Gedanken in der Pandemie 126: „… am Hindukush verteidigt“

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Shahrbanoo Sadat ist eine der bekanntesten Filmemacherinnen Afghanistans. In Cannes gewann sie vor fünf Jahren den Hauptpreis in der Sektion „Quinzaine“. Heute ist ihr die Flucht aus Kabul geglückt. Das Berliner „Wolf Kino“ ruft jetzt zu einer Spendenaktion die Filmemacherin auf. | Foto © Persian Film Festival Australia

Deutsche Sicherheiten, Corona und Afghanistan – Gedanken in der Pandemie, Folge 126.

„Then the sickness really breaks out, and the less recording and reporting the better for the peace of the subscribers. But the Empires and the Kings continue to divert themselves as selfishly as before, and the foreman thinks that a daily paper really ought to come out once in twenty-four hours, and all the people at the Hill-stations in the middle of their amusements say:?„Good gracious! Why can’t the paper be sparkling? I’m sure there’s plenty going on up here.“
Rudyard Kipling, „The Man Who Would Be King“; 1888

„Der Krieg in Afghanistan ist verloren.“
Peter Scholl-Latour, 2014

„Es gibt keine guten Taliban.“
Hasnain Kazim in der „Zeit“, 2021

Fast 60 Prozent aller Deutschen, 48,9 Millionen sind vollständig gegen Corona geimpft. 64 Prozent mindestens einmal. 

Aber wie sieht es eigentlich im Rest der Welt aus? Besser als ich gedacht hätte: 32,5 Prozent der kompletten Weltbevölkerung, meldet „ourworldindata“, haben mindestens eine erste Impfdosis erhalten, und sind damit bereits weitgehend sicher vor schweren Erkrankungen. Ziemlich genau ein Viertel, 24.5 Prozent, ist vollständig geimpft. 4.97 Milliarden Impfdosen wurden bisher verabreicht, zurzeit 34.91 Millionen pro Tag. Dass es noch immer keine größere Zahl schwerer Erkrankungsfälle gibt, könnte den Impfverweigerern ja allmählich zu denken geben. 

Zugleich gibt es eine große Ungleichheit zwischen Reichen und Armen wie in allen möglichen Bereichen auch in der Frage der Impfstoffverteilung: Nur 1,4 Prozent der Geimpften stammen aus der Gruppe der ärmsten Länder der Welt. 

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Afghanistan – die Verhältnisse, die dort gerade herrschen, könnten uns alle in Europa ja daran erinnern, das es zum einen echt noch ein paar Dinge gibt die wichtiger sind als die blöde Pandemie und die Volksgesundheit in der Bundesrepublik. Oder der Wahlkampf. und das ist vielleicht sogar Sachen gibt die drängender sind, als der Klimawandel. Oh Schreck – nein ich möchte jetzt nichts gegeneinander ausspielen. Ich möchte nur daran erinnern dass es Menschen gibt die gerade jetzt in Afghanistan in ihrem Leben bedroht sind. Oder in ihrer Freiheit. Oder deren Kinder und Familien bedroht sind. Ich möchte also versuchen, bei euch liebe Leser, ein Gefühl für Verhältnismäßigkeiten wach zu halten.

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Dazu gehört dann, nüchtern festzustellen, dass die Pedanterie und der Bürokratismus, die „Dienst-nach-Vorschrift“-Mentalität der deutschen Behörden mal wieder Menschenleben kostet. 

Heiko Maas ist zwar nicht an allem schuld, schon gar nicht persönlich, an vielem aber schon. Und allein die Unverfrorenheit mit der er sich herauszureden versucht, und das Blame-Game mitspielt, nach dem er ja von den Nachrichtendiensten schlecht benachrichtigt wurde, könnte Grund genug sein, ihm und seiner Partei bei den kommenden Wahlen einen Denkzettel zu geben. 

Für die Koalitionspartner gilt das Gleiche: Ist es etwas anderes als Zynismus wie sich Horst Seehofer verhält. Wie er seine „Ausländer-raus“-Mentalität hinter dem Geschwätz von sicheren Herkunftsländern maskiert? 

Und wie heißt nochmal die mit ihrer Außenpolitik auf ganzer Linie gescheiterte Chefin von beiden? Die mit der Richtlinienkompetenz?

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Dazu könnte auch das Schicksal von Shahrbanoo Sadat beitragen. Sadat ist eine der bekanntesten Filmemacherinnen Afghanistans. Seit zehn Jahren macht die heute 31-jährige von Kabul aus Filme, wo sie auch am Atelier Varan studierte. Die letzten beiden liefen jeweils in der Sektion „Quinzaine“ der Filmfestspiele von Cannes – der Spielfilm „The Wolf and the Sheep“ gewann dort 2016 den Hauptpreis. Wie viele andere hat Sadat in der letzten Woche verzweifelt versucht, dem Ansturm der Taliban zu entfliehen und außer Landes zu kommen. Am heutigen Montag ist es ihr nach vielen Tagen schließlich geglückt – mit Hilfe der französischen Regierung zusammen mit 9 Familienmitgliedern. Am Abend hat die Regisseurin bestätigt, dass sie sich derzeit in Abu Dhabi befindet und bald ein Flugzeug nach Europa besteigt.

Ihr neuer Film „The Orphanage“ lief 2019 in Cannes und kommt nun Mitte September auch ins deutsche Kino. Es ist der zweite Teil einer Pentalogie (fünf Filme), die auf einem unveröffentlichten Tagebuch von Anwar Hashimi basieren. 

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Das Berliner „Wolf Kino“ und der dazugehörige „Steppenwolf“-Filmverleih, der „The Orphanage“ (unter dem Titel „Kabul Kinderheim“) herausbringen wird, ruft jetzt zu einer Solidaritäts- und Spendenaktion für Shahrbanoo Sadat auf. In dem Aufruf heißt es: „Shahrbanoo Sadats Filmschaffen ist ein Ausdruck der Hoffnung sowie eine kraftvolle Vision davon, welche Geschichten von Afghanistan erzählt werden müssen. Geschichten, die darauf drängen hinter den Bildern eines unwirtlichen Krisengebietes, so wie es westliche Medien oft zeigen, hervorzutreten. Immer schon wandten sich Shahrbanoo Sadats Filme gegen die Hoffnungslosigkeit und stellten ihr schillernde Erzählungen zwischen Mythologie und transkultureller Popästhetik entgegen. […] Shahrbanoo Sadats Filmschaffen zeigt auch, was derzeit mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan auf dem Spiel steht. Während sich die Ereignisse überschlagen, möchte das WOLF Kino Shahrbanoo und ihr Umfeld aktiv dabei unterstützen, in Sicherheit zu gelangen. Mit diesem Fundraiser sammeln sie Geld für ihre Evakuierung und alles was damit zusammenhängt.“

Um die Aktion des Wolf Kino zu unterstützen, kann man an einem Soli-Screening von Shahrbanoo Sadats neuen Film teilnehmen oder direkt spenden. Das Screening ist am Mittwoch 25. und Donnerstag 26. August 2021, jeweils 14 Uhr. 

Wer direkt spenden möchte, bitte mit dem Betreff: „Hilfe für Shahrbanoo“ an:

Wolf Kino, GLS Bank, IBAN: DE06430609671169568801, BIC: GENODEM1GLS.

Wer möchte, schreibe gerne auch den jeweiligen Abgeordneten und fordert sichere Fluchtwege aus Afghanistan. 

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Interessanterweise kam bei der mehr als umfangreichen Afghanistan-Berichterstattung der vergangenen Woche die Covid-Pandemie kaum vor. Tatsächlich sind die öffentlichen Zahlen für Afghanistan auch zu gut um wahr zu sein: 3.824 Coronafälle und 177 Tote pro 1 Million Einwohner meldet das Worldometer heute, für Deutschland (das natürlich im Vergleich überaltert und dicht besiedelt ist) lauten die Zahlen 46.119 und 1.100. 

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Weitere Fragen, die man stellen kann: 

Erstens: Wie werden die Taliban eigentlich finanziert? Wer steckt dahinter? Wer liefert Waffen? Sind es unsere so genannten „Verbündeten“ in den Golfstaaten und in Saudi-Arabien. Dies muss zum Thema gemacht werden nicht ich indessen nicht die Russen nicht die Ehre der Iran, also nicht die Schurken in der Darstellung des Westens sondern die Verbündeten und Freunde des Westens?

Zweitens: Wie hoch waren nun die Kosten des Afghanistan Einsatzes seit 2001? Nicht nur für Deutschland, sondern für den Westen insgesamt? Sie liegen in den 20 Jahren bei mindestens 4 Billionen Euro. Hätte man das Geld vielleicht besser zu gleichen Teilen an alle Bürger verteilt, anstatt an die verschiedenen Warlords und „guten Islamisten“ Mafiabanden vor Ort?

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Noch ein paar Anmerkungen zu den Parteien: Warum die Afghanistan-Thematik empörenderweise auch noch den für das Desaster verantwortlichen Parteien in die Hände spielen könnte, erklärte jetzt schlüssig Albrecht von Lucke, Politologe und Chefredakteur der „Blätter für Deutsche und Internationale Politik“ im Deutschlandfunk: „Es droht natürlich, die Jahrhundertfrage des Klimas ein Stück weit von einer nicht weniger wichtigen Frage nicht verdrängt, aber zumindest ein Stück weit ins Hintertreffen zu geraten.“

Das frivole Gerede der Großen Koalition, dass sich „2015 nicht wiederholen darf“ spielt aber der AfD in die Hände.

Letzte Frage dazu: Ob es Franziska Giffey nun schadet, dass herauskommt, dass sie auch bei ihrer Magisterarbeit nicht ehrlich war, und sich aus fremden Quellen schamlos bedient hat? Vermutlich nicht. Vermutlich kommt sie mit allem durch, weil ihr Gerede von Sicherheit und ihre Versteherin-Pose bei der spießbürgerlichen Stammwählerschaft der Berliner Sozis genauso ankommt, wie ihre Ankündigung mit CDU und FDP regieren zu wollen statt mit den Grünen. 

Es wird also eine Frau Berliner Bürgermeisterin werden, die erwiesenermaßen wiederholt unehrlich war, und sich notorisch aus fremden Quellen bedient. Wenn sie dann irgendwann Skandale als Bürgermeisterin zu verantworten hat – und das wird kommen, weil sie wieder unehrlich sein wird, und sich irgendwo bedient – sollte keine sagen, sie hätte es nicht wissen können. 

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Was schützt eigentlich vor Corona? Plastikwände offenbar nicht. Im „Spiegel“ werden Aerosolforscher zitiert, die erklären warum diese Schutzwände zumeist wenig nützen. Unter bestimmten Umständen erhöhen sie sogar das Ansteckungsrisiko, weil sie erwünschte Luftströme blockieren und unerwünschte erzeugen. „Problematisch sind die Barrieren besonders dort, wo sich Menschen über einen längeren Zeitraum aufhalten wie in Büros oder Klassenzimmern“, wird Catherin Noakes von der University of Leeds zitiert. 

Die Forscher stören damit nun auch die Geschäfte all derjenigen, die sich mit dem Plexiglas eine goldene Nase verdient haben. Weltweit ist das ein Milliardenmarkt. Allein in den USA verdreifachte sich die Nachfrage, Herstellerumsätze stiegen auf 750 Millionen Dollar. 

Man kann die Teile, die zwischen Restauranttischen und Friseurbecken immer schon vor allem albern aussahen, also getrost abbauen. 

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Eine Astronautin kehrt aus einer Weltraumkolonie auf die für unbewohnbar gehaltene Erde zurück. Dort begegnet sie überlebenden Menschen, eigenen Instinkten und schwierigen moralischen Fragen. 

Der deutsch-schweizerische Regisseur Tim Fehlbaum inszeniert mit „Tides“ unter Low-Budget-Bedingungen einen Science-Fiction aus Deutschland, der jetzt nach seiner Berlinale-Premiere in die Kinos kommt. Bereits  mit seinem überraschend gelungenen „Hell“ (2011) bewies er, dass zwingend und glaubwürdig inszenierte apokalyptische Science-Fiction nicht aus Amerika kommen müssen. In „Tides“ knüpft er an dieses Debüt an und führt in eine verheerte Erde nach der Klimakatastrophe. „Tides“ ist ein ambitionierter, gut inszenierter, atmosphärisch starker Film, der mit tollen Bildern einer untergehenden Welt aufwartet. Ungewöhnliches Kino aus Deutschland. Eindrucksvoll ist auch die französische Haupdarstellerin Nora Arnezeder, deren Auftritt wie ihre Figur an Stars des Genres denken lässt, wie etwa Sigourney Weavers „Ripley“ in den „Alien“-Filmen. 

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Gleich sechsmal wurde der Film jetzt für den Deutschen Filmpreis nominiert. Zwar fast „nur“ in den „technischen“ Kategorien, aber immerhin. Diese Nominierungen belegen, dass „Tides“ ein für deutsche Verhältnisse außerordentlich hohes visuelles und atmosphärisches Niveau hat. 

Im Interview mit „Variety“ erzählt Fehlbaum, wie er fast ohne Greenscreen und CGI-Hilfen postapokalyptische Räume gebaut hat. „Ich bin allergisch gegenüber Greenscreen-Bildern. Es braucht reale Elemente in den Bewegungen, besonders im Wasser und im Nebel – kein Computer kann so etwas künstlich erzeugen.“ 

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