Parallelen im All
Nur wenige Tage hat die neue Episode vom „Krieg der Sterne“ gebraucht, um sich an die Spitze der Zuschauerhitlisten zu spielen: „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ ist in den USA bereits der Film mit den höchsten Einspielergebnissen aller Zeiten, und auch weltweit trachtet der Film noch danach, sich vom dritten Rang vor „Titanic“ und „Avatar“ zu schießen, mit denen James Cameron seit Jahren die Spitze hält.
Mit Bangen und Vorfreude hatten die Fans die Fortsetzung von George Lucas’ Weltraummärchen erwartet. Waren die ersten drei Filme der Reihe in den 1970er und 80er Jahren ein ungeahntes Seherlebnis mit neuer Technik und verblüffenden Effekten, zeigten sich die drei Prequels um die Jahrtausendwende allzu verliebt in die neuen Möglichkeiten rechnergestützter Effekte und vernachlässigten die Story. Die Furcht vor dem siebten Streich, das zeigten unzählige Kommentare im Internet, war groß, die letzte Hoffnung ruhte auf J. J. Abrams, dem Schöpfer der Kult-Fernsehserie „Lost“, der als Regisseur bereits den Reihen „Star Trek“ und „Mission Impossible“ neues Leben eingehaucht hatte. Er sollte es nun auch beim „Krieg der Sterne“ richten.
Heraus kam zwar lediglich eine Art Remake der ersten Episode IV mit einer Prise „Rückkehr der Jedi-Ritter“ und zeitgemäßerem Frauenbild, doch damit hat Abrams seine Mission erfüllt: Die Fans sind beruhigt bis zur Begeisterung, Verleiher und Produzenten sowieso, es herrscht wieder Zuversicht im Universum.
Doch selbst eingefleischteste Fans müssen einräumen, dass die Weltraum-Saga noch immer eine recht altbackene Geschichte erzählt: von Gut gegen Böse, Prinzessinnen und Magie … die Zukunftstechnik ist nur Staffage für ein Märchen, wie es seit Jahrtausenden am Lagerfeuer erzählt wird. Aufregender klingt da, was Luc Besson für das Kinojahr 2017 vorhat: In Paris fiel am 5. Januar die erste Klappe für „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“. Einen „langgehegten Traum“ erfülle er sich damit, meint der Regisseur, der mit „Das fünfte Element“ 1997 schon einen ungewöhnlicheren Science-Fiction-Film vorgestellt hatte. Sein neues Werk beruht nämlich auf der französischen Comicreihe „Valérian et Laureline“ von Jean-Claude Mézières und Pierre Christin. Die beiden Helden (gespielt von Dane DeHaan und Cara Delevingne) reisen als Spezialagenten einer friedliebenden Erde durch Raum und Zeit, um die Ordnung im gesamten Universum zu hüten. Besetzt ist der Film unter anderem mit Clive Owen, Rihanna und Ethan Hawke.
Die Grundkonstellation läßt ahnen, was die Comicreihe seit ihrem Start 1967 so außergewöhnliche machte: Mit mehr Ironie als Action verfolgten die Raum-Zeit-Agenten ihre Aufgabe und thematisierten Fragen der Zeit – Umweltzerstörung, Gleichbereichtigung, Kapitalismus, Globalisierung, Bürokratie, Pazifismus und vieles mehr. Auch damit wurden „Valerian und Veronique“ (wie die Serie auf Deutsch heißt) zum Vorbild vieler ähnlicher Fantasiewelten.
Übrigens auch der von George Lucas. Den Schöpfern von „Valerian“ waren die Anleihen bei Szenenbild, Kostümen und Charakteren schon früh aufgefallen. Der Zeichner Jean-Claude Mézières (der mit Besson schon an „Das fünfte Element“ gearbeitet hatte) sei wütend gewesen, als er 1977 den ersten Film sah. Anfragen bei Lucas blieben unbeantwortet, aber im Laufe der Zeit sei herausgekommen, daß etliche im Szenenbildteam, darunter „auch einige Franzosen“, eine Sammlung der „Valerian“-Comics hatten, berichtet die Website nothingbutcomics.net im Dezember.
Seinem Unmut ließ Mézières auf seine eigene Weise Luft. Nachdem er alle drei Teile der Originalstaffel gesehen und damit einen guten Überblick hatte, was er alles »inspiriert« hatte, veröffentlichte er im französichen Comicmagazin Pilot ein einziges Bild:?In einer Bar, die der Star-Wars-Cantina ähnelt, sitzen Prinzessin Leia und Luke Skywalker an einem Tisch Valérian und Veronique/Laureline gegenüber. Leia: „Seltsam, euch hier zu treffen.“ Laureline: „Oh, wir sind hier schon eine ganze Weile.“
Der Texter Pierre Christin gibt sich diplomatischer: „Plagiat“ sei ein zu großes Wort, er nenne es lieber eine „Wiederbegegnung“: „Ich mochte die erste Trilogie sehr – aber das war nicht überall in der Welt der kleinen Kreise der französischen Comicszene der Fall, sei es aus ästhetischen oder politischen Gründen: Es war unter allen möglichen Aspekten zu “, schrieb er im vorigen Jahr auf der Website der Zeitschrift „Le Nouvel Observateur“. Die Ähnlichkeiten zu „Valerian“ hätten ihn aber eher zum Lachen gebracht: „Ich sah das als Hommage.“ Die großen amerikanischen Studios seien ja nicht berühmt dafür, sich für ihre „Anleihen“ zu bedanken oder zu entschuldigen. Und dann sei die Science-Fiction eh ein Genre, wo die Formen und Ideen zirkulieren: „In einem Krimi nimmt der Detektiv das Auto, um irgendwo hinzukommen. Im Western steigt der Marschall aufs Pferd. Einfach. In der Science-fiction nimmt er ein Raumschiff. Also schaut man sich die Modelle an, die so in den Comics und auf den Leinwänden im Umlauf sind, um sich inspirieren zu lassen.“ Eine kleine Erwähnung von Lucas hätte er allerdings schon nett gefunden.
Neu ist das Thema nicht. Schon 2005 beschäftigte sich ein Fachbuch mit den Parallen, eine deutsche Gesamtausgabe, die seit 2007 erscheint, zeigt sie im Anhang. Der Kinostart der „Episode VII“ und die anstehende Adaption von „Valerian“ haben die Diskussion aber wieder aufleben lassen und dank Internet weltweit verbreitet. Ausgerechnet in den USA nämlich ist die französische Comicserie erst seit kurzem erhältlich. Und so will man bei den Filmemachern auch nichts vom Vorbild aus der Alten Welt wissen: In einem Interview mit der Zeitschrift „Wired“ sagte die Kostümbildnerin Aggie Guerard Rodgers, die das Sklavinnen-Outfit für Leia in der „Rückkehr der Jedi-Ritter“ entworfen hatte, sie habe sich von den Bildern des Fantasy-Malers Frank Frazetta inspirieren lassen, nicht von Laureline/Veronique.
Tatsächlich taugen Frazettas Bilder als Vorbild. Doch die Zeichnungen von Mézières zeigen eine deutlich größere Ähnlichkeit mit den späteren Filmbildern – von der damit verbundenen Handlung ganz zu schweigen. Und die übrigen Parallelen sind zu zahlreich, um bloßer Zufall zu sein. So erinnert die ganze Diskussion fatal an die um „Avatar“. Da hatten sich die Kreativen für ihre bejubelten Fantasiewelten auch gehörig bei dem englischen Künstler Roger Dean bedient. Darauf angesprochen, stritten sie erstmal ab, seine Werke überhaupt zu kennen. Dabei hatte Dean zahlreiche Plattencover für international berühmte Musiker gestaltet.
PS: Bei der Gelegenheit sei nochmals auf Joe Nussbaums zauberhaften Kurzfilm »George Lucas in Love“ hingewiesen, der zeigt, wie das mit der Inspiration geht.
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