Das Geheimnis des Erfolgs

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Die Freude ist nicht zu übersehen:?Der Produzent Peter Hartwig (rechts) nahm mit seinem Regisseur Urs Egger beim TV-Film „Der Fall Bruckner“ den Preis für faire Produktionsbedingungen entgegen. | Foto © Die Filmschaffenden, Jürgen Rocholl

Das war’s. Ab nächstem Jahr wird’s den „Hoffnungsschimmer” nicht mehr geben. Jenen Preis, mit dem die Berufsverbände der Branche seit 2011 die Arbeitsbedingungen aller Spielfilmproduktionen eines Jahres bewerten. Ab sofort soll er „FairFilm®Award” heißen.

Die Ankündigung von Regine Hergersberg, eine der beiden Geschäftsführende Vorstände der Bundesvereinigung Die Filmschaffenden, überraschte wohl die Gäste bei der diesjährigen Preisverleihung: Auflachen, kurzes Raunen, dann erst Klatschen im Publikum. Die ganz große Begeisterung löst der neue Name wohl nicht aus, der doch sehr an das „Fair-Trade”-Siegel erinnert, mit dem Kleinbauern in Entwicklungsländern gegen die Ausbeutung durch übermächtige Konzerne und knausrige Konsumenten geholfen werden soll. Obwohl das ja gar nicht so weit entfernt ist von der hiesigen Wirklichkeit.

Denn während etwa die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein seit fünf Jahren heftig für ihren „Grünen Drehpaß” wirbt und inzwischen auch die Kollegen in Baden-Württemberg von umweltverträglichen und nachhaltigen Produktionsbedingungen schwärmen, scheint sich für die tatsächlichen Produktionsbedingungen kein Mensch bei den öffentlichen Fördereinrichtungen zu interessieren. Beziehungsweise, wie eine entsprechende Umfrage von cinearte vor drei Jahren ergab: Man sieht keine Handhabe – die Einhaltung von Tarifvereinbarungen, Arbeitszeiten oder Mindesthonoraren sind in den Vergaberichtlinien für die (immerhin aus Steuern und Zwangsabgaben stammenden) Fördermittel nicht vorgesehen.

Welchen Stellenwert die ganze Frage in der Branche hat, zeigt auch der Umstand, daß nur drei der fünf größten regionalen Filmförderer überhaupt darauf geantwortet hatten. Aus Nordrhein-Westfalen und der Hauptstadtregion, die sich beide besonders laut als die leidenschaftlichsten Filmliebhaber unter den Medienstandorten brüsten, kam damals auch auf mehrmaliges Nachfragen keine Reaktion.

Und ums auch dem letzten Förderfunktionär nochmal zu erklären, hier der Klartext: Ich finde es auch doof, wenn sich vorm Imbisswagen die Plastikteller stapeln. Aber das ist nicht meine größte Sorge, sondern sogar schnurzegal, solange die Kulturarbeiter in diesem Land nicht wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen. Und das sollte auch die größere Sorge der Fördereinrichtungen sein.

„Die Unterwanderung von Standards darf nicht gefördert werden”, sagte Hergersberg in ihrer Ansprache: Etats und Drehtage einer Produktion sollten sich widerspiegeln, und auch die Sender sollten anstehende Projekte nicht nur nach ihrem Inhalt beurteilen. Vielleicht setzt ja allmählich tatsächlich ein Umdenken bei diesem Thema ein. Im November hatte die Medien- und Netzpolitische Kommission beim SPD-Parteivorstand ein Positionspapier veröffentlicht, wie „aus sozialdemokratischer Sicht” die Filmförderung verbessert werden könne – und da ist die „Einhaltung sozialer Mindeststandards bei Filmproduktionen” ein Punkt. Allerdings ist so ein Positionspapier einer Parteikommission sicherlich noch nicht einmal ein erster Schritt. Und wenn die drei Vorstände der Kommission in einer Pressemitteilung dazu erklären, es sei für sie „ganz wichtig”, daß „beim Förderantrag Tarifbindung und Einhaltung sozialer Mindeststandards berücksichtigt werden müssen”, dann ist das nur ein Satz unter 24, versteckt am Ende des vorletzten Absatzes. Mehr als ein Hoffnungsschimmer ist das also nicht. Aber immerhin: Das Thema steht erstmals im öffentlichen Raum.

Und da steht es nun erstmal rum. Denn zur Preisverleihung während der Berlinale war kein Politiker der Einladung gefolgt. Was Die Filmschaffenden, die bislang stark auf solchen Dialog gesetzt und auf Unterstützung aus der Politik gehofft hatten, nur mit einem Schulterzucken quittierten. Sie können ja inzwischen auch mit einigem Selbstbewußtsein auf ihren Preis blicken: Der Saal ist von Jahr zu Jahr voller (und wird wohl für den „FairFilm®Award” nicht mehr ausreichen), in der Branche selbst wird der Preis offenbar wahr- und ernstgenommen.

Zumal die Entscheidung ja eindeutig fällt: Über die fairste Produktion befinden nämlich die Betroffenen selbst: Ü?ber das Branchennetzwerk Crew United werden die Mitarbeiter aller fiktionalen Produktionen des vergangenen Jahres aufgerufen, deren Arbeitsbedingungen von den Verträgen bis hin zum zwischenmenschlichen Umgang am Set mit Schulnoten zu bewerten.

Der Preis dieses Jahres ging an den TV-Film Der Fall Bruckner der Kineo Filmproduktion unter der Regie von Urs Egger. Der Produzent Peter Hartwig hatte (damals noch als Produktionsleiter für Deutschfilm) am ersten „Hoffnungsschimmer”-Preisträger Goethe! mitgewirkt. Wie übrigens auch bei den übrigen Nominierten alte Bekannte zu sehen waren: Die Produktionsfirma Filmpool, mit einem Polizeiruf 110 in der Endrunde (und noch einem weiteren gleich hinter dem Spitzenfeld), hatte mit einer anderen Produktion der Reihe vor zwei Jahren den Preis gewonnen, die Münchner Lieblingsfilm war im vorigen Jahr mit Rico, Oskar und die Tieferschatten vorde und stand nun mit der Fortsetzung des Kinderfilms wieder in der Endausscheidung. Außerdem nominiert: der Kinofilm Traumfrauen (Hellinger/Doll Filmproduktion), die Fernsehserie Rentnercops – Jeder Tag zählt! (Bavaria) und der TV-Film Schluß! Aus! Amen! (Die Film).

Das Geheimnis dieser Erfolge? Da gaben alle sechs Nominierten die selbe Antwort: Die gründliche Vorbereitung. Dann klappt’s auch beim Dreh.

Wie’s besser geht, wollen die Berufsverbände mit Ihrem Preis zeigen. Dazu gehört aber auch zu zeigen, was nicht so optimal läuft. Wir zeigten darum hier die Gesamtliste mit allen bewerteten Filme und Serien. In der Umfrage wurden nur Produktionen berücksichtigt, bei denen mindestens 15 Mitarbeiter abgestimmt haben (das Endergebnis kann sich vom Umfrageergebnis unterscheiden, da bei den Nominierten eine weitere Umfrage durch Die Filmschaffenden stattfindet, um auch alle Beteiligten zu erreichen, die nicht bei Crew United registriert sind).

(FairFilm® ist eine eingetragene Marke von fairTV e.V.)

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