… und die Lügen, die wir Gegenwart nennen – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogängers, 209. Folge.
„Die Menschen zu zeigen ohne Maske, ohne Schminke, sie mit den Augen des Apparats zu packen im Moment des Nichtspielens.“
Dziga Vertov
Eigentlich ist Michael Klier kein Dokumentarfilmer, obwohl er von Anfang an auch dokumentarisch gearbeitet hat. Kliers Filme lohnen immer den Besuch, und den zweiten, dritten Blick. Diese Kurzfilme aber, geistreiche Reflexionen über das Kino und die Cinephilie, seinerzeit für die längst abgewickelte Filmredaktion des WDR entstanden, kennt kaum einer. Und bei manchem, was man hier sieht, zum Beispiel Casting-Aufnahmen Unbekannter, die in den 1980ern zu Stars wurden, fragt man sich eh, wo der Mann dieses großartige Material her hat. „Lohnenswert wäre eine DVD mit Kliers WDR-Filmen unter anderem über Jean-Marie Straub, Roberto Rossellini, und Godards Kameramänner“, schrieb vor ein paar Jahren Hans Helmut Prinzler.
Vorige Woche waren in der Brotfabrik in Berlin Kliers Kinoporträtfilme zu sehen. Wenn man da Truffaut zuhört, wie er über die Frauen spricht, den kleinen Schwestern der Nouvelle Vague begegnet, die Kameramänner Renato Berta und William Lubtchansky von ihrer Arbeit und den Konflikten mit Godard sprechen hört und Henri Alekan über die Arbeit mit Wim Wenders und Jean Cocteau, und Rossellini als Philosophen entdeckt, wenn man Jean-Marie Straub und Danielle Huillet im römischen Exil entdeckt, dann ersteht eine Film-Landschaft aus vergangener Zeit wieder auf.
Auch ein Diskurs übers Kino, den gerade Deutschland braucht: „Die Themen und Fragen, die von den ,Filmschaffenden‘ darin formuliert werden, sind noch – oder wieder hochaktuell.“ schreibt Klier, der die Vorführung der Porträts wie einen einzelnen langen Episoden-Film angelegt hat.