Corona: Brancheninfo 23

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Mit etwas Fantasie und einem Netflix-Zugang kann man immer noch verreisen. Die „FAZ“ wagte den Selbstversuch und reiste nach Nigeria. | Foto © Netflix

„Bayern ist ein Kulturstaat. So steht es in der Verfassung.“ Das ist ein schöner Satz, die Grünen schrieben ihn an ihre Landesregierung und fordern flexible Lösungen für die prekäre Branche, damit’s nach der Krise überhaupt noch Menschen gibt, die diese Kultur schaffen. Doch für viele, die zwischen zwei Projekten gestrandet sind, ist immer noch keine Hilfe in Sicht. Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare. 

 

Falls Sie am Wochenende noch nichts vorhaben: Noch bis Montag läuft die Kurzumfrage zu den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Filmschaffenden. Angesprochen sind damit explizit auch die Schauspieler*innen, von denen viele durch die Hilfsnetze zu fallen drohen. Die Umfrage soll auch dazu eine belastbare Datenbasis liefern.

 

Oder beginnen wir doch einfach mit dem heutigen Leserbrief einer Filmschaffenden:

„Ich mag den Corona- Newsletter, weil er viel anspricht und zusammenfasst. Was mir derzeit aber wahnsinnig aufstößt, ist die fehlende größere Mit-Unterstützung für die ,freischaffenden’, auf Projektdauer Angestellten der Filmbranche. Also im Prinzip die anderen ,Selbständigen’ der Branche, die halt Lohnsteuer zahlen.
Man hat bei der aktuellen Berichterstattung das Gefühl, wir produzieren nur Filme mit einer Produktionsfirma, Künstlern der KSK und  Selbständigen. Ist mir ein Rätsel. Alle Hilfen zielen vorrangig darauf ab.
Nun: Wir sorgen dafür, das die Ideen der Firmen, Drehbuchautoren, Regisseure umgesetzt werden. Ohne uns gäbe es keine Filme, Serien und so weiter. Und auch wir haben aktuell zwangsweise keine Einnahmen – bei mir etliche Tausend Euro brutto (Vergleich zum Vorjahr 03-05/2019), und das in der Hauptsaison!
Also ein Arbeitsverbot ohne absehbares Ende und ohne Hilfen. Die schon seit Wochen bestehende Petition zur ALG1-Regelung hat gerade mal knapp über 6.000 Unterzeichner. Warum?
Es stellt sich die Frage: Sind sich Kollegen, Firmen und andere zu schade dafür, verstehen Sie es nicht? Ich für meinen Teil unterstütze auch die ,anderen’. Wenn wir aber so hängengelassen werden, werden viele danach wohl auch nicht mehr wiederkommen.
Der hausgemachte Fachkräftemangel wird noch stärker werden und noch mehr ,Ich-versuch’s-mal’-Kandidaten (von der Produktion ,günstig’ eingekauft mit ,Wird-schon-gehen-irgendwie’) werden dadurch fürchterlich unstimmige Produktionen abliefern.
Es liest sich seit Wochen leider so, als gäbe es uns gar nicht oder es kommt halt nur  eine Randnotiz. In den letzten Newslettern habt Ihr, wenn für mich auch erst ziemlich spät, das Thema zumindest erwähnt, es ist aber noch dringend ausbaufähig.
Auch mit Verdi und anderen kommt man nicht wirklich voran. Da wird ein Kurzarbeit-Tarifvertrag verhandelt, aber nur für Firmen in der Produzentenallianz. Das hilft eventuell einigen ein wenig, aber meist auch nur befristet.
Wir brauchen auch hier, wie es sich jetzt nochmal zeigt, rechtsverbindliche Grundlagen zu Verträgen, Gehältern, Ausfallsentschädigungen für alle Filmfirmen.
Wäre doch jetzt der beste Zeitpunkt. Bevor man mit dem alten System weiter langsam gegen die Wand fährt.
Ich mache das jetzt fast zehn Jahre, zumeist im Kostümdepartment und etwas Ausstattung, und im Moment empfinden ich und viele andere die Situation als wahnsinnig einseitig betrachtet. Vielleicht ist es Euch möglich, dies zukünftig etwas mehr hervorzuheben in der täglichen Berichterstattung. Oder Ihr wisst auch mehr dazu und gebt die Infos weiter.“

Anmerkung der Redaktion: Wir können nur zustimmen! Die Sorge, sie könnten nun in Hartz IV abrutschen, schildern uns seit der ersten Brancheninfo täglich viele Filmschaffende. Wir haben Berufsverbände auf die Problematik angesprochen, die Agentur für Arbeit antwortete darauf nur: „Das ist leider so.“
Wir können nur sammeln, sortieren und kommentieren – doch wo nichts passiert, können wir auch nichts berichten. Es ist leider so: die Betroffenen sind zurzeit noch ziemlich auf sich gestellt. Und darum sei noch einmal auf Umfrage und Petition verwiesen. Ja, wir wissen, wir nerven. Aber es ist wichtig!

Nehmt Euch bitte fünf Minuten Zeit im Stillstand.

 

Kein Geld, keine Hoffnung: Für den Kulturbetrieb artet der Corona-Ausnahmezustand zunehmend in eine Katastrophe aus. Leider lässt die Politik einen Großteil der Branche links liegen und sendet auch keine Signale, dass sich daran bald etwas ändert, berichtet der „Stern“, bleibt aber im Ungefähren.

Jedes Bundesland hat eigene Vorstellungen davon, wie es selbstständige Kreativschaffende unterstützt. Die Vertreter der Kulturwirtschaft finden: Das reicht nicht und stellen Forderungen.

Auch das Münchner Büro der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) fordert, „den Last-Exit-Hartz IV zu verhindern“. Die bisherige Regelung gehe an der Arbeits- und Lebenswirklichkeit der meisten Freiberufler und Selbständigen vorbei. „In der Not“ hat sich an die Stadt München gewandt und Forderungen an Bund und Land angeregt, damit deren Programme ergänzt und verbessert werden. Näheres wurde dazu nicht bekannt gegeben. Es werde aber auch die Stadt München an ihre Verantwortung ermahnt.

Wie viel Soforthilfe können Selbstständige oder Freiberufler*innen in ihrem Bundesland erhalten? Eine erste Zahl zur Orientierung gibt der „Corona-Soforthilfe-Rechner“. Corona-Selbsthilfe.org ist eine Arbeitsgemeinschaft von Selbständigen und Freelancern, die unmittelbar von der Corona-Krise betroffen sind.

 

„Bayern ist ein Kulturstaat. So steht es in der Verfassung.“ Mit einer Ermahnung beginnen die bayerischen Grünen ihren „Offenen Brief zur Lage der Kulturschaffenden“, den sie gestern an Wirtschafts- und an Kunstministerium verschickt haben. Die Förderprogramme gingen an den Bedürfnissen und Beschäftigungsverhältnissen der Kreativarbeiter*innen vorbei. „Umso schockierter bin ich, dass die Söder-Regierung aus dem bayerischen Corona-Soforthilfe-Programm für Solo-Selbstständige und Unternehmen bis zehn Angestellte aussteigt und nur noch die Bundesmittel ausgezahlt werden“, schreibt Sanne Kurz, die kulturpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen. Vom Bund würden die Kosten des Lebensunterhalts aber nicht anerkannt. Baden-Württemberg habe hierfür ein eigenes Programm, bei dem  Soloselbständige und Kleinstunternehmer 1.180 Euro im Monat geltend machen können.
„Die kleinteilige Struktur und die teils prekären Arbeitsbedingungen im Kulturbereich brauchen flexible Lösungen, damit unsere bayerischen Kulturschaffenden nicht vor den Scherben ihrer Existenz stehen“, heißt es weiter in dem Offenen Brief, der fast wortgleich auch als Positionspapier der Fraktion vorliegt. „Deshalb brauchen die Betroffenen jetzt Unterstützung mit einem eigenen bayerischen Programm mit Soforthilfen zur Sicherung der eigenen Existenz und Entschädigungen, wie es das Infektionsschutzgesetz vorsieht.“ Fünf Maßnahmen sollten darum „unverzüglich“ umgesetzt werden, so die Forderung der Grünen:
# Soloselbständige/Freie und Klein- und Kleinstunternehmer*innen können rückwirkend ab März 2020 die Kosten des privaten Lebensunterhalts in Höhe von 1.180 Euro pro Monat geltend machen sowie Soforthilfen gestaffelt nach Unternehmensgröße beantragen. Zusätzlich gibt es ein Corona-Elterngeld.
# Veranstaltungsverbote kommen Tätigkeitsverboten gleich und sind zu entschädigen.
# Den Umsatzrückgang zum Leitkriterium für Corona-Hilfen machen.
# Hilfen auch für „Hybrid-Beschäftigte“, die im Nebenberuf im Kunstbereich oder der Kulturwirtschaft tätig sind, absichern.
# Planungssicherheit herstellen. Die laufenden Kosten sind aufzufangen, bis tatsächlich wieder Veranstaltungen stattfinden können.

 

Bei der Meldung zum Offenen Brief an die GVL hatten wir gestern versehentlich aus dem falschen Dokument zitiert, darum bitten wir um Entschuldigung und schreiben es heute nochmal richtig: Bei der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) liegt noch sehr viel Geld, das Schauspieler*innen durch die Krise helfen könnte. Doch die GVL lässt sich Zeit mit der Ausschüttung. Im März hatten Frank Röth und Claudia Michelsen das in einem Offenen Brief angemahnt. Eine Antwort erhielten sie nicht. Was stattdessen an Mitteilungen kam, veranlasste sie diese Woche zu einem zweiten Brief, hier in voller Länge.

„Zugegeben, da habe ich recht großzügig gerechnet.“ Darf man als Freiberufler Corona-Soforthilfe vom Staat beantragen, obwohl es anderen Selbstständigen durch die Krise deutlich schlechter geht? Man darf. Trotzdem sind viele verunsichert – oder haben ein schlechtes Gewissen. Fünf Betroffene erzählen.

 

Die rein naturwissenschaftlich legitimierte Entscheidung des Lockdowns ist ein historisch-politischer Dammbruch. Die Einbeziehung der Wissenschaftsakademie erfolgte dabei viel zu spät – und halbherzig, erklärt „Telepolis“ die Zusammenhänge. 

Wie war das nchmal mit den Risikogruppen? Sieben von zehn Todesopfern in Italien sind Männer, rechnet die Virologin Ilaria Capua vor. Einst galt sie als Vorreiterin im italienischen Wissenschafts­betrieb, doch dann endete ihre Karriere abrupt. Heute ist ihr Rat mehr gefragt denn je, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“.

Bill Gates investiert mehrere Milliarden Dollar in die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Corona-Virus – und erhöht damit den Druck auf die Regierungen der Welt. Allerdings: Der Impfstoff solle als „öffentliches Gut für alle zugänglich und bezahlbar“ weltweit zur Verfügung stehen, sagt der Microsoft-Gründer, der über lange Zeit als reichster Mensch der Welt galt.
Schon vor zwei Jahren warnte Gates vor einer Grippe-Pandemie, die 33 Millionen Menschen töten könnte. 

 

Zuletzt gab es deutschlandweit mehrere Gerichtsentscheidungen, die einen Weg mit Schutzauflagen und gegen Totalverbote von Versammlungen vorgezeichnet haben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte für Gründonnerstag eine Mini-Demo in München unter Auflagen erlaubt. Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht Münster sich ähnlich verhalten. Auch für Hessen entschied das Bundesverfassungsgericht zugunsten einer Versammlung.
Streit um Klein-Demo: Die ÖDP wehrt sich in Bayern gegen einen Bescheid des Verwaltungsreferats.

Sollte eine staatskritische Rechtsanwältin mundtot gemacht werden? Viele Corona-Skeptiker glauben das. Doch es handelt sich im Fall der Heidelberger Juristin Beate Bahner wohl eher um einen tragischen Absturz, meint die juristische Fachzeitschrift „Legal Tribune Online“ in ihrer Einschätzung.

Rechtsextreme Gruppierungen versuchen, in der Corona-Krise die Deutungshoheit zu erlangen. Der neuste Schachzug: ein Podcast auf Spotify und Apple Podcasts. Aktivisten wollen dafür sorgen, dass der Podcast von den Plattformen gelöscht wird.

 

Wie geht’s unserem Film? Die Maßnahmen gegen Corona gefährden die deutsche Filmwirtschaft massiv, die Zukunft des Kinos ist dunkel. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ macht eine Bestandsaufnahme.

„Scheiß drauf, das spiele ich jetzt!“ Frederik Lau über seinen neuen Netflix-Film „Betonrausch“, die Macht der guten Laune und seine eigene Regiearbeit.

Kay Voges, Intendant des Schauspiels Dortmund, sprach mit der „Frankfurter Rundschau“ über Streaming in Corona-Zeiten und digitale Experimente für den Bühnenraum.  

Der US-Kinoverband NATO warnt vor der Verkürzung von Kinofenstern. Und demonstriert damit im Grunde nur die Sorge, dass in der Corona-Krise erprobte Praktiken dauerhaft Bestand haben könnten.

Der WDR wird die Corona-Sofortmaßnahmen für freie Mitarbeiter*innen und Student*innen fortführen und ausweiten. Das wurde am Dienstag in einem Rundschreiben bekanntgegeben. Die Maßnahmen waren bislang bis zum 19. April befristet, darunter ein Härtefallfonds und Darlehen für Freie. Ausfallhonorare sollen allerdings nicht mehr gezahlt werden. Und auch die Mitarbeit studentischer Hilfskräfte wird eingeschränkt.

 

Kreativ in der Krise. Studenten*innen der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München starten heute die Webserie „Curfew Calls“ auf Instagram [@curfew_calls]. Die erste Staffel soll 16 Folgen, an der zweiten wird bereits gearbeitet. Jede Folge zeigt einen drei bis sechs Minuten langen Video-Anruf in Zeiten von Corona in unterschiedlichen Konstellationen – von Familie über Bewerbungsgespräch bis zur Yoga-Stunde. Das Konzept wurde in kürzester Zeit von den HFF-Produktionsstudentinnen Katharina Kolleczek und Lea Neu mit der HFF-Regie-Studentin Anna Roller entwickelt, Regie und Drehbuch übernahmen Student*innen und Absolvent*innen der HFF.  Die Macher*innen rufen „zu kreativer Mitwirkung“ auf.   

Urlaube in der Ferne werden in Zukunft schwieriger zu gestalten sein. Mit etwas Fantasie und einem Netflix-Zugang kann man trotzdem verreisen. Ein Selbstversuch mit Filmen aus Nigeria.

 

Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende. Bleiben Sie gelassen und gesund – und denken Sie bitte an die Umfrage … das war aber auch das letzte Mal für heute.

 

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