Selbstgedreht

Daniel Philippen ist Vermittler für Film- und Fernsehschauspieler in der ZAV Künstlervermittlung. Von den ­täglichen Erfahrungen war es nur noch ein kleiner Gedankensprung zum ­ SMS-Festival. Und das kommt bei Schauspielern und ­Castern prima an. | Foto © SMS, Kathrin Krammer

Herr Philippen, die ZAV Künstlervermittlung lädt inzwischen schon zum dritten Mal die Schauspieler ein, „Self Made Shorties“ zu machen. Das SMS scheint ja ein Erfolg zu sein.
Kann man in aller Bescheidenheit so sagen. Dafür gibt es einige ermutigende Indikatoren: Jurymitglieder finden sich leicht – die meisten kennen es und freuen sich darauf. Es gibt sogar schon „Initiativbewerbungen“ von Casting-Direktoren, Schauspielern, sogar Agenten, um in der Jury mitzumachen. Wir wissen, dass Regisseure gerne mit Shorties arbeiten und im Netz danach suchen, sie wollen Persönlichkeiten entdecken und kennenlernen. Es gibt mittlerweile Varianten des Selbstgedrehten: die BFFS-Aktion „Ungeschminkt“…

…des Bundesverbands Schauspiel…
…oder die „About Me Videos“. Und natürlich immer mehr Schauspieler, die sich trauen, die Kamera selbst in die Hand zu nehmen und ihr Shorty ins Netz zu stellen. Also findet man in den Datenbanken immer mehr Spuren, Indizien, Indikatoren für den Erfolg.

Haben Sie irgendeinen Anhaltspunkt, dass die Selbstgedrehten einem weitergeholfen hätten?

Irgendeinen? Ganz konkrete! Kann man von der Vita der ersten Gewinnerin, Nadine Wrietz, ablesen. Im Millionenhit „Männerhort“ hat die Regisseurin Franziska Meyer-Price gleich zwei Rollen allein mittels Shorties besetzt. Aber das ist nicht mal der Punkt: Wir spüren große Erleichterung, dass es ein anerkanntes Mittel gibt, um sich als Schauspieler mit einem Shorty sozusagen „komplett“ zu machen, auch wenn man noch keinen „richtigen“ Film gedreht hat, selbstständig aus der Spirale zu kommen: kein Showreel – keine Rolle, keine Rolle – kein Showreel. Etwas vorzeigen zu können, auf das man auch stolz sein kann.
Übrigens:?Der Gewinner vom letzten Mal, bis dahin ein reiner Theaterschauspieler, hat über sein Shorty sein Talent und seine Lust entdeckt, Filme zu produzieren, hat mittlerweile eine eigene Webserie konzipiert, Fördermittel sind beantragt. Und schließlich erleichtert es ja auch unser ZAV-eigenes Vermittlungsgeschäft. Man kann damit einfach gut Schauspieler vorstellen, vorschlagen, Vorschläge kommunizieren. Dabei ist es übrigens schnurzegal, ob es ein super Film ist oder nur ganz einfach in einer Einstellung gedreht.

Beim ersten Mal ging’s Ihnen schlicht darum, dass Schauspieler einen Film machen und sich selber darstellen. Dann hatten Sie das Genre entdeckt und widmeten die zweite Ausgabe dem Heimatfilm. Und jetzt „Love Shorties – Das Festival des Liebesfilms“: Was erwarten Sie von der Liebe?
Dass sie mir das Bewusstsein meiner Endlichkeit vom Hals hält. So hat das Helmut Dietl gesagt. Und darum geht es doch im Leben und im Film immer: die Liebe. Und darum, dass uns dieses verdammte Ding entgleitet, kaum dass wir es erhascht haben. Oder weniger philosophisch: das Thema bietet Inspiration und ist doch offen genug für alles: Wen lieben oder was – verzweifelt, beglückt, melodramatisch, kitschig, allein, zu zweit oder zu zweit allein …. da steckt viel drin, um sich damit selbst in Szene zu setzen.

380 machten beim vorigen Mal mit. Das ist eine Menge – aber doch gut hundert Teilnehmer weniger als beim ersten Wettbewerb. Müssen wir uns Sorgen machen?
Ja, wenn mehr als beim ersten Mal kommen, das wäre dann ein wirklich riesiger Berg. Die wollen ja alle angeschaut sein. Aber keine Ahnung, was kommt, wie viel wir erwarten können. Wir wollen uns ja selbst überraschen lassen: Was werden die Schauspieler mit dem Thema anfangen? Was werden wir entdecken? Wen? Und wie kommt es an? Wenn wir das alles berechnen könnten… würden wir es nicht machen.

Gab es eigentlich Vorbilder?
Ja, einige selbstgemachte Videos, die es schon längst im Netz gab. Oder die uns bei Beratungsgesprächen gezeigt wurden. Immer mit dem Unterton: „Ach Gott ich hab halt nichts Besseres.“ Dabei war das meistens super! Aber die Schauspieler haben es nicht geglaubt, haben nicht an sich geglaubt. Wie auch? Die schauen ja selbst auch in die Datenbanken, und da waren überall klassische Bänder oder – meist schlecht – nachgestellte Filmszenen, vielleicht mal ein trockenes Interview, „und wir haben nur was Eigenes“. Da haben wir uns gesagt: „So, da halten wir jetzt mal ganz groß den Spot drauf, als Beispiel und Wertschätzung der Kreativität und Eigeninitiative.“

Die 15 nominierten Videos werden im Internet vorgestellt. Musste es dazu unbedingt auch noch ein leibhaftiges Festival geben?
Unbedingt. Wir wollen motivieren, wir wollen Shorties zeigen, die Beispielcharakter haben. Das ist der eine Teil, und der andere: diese Kreativität, Fantasie und Arbeit dann auch angemessen zu zelebrieren, zu feiern. Und damit das Internationale Münchner Filmfest zu bereichern.

Was bringen Empfänge?
Nichts. Um Besetzungen geht es da nicht. Ohne Schauspieler wäre es halt wie auf einer x-beliebigen Vertreter-Messe. Wir sind aber kein Empfang. Ein Filmfest feiert die Filmkunst. Filmkunst lebt von Schauspielern und Schauspielkultur – dazu gehören auch all jene, die nicht gerade in einem Festival-, Kino- oder aktuellen Fernsehfilm sind. Also sollen Schauspieler gefeiert werden und sich selbst feiern, dann muss es aber um Substantielles gehen: also um Filme! Deshalb feiern wir da 15 Filme und alle anderen, die eingereicht wurden gleich mit. Ich glaube, dass das SMS-Festival eine echte Bereicherung des Münchner Filmfestes ist, weil da nicht Smalltalk gequatscht wird, sondern weil man Filme anschaut, einen repräsentativen Ausschnitt aus vielen Arbeiten zeigt, die Filmschauspieler gemacht haben.

Ist geplant, auch an anderen Medienstandorten so etwas aufzuziehen?
Nein, hier spreche ich aber für mich persönlich. Ich liebe das Münchner Filmfest, hier zeigt sich München von seiner charmantesten Seite, und das will ich unterstützen und mit dem SMS-Festival dem Filmfest etwas geben, was andere nicht haben. Die anderen ZAV-Agenturen machen für ihre Standorte wiederum eigene Veranstaltungen.

Wie wird das Festival wahrgenommen?
Es gibt einige, die es schon als Hot Spot des Filmfestes genannt haben. Wenn dem schon so schon ist, oder wenn es so wird, dann wäre das super. Da kann man aber ganz entspannt bleiben: Wir konkurrieren mit keinem einzigen Event oder Empfang, gehen dem Eventgedränge elegant aus dem Weg, indem wir ganz gelassen und ganz bewusst erst gegen Ende des Filmfests noch mal eine Rakete abfeuern mit 15 Filmen. Dann hat man was, worüber man sich anschließend austauschen kann. Mich hat übrigens persönlich von Anfang am meisten beglückt, dass das so entspannt läuft und sich Schauspieler über die Arbeit der anderen wirklich mitfreuen können.

Wer entscheidet (dieses Jahr) über die Sieger?
Uns ist es wichtig, dass die Jury mehrere Filmdepartments repräsentiert: Schauspiel, Produktion, Redaktion, Regie. Also nicht nur Casting Direktoren. Das ist kein Bewerbungsfestival. Und dass dann noch mal das Publikum seine Lieblingsshorties wählt, ist auch beispielhaft: wir schätzen was ihr macht, wir nehmen das ernst, das hat uns gefallen.

Was haben die Sieger davon?
Generell: die Wahrnehmung aller 15 präsentierten Shorties bleibt auch anschließend hoch. Es wird immer wieder auf die 15 verwiesen, wenn es um die Frage geht, was man für die Bewerbung tun kann. Man erinnert sich auch erstaunlich gut an Shorties, die man mal irgendwo gesehen hat – hat ein Bild des Schauspielers vor Augen. Was hab ich als Schauspieler davon? – Im besten Fall ein Engagement. Aber darum geht es gar nicht in erster Linie. Ich bin nicht mehr abhängig davon, dass mal jemand irgendwas Brauchbares für mein Showreel macht. Ich fühle mich als Teil vieler, die zur selben Zeit am selben Thema arbeiten, ich werde als Persönlichkeit wahrgenommen.

Und was hat die ZAV davon?
Unser Auftrag ist, zu vermitteln und Menschen zusammenzubringen, im Deutsch der Bundesagentur für Arbeit: „Arbeitnehmer in Arbeit zu bringen“. Dafür brauchen wir den gut ausgebildeten, gut informierten, unabhängigen, selbstbewussten, weil selbstverantwortlichen Schauspieler – dafür machen wir das.