Zukunft ohne Kreative

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Fernsehen für Alle: „Fahrenheit 451“. | Foto © Universal

Ein „Zukunftsrat“ soll an einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks arbeiten. Kreative sind nicht dabei. Mehrere Organisationen reagierten gemeinsam: In einem Offenen Brief fordern sie eine breitere Debatte, an der alle mitwirken. 

Einen „Zukunftsrat“ hat die Rund­funk­kommission der Länder am 8. März ins Leben gerufen. Acht Expert*innen sollen bis zum Herbst Empfehlungen für die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Nutzung und Akzeptanz erarbeiten: Drei Medienmanager*innen und fünf Professor*innen (drei davon für Jura) sollen den Weg in die Zukunft weisen.

Das stößt auf Widerspruch, berichtete „Menschen machen Medien“ vorige Woche. Die die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (Agra) werte es als eine „verpasste Chance und einen großen Fehler“, dass niemand aus dem „Maschinenraum“ der Anstalten dabei sei.

Die Deutsche Akademie für Fernsehen (DAfF) hatte bereits im Januar einen „Konvent Medienordnung 2030“ vorgeschlagen. „Am Ende eines solchen Prozesses – tatsächlich werden viele kleine und größere Brainstormings, Gesprächsformate und Auswertungsrunden nötig sein – soll ein mutiger Reformentwurf stehen. Kenntnisreich, demokratisch legitimiert und zukunftsorientiert. Nimmt man die Grundidee eines ö/r Mediensystems ernst, wird es nun insbesondere darauf ankommen ein Diskursformat zu entwickeln, dass das Versprechen auf Beteiligung wirklich einlösen kann. Alles andere wäre ein Verharren in bekannten Mustern.“

In einem gemeinsamen Offenen Brief mahnten DAfF, Agra, die Initiative „Unsere Medien“ und die Netzwerke Neue deutsche Medienmacher*innen und Docfilmpool die Umsetzung des Konvents an. Der Brief in voller Länge:

 

Hochgeschätzte Mitglieder der Rundfunkkommission der Länder, 

wir Unterzeichner dieses Offenen Briefes repräsentieren eine breite Allianz aus Medienschaffenden und zivilgesellschaftlichen Kräften. Wir drücken hiermit unser Unverständnis und unseren Unmut über das Verfahren aus, das zur Einsetzung eines sogenannten „Zukunftsrates“ geführt hat. 

Wir sind überzeugt: Ohne einen von Anfang an ergebnisoffenen und transparenten Prozess und ohne eine Beteiligung breiter gesellschaftlicher Kräfte und insbesondere auch der Medienschaffenden selbst, wird eine Erneuerung unserer ö/r Medien nicht gelingen. 

# Wir bedauern, dass die Berufung eines „Zukunftsrates“ in einem nicht zuletzt parteipolitisch motivierten und nicht öffentlichen Prozess erfolgt ist.

# Als Medienmacher*innen denken wir: Eine gelungene Geschichte zeichnet sich dadurch aus, dass Form und Inhalt aufeinander bezogen sind. Die Beratungen über die Reform „Unserer ö/r Medien“ in die Hand von lediglich einigen wenigen Expert*innen zu legen verfehlt diesen Anspruch schon a priori. 

# Wir stellen die Kompetenz der einzelnen Mitglieder des Zukunftsrates nicht in Frage, halten die Zusammensetzung des Gremiums aber für unausgewogen und lückenhaft. Ein kleines Expert*innengremium wird die umfassende Legitimationskrise der ö/r Anstalten nicht lösen können. Dafür braucht es unserer Ansicht nach eine weit breitere Debatte. Im Übrigen fehlen aber Expert*innen beispielsweise zu den Themen Digitalisierung und Technologie. Außerdem ist das Gremium nicht ansatzweise divers im Sinne der „Charta der Vielfalt“ aufgestellt. Für welche Gesellschaft soll dieses Gremium dann aber arbeiten, wenn bei der Besetzung Diversitätsmerkmale, wie zum Beispiel von den Neuen Deutschen Medienmacher*innen seit Jahren gefordert, keine Rolle spielen? 

# Als Programmacher*innen und Medienschaffende verstehen wir uns als diejenigen, die unser ö/r Mediensystem de facto betreiben. Ohne unsere Expertise aktiv zu berücksichtigen, die sich auf alle Bereiche der Medienproduktion bezieht, sind Reformvorschläge zum Scheitern verurteilt. 

# Als Akteur*innen der Zivilgesellschaft (breit vertreten z.B. durch die Initiative „Unsere Medien“) sehen wir uns, symbolisch, als EIGENTÜMER unserer Medien. Oder warum sonst setzt die ARD auf den Slogan „Wir sind DEINS?“. Der jetzt eingesetzte Zukunftsrat ist ein erster Schritt, kann aber nicht ausreichend sein. Wenn die Zivilgesellschaft hier nicht miteinbezogen wird, wäre dies eine vertane Chance, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dem Publikum jedoch wird über seine Zählbarkeit hinaus weder von den Anstalten noch von der Medienpolitik eine Stimme zugetraut und zugebilligt. Dabei muss ein Dialog über die Zukunft unserer Medien die Perspektive des Publikums unbedingt mit einbeziehen, wenn er zu gesellschaftlich akzeptierten Ergebnissen führen soll. 

# Alle diese Stimmen müssen bei einem Debattenprozesses zur Zukunft der Anstalten gehört werden. 

# Tatsächlich mangelt es nicht an Ideen und Erkenntnis. Initiativen, Verbände, Interessengruppen, Wissenschaftler*innen haben bereits verschiedenste Szenarien vorgelegt die wir gerne auch jetzt schon mit Ihnen teilen. Uns scheint: Es gibt ein Schnittstellen- und ein Umsetzungsproblem. Der jetzt berufene Zukunftsrat kann daher bestenfalls einen fortlaufend und parallel weiterzuentwickelnden Prozess anstoßen, der immer wieder mit anderen Lesarten abgeglichen werden sollte. 

Wir fordern Sie und Ihre Kolleg*innen in der Rundfunkkommission deshalb auf: 

1. Einen transparenten, breiten deliberativen Prozess für einen „Konvent Medienordnung 2030“ in Gang zu setzen. Er ist unabdingbar, um eine Erneuerung des ö/r Grundgedankens glaubhaft machen zu können. 

2. Unverzüglich mit uns gemeinsam eine Plattform zu schaffen, um über Reformkonzepte ins Gespräch zu kommen. 

3. Ressourcen bereitzustellen, um transparente Strukturen zu schaffen, die für umfassend gedachte Beteiligungsformate notwendig sind. 

Ihre Antwort erwarten wir gespannt.