Corona: Brancheninfo 103

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Das passiert, wenn man den Louvre zu lange geschlossen lässt! | Grafik © Patrick Ruth

Das  wär doch was als Erkenntnis aus dem Corona-Jahr: Die Kultur soll ins Grundgesetz, fordert eine Petition mit prominenter Unterstützung. Mit einigen guten Meldungen verabschieden wir uns in die Winterpause.

Doch hier erstmal der Link zum Facebook-Post unseres Titelbilds.

Und zum zweiten etwas in eigener Sache: Dies ist die letzte Brancheninfo in diesem Jahr. Wir nutzen die Winterpause, unseren Newsletter fürs kommende Jahr herauszuputzen. Im Januar stellen wir uns in neuem Gewand und mit neuem Konzept vor, um Ihnen regelmäßig einen Überblick zu bieten, was die Branche bewegt. Auch über Corona hinaus. Weshalb das Virus zumindest aus dem Titel verschwinden wird, so viel können wir schon versprechen – und „cinearte“ klingt ja auch viel besser. Wir wünschen Ihnen schöne Feiertage und einen guten Start in ein besseres Jahr!

 

Ein Grundrecht auf Kultur fordern deutsche Kulturschaffende in einer Petition. Dort und auf der Website der Initiative „Kultur ins Grundgesetz“ wird erklärt: „Die Freiheit der Kunst wird unter Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes geschützt und stellt damit ein Grundrecht dar. Doch Kunst und Kultur können nur frei sein und ihre gesellschaftliche Aufgabe erfüllen, wenn ihnen die dafür notwendige Achtung und Akzeptanz auf bundespolitischer Ebene entgegengebracht wird. Bislang wird die Kulturförderung in weiten Teilen als freiwillige Aufgabe der Länder und Kommunen betrachtet.“ Und: „Die grundrechtlich verankerte Freiheit der Kunst verkommt zur Phrase, wenn ihre materiellen Bedingungen ausgeblendet werden.“
Die Auflistung der Erstunterzeichner*innen beeindruckt in Umfang wie in Prominenz. Vom Präsidenten der Europäischen Filmakademie bis zur Bundestagsvizepräsidentin und quer durch die Künste fordern sie konkret dreierlei:
# „Den Schutz von Kunst und Kultur als Grundrecht im Grundgesetz zu verankern.“
# „Das Recht auf unbeschränkte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am kulturellen Leben und an kultureller Bildung als Grundrecht im Grundgesetz zu verankern.“
# „Langfristige stabile Sicherungsinstrumente für Kunst- und Kulturschaffende zu etablieren, sowie ein auf sie zugeschnittenes gesetzliches Regelwerk zu schaffen, das sie vor unverschuldeten Verdienstausfällen schützt.“

Die Kulturbranche fiel im Lockdowndiskurs als schnöde Freizeitaktivität oft unter den Tisch. Zu Unrecht, denn ihr ökonomisches Gewicht ist beachtlich, berichtet die „Taz“ aus dem Monitoringbericht „Kultur- und Kreativwirtschaft 2020“, gerade herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Dort rangiert die Kulturbranche mit einer Bruttowertschöpfung von etwa 106 Milliarden Euro (2019) auf gleicher Höhe mit Maschinenbau (111 Milliarden) und deutlich vor den Finanzdienstleistern (74 Milliarden) und doppelt so stark wie die Chemische Industrie (52 Milliarden). Diesen starken Auftritt verdanke sie allerdings der Games- und Softwareindustrie, die auch zur Kre­ativ­branche gezählt wird, merkt die „Taz“ an. Während dieser Bereich mit einem Rückgang von nur zehn Prozent rechne, werde für 2020 für die darstellende Kunst ein Umsatzeinbruch von 75 Prozent erwartet, in der Filmbranche von 72 Prozent. Der Monitoringbericht prognostiziere fatale Folgen für die Kulturbranche, so die „Taz“: „Es drohen Pleiten und Monopolisierung“.

 

Die Hilfen für Solo-Selbstständige erklärt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft mit einem FAQ. Mit weiterführenden Links werden die November- und Dezemberhilfen, die bestehenden und kommenden Überbrückungshilfen sowie weitere Programme erklärt.  Kritisch (und detaillierter als in der folgenden Zusammenfassung) fällt die Einschätzung von Seiten der Selbständigen in der Gewerkschaft aus. Die stammt zwar aus dem September 2020, gelte aber immer noch: „Es ist auch über November- und Dezemberhilfe (mit dem ersten Ansatz, auch Einkommensersatz für Solo-Selbstständige zu zahlen) sowie der Neustarthilfe nicht gelungen, die Schieflage zu beseitigen, die sich durch alle bisherigen Wirtschaftsprogramme zieht. Insbesondere sehen wir eine eklatante Ungleichbehandlung der Solo-Selbstständigen gegenüber anderen Wirtschaftsakteur*innen aus Mittelstand und Großunternehmen. Was dringend fehlt ist ein Programm, das gezielt (und nicht eingebettet in andere Programme) auf eine Existenzsicherung Solo-Selbstständiger zielt. – Dabei sehen wir eine Festlegung beziehungsweise Deckelung von Hilfen in Höhe der Pfändungsfreigrenze von gut 1.200 Euro als keine vernünftige oder nachvolziehbare Grundlage eines Einkommensersatzes: Diese Forderung vermischt das Thema ,angemessene Wirtschaftshilfe’ mit der Forderung nach einer Grundsicherung auf höherem Niveau (die wir heftig befürworten).“

Der Ausfallfonds II für TV- und Streaming-Produktionen startet Anfang 2021, teilt die Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen mit. nach langen Verhandlungen haben sich Länder, Sender und Produktionsunternehmen auf eine Aufteilung der Kosten geeinigt: „Rückwirkend zum 1. November 2020 erhalten Produktionsunternehmen für den Zeitraum der Dreharbeiten eine finanzielle Absicherung durch den neu geschaffenen Ausfallfonds II, wenn sie aufgrund einer corona-bedingten Produktionsstörung einen finanziellen Schaden erleiden und eine übliche Versicherung keine Absicherung gewährt.“
Die Länder, die dem Ausfallfonds beigetreten sind, übernehmen bis zu 57,5 Prozent des anerkannten Schadens, die Fernsehanbieter und Streaming-Dienste 32,5 Prozent. Die Selbstbeteiligung des Produzenten beträgt zehn Prozent, mindestens aber 10.000 Euro, erklärt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
Neben Fiction-Produktionen können unter anderem auch Dokumentationen, Shows und Unterhaltungssendungen sowie Animationsprojekte abgesichert werden. Voraussetzung für eine Absicherung durch den Ausfallfonds II ist eine finanzielle Beteiligung des an der Produktion beteiligten Senders. Richtlinien, FAQ und Antragsformular finden sich hier. 
Anträge können ab dem 1. Januar bei der Filmförderanstalt (FFA) gestellt werden. Der Fonds soll bis zum 31. Dezember 2021 laufen. Der von Bundesregierung initiierte Ausfallfonds I sichert ausschließlich Kinofilme und High-End-Serienproduktionen ab, nicht aber TV- und Streaming-Produktionen. Daher haben sich Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zusammengeschlossen und eigenständig den Ausfallfonds II aufgebaut. Sie beteiligen sich mit insgesamt 43,5 Millionen Euro. 

Weitere Corona-Hilfen für Kunst und Kultur hat Baden-Württemberg für das kommende Jahr beschlossen. 15 Millionen Euro stehen für ein Stipendienprogramm für freischaffende Künstler*innen und Hochschulabsolvent*innen aller Sparten im Bundesland bereit. Ziel sei, „eine drohende dauerhafte Beschädigung der vielfältigen Kunstlandschaft in Baden-Württemberg durch die Folgen der Corona-Pandemie zu verhindern. Die neuen Projektstipendien sind hierbei ein entscheidender Baustein. Sie garantieren Musikerinnen und Sängern, Tänzern und Autorinnen, bildenden Künstlern und Schauspielerinnen, das heißt Kunstschaffenden aller Sparten, in dieser außergewöhnlich herausfordernden Zeit finanzielle Unterstützung und Anerkennung ihrer Arbeit“, sagte Kunststaatssekretärin Petra Olschowski. „Mit Projektstipendien von je 3.500 Euro sollen sie in die Lage versetzt werden, ihre künstlerische Arbeit fortzusetzen, nachdem ihnen durch die pandemiebedingten Einschränkungen ihre Auftritts- und Präsentationsmöglichkeiten entzogen wurden“, wird in der Pressemitteilung erklärt. 

 

Die Mini-Serie „Das Damengambit“ traf den Zeitgeist-Nerv im Lockdown. Sie fesselte Bingewatcher wie Kritiker und ließ die Verkaufszahlen von Schachbrettern in die Höhe schießen. Noch mehr beeindruckte den „Freitag“ aber, dass die Schauplätze von Mexiko über Paris bis Moskau fast alle am selben Ort entstanden: Gedreht wurde die internationale Koproduktion zum größten Teil in Berlin. Die Wochenzeitung sprach mit dem Locationscout Stefan Wöhleke, der Berlins ungeahnte Gesichter gefunden hat und seinen Beruf erklärt: „Die direkte Zusammenarbeit läuft dabei mit dem Szenenbildner, der zunächst entscheidet, ob ein Drehort für die Anforderungen funktioniert. Und in diesem Fall hatten wir auch noch einen Locationmanager, der für das Budget zur Motivmiete und die Drehgenehmigungen verantwortlich ist. Ich bin also eine Art Bindeglied zwischen dem kreativen und dem logistisch-organisatorischen Part. Denn bei der Motivsuche geht es immer auch bereits um die Machbarkeit: Ist die Straße für einen längeren Zeitraum absperrbar, gibt es genug Parkplätze für die Produktionsfahrzeuge? Das muss ich mitbedenken, es bringt nichts, ein optisch tolles Motiv zu haben, bei dem die Peripherie fehlt.“ Dass Einheimische die Trickserei erkennen könnten, findet er nicht so schlimm: „Wichtig ist, dass die Geschichte trägt, dann fällt es niemandem auf, wenn man ein Haus schon mal gesehen hat oder ein Lichtschalter falsch ist. Wenn es spannend inszeniert ist, unterstützt das Bild die Geschichte, und Sie sind im Idealfall so gefesselt, dass Sie nicht an der Tiefgarage hängen bleiben, die Sie schon mal im Tatort gesehen haben. Wenn es rasant geschnitten ist, wie ,Homeland’, kann man in Berlin auch schon mal Palästina drehen, ohne dass es auffällt.“
Womöglich aber nicht mehr lange, meint Wöhleke: „Wir waren selbst überrascht, wie gut die Locations hier funktioniert haben. Nur einige Außenmotive sind in Kanada entstanden. Aber Berlin hat da in seiner architektonischen Vielfalt auch sehr viel zu bieten. Noch, denn durch den Neubau-Einheitsbrei geht mehr und mehr verloren.“

 

Am kommenden Montag ist die längste Nacht des Jahres – oder andersrum: der kürzeste Tag. Den nutzt die AG Kurzfilm seit neun Jahren und sucht ungewöhnliche Abspielstätten, um das kleine Format zu feiern. Normalerweise. Auch der „Kurzfilmtag“ läuft in diesem Jahr nur als Stream. Am 21. Dezember stehen ab 9 Uhr sieben Programme mit insgesamt 49 Filmen für 24 Stunden zum kostenlosen Anschauen bereit. Daneben soll es weitere Online-Events von verschiedenen Veranstaltern geben.
„Mit einer gewissen Sturheit  wurde immer wieder betont, die nächste Berlinale werde schon irgendwie in Berlin stattfinden“, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ gestern und berichtete, dass die Veranstaltung jetzt wohl doch ins Internet wandere – zumindest teilweise.
Da wusste „Variety“ schon ein wenig mehr: Deutschlands größtes Filmfestival werde seinen Wettbewerb Anfang März virtuell abhalten, der European Film Market läuft parallel ebenfalls digital. Ein „Mini-Festival“ mit  Weltpremieren im echten Kino sei für den frühen Juni geplant. Die Berlinale selbst habe das nicht kommentiert, wolle aber ihre Pläne noch diese Woche verraten.
Und tatsächlich kündigen heute die Filmfestspiele eine Berlinale in zwei Stufen an, wie sie „Variety“ beschrieben hat: „Industry-Online-Angebot im März/Publikums-Event im Juni“. Das Programm werde im Februar veröffentlicht und der Filmbranche beim virtuellen European Film Market (EFM) im März vorgestellt. Eine Internationale Jury wird die Filme in Berlin sichten und über die Bärenpreise entscheiden. Dem Publikum werden die Preisträger*innen und die Filmauswahl erst im Juni präsentiert. Der Künstlerische Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian, formuliert das etwas hübscher: Dann „kann unser Publikum im Sommer – wie ein Neustart, 70 Jahre nach der ersten Ausgabe des Festivals – in Kinos und unter freiem Himmel die Filmemacher*innen und ihre Teams feiern.“

 

Armin Mueller-Stahl ist gestern 90 geworden. Der NDR würdigt einen „Weltstar mit vielen Talenten“. Im RBB gratuliert Knut Elstermann: „Ihn umgab eine verhaltene Aura von Abenteuerlichkeit, Eigenständigkeit und Lebenserfahrung, auch schon in jungen Jahren. Dabei trumpfte Mueller-Stahl schauspielerisch nie auf, zielte nie auf den billigen, schnellen Effekt ab, sondern stellte sich mit manchmal geradezu minimalistischen Mitteln ganz in den Dienst der Rolle.“ Nur eines sei zu bedauern: „Viel zu selten konnte der Erzkomödiant Armin Mueller-Stahl, der auf der Bühne gern als Clown auftrat und sich immer als Gaukler sah, in Filmkomödien spielen.“
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ gratuliert:  Dass Armin Mueller-Stahl einer unserer besten Schauspieler sei, das hat vor fast vierzig Jahren schon Rainer Werner Fassbinder gesagt; es gibt da nichts zu widersprechen. Nur anzufügen vielleicht, dass Mueller-Stahl immer dann am allerbesten war, wenn er seine Rollen auf Abstand hielt.“
Die „Bild“ nutzt den Anlass lediglich, um nach dem Gesundheitszustand des Schauspielers zu fragen. Das sei zwar „Privatsache“, hatte dessen Ehefrau ausrichten lassen, hindert die Zeitung aber nicht, trotzdem gleich über drei medizinische Szenarien zu herumzuspekulieren.

Wenn Lehrkräfte die „Sendung mit der Maus“ im Unterricht zeigen wollen, müssen sie erst aufwendig die Rechte klären. Ein Bündnis fordert deswegen mehr freie Lizenzen für Wissens- und Bildungsvideos der Öffentlich-Rechtlichen, berichtet der Deutschlandfunk und streift auch die Problematik einer angemessenen Vergütung für die Urheber. 

Die Corona-Pandemie hat die TV-Talkshows im Jahr 2020 dominiert wie kein Thema zuvor. „Meedia“ wertet seit 2010 zum Jahresende die offiziellen Gästelisten der großen wöchentlichen Polit- und Gesellschafts-Talks von ARD und ZDF aus. 66 Sendungen drehten sich um die Corona-Pandemie. Zweitwichtigstes Thema war der US-Wahlkampf, der samt Folgen achtmal zum Thema wurde. Dann erst kam der Klimawandel mit vier Sendungen. Der Talkshow-König ist der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach mit jeweils 31 Auftritten, davon allein 17 bei „Markus Lanz“. Der Virologe Christian Drosten landet mit vier Sendungen auf Platz 33.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland zählt in einer eigenen Auswertung nur 30 Auftritte von Lauterbach und sah auch Drosten nur zweimal, kommt ansonsten aber zum gleichen Ergebnis.

 

 

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