Wo bleiben die Filmkünste?
Seit drei Wochen läuft Hans Steinbichlers neuer Film „Das Blaue vom Himmel“ in den Arthouse-Kinos und gehört da zu den besucherstärksten Filmen. Nicht nur, weil er dieses Jahr mit dem „Bayerischen Filmpreis“ als beste Produktion ausgezeichnet wurde: Die Reise von Mutter und Tochter an die lettische Ostseeküste ist ein „bewegendes Familienmelodram“ um Liebe und Verrat, Erinnerung und Vergessen, das zum großen Teil von seinen drei Hauptdarstellerinnen getragen wird (wobei ich ausnahmsweise mal nicht Juliane Köhler und Hannelore Elsner hervorheben möchte, sondern Karoline Herfurth, die die verzweifelte Zickigkeit ihrer Figur beängstigend verkörpert) und die Männer im Film zu Nebenrollen macht. Das ist auch in Ordnung so, denn die Hauptrolle spielen Männer im Kino ja oft genug, und gegen gute Nebenrollen wie in diesem Film ist auch nichts einzuwenden.
Abgesehen von den darstellerischen Leistungen hat „Das Blaue vom Himmel“ aber noch einiges mehr zu bieten.
Was auch daran liegt, daß der Film ausschließlich auf zwei Zeitebenen in der Vergangenheit spielt: 1991 und kurz vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg: Da ist zuerst einmal das Drehbuch von Josephin und Robert Thayenthal, die mit den historischen Hintergründen mit einer nüchternen Distanz umgehen, die sich abhebt von den gefühlsduseligen TV- und Kinoevents um „Flucht“ und „Untergang“, die Gut und Böse so simpel darstellen, daß es auch der Letzte noch kapiert. Das Casting von Nina Haun, die erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen den Darstellern der gleichen Figuren jung und alt zum Vorschein bringt. Das Szenenbild von Eva Maria Stiebler (und hier nicht mal so sehr bei den deutlich historischen Teilen, sondern in den noch gar nicht so lange vergangenen Szenen von 1991), das Kostümbild von Katharina Ost mit dem Maskenbild von Waldemar Pokromski und Anette Keiser. Oder die leichte Bildgestaltung von Bella Halben, die Mona Bräuer wunderbar montiert hat … Kurz: So kann es aussehen, wenn die vielen Gewerke vor und hinter der Kameralinie zusammenwirken. Und damit habe ich noch gar nicht alle aufgezählt – immerhin aber mehr, als die Produktion selber es tut.
„Das Blaue vom Himmel“ beginnt nämlich nur mit einem halben Vorspann: Angeführt werden lediglich die Namen der Schauspieler sowie die koproduzierenden Fernsehsender und die Filmförderer, von denen Geld kommt. Selbst der Regisseur taucht nur deshalb auf, weil es „ein Film von …“ ist. Zugegeben, die wenigsten Zuschauer interessieren sich für das, was nicht auf der Leinwand zu sehen ist. Weil „cinearte“ aber gerade dahin ein wenig mehr Aufmerksamkeit lenken will, wollte ich es doch auch ein wenig genauer wissen. Der kurze Vorspann habe „künstlerische Gründe“, so die Antwort der Produktion: „Weshalb wir uns dafür entschieden haben, alle ,Head-ofs‘ im Vorspann wegzulassen. Es wäre doch nochmal eine große Anzahl an Titeln gewesen, und da wir nicht selektieren wollten, haben wir uns für die klare Aufteilung entschieden.“
Nun hätten aus meinem Blickwinkel vom Kinosessel die ersten Szenen zwar genügend Zeit und Raum für die gesamten üblichen Credits gelassen, aber gegen eine künstlerische Entscheidung ist wenig einzuwenden, zumal die Produzenten sich da selbst nicht ausgenommen haben und ebenfalls erst im Abspann erscheinen. Es geht auch nicht darum, eine Produktionsfirma zu schimpfen, nur weil ich diese Entscheidung für nicht so glücklich halte. Sondern ich frage mich, welchen Stellenwert diese Filmkünste eigentlich innerhalb der Branche haben? Warum man auf ein gelungenes Gesamtwerk nicht so stolz sein will, dass man auch draufschreibt, wessen Talente man dafür gewinnen konnte und bezahlt hat – das machen andere ja auch so. Man kann sich aber auch einfach mal vorstellen, dass der Film bei der nächstbesten Gelegenheit gerade für eine dieser künstlerischen Einzelleistungen ausgezeichnet wird, die hier erst im Abspann angeführt werden.
In Hollywood gibt es diese künstlerische Freiheit nicht – da ist genau geregelt, wie die Credits aussehen müssen und führt mitunter zu eigenen kleinen Meisterwerken. In Ländern wie Mexiko, Guatemala oder Peru ist das gesetzlich geregelt, man braucht aber gar nicht so weit zu reisen: Auch in Österreich schreibt das Urheberrecht in Paragraf 21, Absatz 11 vor, wer auf jeden Fall genannt werden muss.
Da haben die deutschen Berufsverbände offenbar noch aufzuholen. Die Schauspieler vielleicht ausgenommen. Denn dass sie hier im Vorspann aufgeführt wurden, lag nicht nur an ihrer Werbewirkung: „Hier gibt es vertraglich festgehaltene Verabredungen“, erklärt die Produktionsfirma dazu.
Super Blog!
Allerdings ist die strukturelle Gestaltung eines Films (im Idealfall) zu 100% eine künstlerische Entscheidung. Zu welcher Stelle (und in welcher Form) eine Auflistung des Teams stattfindet, muss mit Rücksicht auf die inhaltliche und künstlerische Haltung des Films entschieden werden. Einige amerikanische/europäische Film- und Fernsehproduktionen verzichten komplett auf den Vorspann (inkl. Titel) – eine genaue Regelung in dieser Hinsicht gibt es zum Glück nicht immer.
Persönlich bin ich auch der Meinung, dass die Besonderheiten des Films für sich sprechen sollten.. Eine Nennung der Verantwortlichen am Ende des Films ist für mich vollkommen ausreichend. Ich glaube auch nicht, dass dies mit einer Geringschätzung ihrer Fähigkeiten, einer Verschlechterung der Berufsaussichten oder mit gekränkter Eitelkeit einher gehen sollte. Dass in diesem Fall der Regisseur und die Schauspieler im Vorspann genannt wurden hinterlässt natürlich einen bitteren Beigeschmack…
Gut gefuehrter Blog, gefaellt mir sehr gut. Auch schoene Themen.