cn-special: Around the World in 14 Films 2012 – Sieben Fragen an Festivalleiter Bernhard Karl

Around the World in 14 Films

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Vom 30. November bis 8. Dezember 2012 werden 14 cineastische Höhepunkte des jungen Weltkinos aus 14 Ländern in Berlin gezeigt. Wir sprachen mit dem Festivalleiter über das cineastische Jahr 2012 in all seinen Facetten und das aktuelle Festivalprogramm.

© Christian Riss

© Christian Riss

Bernhard Karl: Studium der Kunstgeschichte, Regieassistent an der HFF München und an den Münchner Kammerspielen bei Dieter Dorn und Peter Zadek, als Theaterregisseur Inszenierungen in Ulm, Zürich und Berlin, 2001 bis 2007 Casting Director bei Anja Dihrberg Casting u.a. für Sönke Wortmann, H. Handloegten, E. Atef, S. Schipper, A. Kleinert und Hal Hartley („Fay Grim“). Seit 2008 „Internationaler Programmer“ beim Filmfest München.

 

 

Welche Eindrücke hinterlässt das cineastische Jahr 2012?

Ein Filmjahr, das, weltweit gesehen, aus meiner Sicht geprägt ist von der Polarisierung zwischen Unterhaltungskino und Autoren-Kino. Wir erleben seit einigen Jahren, durch die Gesetze des Marktes auf der einen und die künstlerische Freiheit durch die digitalen Möglichkeiten auf der anderen Seite, dass sich „verkaufbare“ und „künstlerisch eigensinnige“ Ästhetiken oft unvereinbar gegenüberstehen. Immer weniger Filme schaffen eine Verbindung
zwischen „Kommerz“ und „Kunst“. Einige herausragende Filme, die diesen „Graben“ leichtfüßig überwinden, zeigen wir in diesem Jahr: zum Beispiel unser Eröffnungsfilm „Beasts of the Southern Wild“, die skurrile russische „Chapiteau-Show“ oder Ann Huis hinreißende Hong Kong-Geschichte „A Simple Life“.

Die Überraschung des Jahres?

Das brillante portugiesische Familiendrama „Blood of my Blood“ von João Canijo, die emotionale und ästhetische Offenbarung „Hail” aus Australien und das feine, großartig fotografierte Großstadt-Community-Porträt aus Brasilien, „Neighbouring Sounds“.

Wo bleibt der iranische Film in diesem Jahr?

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die aus unserer Sicht weltweit wirklich herausragenden Filme nach Berlin zu
bringen. Um ehrlich zu sein, krankt das iranische Kino natürlich im Moment an den immensen politischen Restriktionen im Land. Wir wollten keine Kompromisse machen und aus politischen Gründen einen iranischen Film zeigen, den wir künstlerisch nicht auf dem Niveau unserer anderen ausgewählten Filme sehen.

Stimmt der Eindruck, dass in letzter Zeit wieder mehr kleine Filme einen Verleih gefunden haben?

Ja, das ist absolut richtig! Ich muss sagen, mich überrascht, wie viele Verleiher in Deutschland wieder bereit sind, Risiken einzugehen und Filmen auf dem Markt eine Chance geben wollen, die ungewöhnlich „neu“ erzählt sind. So arbeiten wir mit Piffl Medien zusammen und zeigen das Berlin-Preview von Pablo Larraíns Pinochet-Groteske „No“. Peter Mettlers philosophischer Bilderkosmos „The End of Time“ wird von Real Fiction ins Kino gebracht. Auch Cristian Mungius „Beyond the Hills“ wird 2013 von Wild Bunch Germany gestartet, trotz zweieinhalb
Stunden Länge und einem nicht unbedingt „sexy“ Thema.

Woran liegt das, haben doch die Arthouse-Verleiher momentan sehr zu kämpfen?

Ich glaube, dass viele Zuschauer einfach „durch“ sind mit diesen abgegriffenen Erzählmodellen. Sie wollen auch mal auf eine Entdeckungsreise gehen, etwas sehen, was Sie noch nicht kennen. Das spüren die Verleiher und hoffen natürlich mit Ihrer Auswahl diesem Bedürfnis zu entsprechen. Auch wenn dies von den Verkaufszahlen her auch oft misslingt. Die Zuschauer wollen, wenn sie schon eine Kinokarte kaufen, etwas „Besonderes“ erleben. Die Möglichkeiten durch Bezahl-Fernsehen, Internet und DVD/Blu-Ray sind so immens, da muss ein Film schon ein eruptives „Live“-Erlebnis sein, oder eben „neue“ Welten versprechen.

Wo steht das Festival aktuell? Was ist erreicht? Was noch nicht?

Ich denke, was wir wirklich geschafft haben, ist eine gewisse „Verlässlichkeit“, dass bei uns einmal im Jahr eine qualitativ hohe Auswahl des Weltkinos zu sehen ist. Ich merke auch, dass wir mit unseren Paten-Anfragen, sei es bei Regisseuren, Schauspielern, Journalisten oder anderen Kulturpersönlichkeiten, auf Respekt und großes Interesse stoßen. Auch ein gewisses „Stamm-Publikum“ scheint uns sicher. Ein Riesenproblem bleibt, dass man in Berlin, ohne die nötigen finanziellen Ressourcen und bei einer Flut kultureller Parallelangebote, kaum neue
Publikumsschichten für das Festival gewinnen kann. Partys, Panels und Events diverser Art, die neue Aufmerksamkeit schaffen könnten, können wir uns einfach durch das fehlende Geld nicht leisten.

Was können Sie aus den 17 Festivalbeiträgen besonders empfehlen?

Ein Meilenstein des jüngeren afrikanischen Films ist das Flüchtlingsdrama „La Pirogue“, das beim Filmfest München 2012 den Preis für den besten internationalen Film gewann. Und ich empfehle Mads Brüggers unglaublich dreiste journalistische Provokation „The Ambassador“ und den radikalen chinesischen Venedig-Regie-Preis-Gewinner „People Mountain People Sea“.

Vielen Dank fürs das Gespräch!

Das Interview erschien am 22. November 2012 im cn-special von casting-network!

Website: Around the World in 14 Films

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