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Es wird zuviel nur übers Virus diskutiert, meint der Historiker Michael Wolffsohn. Er vermisst die eigentlichen Fragen in der Pandemie. | Foto © BR

  

Liebe, Musik und Politik: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 51. 

„Wir leben derzeit unter dem virologischen Imperativ. Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Übertragen wir also diesen biblischen Spruch auf die Pandemiesituation! Es kann doch das Leben nicht nur darauf begrenzt sein, dass wir überleben. Zum Leben gehört eben sehr viel mehr. Und das eindimensionale Fixieren auf das, was virologisch richtig oder falsch ist, kann es nicht sein.“
Michael Wolffsohn, Historiker

„Der Hecht,
Er macht der Pläne viel.
Ich werd, so sagt er, besuchen
den Ganges und den Nil,
den Tajo und den Tiber dann
und darauf den Jangstekiang.
Ich werde, da ich ungebunden,
gut nutzen meine freien Stunden.“
Robert Desnos

 

Wir haben gut reden und regeln und lockern mit Corona. Aber wie läuft es damit in den anderen, ärmeren Regionen der Welt?

Indien mit seinen 1,3 Milliarden Menschen hat der Lockdown auf die schwerste Probe seit der Unabhängigkeit gestellt. Zum Beispiel: Dharavi. So heißt ein Slum im indischen Bombay. „Slumdog Millionär“ wurde dort gedreht. Auf einem Quadratkilometer leben dort 270.?000 Menschen, also etwa 60-mal so viele wie in einer deutschen Großstadt. Die Behörden kennen nicht einmal die genaue Zahl der Einwohner. Im Slum teilen sich acht oder zwölf Menschen eine aus Müll zusammengenagelte Hütte, vielleicht drei mal drei Meter groß. Die Verhältnisse sind so dicht, dass der berühmte Satz „Die Hölle, das sind die anderen“ aus Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ (1944) noch eine ganz andere Bedeutung bekommt: In einer Situation, in der jeder erstmal auf sich selbst achten muss, ist der andere zunächst nur eine weitere Last.

Wie hält man dort einen Lockdown mit Ausgangssperren aus? Ein eigenes Zimmer ist ein Luxus, den sich dort die wenigsten leisten können. Wie soll man sich aus dem Weg gehen? Wie soll man ein sauberes Klo finden? Die Hände mit Wasser und Seife waschen? Lächerlich. Tag und Nacht eingesperrt in der stickigen Enge, wer soll das aushalten? 

Zugleich die Frage, ob Covid-19 mehr Opfer kosten wird, oder die Anti-Corona-Politik, die Millionen Tagelöhner in den Abgrund treibt? 

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