Ostside Story 

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„Oderbruch“. | Foto © ARD Degeto/Syrreal Dogs/CBS/Stefan Erhard

Die Degeto rief zum Ideenwettbewerb für Geschichten aus dem Osten. Gut gemeint, aber Thema verfehlt?  

Um „die Zusammenarbeit mit ost- und mitteldeutschen Produktionsfirmen zu stärken“ hatte die ARD Degeto zum Ideenwettbewerb für „Ostside-Stories“ aufgerufen. Ein Krimi oder Threiller sollte es sein. Rund 40 Produktionsfirmen reichten ihre Exposés für einen Stoff ein, „der regionale Perspektiven aufgreift und zugleich ein breites Publikum anspricht.“ Das trifft ein aktuelles Thema: Über das Leben im Osten wird bislang vor allem von Filmschaffenden aus dem Westen erzählt – und oft falsch, kritisieren Filmschaffende aus dem Osten. 

Vorige Woche fiel die Entscheidung bei der Degeto. Redaktionsleiter Christoph Pellander gibt sich beeindruckt von den „starken Narrativen“, „regionaler Authentizität“ und „der erzählerischen Kraft“. Die Redaktion entschied sich „nach intensiver Sichtung und Diskussion“ für eine junge Produktionsfirma: Syrreal Cats wurde erst voriges Jahr in Erfurt gegründet. Ein Start-up ist es aber nicht, sondern die kleine Schwester der Berliner Syrreal Entertainment von Regisseur und Produzent Christian Alvart. Dessen Pitch „Das verschwundene Herz“ erhält einen „Treatmentauftrag in Höhe von 7.500 Euro“ und „den Primetime-Sendeplatz am Samstag im Ersten“.  

Aus Sicht von Produktion und Redaktion ist die Entscheidung nachvollziehbar. Mit Syrreal hat die Degeto schon die Mystery-Serie „Oderbruch“ produziert – anscheinend eine gute Erfahrung, denn eine zweite Staffel ist bereits abgedreht. Eine andere Sicht hat jedoch zum Beispiel Heiko Hilker, der beim Dresdner Institut für Medien Bildung Beratung kommentiert: „Damit wurde wieder einmal ein neu gegründeter, verlängerter Produktionsarm einer ,westdeutschen’ Firma auserwählt. Offensichtlich haben originär ostdeutsche Produktionsfirmen, die schon einige große Projekte sowie ihren Hauptsitz dort haben, bei der Degeto keine Chance.“ 

Eine Stellungnahme der Degeto ist angefragt, blieb aber unbeantwortet.  

Derweil hat die Regisseurin und Schauspielerin Lena Liberta mal genau erklärt, wie sie es findet, dass Westdeutsche ihre Geschichte erzählen. Sie war acht und lebte in Erfurt, als in Berlin die Mauer fiel. „Uns wird von anderen erzählt, wie ,krass’ unser Leben war, dass wir unterdrückt waren, dass wir ulkig waren, dumm oder eben einfach ,anders’. Filme sind machtvoll. Die Bilder sind machtvoll, schreiben sich tief ins Gedächtnis und überlagern kollektive Erinnerungen. Das kann sich besonders schmerzhaft anfühlen, wenn das eigene Erinnern darin keinen Platz finden kann“, schreibt sie in der „Berliner Zeitung“ [Bezahlschranke] und frei auf ihrer Website. 

„Wir Ostdeutschen sind es seit Jahrzehnten gewohnt, dass unsere Geschichten von anderen erzählt werden. Dass sich fremde Perspektiven über unsere schieben. Die großen Filmerzählungen über die DDR – ,Das Leben der Anderen’, ,Good Bye, Lenin!’ oder die Agentenserie ,Kleo‘ – wurden fast ausschließlich von westdeutschen Teams gemacht. […] Doch wie sollen wir erzählen, wenn wir gefragt werden? Wenn wir als Ostdeutsche nicht mit Wut, sondern auch mit Wehmut von Erinnerungen an unsere verschwundene Heimat erzählen, unpolitisch, von unserem Lieblingseis, von Brigadefeiern, landen wir direkt in der Ostalgie-Ecke. […] Ich bin nicht mehr bereit, anderen das Feld zu überlassen, die diese Heimatwunde für sich benutzen wollen. Nicht fremden Story-Jägern und schon gar nicht einer Partei, die im Osten damit die meisten Wählerstimmen sammelt.“