Großes Ego = großes Kino?

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Auf dem Podium von links nach rechts: Gergana Voigt, Fritzie Benesch, Judith Frahm, Štepán Altrichter und Raquel Dukpa. | Screenshot

Braucht ein großer Film das eine Genie, das alles regelt? Oder geht es auch anders – zum Beispiel im Team? Die Gesprächsreihe „Ausnahmezustand Film!?“ fragte nach.

Die Idee vom genialischen Ego ist der Kunst nicht auszutreiben. Selbst da, wo es doch um Teamarbeit geht. Dabei geht’s nicht allein Ruhm, erklärte Fritzie Benesch beim Studierendenfestival „Sehsüchte“ in Potsdam, sondern um Hierarchien, Ausbeutung, Machtmissbrauch … 

Benesch studiert Produktion an der Filmuniversität Babelsberg, ebenso Judith Frahm. Erst im November hatten sie die Gesprächsreihe „Ausnahmezustand Film!?“ gestartet. Inzwischen dürfte es die fünfte Veranstaltung sein. Jedesmal wird das Thema aus einer anderen Perspektive oder anderem Schwerpunkt mit anderen Gästen diskutiert.  Zuletzt waren sie damit beim Max-Ophüls-Preis zu Gast. Nun also Potsdam (wieder in Kooperation mit Crew United) mit der Frage: „Braucht es für einen großen Film diese eine Person mit dieser einen Vision? Oder geht es auch anders?“ 

Für Antworten auf dem Podium: die Editorin Gergana Voigt, Professorin und Vizepräsidentin für Lehre & künstlerische Projekte an der Filmuniversität Babelsberg; der Regisseur Štepán Altrichter, Absolvent der Filmuniversität; und Raquel Dukpa, mit der die Frage eigentlich schon beantwortet ist. Mit Faraz Shariat und Paulina Lorenz bildet sie das Filmkollektiv Jünglinge in Berlin. Der gemeinsame Debütfilm „Futur drei“ wurde unter anderem bei den „First Steps Awards“ zweifach ausgezeichnet.

Ein Ego sei an sich ja nicht gleich schlecht, solange es um die Sache geht. Aber als Regisseur fühle er sich schon manchmal einsam, gesteht Altrichter. Eine Doppelregie gehe, wenn die Bereiche und Kompetenzen klar verteilt sind. Bloß sind da noch nicht alle so weit: „Meine Editorin ist auch meine Dramaturgin. Ich fand’s schön, wenn sie auch mal am Set war. Für die Produzenten war das eher schwierig.“

Das Problem sieht er auch in einem falschen Rollenverständnis. Wenn etwa eine Produktion von ihm als Regisseur „Stoffe“ erwartet: „Ich würde ja gerne für euch arbeiten. Aber was habt denn ihr für mich an Stoffen? Ich finde auch die Vorstellung absurd, dass ein Regisseur gleich gut Drehbuch schreiben kann, wie, dass er gleich gut schneiden oder Kamera machen kann.“ 

Während des Studiums habe er den Teamgedanken noch erlebt. Erst nachher, so sein Eindruck, habe man versucht, die frischen Absolvent*innen bei potenziellen Projekten gegeneinander auszuspielen. In Tschechien und Frankreich sei der Geist wesentlich kollektiver, sagt Altrichter. Dort bleibe man nach dem Abschluss oft zusammen. Ein Hindernis seien dabei übrigens auch die Länderförderungen und ihre Standorteffekte, die bestehende Teams mitunter auseinanderreißen. 

Dupka beneidet ihn jedenfalls nicht. Sein Debüt hatte das Kollektiv zwar als Quereinsteiger gemeistert, aber ohne den Druck: „Wir mussten nichts beweisen,  denn wir hatten ja nichts zu beweisen.“ Die Erfahrungen hatten sie in der Praxis gesammelt und sich durch die Branche gefragt, berichtet Dupka. Die Nordmedia und die Moin hatten ihr Debüt jedenfalls ernst genommen und gefördert. Als Jünglinge soll es weitergehen, das Kollektiv schaffe automatisch einen anderen Umgang. So habe man aus Rücksicht auf eine schwangere Kollegin die täglichen Drehzeiten generell gekürzt. „Wenn Kindern beim Dreh sind, werden die Drehzeiten ja auch angepasst. Warum nicht auch, wenn Mütter drehen?“

„Als Editorin kann ich sehen, ob die Stimmung am Set gut war oder nicht. Der Kamera entgeht nichts“, sagt Gergana Voigt. Als Dozentin sagt sie: Uns fehlt Teamarbeit! es herrsche immer noch ein hierarchisches Denken, und das werde in der Ausbildung weitergegeben. Für sie sei es „manchmal auch emotional schwer zu ertragen, wie ihr reinkommt mit dieser Offenheit, einfach auszuprobieren, gemeinsam Dinge entstehen zu lassen. Und wie schnell das sich festfährt und ihr in Schubladen gesteckt werdet. Von uns.“

In der Antwort zum Schluss sind sich alle einig: Es geht auch anders, braucht aber klare Strukturen und noch viel mehr Kommunikation. 

Das ganze Gespräch gibt’s auf Facebook nachzuschauen. 

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