Cinema Moralia – Folge 62: Die deutsche Filmkritik und ihr visuelles Defizit
Mal wieder Kritik der Kritik; eine Veranstaltung in der Akademie der Künste und der türkische Vorfrühling – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 63. Folge
»Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buch?« – Georg Christoph Lichtenberg, deutscher Physiker und Schriftsteller (1742 – 1799)
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Man muss mehr über Filmkritik schreiben, viel mehr infrage stellen, was Filmkritiker tun, was die Filmkritik tut, und was mit ihr getan wird. Man muss auch versuchen, genauer zu klären, was Filmkritik ist, und – viel wichtiger – was nicht. Grundsätzlich natürlich ist Schreiben über Film potentiell auch Filmkritik. Aber wir alle wissen, dass vieles, was als Filmkritik daherkommt diese eben nicht ist. Filmkritik ist nur da, wo sie keine dienende Funktion hat. Sie dient nicht dem Kino, jedenfalls nicht mehr, als das Kino ihr dient. Sie ist nicht Knecht und das Kino nicht Herr.
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Die Frage ist eine ganz grundsätzliche, prinzipielle: Wenn ich mit einem Film nichts anfangen kann, und es handelt sich um einen Filmemacher, den ich nicht schon immer sowieso für einen schlechten gehalten oder jedenfalls nicht gemocht habe, und nicht etwa um einen Anfänger, sollte ich mich dann (übrigens selbst bei Anfängern) nicht grundsätzlich erst einmal fragen, was denn der Filmemacher bei dem scheinbar so unsäglichen Mist sich gedacht haben mag? Sollte man möglicherweise dem Film und seinen Machern mehr Kredit geben, als sich selbst?
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Das ist die Frage, und ich will hier gar nicht behaupten, dass es mir selbst immer leicht fiele, in solchen Fällen nicht den bequemen Weg zu gehen und eben dann zu verreißen. Das tut jeder. Ab und zu jedenfalls. Man kann der Versuchung, sich gehen zu lassen, gar nicht entkommen, scheint mir. Interessant wird es, wenn man versucht, nachzuprüfen wo einer sich gehen lässt, und wo er sich Mühe gibt. Mir scheint es offenkundig, dass die deutsche Filmkritik ein sehr besonderes Defizit im Visuellen hat. Sie hat besondere Mühe mit Filmen, die visuell stark sind, sich um ihren Plot nicht so sehr scheren. Sie hat Mühe mit musikalischen Filmen, mit poetischen und mit solchen, die sich an Malerei orientieren. Viel leichter tut sie sich, wenn ein Filme eine Art Theaterstück sind, ein bebildertes Hörbuch, oder Fortsetzung von Literatur mit andern Mitteln. Mit dem genauen Hingucken hat sie dagegen Probleme.
Das ist natürlich eher suboptimal, wenn man es man es mit einer visuellen Kunstform zu tun hat.
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Und das ist doch Kino, oder? Wenn bei einem Film der Ton ausfällt, kann man ihn immer noch mit Gewinn ansehen. Ihn aber anzuhören wenn das Bild ausfällt, ist Blödsinn. Selbst wenn es sich nicht um eine synchronisierte Fassung handelt. Wie Ungenauigkeiten einander bedingen, belegt aber gerade die Tatsache, dass ausgerechnet im Land der Synchronisation auch die Bilder geringgeschätzt werden.
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Naheliegender Einwand: Wer ist denn »die« Filmkritik? Natürlich sind derartige Generalisierungen immer gewagt. Natürlich gibt es in Deutschland tolle Kritiker. Trotzdem glaube ich, dass die Allgemeinheit der These gerechtfertigt ist. Natürlich habe ich auch ganz bestimmte Namen im Kopf, die ich jetzt hier nicht nennen will. Führt zu nichts, stiftet nur Streit. Jeder kann nachlesen und sich seinen Teil denken. Ich versuche meinen Gedanken anders zu belegen, an konkreten Beispielen, bei denen es aber nicht um Kollegennamen geht, sondern um Filme.
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Wenn wir ein Musikstück, sei es nun eine klassische Symphonie oder einen Popsong, gehört haben – würden wir dann darüber in der Weise urteilen, dass wir sagen: Musikalisch ganz gut, aber davon abgesehen taugt es nichts?
Oder würden wir bei einem Gemälde von Cézanne urteilen: Schön gemalt, aber da sind ja nur Äpfel und Pfirsiche drauf. Das ist nun wirklich ein irrelevantes Sujet.
Würden wir Proust oder Thomas Mann deshalb nicht mehr lesen, weil sie sich ja nur mit der Vergangenheit beschäftigen?
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Alles drei ziemlich unsinnige, banausische Vorgehensweisen. Bei der Filmkritik passiert dies aber tagtäglich. Auch im Fall von renommierten Kollegen. Auch hierfür kurze Beobachtungen: Sowohl beim Berlinale-Eröffnungsfilm von Wong Kar-wai, The Grandmaster, als auch letzte Woche beim neuen Film von Terrence Malick fallen die Kritiken aus Frankreich wie aus den USA zu den genannten Film weitaus freundlicher aus, als die deutschen. Das sind beides Filme, die sich offen angreifbar machen. Aber sie haben auch eine Grund-Qualität, ein Niveau. Genau das wird in Deutschland nicht gesehen. Es zeigt sich ein Großteil der Kollegen einem Werk schlicht und einfach nicht gewachsen, das mit Bildern und in Bildern erzählt. Da wird zu Wong dann zwar bemerkt, der Film stünde »ästhetisch … Meisterwerken wie In the Mood for Love oder 2046 visuell in nichts nach« (Andreas Borcholte, »Spiegel«), doch dann sei er halt verwirrend, episodenhaft (sagt man das auch über »Tristram Shandy« oder den »Ulysses«?). Und es fällt der tolle Satz: »Einem Gesellschaftspanorama wie Leones Es war einmal in Amerika lässt sich trotz aller lokal-historischer Codierungen leichter folgen als einer Erzählung, deren Hintergrund hierzulande nur wenig bekannt ist.« Muss also hier der Regisseur den Film auf Sehgewohnheiten von »Spiegel«-Autoren abstimmen, oder vielleicht der Filmkritiker mal ein Buch lesen, dass nicht von amerikanischer Geschichte handelt?
Ähnlich bei Malick. Wieder der »Spiegel«, der gern jeden Ami-B-Movie zum Meisterwerk aufbläst, wenn nur ein knackiges Starlet mitspielt: »Alterssentimentalität … dass dem Zuschauer vor lauter Süßstoff schier die Augen verkleben. … Null-Geschichte um Begehren und Verzagen. Feucht glänzt das Auge, blutrot zittert die Lippe, lebertranig trieft der Kitsch.«
Man könnte so weiterzitieren. Der Punkt ist: Schönheit steht hier immer unter Kitschverdacht und Bilder sollen einen Zweck erfüllen. Warum? Warum dürfen Bilder sich nicht selbst genug sein? Warum muss eine Story für alle Welt verständlich sein und auserzählt werden. Warum stören sich die gleichen Kollegen nie an Filmen,die karg und langatmig sind. Weil man denen keinen Ästhetizismus vorwerfen kann?
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Vor allem: Warum haben die US-Kollegen und die Franzosen mit alldem so viel weniger Probleme?
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Ein Verdacht meinerseits: Die heimliche Angst der deutschen vor dem Fremden. Daraus resultierend ein System der gegenseitigen Selbstbestätigung.
Erinnern wir uns nochmal an Cannes. In Cannes erkennt man die Deutschen daran, dass sie immer schon alles wissen. Sie treten auf als Bescheidwisser. Als Checker. Sie haben keine Fragen, aber viele Meinungen und sind überhaupt nicht offen. Sie sitzen im Deutschen Pavillon aufeinander, lästern sie über die, die gerade nicht da sind, und versichern sich gegenseitig ihrer Aktivität und damit Bedeutung. Die Angst der Deutschen vor dem Fremden korrespondiert mit der Angst, selber unbedeutend zu sein.
Der »deutsche Film« entpuppt sich mit alldem als Ideologie und als ein in seiner Konsequenz totalitäres Konstrukt, ein Phantasma. Denn er benennt Sündenböcke – zum Beispiel die Kritiker –, und definiert sich nach innen wie außen gegen anderes, zum Beispiel »die Berliner Schule« und »die Franzosen«.
Man könnte auch sagen: Der deutsche Film ist wie Katja Riemann. Er fühlt sich immer angegriffen, hat schon von Beginn an eine latent aggressive Verteidigungshaltung, die von außen betrachtet nichts als Unsicherheit verrät und nur hysterisch wirkt.
Wer irgendwie anders ist, oder etwas zu meckern hat, der stört, und gilt als Nestbeschmutzer. Statt ein System der Selbstkritik, der ständigen Selbstverbesserung durch Kritik zu sein, ist das deutsche Kino eine Maschine der Selbstverschlechterung durch gegenseitige Selbstbestätigung.
CSU-Mentalität aufs Kino umgebrochen: »passt scho«. Und zur Not dann halt: »ja mei«
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Derart borniert ist natürlich auch der größte Teil der deutschen Filmkritik. Das erkennt man zum Beispiel am Umgang mit Malick. Man darf ja mit dem Film Probleme haben. Aber die Einhelligkeit mit der man ihn blöd findet, weckt Verdacht.
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Ein Gegenbeispiel lieferte Peter Körte in der FAS. Sein Text über To the Wonder gefällt schon mal, weil er Fragen stellt, und keine Antworten vorgibt, aber in diesen Fragen dann doch eine Haltung dem Film gegenüber entwickelt, die vorbildlich ist.
Er ist aber auch darin, wie er die Einwände aufgreift, bei den Hörnern packt, ein Musterbeispiel von Kritik der Kritik. Wir zitieren: »Nichts leichter, als hämisch über diesen Film herzufallen; sich über seine Spiritualität zu mokieren und den Stimmen aus dem Off zu bescheinigen, dass sie nur deshalb da seien, weil Schauspieler diese Sonntagsschulsentenzen in einer Szene nicht sagen könnten; nichts billiger, als zu fragen, ob man Schauspieler wie Ben Affleck oder Olga Kurylenko nicht sinnvoller beschäftigen könnte; und ob da unbedingt Berlioz, Wagner, Górecki erklingen müssen, damit es möglichst feierlich und gravitätisch wirkt.
Und es ist noch nicht mal alles ganz falsch und abwegig, was da … geschrieben wurde. … Man entgeht dem Unbehagen beim Ansehen des Films auch nicht, indem man trotzig verteidigt, was angeprangert wird. Interessanter ist es da schon, nach den Problemen zu suchen, mit denen der Film kämpft, und nicht nach den Antworten, die er ungefragt gibt. TO THE WONDER mag ja eine starke Meinung haben zum Sinn des Lebens, zu den letzten und vorletzten Dingen, doch zunächst einmal ist der Film das Ringen um eine Lösung: Wie kann man eine Liebesgeschichte im Kino erzählen, die sich von den üblichen Mustern, Formen, Strukturen löst? Wie muss eine Form beschaffen sein, die einem festumrissenen Plot den Rücken kehrt? Wie lassen sich eindeutig konstruierte Szenen mit erklärenden Dialogen auflösen, ohne dass alles zerfällt; wie diese strukturschwachen Gebilde in einer assoziativen Montage verbinden, bis ein ganz eigener Rhythmus entsteht?«
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Mehr denn je zu bekämpfen ist die Biederkeit unserer Filmkritik.
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Einen Film bieder anzugucken, heißt, ihn nur auf seine Story hin anzugucken, nicht auf formale Strukturen. Es heißt, ihm Formalismus, Ästhetizismus vorzuwerfen, oder gar, dass er »zu schön« sei. Wie geht das überhaupt: zu schön?
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Wir lieben ja »Arte«. Genau, der deutsch-französische Kulturkanal ist gemeint. Das muss man ab und zu mal sagen, auch zu sich selbst, gerade wenn man sich wieder geärgert hat. Letzte Woche habe ich die sogenannte Cannes-Berichterstattung auf »Arte« nachgeholt. Sie ist eigentlich keine, weil offiziell eingestellt, und dann doch im Netz präsent, aber auch schon deshalb, weil »Arte« jetzt auch immer mehr auf Quote schielt, und sich offenbar Cannes bei »Arte« keiner anschaut. Das wundert nicht, wenn man auch nur fünf Minuten lang zuguckt, wie zwei Franzosen in Cannes herumschlurfen, sehr schlechte Witze machen, etwa Namenswitze, und Sprachnachäffungswitze, über die allenfalls jene Teenies lachen, die »Arte« sowieso nicht gucken. Und dann wird einfach alles verrissen, und doof gefunden, nicht etwa vermittelt, auch die von »Arte« selbst für teures Gebührengeld produzierten Filme, die in Cannes laufen – und dass ist dann der Moment, wo wir bei aller Liebe zu »Arte« uns mal kurz gefragt haben, warum um alles in der Welt man Gebührengeld dafür ausgibt, dass man die vom gleichen Geld produzierten Filme schlecht macht.
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Vor ein paar Wochen habe ich selbst in Istanbul demonstriert – gegen den Abriss des traditionellen Emek-Kinos. Inzwischen ist dies passiert. Mit dem Emek begannen jene Unruhen, die inzwischen so breit geworden ist, dass wir alle davon gehört haben. Wir, aber nicht alle Türken. Denn die türkische Presse ist ökonomisch gleichgeschaltet durch einen Schweige- und Stillhaltepakt unter den türkischen Medien, deren Verleger oft freundschaftlich und / oder geschäftlich mit dem Ministerpräsident verbandelt sind.
Hierauf zielt ein Aufruf von Künstlern, Autoren und Filmemachern, der mich gestern erreichte. Es stehen gute Leute auf der Unterstützerliste, u.a. die Regisseure Fatih Akin, Semih Kaplanoglu, Nuri Bige Ceylan und Kutlug Ataman. Der Aufruf lautet: »We, as the filmmakers, writers and artists from Turkey, express our serious concern over the country-wide incidents incited with the Gezi Park protests. Please read the below declaration regarding media attitude towards these incidents is signed by leading figures of Turkey, including Fatih Akin, Kutlug Ataman, Nuri Bilge Ceylan, Semih Kaplanoglu, Yesim Ustaoglu and Zeki Demirkubuz among many others.
WE CONDEMN THE CENSORING ATTITUDE OF THE MAINSTREAM MEDIA TOWARDS THE GEZI PARK RESISTANCE!
In the movement initiated by the Gezi Park Resistance, we, as filmmakers, artists and writers of this country, condemn acts of censorship and the disregard of the principles of neutral and objective journalism by all mainstream television channels, especially NTV, CNN Türk, Habertürk, Kanal D, ATV, Star, Show TV and TRT, as well as, some newspapers, especially Star, Sabah and Habertürk, which have always defined themselves as Turkey’s prominent and objective media institutions. The Gezi Park Resistance and the protests all around the country are actions that spontaneously arose out of the people’s common conscience, independent of political affiliation. These actions symbolize an awakening of consciousness in Turkey, and worldwide, against a regime of oppression which increases its authoritarian presence every day. The common aim of those who participate in these peaceful actions is to claim their right to a life of freedom, and the right to contribute to the decisions about the place they live in, their own city and natural environment.
Much to our surprise and regret, possibly, in order to not oppose the political authorities or business magnates, we have observed that the mainstream media has featured almost nothing about this resistance movement. The provocative and aggressive approach of the police against this movement, which sometimes goes as far as trying to kill people, has also been barely covered by our mainstream media. However, as we have all witnessed, the media’s disregard has only served to reveal to Turkey and the rest of the world, the hidden agenda of those who disdain and attempt to subvert the resistance. We invite all concerned media companies in this historic moment to immediately leave their complacency, to broadcast and to publish with principles of unbiased and objective journalism, and to contribute to the establishment of a democratic and free media. This is a historic moment. An independent media will lay the grounds of trust and freedom for all of us. We will continue to witness this process.
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In Köln eröffnet jetzt das »Medienforum NRW« zum 25. Mal. Wir wären sehr gern da, aber man kann ja nicht alles machen. Außerdem hat das Medienforum keine sehr nette Einladungspolitik gegenüber Journalisten – am Ende kommt zwar jeder irgendwie rein, aber es wirkt alles nicht so, als sei Presse richtig erwünscht.
Blickt man ins Programm mischt sich Freude mit Ärger. Zuviel Bertelsmann ist der erste Eindruck, dann folgt die Überlegung, dass sich das in NRW vermutlich nicht verleiden lässt, und Bertelsmann ist immer noch besser als andere, also Schwamm drüber.
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Man ist modern. Die komplette Veranstaltung kann man sich im Netz per livestream angucken. Inhaltlich geht es um mäßig originelle Themen, wie die »Auswirkungen des digitalen Wandels sowie … Chancen und Herausforderungen für Medienwirtschaft, Medienpolitik und Gesellschaft«. Hm. Aber sie haben Robert Pfaller eingeladen, einen der originellsten und tatsächlich interessantesten Gegenwartsphilosophen. Er spricht über »The Future of Identity«. Was sehr schade ist, ist dass all die interessanten Leute, die auf dem Medienforum zu interessanten Themen sprechen, viel zu wenig Zeit bekommen! Acht Veranstaltungen mit insgesamt 39 Teilnehmern in vier Stunden – ein Wahnsinn. Allein bis sich vier Leute vorgestellt haben und so eingegrooved, dass sie mal zum Punkt kommen, ist alles vorbei. So ist das ganze toll, aber eben auch eine einzige Ressourcenverschwendung, auch von öffentlichen Geldern. Man versteht nicht, warum all diese Menschen, die mindestens zum Teil Reisekosten und Honorar bekommen, nicht auf zwei Tage verteilt werden.
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Von der SPD erreicht uns auch noch eine Meldung: »Schwarz-Gelb ist die soziale Absicherung der Kulturschaffenden total egal« heißt es da etwas salopp formuliert. Und auch im Folgenden haut die Medienfachfrau der Sozialdemokraten und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien, Angelika Krüger-Leißner, kräftig auf die Wahlkampfpauke: »komplette Ignoranz von Schwarz-Gelb gegenüber der Kultur«. Recht aber hat Krüger-Leißner mit ihrer Klage gegen den Beschluss der Regierungskoalition, die ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehene turnusmäßige Überprüfung der Künstlersozialabgabepflicht von Unternehmen durch die Träger der Rentenversicherung aus dem Gesetz für die Künstlersozialkasse (KSK) zu streichen. »Das ist mehr als fahrlässig, da diese Überprüfung nun nicht mehr verbindlich geregelt ist. Es besteht die Gefahr, dass der Abgabesatz in den kommenden Jahren deutlich steigen könnte. Damit gerät die Stabilität der KSK insgesamt in Gefahr. Zudem werden gerade die ehrlichen Unternehmen, die ihrer Abgabepflicht nachkommen, bestraft, indem die dringend notwendige Verbesserung der Kontrolle vor allem der säumigen Unternehmen nicht erfolgt. Dabei ist das Thema Beitragsgerechtigkeit ein wichtiges für die Akzeptanz der Künstlersozialabgabe. Am Ende sind viele Kultur- und Kreativschaffenden betroffen. Das für sie wichtigste Instrument für eine angemessene soziale Absicherung wird ohne Not gefährdet.«
Auch die »Akademie der Künste« sieht die Künstlersozialkasse gefährdet. In ihrer aktuellen Meldung heißt es: »Der Ausschuss für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag hat am 5. Juni eine nicht nachvollziehbare Entscheidung getroffen, die schwerwiegende Folgen für die soziale Lage tausender Künstler und Künstlerinnen nach sich ziehen kann.
Indem die regelmäßige Überprüfung der Künstlersozialabgabepflicht von Unternehmen durch die Träger der Rentenversicherung nicht mehr per Gesetz vorgeschrieben wird, entsteht für die Künstlersozialkasse eine voraussehbare Notlage. Da säumige Unternehmen, die der Abgabepflicht nicht nachkommen, keine ernsthaften Sanktionen zu befürchten haben, werden jene bestraft, die der Versicherungspflicht nachkommen und in Zukunft mit höheren Abgabesätzen rechnen müssen, um die zu erwartenden Ausfälle zu kompensieren.
Die Akademie der Künste fordert den Bundestag nachdrücklich auf, in den wenigen verbleibenden Tagen der laufenden Legislaturperiode die Schaden stiftende Entscheidung des Kulturausschusses zu revidieren. Im Sinne der Beitragsgerechtigkeit muss die regelmäßige Überprüfung der zu Abgaben an die Künstlersozialkasse verpflichteten Unternehmen unbedingt beibehalten werden.«
(To be continued)
Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind auf artechock in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beobachtungen, Kurzkritiken, Klatsch und Filmpolitik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kinogehers.