Achteinhalb: Warum Filmschaffende nach Meinung von Filmförderern umsonst arbeiten sollen

Als Geschäftsführer des FFF?Bayern kennt Klaus Schaefer (rechts) das Filmschaffen im Freistaat wie wenige andere und zieht alle Augen auf sich. Wenn es um das Thema Mindestlohn geht, argumentiert er aber allein im Sinne der Produzenten. | Foto © Foto:?FFF Bayern, Kurt Krieger

Ein Jahr ist’s her, da tobte die alte Diskussion besonders heftig: Die Bundesregierung plante, nun doch einen Mindestlohn einzuführen, wie ihn drei Viertel der Staaten in der EU bereits haben, da beschworen die Produzenten bereits den Untergang des Filmschaffens im Land. Denn ein Mindestlohn von 8,50 Euro sollte ab dem Jahreswechsel auch für längere Praktika gelten. Und das sei nun doch ein Problem, erklärte die Produzentenallianz, der mit rund 220 Mitgliedern der Großteil der deutschen Film- und Fernsehproduktionsfirmen angehört: Ein Praktikum sei meist der einzige Weg, wie junge Menschen zum Job in Film und Fernsehen finden und Unternehmen ihren Nachwuchs. „Sollte das nicht mehr finanzierbar sein, würden den jungen Menschen massiv Chancen genommen, anstatt ihnen Chancen zu geben.“

Ein wenig hatte der Bundestag daraufhin ein Einsehen und verlängerte die Zeitspanne für „Schnupperpraktika“, die vom Mindestlohn ausgenommenen sind, von den geplanten sechs Wochen auf drei Monate. Und damit soll noch längst nicht Schluss sein. Denn „nun ist ein neues Problem aufgetaucht: die Nachwuchsfilm-Produktion.“ Und „man kann dem Gesetzgeber nicht vorwerfen, dass er diese doch sehr speziellen Fragen der filmischen Ausbildung nicht gesehen und in dem verabschiedeten Mindestlohngesetz nicht geregelt hat. Nun aber ist das Problem erkannt und es gilt, praxisgerechte Lösungen zu finden.“

Aber es ist nicht etwa die Interessenvertretung der Produzenten, die sich hier äußert. Sondern Prof. Dr. Klaus Schaefer, Geschäftsführer des Filmfernsehfonds (FFF) Bayern und mit rund 28 Millionen Euro jährlich Herr über das zweitgrößte Budget unter den regionalen Förderungen. In seinem Editorial zur jüngsten Ausgabe der Film News Bayern, der Zeitschrift des FFF (oder hier), schildert seine Schäfer seine Sorge, welche Schwierigkeiten sich nun vor den Filmstudenten auftürmen – des Mindestlohns wegen. Das heißt, so richtig schildert er es nicht, denn er nennt weder Kosten noch Zahlen, sondern beschwört mal so ganz allgemein, wie gut und nützlich, also wichtig, ohnehin aber unvermeidlich es für eine Studentenproduktion sei, „immer wieder“ auf externe Profis zurückzugreifen, „um diese Filme tatsächlich in einer hochschulwürdigen Qualität umsetzen zu können. Und da diese Hochschulfilme minimale Budgets haben, ist es eine schöne Übung in der Branche, dass sich erfahrene Kräfte umsonst oder für eine eher symbolische Bezahlung meist unterhalb des Mindestlohns bereit erklären, ihr Wissen und ihr Können dem Nachwuchs zur Verfügung zu stellen.“

Schön ist es auf jeden Fall, wenn der höchste Filmförderer des Landes sich um den Nachwuchs sorgt. Schließlich hat der FFF Bayern (wie auch seine Pendants in Hamburg und Schleswig-Holstein, Berlin und Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen) in seinen Statuten zur Produktionsförderung den Passus: „Bei der Herstellung des Films soll der Antragsteller in angemessenem Umfang die filmberufliche Aus- und Weiterbildung gewährleisten.“ Was immer das heißen mag und wie das geprüft wird…

Doch wenn es nur darum ginge. Worum es tatsächlich geht, stellt schon die Überschrift klar: „Mindestlohn – die Zweite!“ Denn, daran lässt der folgende Artikel keinen Zweifel, es muss da unbedingt noch einiges geändert werden am neuen Gesetz für eine faire Bezahlung. Und das ist rhetorisch recht geschickt aufgebaut: Der erste Absatz schildert, dass der Gesetzgeber schon mal ein Problem („Schnupperpraktika“) nicht erkannt habe, dann aber bereitwillig „nachbesserte“, nachdem man ihn darauf hingewiesen habe. Der letzte Absatz heischt Verständnis, mit der Mahnung gemeinsam eine Lösung zu finden, die natürlich nur die sein kann, eine weiteres Loch ins Gesetz zu bohren, diesmal für Hochschulproduktionen.

Da stehen auf einmal eine ganze Reihe Behauptungen herum. Hat die Politik tatsächlich die „doch sehr speziellen Fragen der filmischen Ausbildung“ und zuvor „die Problematik“ von Mindestlohn und Praktikum nicht erkannt, trotz Anhörungen, Gutachten, Debatten und reihenweisen Verlautbarungen der Interessenverbände? Wie viele Praktika mussten denn in den gerade mal vier Monaten, die das Gesetz in Kraft ist, tatsächlich schon abgebrochen werden, weil nach dem dritten Monat eine Mindestvergütung fällig wäre? Sind die Nachwuchsfilm-Produktionen tatsächlich „ein neues Problem“, das nun so überraschend aufgetaucht ist? Lernt ein Student an einer deutschen Filmhochschule tatsächlich so wenig, dass er Hilfe von außen braucht, um seinen Film „in einer hochschulwürdigen Qualität umsetzen zu können“?

Man kann auch anders fragen: Wenn „erfahrene Kräfte umsonst oder für eine eher symbolische Bezahlung meist unterhalb des Mindestlohns bereit erklären, ihr Wissen und ihr Können dem Nachwuchs zur Verfügung zu stellen“ – was soll der Filmnachwuchs daraus lernen? Dass Wissen und Können umsonst zu haben sind (ihr eigenes dereinst eingeschlossen)? Weil es offenbar normal ist, dass man berühmte Schauspieler und erfahrene Kameraleute für den Abschlussfilm haben will, auch wenn keiner dafür bezahlen kann…

Das ist gar nicht so schlimm, meint Schaefer: „Ein solches mäzenatisches Handeln ist in der Welt von Kunst und Kultur höchst erwünscht und ein Beitrag zur Förderung des kreativen Nachwuchses.“ Darum seien sogar renommierte Schauspieler „immer wieder bereit, bei Nachwuchsfilmen (fast) ohne Bezahlung dabei zu sein.“ Es könnte ja sein, dass der Student von heute morgen der große Regisseur ist, der mit Rollenangeboten nur so um sich wirft. Oder ganz anders…

Nur sind die renommierten Schauspieler die Minderheit. Etwa 80 Prozent und mehr im Team seien „mehr oder weniger erfahrene ganz normale Filmschaffende“, schätzt einer, der schon bei mehreren Abschlussfilmen mitgewirkt hat: „Das ist sicherlich von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich. Bei den Produktionen, die ich gemacht habe, waren immer nur der Regisseur und der Produzent von der Filmhochschule.“

Was Schaefer über vier Absätze so stimmungsvoll idealisiert, ist leider eine weit verbreitete Vorstellung vom Kulturleben um Lande, weil die Leute anscheinend zu oft „La Bohème“ gesehen haben. Das Schöne, Wahre und Gute entsteht nur durch Entsagung und Not, denkt man dann gerne. Obwohl „La Bohème“ ja in einer Zeit spielt, als gerade erst Sozialversicherungen eingeführt und Kinderarbeit abgeschafft wurden und auch sonst einiges ziemlich anders war.

Es mag ja sogar sein, dass die Kunst sich selbst genug ist, doch spätestens, wenn die Miete fällig wird, wäre es schön, wenn die Arbeit nicht völlig brotlos war. Aber wenn Künstler sich selbst Mäzene sein müssen, weil es anders nicht geht, läuft etwas nicht richtig. Vielleicht auch an den Stellen, von denen diese Projekte ihr Geld bekommen sollen… Übrigens: bereits 1,3 Millionen Euro ließ sich allein der FFF die gerade abgedrehte Fortsetzung des Kassenschlagers „Fack ju Göhte“ kosten.

Der Mindestlohn, den Schaefer als so gefährlich ansieht, hat nämlich zwei Seiten: Was die Produzenten bezahlen müssen, ist das, was die Filmschaffenden für ihre Arbeit bekommen. 8,50 Euro die Stunde. Rund 1400 Euro im Monat. Brutto. Als Förderer sollte er den kompletten Film und all seine Beteiligten im Blick haben. Mehr noch: Als Einrichtung mit 90 Prozent staatlichen und öffentlich-rechtlichen Gesellschaftern müsste der FFF den Mindestlohn verteidigen – und noch mehr. Schließlich können Arbeitgeber, die gegen das Gesetz verstoßen, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Was für die Filmförderung, die öffentliches Geld verteilt, letztlich eine Aufsichtspflicht mit sich bringt.

Doch das ist für alle Förderer im Lande gleichermaßen kein Thema. Ob die Fördermittel aus Steuern und Zwangsabgaben auch wie vorgesehen verwendet werden, wird zwar geprüft, nicht aber, ob dabei auch staatliche Vorschriften wie Arbeitszeiten und Mindesthonorare eingehalten werden (cinearte 264).

Ähnliche Erfahrungen hatten auch das Branchennetzwerk Crew United und die Bundesvereinigung Die Filmschaffenden gemacht, die alljährlich Produktionsbedingungen mit dem „Hoffnungsschimmer“, inzwischen „FairFilm®Award“ genannt, auszeichnen: Während die regionalen Film Commissions das Projekt unterstützen, will keiner der  Förderer davon etwas wissen.

Dass nun auch der Verantwortliche des Filmfernsehfonds Bayern scheinbar ausschließlich die Interessen des Produzenten vertritt, habe ihn daher nur „ein wenig“ überrascht, meint Oliver Zenglein von Crew United. Gerade bei den „Ausbildungs- und Anfängerproduktionen“ läge einiges im Argen. „Anstatt das Thema nun mal wirklich anzugehen und sich mit dafür einzusetzen, dass bei diesen Produktionen wenigstens verlässlich dafür gesorgt wird, dass die Mitarbeiter unfall- und haftpflichtversichert sind, einen schriftlichen Vertrag erhalten, mindestens ein Teammitglied qualifiziert ist, die Rolle eines Sicherheitsbeauftragten zu übernehmen und überhaupt eine faire Regelung für die Vergütung geschaffen werde, zielt man hier allein darauf ab, dass die ›schöne Übung‹ doch bitte bei der nächsten Gesetzesänderung berücksichtigt wird, und dann ist ja alles wieder gut!“

Dabei hat man auf Produzentenseite auf die neuen Vorgaben reagiert, um junge Menschen zum Job in Film und Fernsehen zu bringen und Unternehmen ihren Nachwuchs. Schon 2009 hatte Geschäftsführungsmitglied Dr. Oliver Castendyk berichtet, man wolle für den Bereich Entertainment ein Volontariatsprogramm entwickeln. Unter dem Namen „E!Volo“ laufe es inzwischen erfolgreich und soll jetzt als Muster für ein neues Volontariat für Audiovisuelle Produktion dienen, schrieb sich die Produzentenallianz im Februar in ihren Aktionsplan für das Jahr 2015: Ausbildungsziel des neuen zweijährigen AV!Volo sind die Berufsbilder „Producer/Redakteur und/oder Herstellungs-/Produktionsassistenz“. Die Volontäre sind (ähnlich wie ihre Kollegen beim Rundfunk und bei Tageszeitungen) bei einem Produktionsunternehmen angestellt, durchlaufen während dieser Zeit mehrere Geschäftsbereiche, über etwa 30 Tage externe Schulungsmodule der Produzentenallianz und firmeninterne Fortbildungen.

Vom Erfolg des Konzepts sind die Produzenten überzeugt: „Durch den Wegfall zahlreicher Praktikantenstellen ist mit einer erhöhten Nachfrage zu rechnen.“

 

(FairFilm® ist eine eingetragene Marke von fairTV e.V.)

3 Kommentare
  1. Bluto Blutarski sagte:

    35 Jahre nach meinem ersten Praktikum möchte ich ein paar konstruktive Vorschläge machen:

    Schließung aller Filmhochschulen. (Wo sollen denn bitte all die Absolventen arbeiten?)

    Einführung von Master-Classes an bestehenden Kunstakademien für begabte Filmschaffende mit mehrjähriger Praxis- Erfahrung.

    Abschlussfilme sind mit einem vorgegebenen Budget zu marktüblichen Preisen zu erstellen. Die Finanzierung erfolgt über die Akademie. (Medizinstudenten müssen sich ihre Körper für den Anatomiekurs ja auch schon seit längerem nicht mehr nachts selber ausbuddeln.)

    Ich habe nie verstanden, warum eine Praxis, die bei allen anderen akademischen Abschlussarbeiten als unerlaubte Verwendung fremder Hilfe zur Relegation führen würde bei Abschlussfilmen zum guten Ton gehört.

    Mit einem anerkannten Künstler hinter der Kamera dürfte es den meisten schwer fallen, Schauspieler/Innen von Format eine grottige Performance zu entlocken!

    Im Übrigen steht die Behauptung, die Mitwirkung hätte gratis stattgefunden ja auch ungeprüft im Raum – ob da nicht im Einzelfall familiäre Ressourcen auf dem kleinen Dienstweg ihren Empfänger gefunden haben?

    Ein Abschlussfilm sollte die Fähigkeiten des Absolventen testen und nicht die goldene Leinwand bekommen.

    Im Idealfall müssten alle mit identischer Crew und Cast das selbe Drehbuch verfilmen.

    Überstunden ergeben Abzüge in der Benotung!

    Budgetüberschreitung gilt als fail!

    Wenn unter diesen Umständen noch eine Lola errungen wird: Chapeau!

  2. Huckleberry Finn sagte:

    Herr Schaefer redet sich hier eine Welt schön. Tatsache ist, das die meisten an sogenannten Hochschulproduktionen beteiligten Personen, ganz egal ob Schauspieler oder andere Teammitglieder, hinterher von den angehenden Regisseuren oder Produzenten der Hochschulen meist gar nichts mehr hören. Ist der Film abgedreht, muss man sich meist um eine DVD abmühen. Das man dann wiederum später in einem Pay-Projekt engagiert wird, geht fast gen Null. Das habe ich nicht nur selbst am eigenen Leibe etliche Male erfahren, sondern das ist Common Sense – vor allem, aber nicht nur – unter Schauspielern.
    Am ehesten haben noch die recht unerfahrenen Filmleute oder Schauspieler einen Nutzen davon, in dem sie meist in Funktionen oder Rollen Erfahrungen sammeln können, welche sie bei Pay-Drehs vorerst wohl nicht hätten machen können. Aber auch diese Leute müssen (meist) Miete zahlen und können sich – gerade von der Ausbildung ausgespuckt – sich auch nicht in wohlfeilem Mäzenatentum ergehen.

    Ist ein Promi-Schauspieler am Projekt beteiligt, kehrt dieser nach dem Studentendreh wieder in seine gut bezahlten Pay-Jobs an anderer Stelle zurück. Meist war es auch für diesen Schauspieler kein finanzielles Problem, das Projekt mitzumachen.
    Die Scharen der nicht so etablierten Schauspieler aus dem Mittelfeld und viele Team-Mitglieder schauen aber bei Stundentenprojekten meist in die Röhre, was Nachfolgeaufträge ergibt. Wird der Stundentenfilm ein beachteter Erfolg können sich daraus eventuelle positive Folgen ergeben. Aber wann ist das wirklich gegeben???
    Das die jungen Hochschulregisseure dann die Crew Ihrer Stundentenfilme just in dem Moment vergessen, wo ihnen wiederum der erste Pay-Job als Regisseur angeboten wird, kann man ihnen gar nicht mal so sehr verübeln. Sie brauchen und wollen diesen Job und müssen dann aber die Crew-Leute und Schauspieler nehmen, die ihnen vom Sender, von der Produktionsfirma, vorgesetzt werden. Vielleicht erhoffen sie sich wiederum ein weiteres Fortkommen, wenn sie auch hier fast exklusiv auf schauspielerische Prominenz vertrauen.
    Bevor hier aber das Gefühl aufkommen sollte, angehende Regisseure seien nur karrieregeile Ausnutzer des nicht-prominenten Kreativpotentials, wenn sich noch eine kleine Studenten-Regienummer sind, sollte man sich vielleicht fragen, warum ist es so, wie oben beschrieben…
    Liegt es vielmehr nicht daran, das die großen Budgethalter, die großen Entscheider, sich zu wenig mit den Kreativkräften in den Stundentenproduktionen auseinander setzen, mit den jungen und/oder unbekannten Schauspielern, mit den jungen und/oder unbekannten Cuttern oder Tonleuten oder Maskenbildern, oder Komponisten……

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