Delia, Liz & Etwas: Wer bin ich?

Delia Mayer - Fotocredit: Clementina Herzl

Ich darf, ich soll, ich will einen Blog-Text schreiben. Erwartet wird vermutlich, dass ich darüber erzähle, wie es ist, seit 2012 an der Seite von Stefan Gubser die Kommissarin „Liz Ritschard“ im Schweizer Tatort zu spielen. Meine Gedanken tragen mich aber gerade woanders hin. Ich könnte darüber schreiben, was ich will, nicht will, spannend finde, doof finde, an der Welt toll finde, am Himmel schön finde, an Affen besser als am Menschen und und und. An meinem Spiegel hängt eine Postkarte, da steht drauf: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“. Und jetzt steht das Geschwätz im Blog und morgen ist es immer noch da. Aber vielleicht ist das ja gerade gut so, denn dann sieht man, wenn sich was verändert, entwickelt. Gestern ein Dreieck und morgen ein Stern. Oder übermorgen nur ein Punkt.

Die Quintessenz aus allem. Was interessiert jemanden, der dieses Blog liest wohl an mir? Was interessiert mich an mir? Was interessiert mich an dem, der das liest und der sich für mich interessiert? Und was interessiert den, der sich für das Blog interessiert, was mich wiederum an dem, der das Blog liest, interessiert? Es stellen sich eigentlich nur Fragen statt Antworten. Ich gehe mit vielen Fragen durchs Leben. Leihe mir hie und da Antworten, trage sie mit mir, gebe sie weiter, bis ich ihnen wieder entschlüpfe, sie abstreife wie ein Schmetterling seine Larve und fliege weiter. Zur nächsten Frage, zur nächsten Antwort und wieder zur nächsten Frage. Und so ergibt sich mein Weg durchs Leben, manchmal glaube ich zu entscheiden, manchmal wird für mich entschieden, manchmal wird gar nichts entschieden sondern es hängt, im luftleeren Raum, im Dazwischen, nicht mehr da und noch nicht dort, leicht oder schwer, lustvoll oder trocken, in Freude oder auch mal in Angst. Beim Zurückblicken sieht man einen Weg, der kontinuierlich erscheint, schlüssig, der eine Schritt entwuchs aus dem letzten. Doch das scheint nur so. Die vielen Optionen, die einen konstant umgeben, die die man wahrnimmt und die, die einen unbemerkt umzingeln, vermengen sich, umtanzen sich, häufen sich, bis sich schliesslich eine Anordnung, eine Abfolge ergibt, die im Nachhinein schlüssig erscheint. Der Blick nach vorne ist ein anderer. In die eigenen Wünsche, in eine fiktive Vorstellung von einem Etwas, ein Etwas, das sich erst aus Unerdenklichem und noch nicht Vorhandenem zusammensetzen wird. Vielleicht haben wir dann das Gefühl, dass wir dieses Etwas gewünscht haben, erzielt haben, erkennen. Aber vielleicht stellt sich dieses Gefühl auch nur im Rückblick ein. Oder hält uns unser Geist zum Narren? Der flexible Geist, der wendig ist und es liebt in verschiedenen Realitäten zu turnen und Wahrheit zu behaupten?
Wisst ihr jetzt etwas über mich? Weiß ich jetzt etwas über mich? Was ist Etwas?

Ein Etwas hat sicherlich mit meiner Arbeit zu tun. Damit, wie das Etwas in meine Arbeit fließt, in die Schauspielerei, die Musik, ins Filme schauen, ins Stücke sehen, ins Singen, in Lieder, ins Schreiben, ins Bücherlesen, ins Unterrichten, ins Rollenfüllen und -leben und nicht zuletzt ins Kommissarin-Spielen und darin Sein, in den Schweizer Tatort. Oft werde ich gefragt, warum ich immer wieder eine Kommissarin spiele, warum ich das suche. Das einzige was mir dazu einfällt, ist, dass das anscheinend immer wieder mich sucht und findet. Liegt es daran, dass ich jemand bin, der immer neugierig ist, der immer Fragen stellt, der gerne am Lack kratzt, um zu sehen, was sich wohl darunter verbergen mag, der die Wahrheit sucht, wissend, dass es diese eigentlich nicht gibt. Wissend, dass Täter immer auch Opfer sind, wissend, dass wir aber so gerne Täter und Opfer haben würden. Etwas davon fließt in meine Figur, Liz Ritschard, mit der ich jetzt schon vier Tatorte lebe und sie immer mehr mag. Eine Frau, die vielleicht gar nicht besonders Schweizerisch ist, aber vielleicht genau dadurch besonders gut zur Schweiz passt, weil sie dort gut und gern unter die schöne Oberfläche schaut, die vermeintliche Sicherheit und Geborgenheit entlarvt, Fragen stellt, wo sie eigentlich nicht genehm und bequem sind. Das haben Liz und ich wohl gemein. Es ist eine schöne Aufgabe, Zeit zu haben, eine Figur über längere Zeit kennenlernen zu dürfen, sie wachsen und sich entwickeln zu sehen, zu sehen, wo sie mir nah ist und zu fühlen, wo sie sich mit mir reibt. Und dies über ein Krimi-Format, das sich mit dem Menschsein und den menschlichen Abgründen beschäftigt und doch den Mut und den Humor nie verliert. Was will man mehr? Das Etwas auch in andere Richtungen fließen lassen, in die Musik, in meine Stimme, das Singen, das Auftreten mit eigenen oder auch fremden Songs, mit Bands, im Theater, Musiktheatern oder noch Unbekanntem, in andere Rollen, das Etwas von andern suchen, erarbeiten, mit dem Eigenen vermischen, austauschen, inspirieren lassen durch Altes, Grosses, und dann wieder Kleines, Alltägliches und natürlich fast am wichtigsten, durch inspirierende Menschen. Die können schon lange tot sein oder mir gegenübersitzen. Nun wisst ihr schon etwas mehr über mich? Weiß ich schon etwas mehr über mich? Über das treibende Etwas?

Anmerkung der Redaktion:
Hier ein sehr gute Kritik vom kommenden Tatort:
http://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-2360.html

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