach.

Belgiens Corona-Statistik ist schlechter als die seiner Nachbarländer im Norden und Osten. Offenbar hatte es das Land zu gut gemeint mit seiner Erfassung der Corona-Fälle. Und will jetzt anders zählen.

Kritik an der „Heldenberichterstattung“ über mutige Pflegekräfte, die sich aus Liebe für die Gesellschaft aufopfern, übt der Deutschlandfunk: Das lenke von dem ab, was wirklich wichtig sei: „Weniger Glorie, mehr Gehalt.“

 

„Risikogruppen“ zu isolieren, damit das normale Leben für die anderen weitergehen kann – die Idee kursiert seit einigen Tagen, schreibt Katrin Langensiepen, EU-Abgeordnete der Grünen und Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik. Gegen diese „Spaltung der Gesellschaft und Isolierung von Risikogruppen“ hat sie eine Petition gestartet: „Als Gesellschaft müssen wir zusammenhalten und das Virus gemeinsam bekämpfen.“ Mehr als 20.400 haben #wirlassenunsnichtspalten bereits unterschrieben.

Die Krise setzt auch den Finanzmärkten zu. „Prompt geistern Nachrichten durch die Medien“, die zu Verunsicherung führen könnten, was sie Altersversorgung betrifft, schreibt die Pensionskasse Rundfunk: In ihrem Falle bestehe kein Grund dafür.

„Damit Berlins Film- und Medienlandschaft unabhängig, bunt und lebendig bleibt“, gibt es das Soforthilfeprogramm IV. 30 Millionen Euro stehen für kleine und mittlere Unternehmen als Kredit bereit, die nicht regelmäßig oder nicht überwiegend öffentlich gefördert werden und besonders hart von der Corona-Krise getroffen sind. Neben Galerien, Theatern, Ensembles oder Clubs und auch Independent-Kinos und private Medien angesprochen. Durchschnittlich rund 25.000 Euro (und maximal 500.000 Euro) soll es geben.

Das Autokino erfährt in Zeiten der Corona-Pandemie eine noch nie dagewesene Renaissance, berichtet „Blickpunkt Film“. Plötzlich ist diese nostalgische Art des Filmeschauens die ideale Form, um vor der Leinwand zusammenzukommen – und führt zu zahlreichen Neugründungen.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht die Medienunternehmen in der Pflicht, bei Kurzarbeit ihre Beschäftigten zu unterstützen. Sie sollten das Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent aufzustocken, sofern keine wirtschaftliche Schieflage entstehe.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ blickt romantisch auf die Isolation: „Die Filmgeschichte ist gespickt mit Stars, die sich freiwillig in Quarantäne begaben. Diese wussten: Der Rückzug ist entscheidend, damit noch die Nachwelt die Aura des Mysteriums verspüren kann.“

Wie die Fernsehmoderatorin Sonja Zietlow mit Facebook-Posts zum Corona-Virus irritiert und auch in rechten Verschwörungskreisen gefeiert wird.

 

US-Präsident Donald Trump gibt der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Schuld an der Ausbreitung des Corona-Virus und stoppt die Zahlungen an die UN-Organisation.
Tatsächlich hat die WHO bei vorangegangenen Pandemien wie Ebola und Schweinegrippe viel falsch gemacht, berichtete der Deutschlandfunk schon vor fünf Jahren. Man müsse aber auch sehen, dass gerade die Mittel für die Seuchenbekämpfung „in den letzten Jahren heruntergefahren worden sind“, erklärte da Thomas Gebauer von der Hilfs-  und Menschenrechtsorganisation „Medico International“: Die WHO sei zum Spielball von Business-Interessen geworden – die bestimmten, wofür Geld ausgegeben werde. Das stellten auch Arte vor zwei Jahren und die „Taz“ vor einem Jahr nochmal fest.
Nur ein Fünftel ihres Budgets erhält die UN-Organisation von den Mitgliedsstaaten, den Hauptanteil geben private Spender. In den 1970er Jahren war das Verhältnis noch umgekehrt, besagt eine Sachstandsbeschreibung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom März vorigen Jahres. Diese Verschiebung hatten die USA selbst angestoßen, als sie 1993 die Pflichtbeiträge einfrieren ließ. 
Die USA sind zwar immer noch der größte Einzelgeldgeber, gleich darauf folgt allerdings schon die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung. Über die Spenden kann die WHO jedoch nicht frei verfügung, sondern sie sind nach dem Willen der Spender „immer nur zweckgebunden“, so Gebauer: „Der Gesundheitsbereich ist der wahrscheinlich wirtschaftsstärkste in der Welt. Es werden sechs bis sieben Billionen Dollar weltweit für Gesundheit aufgewandt pro Jahr.“
Was dies für die Weltgesundheit bedeutet, erklärte die „Frankfurter Rundschau“  vor einem Jahr.

Zur Bekämpfung der Pandemie wäre internationale Kooperation gefordert. Stattdessen denken die Regierungen weltweit vor allem an sich selbst – und verschärfen so die Probleme.

Die Pest war eine der größten Katastrophen der Menschheitsgeschichte. Trotzdem hat sie langfristig der wirtschaftlichen Entwicklung genutzt. Kein schönes Szenario beschreibt die „Süddeutsche Zeitung“ über die paradoxen Spätfolgen von Seuchen.

Und nun zum Thema Afrika: Alles sehr schlimm. Die Berichterstattung über einen Kontinent ist „mangelhaft“, schreibt das  Online-Magazin „Übermedien“.

 

Die Krise als Kammerspiel: Rita findet ihren neuen Nachbarn hinreißend schön – doch wie kann sie seine Aufmerksamkeit auf sich lenken? „Corona zu zweit“ zeigt eine tragikomische Begegnung zweier Menschen, auf sich zurückgeworfen in ihrer häuslichen Umgebung. Das wahnwitzige Stück des Theater Gütersloh zur Krise ist als Videoproduktion online und umsonst zu sehen.

Inspirieren will die MFG Baden-Württemberg: Durch die Kampagne #bwbleibtkreativ sollen die Kreativen im Land „neue Ideen entwickeln (oder aus den Schubladen holen) und gemeinsam Allianzen formen.“ Mit Bewegtbild, Instagram-Storys, Podcasts und redaktionellen Beiträge sollen sie zeigen, wie sie ganz individuell mit der neuen Lage umgehen – dass vielen „das Wasser bis zum Hals steht, wird dabei deutlich werden.“ Dennoch solle auch nach vorne geblickt werden und „all das Neue, das aktuell entsteht.“ Die Interviewreihe „Kreativ Arbeiten in Krisenzeiten“ vertieft einzelne Themen, der Instagram-Kanal der MFG soll zum Marktplatz für die Kreativen werden.

Menschen näher zusammenbringen und Momente der Schönheit einfangen will die Social-Plattform #showbeautytotheworld. Ausgedacht haben sich das der Hamburger Werbefilmregisseur Niels Thomsen und Creative Producer Anastasia Konovalova mit der Kreativproduktion Buzz’n’Fury: Menschen sollen Dinge im Netz teilen, „die sie an unserer Welt lieben. Somit sollen Gespräche entzündet werden über eine Welt, in der wir alle gerne leben möchten. Das Ergebnis des Experiments wird in einem Film zu sehen sein, der aus den Beiträgen zusammengeschnitten wird.“ Seit gestern lassen sich Videos auf die Plattform und auf Instagram hochladen. Einsendeschluss ist Ende Mai. 

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