Corona: Brancheninfo 95
Die BKM hat im nächsten Jahr 30 Millionen Euro mehr für den Film im Etat – das Geld ist für international koproduzierte Filme und High-End-Serien vorgesehen. Derweil helfen die Kulturschaffenden sich selbst mit einer Spendenkampagne für Kolleg*innen in Not.
Künstler*innen, die wegen Covid-19 unverschuldet in eine finanzielle Notlage geraten sind, soll geholfen werden. Dafür sammelt die Initiative #coronakünstlerhilfe Spenden. Gegründet wurde sie von dem Filmemacher und Singer/Songwriter Timm Markgraf und dem Unternehmer Benjamin Klein, die Spenden werden über den eigens zu diesem Zweck gegründeten Verein „1st class session-Artist Support e.V.“ treuhändisch verwaltet und verteilt werden. Weitere Informationen, Statements und natürlich die Möglichkeit, sich um die Unterstützung zu bewerben, bietet die Website.
Für die Corona-Künstlerhilfe wirbt auch die Initiative „Voices!2020 – Unsere Stimmen für Künstler in Not“. In ihrem Adventskalender auf Youtube lesen bekannte deutsche Stimmen und Sprecher als Ensemble ab 1. Dezember Charles Dickens’ „Weihnachtsgeschichte“ für den guten Zweck. Jeden Tag gibt es ein Kapitel zu sehen, zu hören und zu erleben.
Über branchenrelevante Themen will die Pensionskasse Rundfunk mit Webinaren informieren. Die Reihe „PKR Plus“ startet am kommenden Mittwoch, 2. Dezember. Ab 18 Uhr geht der Rechtsanwalt Steffen Schmidt-Hug auf die Herausforderung der Corona-Krise ein und gibt Tipps zur Vertragsgestaltung. Die Teilnahme am Webinar ist kostenlos und ohne vorherige Registrierung via Microsoft Teams möglich.
In der offenen Online-Beratung stellen unterdessen PKR-Mitarbeiter*innen das Vorsorgemodell für Freie in Film, Funk und Fernsehen mit Zuschuss der Sender und Auftraggeber*innen in knapp 30 Minuten vor. Beraten wird an jedem ersten und dritten Mittwoch im Monat jeweils um 12.30 und 16.30 Uhr.
Eine Übersicht der Themen und Termine gibt es hier.
Wie umgehen mit sexueller Belästigung in der Branche? Einen Gesprächsleitfaden für Arbeitgeber*innen und Personalverantwortliche hat Themis herausgegeben, die Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt in der Film-, Fernseh- und Theaterbranche. Zudem sollen ab Februar weitere Präventions-Webinare regelmäßig angeboten werden, berichtet „Blickpunkt Film“.
Der Etat für Kultur und Medien wird im kommenden Jahr noch deutlich stärker wachsen, als zunächst geplant, berichtet „Blickpunkt Film“. Das seien 155 Millionen mehr als in diesem Jahr. Mit dem „Rekordetat“ (Kulturstaatsministerin Monika Grütters) sollen „große Investitionsvorhaben bei wichtigen kulturellen Leuchtturminstitutionen“ angegangen werden. Auf den Kulturbereich Film entfallen der Pressemitteilung der BKM zufolge 30 Millionen Euro. Mit diesem Betrag werde der German Motion Picture Funds verdoppelt. Der ist ausschließlich auf „international koproduzierte Filme und Serie mit hohem Herstellungsbudget und hohen Ausgaben in Deutschland“ abgestellt.
Das „Passage-Kino“ in Bremerhaven schließt – für immer, berichtet Radio Bremen. „Corona hat uns das Genick gebrochen“, sagt der Betriebsleiter des letzten Programmkinos der Stadt. Wegen der Pandemie werde es wahrscheinlich nicht einmal eine Abschiedsvorstellung geben.
„Gesellschaftlich relevant“ sei der „Tatort“, sagt der WDR-Intendant. Als „Spiegel der Gesellschaft“ beschreibt ihn die Bundeszentrale für politische Bildung. Zu ihrem 50. Geburtstag hat die Reihe da aber einiges verpasst, meint die „Taz“: „Entschuldigung, aber, höflich geflucht: Ist das euer verdammter Ernst? ,Tatort’, Spiegel der Gesellschaft, und das ist alles, was ihnen einfällt.“ Der Zeitung fallen jedenfalls etliche aktuellere Anlässe ein, wenn es zum Jubiläum gilt, „einen Kriminalfall zu zeigen, der inhaltlich unser Heute reflektiert – und die Rolle der Polizei in diesem Heute gleich mit. Keine Idee? Wirklich?“
„Der Spiegel“ fand’s trotzdem toll, denn Regisseur Dominik Graf erzähle „in aufwühlenden Bildern, wie man sie im deutschen Fernsehen selten sieht.“ Insgesamt dreimal schwärmt die Besprechung von den Bildern ohne DoP Hendrik A. Kley zu erwähnen.
Ähnlich begeistert ist die „Frankfurter Rundschau“, bemerkt aber, dass das Ganze „eher routiniert als originell“ abläuft: „Die Verantwortlichen haben sich fürs runde Jubiläum, für die Feier des halben Tatort-Jahrhunderts gegen das Experiment und gegen fast jedes Späßchen und helles Fleckchen entschieden.“
Auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bemerkt den Widerspruch: „Das ,Tatort’-Lagerfeuer am Sonntagabend erklärt sich längst nicht mehr dadurch, dass die Serie aufregend innovativ wäre, sondern dadurch, dass sie genau das nicht ist. Was einst ein seelisches Reinigungsritual am Ende der Woche gewesen sein mag – der ausgemistete Augiasstall –, seit Schimanski dann auch proletarisch-sozialdemokratische Replik auf die Republik Helmut Kohls, ist heute vielleicht nur noch ein Ritual der festen Uhrzeit. Weniger Law and Order als Gewohnheitsrecht. […] Lustig darf es für das Publikum gerne zugehen, wobei nicht stört, wenn es immer wieder dieselben Witze sind (also eher Münster als Weimar). Allzu große Abweichungen von der Wo-waren-Sie-gestern-Abend-Norm werden ansonsten zuverlässig abgestraft.“ Dennoch lautet das Fazit der „FAZ“: Die Jubiläumsfolge sei „erzählerisch und ästhetisch stark. So darf es weitergehen. Bis 2070.“
Der „Tatort“ feierte gestern seinen 50. Doch es gibt Sonntagabends noch mehr zu sehen, erinnert das Redaktionsnetzwerk Deutschland: Der „Polizeiruf 110“ ist nur ein Jahr jünger, überstand sogar den Mauerfall und steht dennoch bis heute im Schatten des großen Bruders aus dem Westen. Dabei habe die Reihe ein starkes eigenes Profil entwickelt und traue sich mehr.
Nach 50 Jahren schreiben beim „Tatort“ immer noch vor allem Männer die Drehbücher, bemerkt die „Taz“ und erinnert an Vorstöße, das zu ändern, und die Reaktionen der Sender: „Nur etwa 6 Prozent der ,Tatorte’ wurden 2018 von Frauen geschrieben, gibt die ARD an. Im Vergleich: Deutschlandweit werden 23 Prozent der Drehbücher von Autorinnen verfasst, hat Pro Quote Film noch 2015 aus Zahlen der Filmförderungsanstalt erhoben.“
„Eher unbeschreiblich als weiblich“: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ befasst sich nochmals mit Artes Suche nach Regisseurinnen, die nach hinten los ging: Der Sender verärgerte ausgerechnet diejenigen, die er unterstützen will: „Fraglich bleibt trotz aller Anstandsbekundungen, ob man mit einem solchen Wettbewerb ,der Kreativität der Filmregisseurinnen gerecht’ wird und es schafft, sie damit abzubilden. Fraglich ist auch, ob man überhaupt der Arbeit der Kreativen gerecht wird, indem man eine ,Förderung’ auf Selbstausbeutung gründet und zu einem Rennen um – noch nicht mal die besten – Sendeplätze macht. Vielleicht neigt sich gar die Ära dieser Art ,Preisausschreiben’ als Instrument der ,Förderung’ von Talent bald ihrem Ende entgegen? Damit wäre nicht nur den Kreativen, sondern auch den Verantwortlichen fürs Programm geholfen.“
Björn Koll ist Cineast und Geschäftsführer des Filmverleihs Salzgeber, der sich seit den 1980er-Jahren auf queere Filme spezialisiert hat. Die „Taz“ sprach mit ihm über drei Jahrzehnte in Berlin, die Kinokultur in Deutschland und das Problem mit der Förderung mit ungewohnteren Stoffen: „Geld gibt es in Deutschland in der Regel halt nur für Blödsinn. Und wenn da ein studentisches Kollektiv kommt und sagt, sie erzählen vom queeren Heranwachsen eines Einwanderersohns, winken alle ab.“
In den vergangenen 40 Jahren hat die Popkultur das Image des Nerds aufgebaut, lange bevor es überhaupt das Wort gab. „Die Zeit“ blickt auf dessen Darstellung im Film im Wandel der Zeit: „Der Nerd hatte nie eine Hauptrolle oder ein Liebesleben, und eigentlich fand er sich nur in der Welt zurecht, wenn er draufgängerische Freunde hatte, die auf ihn achtgaben. Dafür konnte er ihnen was bauen oder was ausrechnen und hielt sich ansonsten aber von den Unannehmlichkeiten des Alltags fern. Den Nerd erkannte man zum Beispiel an seiner übergroßen Brille und dem Fehlen einer Frisur.“ In in Serien und Filmen habe der einsame Tollpatsch eine erstaunliche Wandlung erlebt: erst zum Helden, nun ist er sogar der Weltzerstörer. Dass die schrägen Genies inzwischen auch weiblich sein können, wird nur am Rande und zu spät bemerkt: „Erst mit ,Das Damengambit’, einer Serie aus diesem Jahr, erscheint ein weiblicher Nerd auf dem Bildschirm, ein suchtgeplagtes Schachgenie.“
Wenn das Lisbeth Salander gelesen hätte! Da haben TV Media in Österreich und die Wikipedia besser aufgepasst und führen reihenweise weitere Beispiele an.
Am Donnerstag wird Jean-Luc Godard 90, erinnert Rüdiger Suchsland in seiner Kolumne „Cinema Moralia“ auf Artechock: „Der Lockdown ist eine ganz gute Gelegenheit, sich Filme von ihm (wieder?) anzusehen, oder ein paar seiner unverwechselbaren Interviews nachzulesen.“ Allerdings: „Früher wären die Godard-Filme in einer Reihe im Fernsehen gelaufen.“
Unter neuer Leitung, aber nur online lief das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ resümiert über das Festival, das sich ambitioniert „an den Maßstäben von Cannes oder Locarno misst“, und fand einen neuen Anfang mit interessanten Filmen „jenseits der Üblichkeiten des internationalen Festivalbetriebs“.
Anke Greifeneder hat mit ihrem Team bei Turner Broadcasting Serienerfolge wie „4 Blocks“, „Weinberg“ oder „Andere Eltern“ hervorgebracht. Beim Fernsehfilm-Festival wurde „die Lehrerstochter aus dem Schwarzwald, die ohne Fernsehen, dafür mit Klavier-und Schachspielen aufgewachsen ist“ mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet. In ihrer Dankesrede plädiert sie für eine besondere Arbeitsweise: Ihr Erfolg sei „über die Jahre hinweg zu einem Großteil darauf zurückzuführen […], dass ich in meiner Firma ,machen’ durfte. Dass meine verschiedenen Chefs und Chefinnen in dieser Zeit alle eines gemeinsam hatten: Sie vertrauten, sie übten keinen unnötigen Druck aus, und ich hatte immer das Gefühl, dass Versagen sein darf. Mit diesem Gefühl im Rücken lässt es sich freier und mutiger sein. Und mit genau diesem Gefühl kann man auch ganz anders an Produktionsfirmen und Kreative herantreten. […] Genau das brauchen wir – diesen Raum, in dem erst einmal alles erlaubt ist, in dem sich jeder geschützt fühlt und in dem jede Stimme gleich zählt – die des Senders genauso wie die der Kreativen hinter und vor der Kamera – denn am Ende des Tages muss die beste Idee gewinnen und nicht automatisch der, der das Sagen hat oder dessen Eitelkeit hervorsticht.“
Von einer „der erfolgreichsten Serien im Ersten“ sprach die ARD noch im Sommer, trotzdem soll im nächsten Jahr Schluss sein: „Um Himmels Willen“ wird nach der 20. Staffel und 260 Folgen eingestellt, meldet die „Süddeutsche Zeitung“. „Wir sind der festen Überzeugung, dass man aufhören sollte, wenn es am schönsten ist“, zitiert DWDL die Redaktionsleiterin und beschreibt das als „schweren Schlag“ für die Produktionsfirma NDF, die damit ein quotensicheres Format verliert. „Mit Serien wie ,Die Bergretter’, ,Der Bergdoktor’, ,Morden im Norden’ und ,Der Alte’ hat man aber noch einige weitere langlebige Produktionen im Portfolio.
Netflix wird für seine Serien-Produktionen von Publikum wie Filmschaffenden gelobt. Doch je mehr Inhalte der Streamer auf seine Plattform setzt, desto mehr Produktionen werden nicht verlängert – in diesem Jahr waren es bis Oktober schon 18, zählt „Blickpunkt Film“ und fragt: Ist das nur gefühlte Wahrnehmung oder Geschäftsmodell? Netflix selbst sei von solchen Vorwürfen inzwischen genervt: Man dürfe das nicht mit den Geschäftsmodellen des Fernsehens früherer Tage vergleichen, die anderen Gesetzmäßigkeiten unterlagen. Zwei von drei Serien gingen in die Verlängerung, was dem Branchenstandard entspreche.
Netflix-Gründer Reed Hastings hatte zu dem Thema schon vor drei Jahren erklärt: „Bis dato haben wir sehr wenige Shows abgesetzt. Ich pushe das Content-Team immer: Wir müssen mehr Risikos eingehen, verrücktere Sache ausprobieren! Wir sollten eine viel höhere Cancel-Rate haben.“
So schnell verbreitet sich das Coronavirus in Innenräumen: „Die Zeit“ demonstriert mit einem interaktiven Rechner die Wahrscheinlichkeit, wann sich wie viele Menschen unter welchen Umständen in Klassenzimmer, Veranstaltungssälen oder Restaurant infizieren können. Immer unter der Annahme, dass eine dieser Personen infektiös ist und Mindestabstände eingehalten werden.
Seit 2012 lassen die Vereinten Nationen ermitteln, wie glücklich die Menschen in der Welt sind. Der World Happiness Report fragt nach der persönlichen Einschätzung. Die frohe Botschaft im Corona-Jahr: 14 der 20 glücklichsten Staaten liegen in Europa. Am glücklichsten sind die Finnen, Deutschland steht auf Platz 17.
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