Die Debatte um die Zukunft der Berlinale – Teil 2: »Dann geh doch nach Duisburg!«
Nach der Woche der Vorentscheidungen: Die Kulturstaatsministerin stellt in der Debatte um die Zukunft der Berlinale erste Weichen. Doch die Diskussion über die Zukunft der Berlinale verrät viel über den Zustand des deutschen Kinos – die Debatte um die Zukunft der Berlinale – Teil 2
»In der Kunst kann es keinen Frieden geben. Bewegung entsteht aus Konflikt. Das hat Geschichte.«
Thomas Heise / Christoph Hochhäusler, am 4.12.2017
Seit Ende November ist sie da und nicht mehr zu verdrängen: Die Debatte über die Zukunft der »Internationalen Berliner Filmfestspiele«. Ob deren Ursache auch in einer schwelenden Krise der gegenwärtigen Berlinale liegt und in persönlichen Schwächen der handelnden Akteure, darüber gehen die Meinungen schon wieder auseinander: Aber klar zu sein scheint: So wie es ist, kann, wird und soll es nicht weitergehen.
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Auf den am 24. November veröffentlichen Brief von über 80 deutschen Filmregisseuren, darunter sehr bekannte Namen wie Volker Schlöndorff, Fatih Akin und Maren Ade, die das bevorstehende Ende der Amtszeit des noch amtierenden Berlinale-Direktors zum Anlass genommen hatten, Fragen und Wünsche zur Zukunft der Berlinale zu stellen, und einen Neuanfang zu fordern, folgte eine Einladung des BKM zu einer Veranstaltung im »Haus der Kulturen der Welt« (HDKW) am 4. Dezember, in der es formal ganz allgemein und leicht verbrämt um »Filmfestivals heute« gehen sollte, obwohl doch jeder wusste, dass die Berlinale das einzige Thema war.
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War dies nun ein Befreiungsschlag für Monika Grütters? Die amtierende Kulturstaatsministerin (CDU) hatte sich, nicht ganz ohne eigenes Zutun, in den letzten Monaten in eine schwierige Position gebracht in der Frage nach der Zukunft des wichtigsten deutschen Filmfestivals, der Berlinale. Denn bisher hatte man aus ihrem Hause wenige klare Worte dazu gehört. Das zumindest hat der Brief der Regisseure bewirkt: Grütters sah sich offenbar zu gewissen Klarstellungen gezwungen. In ihrem Hause mag man argumentieren, dass das alles auch ohne den Brief der Regisseure entstanden wäre. Aber so wie die Dinge liegen, erscheint dieser wie ein Auslöser. Denn erst nach dem Brief der Regisseure wurde eine Veranstaltung im Berliner »Haus der Kulturen der Welt«, von der man bis dahin nur unter der Hand schon erfahren hatte, die nur »auf persönliche Einladung« zugänglich sein sollte, plötzlich »halböffentlich« und dann im Fortgang der Debatte »öffentlich«.
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Und erst nach dem Brief der Regisseure nutzte die amtierende Kulturstaatsministerin ihr Grußwort zu immerhin einigen unmissverständlichen Aussagen, und stellte schon an diesem Abend und am Tag darauf erste entscheidende Weichen: Ihr Grußwort nutzte die Ministerin zu der unmissverständlichen Aussage, dass der noch bis März 2019 amtierende Berlinale-Direktor Dieter Kosslick, der bis dato öffentlich wie hinter den Kulissen um ein Weitermachen gekämpft hatte, mit Auslaufen seines Vertrags tatsächlich aufhören muss, und auch nicht in anderen Entscheider-Funktionen mit im Boot bleibt. Denn nicht nur sagte Grütters, dass das Gerücht falsch sei, dass »der Name Dieter Kosslick für eine Schlüsselposition nach 2019 gesetzt ist«. Grütters betonte zudem ausdrücklich: »Missverstanden … wurde ganz offensichtlich die Ankündigung, dass Herr Kosslick dem Aufsichtsrat der KBB ein Konzept für die Zeit nach 2019 vorstellt. Deshalb auch dazu eine Klarstellung: Es handelt sich bei diesem Konzept um einen Diskussionsbeitrag unter mehreren.«
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Am Rande der Veranstaltung war auch zu erfahren, die Ministerin habe Kosslick bereits kurz vor der diesjährigen Berlinale signalisiert: 2019 ist Schluss. Dann begann Kosslick seinen Kampf um ein Weitermachen auch öffentlich zu führen. In Interview im willfährigen »Tagesspiegel« verkündete er, man brauche unbedingt ein Filmhaus, und verkündete zu dessen Eröffnung 2022 oder später wörtlich: »Mein Vertrag läuft jetzt bis 2019, aber da wäre ich gerne noch dabei.«
Man beachte das »jetzt«. So buhlt man subtil um eine Vertragsverlängerung.
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Auch direkt nach dem Brief der Regisseure ging Kosslicks Kampf weiter: Er rief diverse Verbände an, und erreichte, dass manche sich zur Pressemitteilung hinreißen ließen, die in ihrer Einseitigkeit vor allem propagandistisch wirkten. Mitunter handelte es sich um bizarre Ergebenheitsadressen, die eher einen Hauch von Stalinismus ausstrahlten, als die Würde eines selbstbewussten, autonomen Verbandes.
Der eigentliche Skandal ist aber, wie Leute, die es besser wissen, wie Bernd Neumann und die Studio-Babelsberg-Vorstände, die Arbeit aller anderen kleinreden. Da wird dann allen Ernstes behauptet: »Dieter Kosslick hat es in den vergangenen 16 Jahren mit viel Energie und Engagement geschafft, die Berlinale zu einem weltweit angesehen A-Festival zu etablieren.«
War sie vorher kein A-Festival? War sie nicht angesehen? War Moritz de Hadeln ein Müllkutscher? Wenn es noch eines Grundes bedürfte, bei der Berlinale Grundsätzliches zu ändern, dann solche Statements – alte Männer kämpfen für alte Männer, à la traut keinem unter 60!
Nicht besser wird alles noch dadurch, dass viele der Verantwortlichen im persönlichen Gespräch dann über Kosslick sagten: »Auf keinen Fall soll er weiter machen.« Das ist die übliche Doppelmoral im deutschen Film.
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Sogar der Aufsichtsrat der KBB distanzierte sich am nächsten Tag von solchen »kampagnenhaften Zügen der medialen Begleitung der Debatte«.
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Klar wurde an jenem Montag-Abend auch: Bei der Neubesetzung der Position wäre eine Frau als Leiterin schön, aber auch ein Mann ist möglich. Vielleicht noch wichtiger: Es muss kein Deutscher sein. »Es gibt keinerlei Vorfestlegung auf eine weibliche oder deutsche Nachfolge«, sagte Grütters.
Klar ist weiterhin: Es soll sich auch jenseits aller Personalien einiges ändern bei der Berlinale, organisatorisch und institutionell, aber doch wohl auch inhaltlich: »Das künstlerisch-experimentelle Moment« des Festivals liege ihr besonders am Herzen, so die Kulturstaatsministerin, die von Selbstverständlichkeiten wie der Stärkung »künstlerischer Freiheit« sprach – aber wie kann man diese eigentlich stärken? Käme es nicht vor allem auf deren Schutz, Sicherung und Garantie an? –, und dabei spürbar jede Formulierung vermied, die als direkte Kritik am amtierenden Festivalleiter verstanden werden konnte. Aber dann doch die Feststellung: »Es kommt natürlich immer wieder auf die kuratorische Leistung der Festivalleitung an.«
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Zugleich nahm Grütters auch die Regisseure und deren offenen Brief gegen so manche Kritik in Schutz. »Über Veränderungen nachzudenken, ist nach so langen Jahren gleichermaßen notwendig wie legitim«, zumal nicht nur die Berlinale, sondern Filmfestivals im Allgemeinen sich angesichts neuer Sehgewohnheiten des Publikums im digitalen Zeitalter neu profilieren müssten. »Als Beitrag zu dieser Debatte verstehe ich jedenfalls den offenen Brief der Regisseurinnen und Regisseure«, so Grütters, »als Beitrag zu einer Debatte, die es verdient, offen, sachlich und konstruktiv geführt zu werden, und zwar miteinander, nicht übereinander.«
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Diese Sätze sind entscheidend. Vor allem dieser: »Über Veränderungen nachzudenken, ist gleichermaßen notwendig wie legitim.« Wenn es notwendig ist, über Veränderungen nachzudenken, dann bedeutet dies, dass eben nicht alles perfekt ist, dass Dinge besser sein sollen oder müssen. Wenn solches Nachdenken »legitim« ist, dann bedeutet dies, dass die derzeit Verantwortlichen endlich aufhören müssen, jeden sachlichen Einwand, jede Kritik an der Weisheit ihrer Entscheidungen, sogleich als Majestätsbeleidigung zu betrachten und darauf persönlich gekränkt zu reagieren.
Zugleich schließt diese durch kein Adjektiv eingeschränkte Formulierung – »Veränderungen« – übrigens personelle Veränderungen mit ein, und zwar, um auch das einmal auszusprechen, nicht unbedingt nur an der Spitze der Berlinale, sondern auch die dringend notwendigen Veränderungen in der Auswahlkommission, und in der Leitung des »Internationalen Forum des Jungen Films«, das sich in den letzten sechzehn Jahren von der spannendsten Sektion der Berlinale zum Wurmfortsatz eines schwachen Wettbewerbs entwickelt hat – das ausgelagerte »Forum expanded« ausdrücklich ausgenommen.
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Einem weiteren Wunsch der Regisseure gab Grütters am Montag denn auch gleich statt: Es werde eine Findungskommission geben. Scheinbar.
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Denn bereits am Tag darauf, direkt nach einer Sitzung des Aufsichtsrats der die Kulturveranstaltungen des Bundes tragenden KBB lagen die Dinge schon wieder ein bisschen anders: Anstatt Funktionäre und Lobbyisten auszuschließen und eine breite Findungskommission aus Fachleuten ohne gebundenen Interessen zusammenzusetzen, die die Politik unabhängig aus externen Perspektiven heraus beraten können, gab Grütters bekannt, der Findungskommission »für Zukunft der Berlinale ab 2019« werden »neben Monika Grütters für den Bund auch Björn Böhning als Vertreter des Landes Berlins sowie Mariette Rissenbeek als für den Filmbereich fachlich zuständiges Mitglied des Aufsichtsrates der KBB angehören.« Der Aufsichtsrat lässt sich mithin durch sich selbst beraten – eine Farce.
Zudem man bei den genannten Personen anmerken darf, dass SPD-Mitglied Böhning als Chef der Berliner Senatkanzlei für die allgemein als desaströs wahrgenommene, sich über mehr als ein Jahr hinschleppende Neubesetzung der Leitung der Berliner Filmhochschule DFFB verantwortlich war, und Rissenbeek in ihrem Amt als Geschäftsführerin von »German Films« direkt vom BKM mitfinanziert, und diesem Rechenschaft schuldig. Sie ist mithin keine unabhängige Sachverständige.
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Offen blieben auch die Kriterien, sozusagen die Job-Beschreibung: Was macht einen guten Filmfestival-Liter überhaupt aus? In Cannes und Venedig, den beiden führenden Filmfestivals der Welt, sind die Leiter keine ehemaligen Filmförderer oder Produzenten, sondern immerhin Filmhistoriker – ohne nationale Borniertheit, mit Sinn für die vielen Facetten des Weltkinos.
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Genauso wichtig ist die Frage nach den Kriterien für ein gutes Festival. Nach Grütters bekamen dazu zwei Unterzeichner des Offenen Briefs, die Regisseure Christoph Hochhäusler und Thomas Heise das Wort.
In einer beeindruckenden Vorrede versuchten sie zu skizzieren, was ein Festival sein könnte, was die Berlinale sein könnte: »Es geht darum, Brüche und Widersprüchlichkeiten, Unvereinbarkeiten nebeneinander bestehen zu lassen, unverbunden. Es geht darum, Kante zu zeigen und zu haben. Ein Festival, das Konflikte zeigt und aushält.«
Und sie kritisierten den Jetzt-Zustand: »Was uns stört, nicht nur an der Berlinale, sondern auch am deutschen förderfernsehindustriellen Komplex mit der Berlinale als Flagshipstore, ist die Vernunft die dort praktiziert wird. Mit der Vermehrung nimmt keine Vielfalt zu. Es entsteht Brei. Schlacke ist bei der Stahlerzeugung das Überflüssige. Sie ist schwer herauszubekommen. Wenn die Schlacke aber bleibt, ist der Stahl Scheiße. In der Kunst kann es keinen Frieden geben. Bewegung entsteht aus Konflikt. Das hat Geschichte.«
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Mit einer solchen produktiven Konfliktkultur hat das deutsche Kino noch viele Probleme. So hatte im Vorfeld der HDKW-Veranstaltung die Berlinaleleitung intern an alle Mitarbeiter Einladungen für die Veranstaltung verschickt, wohl um durch genug Claqeure ein günstiges Umfeld im »Publikum« zu sichern. Das geschah dann auch, in der Weise, dass die offensichtlich von Hochhäuslers/Heises intellektuell überforderten Teile des Publikums den Vortrag unterbrachen und durch Zwischenrufe und Buh-Geschrei störten. Peinlich, und irgendwie für sich selbst sprechend.
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Keineswegs also sind damit die wesentlichen Fragen zur Zukunft des wichtigsten deutschen Filmfestivals gelöst. Im Gegenteil offenbarte die Veranstaltung im HDKW ebenso wie diverse öffentliche Wortmeldungen vor- und nachher, grundlegende Differenzen im Verständnis von Zweck und Aufgaben eines Filmfestivals (nicht allein der Berlinale) wie des Kinos überhaupt. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Gedanken und Einwände nicht öffentlich zu hören ist, sondern nur im stellen Kämmerlein oder an Stammtischen unter Vertrauten geäußert.
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Hier hat der Brief der Regisseure seine größten Verdienste. Erstmals nach Jahrzehnten brachten die Initiatoren Vertreter aller Generationen, aber auch vollkommen unterschiedlicher Stile und Filmsprachen, ja: Auffassungen vom Kino als solchem, in einer einzigen öffentlichen Wortmeldung zusammen. Von »programmatisch erneuern und entschlacken« ist darin die Rede, von »Neuanfang«, man fordert »über die grundlegende Ausrichtung des Festivals nachzudenken«: Ziel müsse es sein, haben auch Dominik Graf und Andreas Dresen unterschrieben, »eine herausragende kuratorische Persönlichkeit zu finden, die … in der Lage ist, das Festival auf Augenhöhe mit Cannes und Venedig in die Zukunft zu führen.« Wie soll man solche Sätze verstehen, wenn nicht auch als Kritik an bestehenden Zuständen und den dafür Verantwortlichen?
Und die Kritik gilt nicht etwa nur dem oft als schwach empfundenen Wettbewerbsprogramm – vielmehr kritisieren viele langjährige Berlinale-Gänger die Schwächen des »Internationalen Forums«, das wie erwähnt enorm an Profilschärfe verloren hat und die schiere Masse eines Programms, das mit fast 400 Filmen größer ist, als Cannes und Venedig zusammen.
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Die von im eigenen, aber auch im Namen anderer Regisseure von Hochhäusler und Heise zugespitzten Einwände – »Masse bedeutet nicht Vielfalt« – mündeten in eine sarkastische Auflistung der »guten Gründe« auf, die anstelle ästhetischer Qualität übers Berlinale-Programm zu bestimmen scheinen: Stars, Themen, Schlagzeilen, Jahrestage, beteiligte Förderungen und Sender, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Stadtmarketing, Regionaleffekte und dergleichen mehr. Dem einzelnen Film gegenüber mag das ungerecht sein, aber es repräsentiert einen Gesamteindruck aus vielen Gesprächen mit Berlinale-Göngern, wie -Mitarbeitern. Und dies ist nur die eine Sicht, die der Regisseure.
Produzenten erwähnen den Prestigeverlust der Berlinale gegenüber anderen Festivals, Weltvertriebe reden über die geringen Verkäufe der letzten Jahre reden, darüber, dass der Berlinale-Markt nur vorbereitet, was in Cannes passiert. Verleiher räsonnieren darüber, dass eine Berlinale Teilnahme sie 2000 Zuschauer und entsprechende Einnahmen kosten kann – die andere Seite der Idee vom Publikumsfestival, die eben auch ihre Schattenseiten hat. Und Filmschaffende aller Gewerke möchten nicht akzeptieren, dass sie auf dem A-Festival des eigenen Landes nur noch mit Glück und stundenlanger Wartezeit an Karten kommen.
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Wozu also ist ein Filmfestival wie die Berlinale da? Jeder Einzelne wird eine andere Antwort geben. Die grassierende Unzufriedenheit, das latente Unbehagen am deutschen A-Festival ist aber kein Gemoser weniger Verwöhnter. Man hört es genauso von vielen Ausländern, die die Berlinale besuchen, »weil wir müssen« und weil es »immerhin in Berlin« ist, aber nicht wegen der Qualität des Festivals.
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Filmfestivals sind dazu da, Filme sichtbar zu machen. Genau das schafft die Berlinale nicht. Wenn viermal dort so viele Filme laufen, wie in Cannes, ist der einzelne Film nur ein Viertel so sichtbar, wie an der Cote d’Azur.
Hochhäusler erklärte es gut: Man könne auf der Berlinale zwar einzelne gute Filme entdecken, nur sehen zwei Leuten selten die gleichen Filme. So entsteht kein Diskurs, kein Flirren und Debattenfeuer.
Die Berlinale langweilt.
Die Folge fasste Volker Schlöndorff, ein weiterer Unterzeichner zusammen: »Wir haben keine Kriterien mehr dafür, was ein guter Film ist.«
Einig waren sich viele allenfalls darüber, dass die Zukunft der Berlinale auch eine Strukturreform braucht, eine Konzentrierung auf bestimmte und weniger Filme. Denn das Ziel eines Festivals ist zuallererst den Filmen, deutschen wie internationalen Sichtbarkeit zu verschaffen. Daran hat es der Berlinale zuletzt gefehlt. Die jetzige Zukunfts-Debatte eröffnet die Chance, um das Festival wieder international so bedeutend zu machen, wie es einst war.
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Die deutsche Filmszene ist aber bis jetzt nicht fähig, die überfällige Debatte über die Facetten der Berlinale-Zukunft öffentlich zu führen, Meinungsverschiedenheiten sachlich auszutragen. Stattdessen überwogen in den Reaktionen auf den Offenen Brief, wie auch auf dem Diskussionspodium im HDKW persönliche Verletzungen und Eitelkeiten, Unterstellungen, oder der unflexible Unwille, sich wenigstens probeweise auf das Gegenüber wohlwollend einzulassen.
Ein Paradebeispiel dafür bot Filmkritikerin Christiane Peitz (»Tagesspiegel«), von der manche erzählen, dass sie im Hintergrund allen Ernstes selbst an einer Bewerbung feile.
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Peitz war ursprünglich – auch das muss man wissen, um ihr übergriffiges Dazwischenreden zu verstehen, wie auch die Bemerkung des erkennbar genervten, aber souverän bleibenden Moderators Philipp Weinges »Sie können auch gern die Moderation übernehmen, wenn sie möchten« –, Peitz war eigentlich für die Moderation der Veranstaltung angefragt worden, hatte das aber abgelehnt und es geschafft, mitdiskutieren zu dürfen – es war keine Bereicherung der Veranstaltung, sondern eher ein Armutszeugnis für die Zunft der Filmkritik.
Denn Peitz war sich auf dem Podium nicht zu schade, das Programm des früheren Berlinale-Leiter Moritz de Hadeln herunterzumachen, und über de Hadeln zu reden, als sei dessen Arbeit nichts wert – offenbar kann man Kosslicks Arbeit nicht aus ihr selbst verteidigen.
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Zudem behandelte Peitz Hochhäusler auf dem Podium wie eine Lehrerin den ungehörigen Schüler, der nichts begreifen will, aber »unsere Berlinale« kaputtmacht.
Peitz‘ Unverständnis, dass Hochhäusler ihre Lieblingsfeststellung »da sind wir uns alle einig« partout nicht teilen wollte, dass er stellvertretend für viele, die schwiegen, den falschen Konsens als bedrückender empfindet, als den offenen Dissens, der Positionen klärt. Als ihr dann die Argumente ausgingen, flüchtete Peitz sich in einen überholt geglaubten autoritären vor-68er-Duktus: »Dann geh doch nach Duisburg.«
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Genau dieser Stil belegt, dass der falsche Konsens nicht weiterhilft, dass es dem deutschen Kino weiterhelfen würde, wenn die mit den anderen Ansichten aus der Deckung kämen. »Beißhemmung ist kein Frieden.« (Hochhäusler). Mit einer produktiven Konfliktkultur hat das deutsche Kino aber noch große Probleme. Dazu gehört auch, dass wie in der HDKW-Debatte sachliche Kritik immer persönlich genommen wird.
So muss man der FAS zustimmen, in der Peter Körte »ein bizarres kommunikatives Handeln auf allen Seiten« feststellt. Das »Funktionärsdeutsch mit hohltönenden Adjektiven« zeige immerhin, »dass es bei der Berlinale wirklich einen Neuanfang braucht.« Vielleicht nicht nur dort.
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