Filmsubventionspolitik

Filmförderer freuen sich über Kinoerfolge, denn dann kommen die großen Schecks zurück. Womit sich Erfolgsproduzenten gleich für die nächste Subventionsrunde empfehlen. | Foto © Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Vielleicht mag man sich das ja mal vorstellen: Von heute auf morgen stellten sämtliche Filmförderer des Landes ihre Arbeit ein. Gedreht wird nur noch, was Geld bringt oder Spaß macht. Hier der Mainstream, der sich aber gefälligst selbst finanzieren soll. Dort das Kunstkino, für das ambitionierte Filmemacher am Rande des Existenzminimums  drehen, aber dennoch irgendwie glücklich sind, weil sie wenigstens wahre Werte schaffen. Und irgendwie vielleicht neue Modelle finden, ihre Arbeit zu finanzieren.

Vielleicht stellt man sich das besser nicht vor. Denn fest steht: Ohne die öffentlichen Subventionen von Bund und Ländern dreht sich kaum etwas im Filmland. 374 Filme sind allein im Jahr 2010 gefördert worden – mit insgesamt mehr als 273 Millionen Euro.

Grundlage für die Verteilung ist das Filmfördergesetz, das alle fünf Jahre auf einen neuen Stand gebracht wird. Die nächste Anpassung steht für das Jahr 2014 an. Unter anderem wird dann wieder neu festgelegt, welcher Verwerter (Fernsehsender etwa und Kinobetriebe) wie viel in die Fördertöpfe zahlen muß oder nach welchen Kriterien die Mittel dann verteilt werden. Es geht ums Geld, kein Wunder also, wenn bereits wieder um die Verteilung diskutiert wird.

Gelegenheit dazu boten Ende April auch das Erich-Pommer-Institut (EPI) und die Kanzlei Unverzagt von Have. Der gemeinsamen Diskussionsveranstaltung, auf der Vorschläge für die Novellierung gemacht wurden, schob das Instituts, das zur Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg gehört, nun reichlich Daten nach und vollzieht anhand des Jahres 2010 eine Bestandsaufnahme der Filmförderung in Deutschland.

Solche Daten liefern zwar auch regelmäßig die einzelnen Förderer selbst, neu sei aber, daß nun auch von unabhängiger Seite und für alle Institutionen zusammen „belastbare Zahlen“ vorliegen, schreiben Lothar Mikos, der Geschäftsführende Direktor des EPI, und seine Autoren Anna Tasja Flügel und Anna Jakisch. Ziel der Studie sei, „die Strukturen der Filmförderung im Zusammenhang von Bundes- und Länderförderungen ebenso offen zu legen wie die Konzentration der Förderung auf einzelne Projekte beziehungsweise auf einige Produktionsfirmen.“ Also: wem nutzt die Förderung?

Nutzen sollte sie dem anderen, dem jungen, frischen deutschen Kino, mit dem ambitionierte Filmemacher dem Mainstream entgegentraten. So war das jedenfalls  1965 gedacht, als mit dem Kuratorium junger deutscher Film die öffentliche Filmförderung im Lande startete. Mit den ersten sechs Spielfilmen, die hier finanziert wurden, begann der Erfolg des „Autorenfilms“, dessen Regisseure ihre Drehbücher auch selber schrieben, so bleib es erst auch, als 1968 das erste Filmförderungsgesetz (FFG) in Kraft trat, für das die Filmförderungsanstalt (FFA) in Berlin gegründet wurde. Regional gab es ähnliche Entsprechungen, wo sich Filmenthusiasten zusammenschlossen, um auch praktisch etwas fürs neue Kino zu tun. Mitunter gab es sogar öffentliches Geld für die Werkstätten, Filmbüros oder „kulturellen Filmstiftungen“. Freilich mussten sich die auch kritisieren lassen – zu abgehoben und am Publikum vorbei werde da produziert. Und das mit öffentlichen Mitteln!

Als die Länder die Filmbranche in den 1990er Jahren als Wirtschafts- und Standortfaktor entdeckten und eigene Förderinstitutionen gründeten, die sie vergleichsweise üppiger ausstatteten, gingen sie die Sache anders an. Gefördert wird natürlich schon dem Namen nach, aber es geht auch um Erfolge. Gemessen in Besucherzahlen und Einspielergebnissen, wenigstens aber in Preisen – möglichst international. Die Jahresberichte legen davon regelmäßig Zeugnis ab. Und vor allem geht es um Standorteffekte: Jeder Euro Förderung soll möglichst mehrfach vor Ort ausgegeben werden. Auch die FFA stellt auf ihrer Website inzwischen klar, was sie will, nämlich „die gesamtwirtschaftlichen Belange der Filmwirtschaft in Deutschland zu unterstützen.“ Das Kuratorium und die anderen frühen Institutionen, wo es sie noch gibt, pflegen ihren kulturellen Idealismus heute mit schmalen Budgets im Schatten der großen Standortsubventionsmaschinen.

Immerhin: Bei 374 Filmen wird das Geld doch breit gestreut – da haben doch auch die kleinen, ambitionierten Projekte etwas davon. Könnte man annehmen, doch die EPI-Studie dämpft den Optimismus: Deutlich werde, „daß sich die Förderung auf einige große Produktionsfirmen konzentriert“, so eine der Erkenntnisse für 2010 (und es gibt keinen Anlaß zur Vermutung, in anderen Jahren könnte es anders sein). Ganz vorne auf der Förderliste stehen die Constantin mit 10.983.944 Euro Förderung, gefolgt von Ufa Cinema (10.526.401 Euro) und Bavaria Pictures (9.059.993 Euro). Nimmt man noch deren Tochter- und Schwesterfirmen und weitere Verflechtungen hinzu, die rund zwölf Millionen Euro einstrichen, verdichtet sich das Ganze noch weiter: Ein Siebtel des Geldes, das 2010 öffentlich verteilt wurde, sackten allein die drei Großen ein.

Auf den folgenden Rängen sieht es nicht viel anders aus. Wer regelmäßig die Fördermeldungen verfolgt, begegnet immer wieder den gleichen Namen, die meisten bekannt, einige groß, manche auch international ein Begriff, und alle mit einer Gemeinsamkeit: Offenbar brauchen sie Subventionen, um Filme machen zu können. Wer einmal Erfolg hatte, kommt auch leichter wieder an frisches Geld.

Das betrifft nicht nur Firmen, wie ein zweites Ergebnis der Studie zutage bringt: Der Standort Berlin profitiert am meisten von der Förderung. Auch das hatte man angesichts der Fördermeldungen in den vergangenen Jahren ahnen können. Allein der Deutsche Filmförderfonds, vor fünf Jahren gestartet und mit 60 Millionen Euro jährlich der größte Produktionstopf, vergibt regelmäßig einen beträchtlichen Teil seines Budgets an Großproduktionen, die in den Babelsberger Studios produziert werden.

Wo das nicht heimische Produktionen mit internationalen Partnern sind, geht man den umgekehrten Weg und gründet eigene Produktionsgesellschaften für die Projekte, die ja sonst nicht an die Förderung kämen. Der Einfachheit halber werden die durchnumeriert: 2010 waren die „Sechzehnte“ und die „Vierzehnte Babelsberg Film“ unter den Förderlingen – Gesamtsumme: mehr als 6,4 Millionen Euro. Auf diesen Betrag kommt jedenfalls das EPI. Schaut man auf die Jahresaufstellung des DFFF selbst, waren es (ohne die beiden Sonderzahlungen) „nur“ 4,7 Millionen. Womit immer noch fast acht Prozent des DFFF-Jahresbudgets an zwei Filme gingen. Die restlichen Millionen teilten sich 112 Produktionen. 2009 war das noch deutlicher. Da erhielten sechs Projekte, an denen diverse durchnummerierte Babelsberger als Produzent und/oder Koproduzent fungierten, mehr als 21 Millionen Euro vom DFFF. Die übrigen zwei Drittel blieben für 98 weitere Filme. Anders gesagt: 398.000 Euro erhielt jeder dieser Filme im Durchschnitt – die Filme der Babelsberger zehn Mal so viel!

Zu Subvention des Traditionsstudios kommen etliche weitere „freie“ Produktionen in und um Berlin und Babelsberg.  „Die Studie hat deutlich gezeigt, daß es einen ,Hauptstadteffekt‘ in der Filmförderung gibt“, heißt es in der EPI-Studie. „Das zeigt sich nicht nur daran, daß es besonders häufig ein Zusammenspiel in der Förderung einzelner Filmprojekte von FFA, DFFF [Deutscher Filmförderfonds] und Medienboard Berlin-Brandenburg gibt, sondern daß Berlin auch bei der Anzahl der geförderten Projekte, die an Produktionsfirmen mit Sitz in Berlin gingen, deutlich vorne liegt.“

Doch auch andere Länder basteln fleißig an ihren Medienstandorten. Noch lange nach der Wiedervereinigung hatte Bayern seinen Status aus der alten Bundesrepublik behaupten können. München war mit Abstand der führende Standort der Film- und Fernsehbranche. Seit der Jahrtausendwende verschieben sich die Gewichte. Neben dem Großraum Berlin, der auch mit gesamtstaatlicher Hilfe wieder an den „Mythos Babelsberg“ anknüpfen will, hat besonders Nordrhein-Westfalen investiert. Mehr als die Hälfte der Fördermittel, 140,8 Millionen Euro, verteilten 2010 die Länder – angeführt von der Film- und Medienstiftung NRW mit 32 Millionen. Es folgen Bayern und Berlin-Brandenburg.

Mehrfachförderungen sind keine Ausnahme, was zur Folge hat, daß Produktionen quer durch die Republik ziehen – schließlich erwarten die Förderer für ihre Unterstützung „Standorteffekte“: Das Geld muß im jeweiligen Land ausgegeben werden. Freilich nicht immer, stellt das EPI klar, und das ist wohl die überraschendste Erkenntnis aus der Studie: „Im Jahr 2010 haben 137 von 374 geförderten Filmen auch Förderzusagen erhalten, die nicht aus dem eigenen zuständigen Bundesland bzw. Einzugsgebiet oder aus dem Topf einer Bundesförderung stammten.“ Mehr als ein Drittel. Und: „Immerhin 84 Filme (22,4 Prozent) sind ausschließlich ,fremdfinanziert‘.“

Bei der Art der Förderung halten es die Institutionen durchweg simpel. Gezahlt wird in erster Linie für die Dreharbeiten: 70,7 Prozent der Mittel flossen 2010 in die Produktionsförderung. Der Rest wurde „zum Beispiel auf die Drehbuchentwicklung, die Produktionsvorbereitung, die Postproduktion, den Verleih und den Vertrieb verteilt.“

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