Ein Forum für die Branche

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„cinearte“ ist 18. Zum Geburtstag machen wir uns selbst ein Geschenk und erinnern an ein vergessenes Interview. | Foto © cinearte

„cinearte“ ist volljährig! Heute vor 18 Jahren erschienen die ersten „Nachrichten für Filmschaffende“. Eine Zeitschrift für alle Gewerke – wir fanden das ein weltweit einzigartiges Konzept. Ausführlicher hatte ich es vor elf Jahren dem Schauspiel-Blog „tolle-rolle.info“ im Interview erklärt. Den Blog gibt es leider nicht mehr, das Interview veröffentlichen darum zu unserem Jubiläum nochmal.

[Achtung: Dieses Interview wurde 2010 geführt. Die Angaben zu Verbreitung und Erscheinungsweise sind nicht mehr aktuell, die Druckausgabe „cinearte XL“ gibt es nicht mehr. Alles andere gilt auch heute noch.]   

Herr Hartig, der Blog „tolle-rolle.info“ ist ja so ganz auf Schauspieler*innen ausgelegt. Ist „cinearte“, ein Magazin für Filmschaffende, auch für Schauspieler interessant?
Das will ich doch hoffen – und liege damit offenbar gar nicht so falsch. Unter anderem haben 14 Berufsverbände der Branche unsere „Nachrichten für Filmschaffende“ abonniert, darunter auch die beiden Schauspielerverbände BFFS und IDS. Ich gebe allerdings zu, daß die Schauspieler, als ich das Konzept für „cinearte“ entwickelt habe, nicht ganz im Mittelpunkt meiner Überlegungen standen.

Sondern?
Meine Beobachtung vor sieben Jahren war: Es wird zwar immer wieder über Filme geschrieben und berichtet, aber kaum übers Filmemachen. Und ich habe mich gefragt: Was lesen eigentlich Filmschaffende, wo finden Sie sich und ihre Arbeit dargestellt? Regisseure, Szenenbildner, Kameraleute, Cutter … 

… und Schauspieler?
Das ist der Moment, wo ich mich wahrscheinlich entschuldigen muß. Ich hielt anfangs Schauspieler gegenüber anderen Filmberufen für zu beneiden – wann immer es ums Kino geht, werden sie zuerst genannt, eigentlich sogar als einzige. Ich habe schnell dazugelernt.

Wie das?
Ich hatte bei der Vorbereitung mit einigen Berufsverbänden gesprochen, um zu erfahren, ob ich überhaupt richtig liege, und wie deren Wahrnehmung der Situation ist, und was sie von so einer Zeitschrift erwarteten. Mit dem Start der ersten Ausgabe traf ich auch mit den Betreibern der Internetplattform crew-united.com zusammen, über die die „Nachrichten für Filmschaffende“ vertrieben werden.
Da kamen plötzlich ganz neue Themen auf mich zu, an die ich gar nicht gedacht hatte. Eine der ersten Ausgaben 2004 eröffneten wir noch ganz freudig mit der Meldung über den „Goldenen Bären“ für Fatih Akin, und gleich danach folgte eine Doppelseite über die Arbeitszeiten in der Branche und die Forderung nach einem neuen Tarifvertrag.
Themen übrigens, mit denen ich mich auch über die nächsten mehr als 200 Ausgaben regelmäßig und intensiv beschäftigt habe: Arbeitsbedingungen, Gagengefüge, Anspruchszeiten fürs Arbeitslosengeld … Und von diesen Themen sind ja alle Berufsgruppen betroffen – vor und hinter der Kameralinie. 

Wie kommt man auf so einen Ansatz – wie sind deine Hintergründe?
Ich war, wie wohl die meisten, die in irgendeiner Weise mit dem Thema Film zu tun haben, früh vom Kino gefesselt. Was in meinem Fall Anfang der 70er-Jahre in der Provinz ein Saal war, in dem die Stuhlreihe nur auf langen Brettern festgeschraubt waren und die Leinwand erstmal hochgeleiert wurde, weil der Raum auch für andere Veranstaltungen gebraucht wurde. Und links an der Wand Gedenktafeln für die Gefallenen der Weltkriege hingen. Die Filme waren nie ganz neu, ich habe so zum Beispiel „Vom Winde verweht“ gesehen. Vorstellungen gab es eh nur samstags und sonntags und dann bald gar nicht mehr. Als wir größer waren, sind wir zwei Dörfer weitergeradelt, wo es sogar zwei Kinos gab – interessanterweise beide Nebenerwerbe von Metzgereien.
Ich habe dann während der Schulzeit mit Freunden einen Filmclub gegründet – wir zeigten 16-Millimeter-Kopien und haben uns ein paar Urlaubsfahrten damit verdient. Während des Studiums, das übrigens rein gar nichts mit Film zu tun hatte, schrieb ich Kritiken für die Regionalzeitung. Da begann wohl die tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Medium, weg von der bloßen Liebhaberei. Nach den ersten paar Artikeln kam ich mir auch ein bißchen wichtig vor, allerdings hing mir ständigen Filmkritiken auch irgendwann zum Halse heraus. Ich schrieb anderes, absolvierte ein Volontariat, ja und bekam schließlich eine Stelle bei einer Fachzeitschrift für Filmtechnik, die ich am Ende auch über drei Jahre lang leiten durfte. Eine völlig neue Welt! Ich war erst ein wenig schockiert – wo war denn da der Zauber? Schließlich kann ich den Schlußmonolog aus „Casablanca“ immer noch auswendig aufsagen … Aber bald habe ich gemerkt, daß da hinter der Kameralinie noch viel wundervollere Dinge vor sich gehen. Daß da Leute sind, die ebenfalls Interessantes zu erzählen haben. Daß hinter der großen Vision, für die später ein Regisseur oder ein Star gefeiert werden, ein Team von Spezialisten steht, die sehr genau wissen, was sie tun. Und diese neue Perspektive habe ich schnell liebgewonnen. Den Blick auf die Greenscreen statt auf den Roten Teppich.

Worum geht es also in „cinearte“? Was sind die Themen?
Eigentlich alles, was die Arbeit am Film ausmacht: Berichte von neuen Produktionen bis hin zum Setbesuch, Interviews mit Filmschaffenden aus allen Gewerken und Hintergründe zu aktuellen Diskussionen; Serviceteile, die regelmäßig alle Förderentscheidungen, Auszeichnungen oder Festivaltermine dokumentieren; Weiterbildungsangebote und Veranstaltungen, bei denen Filmschaffende zusammenkommen bis hin zu Vorführungen, bei denen Regisseur und Schauspieler persönlich anwesend sind, um über ihren Film zu diskutieren; der aktuellste und zuverlässigste Drehspiegel, weil ich auch hier mit crew-united.com zusammenarbeite, die hier die beste Datenbank im Lande haben; die gesamten Kinostarts der zwei Wochen, wobei hier der usbekische Dokumentarfilm den gleichen Platz bekommt wie der Blockbuster aus Hollywood; und natürlich die vorhin erwähnten Artikel zu den eigentlichen Arbeitsbedingungen, über die sonst kaum irgendwo berichtet wird.
Es geht also darum, ein Forum zu schaffen, über das sich zum einen jeder über möglichst alle Aspekte seiner Arbeit informieren kann, zum anderen die Kommunikation zwischen den einzelnen Gewerken verbessert wird. Da merkt man schnell, daß die Probleme und Interessen gar nicht so verschieden sind – ob Schauspieler, oder sagen wir mal, Innenrequisiteur. 

Das klingt ziemlich umfangreich. Wie oft erscheint „cinearte“? Und wie vertreibst du das?
Wir reden hier von den „Nachrichten für Filmschaffende“, die jetzt seit sieben Jahren erscheinen. Ich habe mich damals aus verschiedenen Gründen gegen eine Website entschieden, die ja zur Zeit auch wieder ausgiebig diskutiert werden. Wenn man so ein Projekt richtig machen will, bedeutet das viel Arbeit und die muß bezahlt werden. Mit einer Website war daran nicht zu denken. Also erscheinen die „Nachrichten für Filmschaffende“ als PDF – das sieht aus wie eine „richtige“ Zeitschrift, nur eben ohne Papier, und ist im Querformat aufgebaut, daß man es bequem auf dem Laptop lesen kann. Oder ausdruckt, wenn man das vorzieht.
Das Ganze erscheint jeden zweiten Donnerstag, 26 Mal im Jahr. Vertrieben wird es, wie erwähnt, über crew-united.com. Man abonniert und erhält dann regelmäßig eine Mail mit der aktuellen Ausgabe oder einem Download-Link, je nachdem, wie man’s will.

Das gibt es nur im Abo?
Ja. Alles andere wäre zur Zeit zu aufwendig und würde es teurer machen. Zumal man als Abonnent auch unbeschränkten Zugriff auf das Archiv mit sämtlichen bisher erschienen Ausgaben hat – einschließlich Volltextsuche. Die Zeitschrift kostet 39 Euro für 26 Ausgaben, jede mit durchschnittlich 37 Seiten. 

Ich könnte aber auch das gedruckte Magazin kaufen. Oder gibt es da Unterschiede?
Die gibt es. Am besten läßt sich das vielleicht mit einer Tageszeitung und ihrer Wochenendbeilage vergleichen, nur daß das Magazin „cinearte XL“ nicht beiliegt, sondern eine eigenständige Zeitschrift ist. Natürlich gibt es immer wieder mal Themen, die in beiden Medien angesprochen werden, aber sie werden im Magazin ganz anders aufbereitet. Das fängt schon damit an, daß die Druckausgabe nur viermal im Jahr erscheint – die Inhalte sind also „zeitloser“, nicht so stark an aktuelle Anlässe gebunden. Wir lassen uns hier also mehr Zeit und Platz, eine Produktion, Personen, Hintergründe darzustellen, und legen viel Wert auf das Layout, damit es außerdem Spaß macht, zu blättern und zu schmökern. Damit sollen die Filmschaffenden und ihre Arbeit auch nach außen hin dargestellt werden. Weshalb das Magazin nicht nur im Abonnement, sondern auch im Bahnhofsbuchhandel zu haben ist. Und weshalb wir den Untertitel vor einem Jahr von „Das Magazin für Filmschaffende“ in „Das Magazin für angewandte Filmkunst“ geändert haben. Das klingt vielleicht ein wenig sperrig oder ironisch, trifft den Geist aber ganz gut.

Wie sind da beispielsweise die Schauspieler vertreten?
Ich könnte jetzt sagen, daß sie ohnehin „zwangsläufig“ vertreten sind, weil in jedem Drehspiegel, auf jedem Produktionsfoto automatisch Schauspieler erscheinen. Tatsächlich passiert aber viel mehr. In der Druckausgabe „cinearte XL“ gibt es eine feste Kolumne um das Thema Casting und Coaching, in der etwa die Schauspielerin Nina Franoszek von der Arbeit in Hollywood berichtet oder, in der jetzt erscheinenden Ausgabe, die Arbeitssituation aus der Sicht des BFFS dargestellt wird. Diese Kolumne wird von Tina Thiele betreut, die sich als Buchautorin und Betreiberin der Website www.casting-network.de auf diesem Feld bestens auskennt.
Wir arbeiten gerade daran, so eine regelmäßige Kolumne auch in die PDF-Nachrichten zu integrieren, in der ähnlichen kompakten Form, wie wir das bereits zu Rechtsfragen und dem Bereich der sozialen Absicherung getan haben. Dieses Privileg hat keine andere Berufsgruppe.
Und schließlich wird der gesamte Bereich um den Cast in Zukunft ohnehin mehr Gewicht bekommen, weil sich auch unser Partner in diese Richtung orientiert. Ende September startet die Kooperation von crew-united.com mit der Website schauspielervideos.de. Wodurch die größte und meines Erachtens beste Plattform für die Arbeit am Deutschen Film entsteht, und Cast und Crew zusammenkommen. Der ganze Film und das ganze  Team, sozusagen – so wie „cinearte“ das auch darstellen will. 

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