Kultur als Ausnahme: Eine Petition für Europas Kino

Die Vielfalt Europas hatte nicht nur Cédric Klapisch inspiriert, der dem gemeinschaftlichen Kulturaustausch mit „L’auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr“ ein Filmdenkmal samt Fortsetzung errichtet hatte. | Foto © Universum

Während die Kinobranche in Deutschland noch mit dem Fernsehen ringt, droht draußen in der Welt schon neue Gefahr. Die USA und die Europäische Union verhandeln im Juni über ein Freihandelsabkommen (TTIP). Im Gegensatz zu früheren Vorschriften der Welthandelsorganisation ist dieses Mal aber keine „kulturelle Ausnahme“ für Audiovisuelles und Medien vorgesehen. Besonders das öffentliche Fördersystem, das nicht nur in Deutschland stark ausgeprägt ist, wird auf der anderen Seite als Wettbewerbsverzerrung gesehen.

Den wolle man ja gar nicht verzerren, erklärt dazu etwa Alexander Thies, Vorsitzender des Vorstands der Allianz Deutscher Produzenten. Doch im Gegensatz zur amerikanischen brauche die europäische Filmindustrie Förderung. Daß sie die auch bekommt, verzerre nicht den Wettbewerb, sondern mache ihn erst möglich: „Ohne Förderung, ohne ,kulturelle Ausnahme‘ gäbe es den europäischen Film nämlich gar nicht mehr, keine ,Oscar‘-Gewinner wie ,Liebe‘ oder europäische Blockbuster wie ,Ziemlich beste Freunde‘.“ – und somit keinen Wettbewerb. „Die Maßnahmen, mit denen in der EU und in den Mitgliedsstaaten Filme und andere audiovisuelle Medien gestützt und gefördert werden, sind die Voraussetzung für ein nennenswertes Filmschaffen in Europa.“

Für diese tollkühne Argumentation hat sich der Produzentensprecher eine Eins mit Sternchen im Rhetorikseminar verdient, weshalb ich mich auch gar nichts zu erwidern traue – außer vielleicht die zaghafte Frage, wieso es so selbstverständlich sein soll, dass die europäische Filmindustrie Förderung brauche, die amerikanische aber nicht oder wieso das dann nicht auch für andere Branchen gelten soll – nur halt unter umgekehrten Vorzeichen. Vermutlich hat das mit dem Selbstverständnis der europäischen Filmindustrie zu tun, denn wie die Produzenten argumentieren alle möglichen Verbände, Organisationen und Parteien und das nicht nur in Deutschland (einen kleinen Überblick gibt es hier).

Sogar 14 europäische Kulturminister, unter ihnen der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann, haben auf Initiative seiner französischen Kollegin Aurélie Filippetti einen gemeinsamen Brief an die irische EU-Ratspräsidentschaft geschrieben. Sie wollen verhindern, dass das künftige Freihandelsabkommen auch den Kultursektor umfasst. Und europäische Filmemacher sammeln im Internet Unterschriften: Das Vorhaben der EU sei eine „Kapitulation“. Kultur sei das Herz der europäischer Identität und Ideale und nicht verhandelbar. Die Petition, die berühmte Kollegen wie Stephen Frears und Michael Haneke bereits unterschrieben haben, lässt sich in fünf europäischen Sprachen aufrufen. Eine deutsche Version fehlt.

Vielleicht ist die ganze Aufregung ohnehin unnötig. Denn die  EU-Kulturkommissarin Androulla Vassiliou hat am 17. Mai in einer Rede erklärt, dass ein Abkommen mit den USA bestehende Kulturfördermaßnahmen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten nicht in Frage stellen werde: Die Bewahrung und Förderung von kultureller Vielfalt seien durch den EU-Vertrag und die Unesco-Konvention von 2005 gesichert. Da allerdings müssten die größten Filmförderer in Deutschland sich noch ein wenig in der Argumentation üben. In den Richtlinien Bayern, Berlin-Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen ist nämlich erst einmal Linie von der Stärkung von Wirtschaft und Standort die Rede. Dann erst kommt die Kultur, im Nebensatz.

2 Kommentare
  1. Lukas sagte:

    Es klingt wie Hohn und Spott, wenn Produzenten (und Sender) die Filmförderung zum Schutze der „Kultur“ aufrecht erhalten wollen. Nur wie kann man von Schutz der Kultur sprechen, wenn den Kreativen und Künstlern, also jenen, die die Kulturarbeit leisten, Buy-Out-Verträge und Rückstellungsverträge aufgezwungen und sie um ihren Lohn gerechten gebracht werden? Oder wenn durch die Auswüchse der Regionalförderung die Filmteams von Bundesland zu Bundesland tingeln müssen und damit notwendige Drehtage verloren gehen. Das alles hat doch mit dem Schutz der Kultur nichts zu tun.

    Außerdem ist die hiesige Film“förderung“ zum Herrschaftsinstrument der TV-Sender mit den allseits bekannten negativen Folgen verkommen.

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