Wart nur, wenn es besser wird!

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Am Set von „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ (2012). | Foto © Stadion Babelsberg

Die Branche hat Krise genug, aber dahinter wächst ein noch größeres Problem: Stell dir vor, du produzierst wieder Filme, und es ist keiner mehr da!

Die deutsche Filmbranche steht unter Druck – um es möglichst neutral auszudrücken. Gefühlt alle zwei Monate erscheinen Offene Briefe, in denen die Lage dramatischer geschildert wird. Von „Abgrund“ und „Katastrophe“ ist die Rede. Mitunter gibt es auch Zahlen dazu, vereinzelte Umfragen bestätigten bislang den Abwärtstrend.

Einen aktuellen Überblick gibt die „Übersicht der Produktionen 2015 bis heute“ bei Crew United. Auch hier keine gute Nachricht: Es geht weiter nach unten, und das immer schneller. Der Ausblick aufs laufende Jahr spiegelt eine strukturelle Entwicklung wider, die Sorgen macht: Bislang liegt die Zahl an Spielfilmen (Kino und TV) und Serien um ein Viertel unter dem Vorjahr; bei den Dokumentarfilme ist ein Rückgang auf ein Drittel, bei Kinodokus gar ein Zehntel des Vorjahrs (gezählt wurden nur Produktionen mit einem Drehstart in 2025, die im Dreh oder abgedreht sind und einen deutschen Produzenten oder Koproduzenten haben – also auch alle Projekte, die teils oder komplett im Ausland gedreht werden; Dokuformate erscheinen zum Teil verzögert in der Datenbank).

Zwei zentrale Ursachen prägen die aktuelle Lage. Zum einen wirtschaftliche Faktoren: Überall werden Haushalte gekürzt; die Inflation geht weiter; Produktionskosten steigen; Erlöse bei der Verwertung sinken; es herrscht Zurückhaltung bei Investitionen in Inhalte; weniger internationale Produktionen produzieren in Deutschland.

Zum anderen strukturelle Probleme: Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wird weiter gespart; Privatsender investieren deutlich weniger in Fiktion; Streamer reduzieren ihre Ausgaben für deutschen „Content“ – zu viel davon findet nur begrenzte Aufmerksamkeit. Derweil drehen deutsche Produktionen zunehmend im Ausland. Oft aus finanziellen Gründen, denn zwei zentrale Förderinstrumente sind immer noch in Arbeit: Investitionsverpflichtung und Steueranreizmodell (inzwischen ohne Steuern).

Zugegeben, die Listen sind lang. Was dabei aber leicht vergessen geht: Es gibt noch zwei Kernprobleme mit Wechselwirkung. Die Auftragsflaute bekommen natürlich auch die Filmschaffenden zu spüren: Mehr als 60 Prozent der aktiven Crew-United-Member mit Berufen hinter der Kamera haben in diesem Jahr noch kein einziges Projekt in ihrer Filmografie eingetragen. Bei den Schauspieler*innen sind es fast 80 Prozent.

Die Folge ist ein spürbarer Fachkräfteverlust – besonders in der Altersgruppe der 35- bis 45-Jährigen. Also genau jene, die über Erfahrung, Kompetenz und Verantwortungspotenzial verfügen – und gleichzeitig oft mitten im Leben stehen, mit entsprechendem wirtschaftlichem Druck. Viele von ihnen verlassen die Branche, weil sie keine Perspektive mehr sehen.

Die Tragik daran: Es sind die, die auch eine Schlüsselrolle für die Zukunft spielen könnten – als Mentor*innen, als Ausbilder*innen könnten sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen an den Nachwuchs weitergeben und so helfen, neue Talente aufzubauen und zu begleiten. Doch sie gehen verloren – leise, aber stetig.

Das erste Kernproblem der Branche wird hier besonders deutlich: Es ist nie gelungen, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die den Verbleib dieser erfahrenen Kräfte sichern. Weder auskömmliche Beschäftigungsmodelle noch familienfreundliche Strukturen, keine verlässlichen Planungsperspektiven, keine Anerkennung von Berufserfahrung in Gagen- und Vertragsverhandlungen und so fort …

Das ist nicht bloß ein Tief, das vorüberzieht, sondern ein Verlust an Substanz. Und damit stehen wir vor dem zweiten Problem: dem Fachkräftemangel! Der war 2021/22 kurzfristig Thema, als die Produktionslage ihn offenlegte. Heute scheint er entschärft – aber nur, weil weniger produziert wird. Das Problem ist nur aufgeschoben, nicht gelöst. Die Ursachen bestehen fort – und sie wirken sich zunehmend aus.

Denn auch an Nachwuchs fehlt es, wie überall. Die Filmbranche wirkt auf viele junge Menschen wenig attraktiv (insbesondere jenseits der klassischen Filmhochschulwege), und schon am Einstieg scheitern oft selbst gut ausgebildete Nachwuchskräfte. Denn es fehlt an strukturierten, niedrigschwelligen Zugängen und an der Bereitschaft, ihnen echte Verantwortung zu übertragen. So sind jedenfalls die Erfahrungen in der Initiative „Ich will zum Film“ bei Crew United.

Derweil verschwinden erfahrene Fachkräfte, die den Nachwuchs begleiten und einarbeiten, ihr Wissen weitergeben. Der Verlust an Expertise ist fatal. Beim nächsten Aufschwung (den alle wünschen) wird sich das drastisch bemerkbar machen – wie einst im Sommer 2022.

An einigen Stellen an den Problemen gearbeitet, doch nach dem altbekannten Muster: kurzfristiges Krisenmanagement statt nachhaltiger Strukturentwicklung. Tatsächlich bräuchte es langfristige Lösungen in einem großen Branchen- und Generationenverbund. Die „Verbesserung der Struktur der deutschen Film- und Kinowirtschaft“ ist übrigens erste Aufgabe der Filmförderungsanstalt. Von „nachhaltig“ ist im neuen Filmfördergesetz (FFG) [PDF] leider keine Rede.

Und leider nicht bloß an dieser Stelle: Alle Inhalte zu Diversität, Gleichstellung, Inklusion und ökologischer Nachhaltigkeit wurden in letzter Minute aus dem FFG gestrichen. Diese Themen drohen dem politischen und wirtschaftlichen Druck ganz zum Opfer zu fallen. Nicht nur deshalb ist es ein Alarmsignal, denn es sagt: Wir machen weiter wie bisher!

Bloß: Bisher läuft’s doch nicht so gut, und selbst der BKM fordert neue Filme für das Land, die die Leute auch sehen wollen. Und draußen im Land dreht sich halt viel um Diversität, Gleichstellung, Inklusion und ökologische Nachhaltigkeit. Ach ja, und die Zukunft ist auch noch ein Thema … Erfreulicherweise blicken einige Regionalförderungen weiterhin in diese Richtung.