Fortschritt auf Zehenspitzen: Zweiter „Film Gender Report“ für Österreich

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Quoten helfen, meint das Österreichische Filminstitut. Sein neuer „Film Gender Report“ zeigt zwar nur leichte Verbesserungen. Wo aber ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gefördert wurde, wann die Fortschritte erheblich größer. | Screenshot

„Je mehr Geld, desto weniger Frauen“ – das Österreichische Filminstitut hat seinen zweiten „Film Gender Report“ vorgestellt. Nur ein Viertel aller Fördermittel in Regie, Drehbuch und Produktion gingen an Frauen. Das sei zwar besser als vor vier Jahren, aber noch viel zu wenig. Das ÖFI sieht das als Bestätigung für eine 50/50-Quote bei seiner Förderung.

Frauen werden in Österreichs Filmbranche nach wie vor benachteiligt. Das ist das Ergebnis des zweiten „Film Gender Report“, den das Österreichische Filminstitut (ÖFI) am Donnerstag vorgestellt hat. Das ÖFI hatte das heimische Filmschaffen auf die Geschlechtergerechtigkeit hin untersuchen lassen. Der Bericht, der mit der Universität Innsbruck umgesetzt wurde, befasst sich mit den Daten von elf Förderinstitutionen (darunter auch das ÖFI) von 2017 bis 2019 – insgesamt rund 1.400 Projekte. Bei den österreichischen Kinofilmen wurden sogar alle 159 Titel, die zwischen 2012 und 2019 in den Kinos starteten, quantitativ analysiert, darüber hinaus wurde der Filminhalt von zwölf Filmen aus diesem Sample qualitativ untersucht.

Der Bericht zeige „ein ambivalentes Bild“: Nur ein Viertel aller Fördermittel in Regie, Drehbuch und Produktion ging an Frauen. Für den Bereich der Herstellungsförderung sei dies zwar ein Anstieg von vier Prozentpunkten im Vergleich zum Berichtszeitraum des ersten „Film Gender Reports“ für die Jahre 2012 bis 2016.  „Trotzdem gingen große Förderbeträge vor allem an männlich verantwortete Projekte. Nach wie vor gilt also: Je mehr Geld, desto weniger Frauen.“ 

In die gleiche Richtung deuten die Daten des ÖFI zum Nachwuchsfilm:  33 Prozent der Förderanträge kamen von mehrheitlich weiblich verantworteten Projekten – im „Etablierten-Film“ waren es nur 20 Prozent. Auch die Förderung von Erst- oder Zweitfilmen von Regisseur*innen war geschlechtergerechter: 35 Prozent der Fördermittel wurden Frauen zugesagt – im etablierten Filmschaffen erhielten Frauen nur 24 Prozent der Mittel. Noch höher war der Frauenanteil im Nachwuchs-Dokumentarfilm: hier wurden rund 40 Prozent der Fördermittel an Frauen vergeben. „Der Grund warum Frauen aus der Berufslaufbahn verschwinden, in der Fachwelt als ,Leaky-Pipeline-Phänomen‘ bezeichnet, ist in der österreichischen Filmbranche noch nicht ausreichend erforscht. Untersuchungen aus Deutschland zeigen allerdings, dass Frauen am Weg in den etablierten Film zunehmend systemischen Barrieren begegnen und auf Karrieregrenzen stoßen.“ 

Wirkung zeige indessen das „Gender Incentive“, mit welchem das ÖFI Filme zusätzlich fördert, die Frauen in traditionell unterrepräsentierten Bereichen besetzt. Im Vergleich zu den Ergebnissen des ersten „Film Gender Reports“ war der Frauenanteil in 9 der 12 untersuchten Stabstellen gestiegen – am stärksten bei der Produktionsleitung, wo der Frauenanteil fast um die Hälfte zunahm und nun bei 61 Prozent lag. Sogar um mehr als die Hälfte holten Produzentinnen auf – ihr Anteil stieg von 15,5 auf 26 Prozent. „Das ,Gender Incentive‘ beweist sich somit als langfristig wirkende Maßnahme, die Männer motiviert, ihre männlich dominierten Netzwerke aufzubrechen und mit Frauen zusammenzuarbeiten“, so das ÖFI. „Ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in Stabstellen mit Entscheidungsmacht, Sichtbarkeit und Anerkennung ist aber noch lange nicht erreicht. Nur ein Drittel der Regisseur*innen und nur ein Viertel der Produzent*innen sind Frauen. Gerade in den technischen Bereichen sind Strukturen geschlechtlicher Arbeitsteilung weiterhin vorherrschend, was sich an Frauenanteilen unter der Ein-Fünftel-Grenze in Bereichen wie Licht (5 Prozent), Ton (12 Prozent) und Kamera (19 Prozent) verdeutlicht.“ 

Den Inhalt scheint das Ungleichgewicht weniger zu berühren – jedenfalls beim ersten Blick auf die blanken Zahlen: Eine weibliche Hauptfigur hatten 57 Prozent der Spielfilme von Frauen – und 44 Prozent der Filme von Männern. „Doch während das Geschlechterverhältnis der Hauptfiguren in beiden Fällen annähernd ausgewogen war, gab es bedeutende Unterschiede in der Darstellungsweise der weiblichen Hauptfiguren: Knapp 85 Prozent der weiblich verantworteten Filme stellten Frauenfiguren unabhängig von Männern dar, während dies nur 50 Prozent der männlich verantworteten Filme gelang.“  In einer qualitativen Inhaltsanalyse von zwölf ausgewählten österreichischen Filmen hätten sie „deutlich besser“ abgeschnitten. „Filme von Frauen waren nicht nur frei von Sexismen, sie reflektierten auch häufiger die  Ungleichverhältnisse – sie bildeten eine vielfältige Gesellschaft klischeefrei ab“, erklärt Birgit Moldaschl vom ÖFI, eine der Autor*innen des Reports.

Zudem seien hier auch die Teams ausgewogener – bei weiblich verantworteten Filmen waren 50 Prozent der anderen Stabsmitglieder ebenfalls Frauen, bei den anderen lag dieser Anteil bei 40 Prozent. Und: „Filme von Frauen in Regie, Drehbuch und Produktion nahmen häufiger an einem Festival teil und gewannen häufiger Preise als männlich verantwortete Filme. Frauen produzieren Filme also nicht nur in geschlechtergerechteren Teams, sondern tragen auch zur nachhaltigen Sicherung des künstlerischen Erfolgs des österreichischen Films bei“, so das ÖFI. 

Der Report zeige aber: „Bei dem aktuellen Tempo würde es noch Jahre dauern, bis Geschlechtergleichstellung im österreichischen Film erreicht ist.“ 

Das ÖFI sieht das als Bestätigung für seinen aktuellen Kurs: Schon seit 2017 unterzieht es alle Anträge auf Herstellungsförderung einem „Gender-Budgeting“ – in der Kalkulation muss dargestellt werden, welcher Anteil der kalkulierten Personalkosten jeweils an weibliche und an männliche Filmschaffende fließt. Im Frühjahr hat der Aufsichtsrat beschlossen, dies ab 1. Juli für alle Förderbereiche von der Entwicklung bis zur Herstellung einzuführen, um eine 50/50-Verteilung aller Fördermittel bis zum Jahr 2024 zu erreichen. 

Das sei aber „keine starre Quotenregelung“, sondern eine „mehrstufige Zielvorgabe“, hatte „Blickpunkt Film“ damals erklärt: „Vielmehr wird laut ÖFI mit einer ,Einschleifregelung‘ und Schwankungstoleranz bei den Zielwerten ein sanfter Übergang zur neuen Förderpraxis gewährleistet. Ebenso ist eine laufende Evaluierung vorgesehen. Bei der Berechnung der Mittelverteilung soll bei allen eingereichten Projekten das Augenmerk auf die Stabstellen Produktion, Regie und Drehbuch gelegt werden.“

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